Die Grenzen der Europäischen Union

Abgrenzung und Entgrenzung – Binnenfreiheit und die Festung Europa


Essay, 2006

8 Seiten


Leseprobe


Grenzen

Grenzen haben verschiedene Funktionen. Neben der Schutzfunktion als Verteidigungslinie gegen Feinde von Außen ist der Herrschaftsaspekt wohl das älteste und auch das wesentlichste Merkmal von Grenzen. Politische Herrschaft basiert auf Macht, welche in einem bestimmten Machtbereich ausgeübt wird. Dieser Bereich, ein durch Grenzen definiertes, festes Territorium ist die Grundlage nationalstaatlicher Politik. (vgl. Ruggie 1993, S. 151) Dadurch entsteht ein inneres (Innenpolitik, Fiskalpolitik) und ein äußeres (Außenpolitik, Verteidigungspolitik, Entscheidung über Krieg und Frieden) Gewaltmonopol. Grenzen sind also der Garant staatlicher Ordnung und eines funktionierenden Staatsapparates im heutigen Sinne. „Zur Abgrenzung der Kompetenzen sind (…) Grenzen unverzichtbar. Grenzen gibt es, solange es Staaten gibt.“ (Klein 2001, S. 376) Eine weitere Funktion der Grenze ist ihr Einfluss auf Wirtschaft und Handel. Unterschiedliche geographische Voraussetzungen bedingen, dass nicht alle Staaten auf die gleichen oder die gleiche Menge an natürlichen Rohstoffen verfügen und somit Handel über die eigenen Landesgrenzen hinaus notwendig ist.(vgl. Ruggie 1993, S.152) In diesem Zusammenhang ist das Zollwesen als weiterer Wirtschaftsfaktor zu nennen und ist auch heute noch, trotz oder gerade wegen der Europäischen Union, ein unverzichtbarer Bestandteil europäischer Wirtschaftspolitik, worauf ich aber im Laufe der Debatte um Entgrenzung und Abgrenzung noch genauer eingehen werde.

Grenzen unterscheiden sich in ihrer Gestaltung. Sie können sowohl eine feste, undurchdringliche Barriere sein, als auch ein offener Grenzraum, in dem wirtschaftliche, sozialer und kultureller Austausch uneingeschränkt stattfindet. Zwischenformen zwischen diesen beiden Extremen sind dabei die Regel, jedoch sind diese Extreme nicht nur Theorie, sondern nach wie vor existent. An der Beschaffenheit ihrer Grenzen kann man Klein zu Folge die Qualität der Beziehungen zwischen zwei Staaten ablesen: Je offener die Grenzen, desto besser sind die Beziehungen zwischen den beiden Staaten. Geschlossene Grenzen lassen auf Krisensituationen schließen. (Klein 2001, S. 360) Grenzen sind jedoch weit mehr als Indikatoren zwischenstaatlicher Beziehungen, sie sind fester und wichtiger Bestandteil selbiger. Die Wichtigkeit von Grenzen in internationalen Beziehungen lässt sich an dem besonderen Schutz ablesen, der ihnen durch das Völkerrecht zuteil wird. Vertrags- und Sukzessionsrecht belegen, dass „das Staatsgebiet und seine näher bestimmten Grenzen“ Bestandsschutz genießen. So können beispielsweise Grenzverträge nicht aufgehoben oder revidiert werden. (vgl. Klein 2001, S. 359) Die Wichtigkeit der Grenzen, die diesen Schutz nach sich zieht, liegt darin begründet, dass jede Gefährdung eines Staates und seiner territorialen Integrität nahezu zwangsläufig kriegerische Auseinandersetzungen hervorrufen. Grenzen als Sicherheit von Staaten sind folglich auch ein Garant für Frieden. (vgl. Klein 2001, S. 258) Neben diesen bisher genannten politischen, militärischen und wirtschaftlichen Funktionen von Grenzen existiert noch eine weitere, die soziokulturelle Komponente. Grenzen können ethnische religiöse und soziale Gruppen verbinden oder trennen. Eine mit dem Lineal gezogene Grenze kann ein Volk, eine Rasse oder eine Religionsgemeinschaft auseinanderreißen. Andererseits können auch neue Staaten mit neuen Grenzen entstehen, in denen diese wieder zusammengeführt werden (vgl. Selbstbestimmungsrecht der Völker, Klein S. 360 ff). Grenzen können Identität schaffen und fördern und ein Zusammengehörigkeitsgefühl bei denen hervorrufen, die innerhalb dieser Grenzen leben. Identität ist oftmals mit Formen von Nationalismus verbunden. Grenzen sind dann die „cell wall of the basic unit of national identity“ ( Anderson 1998, S. 3) und bilden eine emotionale, psychologische, sowie eine politisch-geographische Trennlinie zwischen „Freund und Feind“. (vgl. Anderson 1998, S. 3 ff) Betrachtet man nun, diesen Aspekt vor Augen, Europa, so ist man wieder bei der Frage nach Entgrenzung und Abgrenzung. Noch herrschen nationale Identitäten vor, doch können wir eine europäische Identität entwickeln, indem wir unsere Binnengrenzen einreißen und einen Graben zwischen uns und unseren Nachbarn ziehen ?

Entgrenzung und Abgrenzung

Die nationalen Grenzen Europas, sowohl die Binnengrenzen, als auch die Außengrenzen, befinden sich im Wandel und haben bereits einige Veränderungen basierend auf den Abkommen von Schengen ( 1985, 1990 – Grenzpolitik) und dem Vertrag von Amsterdam (Asyl-, Visa- und Einwanderungspolitik) durchlaufen. (vgl. Neumann 2004, S. 9)

So hat gelten in der Europäischen Union die vier Freiheiten im Binnenmarkt: Freier Personenverkehr: Wegfall der Kontrollen an den Binnengrenzen, Harmonisierung der Asyl- und Zuwanderungspolitik, Freizügigkeit für Arbeitnehmer, Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht für EU-Bürger.

Freier Warenverkehr: Wegfall der Grenzkontrollen, keine Zölle oder mengenmäßigen Beschränkungen, Harmonisierung bzw. gegenseitige Anerkennung von Normen und Vorschriften, Steuerharmonisierung.

Freier Dienstleistungsverkehr: Niederlassungsrecht, Offenheit für grenzüberschreitende Dienstleistungen, Liberalisierung der Bank- und Versicherungsdienstleistungen, Öffnung der Transport-, Post-, Telekommunikations-, und Energiemärkte.

Freier Kapitalverkehr. Freizügigkeit für den Zahlungsverkehr (Investitionen und Anlagen) in der EU und nach außen, Integration der Finanzmärkte, Liberalisierung des Wertpapierverkehrs. (Zahlenbilder 2005, S. 36)

Ende der Leseprobe aus 8 Seiten

Details

Titel
Die Grenzen der Europäischen Union
Untertitel
Abgrenzung und Entgrenzung – Binnenfreiheit und die Festung Europa
Autor
Jahr
2006
Seiten
8
Katalognummer
V121071
ISBN (eBook)
9783640243976
Dateigröße
436 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Grenzen, Europäischen, Union
Arbeit zitieren
Dipl.-Pol. Björn Siebert (Autor:in), 2006, Die Grenzen der Europäischen Union, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121071

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