Zwischen Freiheitskampf und religiösem Fanatismus - Terrorismus am Beispiel der palästinensischen Widerstandbewegung Hamas


Hausarbeit, 2006

24 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Begriffe und Definitionen
1. Terrorismus
a. Ethnisch-separatistischer Terrorismus
b. Sozialrevolutionärer Terrorismus
c. Religiöser Terrorismus
2. Islamischer Fundamentalismus

III. Die Hamas – Islamische Widerstandsbewegung
1. Ursprünge und Entstehung der Organisation
a. Die Muslimbruderschaft
b. Die erste Intifada und die Folgen
2. Die Ideologie und Politik von Hamas
a. Der bewaffnete Kampf gegen Israel
b. Politisches Engagement
c. Soziales Engagement
d. Die Hamas und der Friedensprozess
e. Aufbau und Finanzierung
3. Eine Einordnung der Hamas

IV. Fazit

V. Quellen- und Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Über kaum ein Phänomen wird heute in Medien, Öffentlichkeit und Wissenschaft gleichermaßen soviel diskutiert wie über das des Terrorismus. Wurde in früheren Zeiten der Terrorismus oft nur als eine Begleiterscheinung eines lokalen Konfliktes wahrgenommen, wurde er im 21. Jahrhundert zur globalen Herausforderung. Dabei wird immer wieder deutlich, wie schwer es ist, alle Erscheinungsformen von Terrorismus zu erfassen und zu erklären. Die Frage, wie sich Terrorismus einheitlich beschreiben lassen könnte, wurde bis heute nicht geklärt. Aber anhand eines konkreten Beispiels lässt sich durchaus erklären, was Motive und Ziele von Terroristen sein können, welche Ideologien Menschen zum Töten Unschuldiger verleiten und was die Wurzeln solcher Ideologien sein können.

In der folgenden Arbeit soll dieses am Beispiel der palästinensischen Widerstandsbewegung „Hamas“ skizziert werden. Sobald in den Medien über den Nahost-Konflikt berichtet wird, fällt unweigerlich auch irgendwann der Name dieser terroristischen Organisation. Doch was ist die Hamas eigentlich? Wie ist diese Organisation entstanden, was sind ihre Wurzeln und welche Ideologie steckt hinter dieser Bewegung?

Um diese Fragen zu beantworten ist es zunächst nötig, die verschiedenen Erscheinungsformen von Terrorismus näher zu erläutern. Deshalb soll zu Beginn dieser Arbeit kurz auf die drei Idealtypen des Terrorismus, wie sie heute unterschieden werden, eingegangen werden. Im Hinblick auf die Hamas soll dabei auch besonders die Rolle, die Religion beim Auftreten von Terrorismus spielt, ins Auge gefasst werden. Im zweiten Teil der Arbeit werden Geschichte, Ideologie und Politik der Hamas beschrieben. Zum Abschluss soll versucht werden, die Hamas in die beschriebenen Terrorismustypen einzuordnen. Handelt es sich bei der Hamas ausschließlich um einer religiöse Bewegung, oder muss man bei der Betrachtung ihres bisherigen Lebenslaufs auch andere Dinge mit einbeziehen?

II. Begriffe und Definitionen

1. Terrorismus

Bis heute gibt es keine Definition des Begriffs Terrorismus, die alle Arten dieses Phänomens beschreiben könnte und allgemeine Gültigkeit besitzt.1 Dieses mag zum einen daran liegen, dass sich die Bedeutung und der Gebrauch des Begriffs in der Vergangenheit oft gewandelt haben. So wurden Terroristen zu früheren Zeiten auch als „Freiheitskämpfer“ oder „Stadtguerilla“ bezeichnet, beides Begriffe, die heute weitaus positiver bewertet werden als der des Terroristen.2 Außerdem ist bei dem Versuch einer Definition zu beachten, dass ein Terrorist sich selbst nie als einen solchen bezeichnen würde. So sehen sich gerade auch die Aktivisten der palästinensischen Hamas selbst als „Freiheitskämpfer“ für das palästinensische Volk, während in ihren Augen die Vertreter der israelischen Staatsmacht die wahren Terroristen sind. Deshalb ist die Definition von Terrorismus auch immer davon abhängig, auf welcher Seite man steht.

Laut Titel 22 des United States Code ist Terrorismus „politisch motivierte vorsätzliche Gewalt, die von subnationalen Gruppen oder Geheimagenten gegen Nichtkämpfer ausgeübt wird und in der Regel eine Zielgruppe beeinflussen soll.“3 Eine andere Definition des Terrorismusbegriffs gibt der ehemalige israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Für ihn ist Terrorismus ein vorsätzlicher Angriff auf Unschuldige außerhalb eines legitimierten Feldes der Konfliktaustragung.4 Bei dieser Definition muss die Gewalt also nicht zwangsläufig politisch motiviert sein. In den achtziger Jahren hat ein Autor über hundert verschiedene Definitionen von Terrorismus zusammengestellt, ein Beweis dafür, wie facettenreich dieses Phänomen sein kann.5

Heute hat sich in der Wissenschaft eine Dreiteilung des Terrorismusbegriffs durchgesetzt. Es wird unterschieden zwischen ethnisch-separatistischem, sozialrevolutionärem und religiösem Terrorismus. Diese drei Typen stellen jedoch Idealtypen dar, der Übergang zwischen ihnen ist fließend, was auch bei der nachfolgenden Betrachtung der Hamas deutlich werden wird.

a. Ethnisch-separatistischer Terrorismus

Die Form des ethnisch-separatistischen Terrorismus ist eine Form der politischen Gewalt, mit welcher vor allem ethnische oder auch religiöse Minderheiten versuchen, ihre Ziele zu erreichen. Diese Ziele sind meist weitreichende Autonomierechte für die jeweilige Volksgruppe, bessere Repräsentation oder Gleichstellung einer Minderheit bis hin zu vollständiger staatlicher Unabhängigkeit. Eine derartige Form des Terrorismus ist besonders in Europa und in Nordamerika anzutreffen.6

Nationalistisch-separatistische Terroristengruppen zeichnen sich oft durch eine relativ lange Lebensdauer aus. Sie können oft auf eine breite Basis einer nationalen und religiösen Bevölkerungsschicht zurückgreifen. Dieses verleiht den Organisationen Sicherheit bei der Rekrutierung neuer Mitglieder, bei der Beschaffung von Finanzmitteln und bei sonstigen Maßnahmen zur Unterstützung.7 Besonders bei dieser Form des Terrorismus greifen die Organisationen oft auf das Prinzip der Arbeitsteilung zurück. Sie bestehen meist aus einem radikalen, militärischen Zweig der für die Planung und Durchführung terroristischer Anschläge zuständig ist, sowie aus einem politischen Zweig, der die Interessen der Organisation und der zu vertretenden Bevölkerungsschicht innerhalb des politischen Systems vertritt.8

Die radikalen Programme und Parolen solcher Organisationen tragen mitunter marxistisch-leninistische Züge, die in diesen Fällen jedoch in erster Linie als ein Synonym für Antiamerikanismus interpretiert werden können.9 Die entscheidenden Faktoren für die Integration innerhalb von nationalistisch-separatistischen Gruppierungen sind jedoch Faktoren wie Hautfarbe, nationale Identität oder auch Religion, wobei letztere im Gegensatz zum religiösen Terrorismus nur eine sekundäre Rolle spielt (siehe auch Punkt II, 1c). Die Mitglieder terroristischer Organisationen dieses Typs sehen sich selbst als Kämpfer für die Interessen einer unterdrückten ethnischen Minderheit. Ihr Kampf dient in ihren Augen einer notwendigen „Volksbefreiung“.10

b. Sozialrevolutionärer Terrorismus

Der sozialrevolutionäre Terrorismus ist eine im linksextremistischen Milieu verbreitete Form des Terrorismus. Organisationen, die dieser Terrorismusart zugerechnet werden können entstanden beispielsweise in den sechziger und siebziger Jahren vor allem in den westlichen Industriegesellschaften. Der sozialrevolutionäre Terrorismus hängt eng mit dem Aufstieg der Neuen Linken zusammen, welche in vielen Fällen durch extremistisches Handeln ihre Abscheu über die Ungerechtigkeiten der modernen Industriegesellschaften zum Ausdruck brachte.11

Die Vertreter dieses Terrorismus entstammen sehr oft elitären Kreisen und Intellektuellen, die sich als Stellvertreter von sozial schwachen Schichten und ausgebeuteten Arbeitern deklarieren und sich für deren Interessen einsetzen. Ihre Ideologie basiert auf dem orthodoxen Sozialismus, dem Kommunismus und dem Anarchismus.12 Viele Mitglieder dieser linksextremistischen Strömungen wandten sich nach dem Zerfall der Neuen Linken dem Terrorismus zu. Als Beispiele können die deutsche „Rote Armee Fraktion“ (RAF), die „Roten Brigaden“ in Italien sowie die „Angry Brigade“ in Großbritannien erwähnt werden. Bevorzugte Ziele ihres terroristischen Handelns sind Politiker, Juristen, Industrielle und Bankiers.13 Auf diese Weise soll auf die Ungerechtigkeiten innerhalb der modernen, kapitalistischen westlichen Gesellschaften aufmerksam gemacht werden. Stattdessen kämpfen die Terroristen für einen Staat sozialistischer Prägung und für eine gleichgeschaltete und ihrem Sinne nach gerechte Gesellschaft.

c. Religiöser Terrorismus

Der religiös motivierte Terrorismus gilt heute als die älteste Erscheinungsform terroristischer Gewalt. Bereits bei den Assassinen in Syrien und Persien, sowie auch bei den Thugs in Indien trat diese Form in Erscheinung.14 Viele terroristische Gruppen weisen eine mehr oder weniger stark ausgeprägte religiöse Komponente auf. Bei der Mehrzahl der terroristischen Vereinigungen zeigt sich jedoch ein eindeutiges Übergewicht bei der politischen Motivation, die Religion spielt nur eine untergeordnete Rolle und dient lediglich zu Förderung der Integration. Bei den Gruppierungen, die dem religiösen Terrorismus zugerechnet werden, überwiegt jedoch die religiöse Motivation, das terroristische Handeln wird als ein „göttliches Gebot“ hochstilisiert. Die Gewalt wird von den Terroristen als eine „Heilige Pflicht“ angesehen, sie wird zu einem sakralen Akt. Man mordet, weil Gott es so will.15

Gerade aufgrund der Erfahrungen aus der jüngsten Vergangenheit wird dem religiösen Terrorismus ein enorm hohes Potenzial an Gewalt zugerechnet. Denn das Töten erhält in diesem Falle eine transzendente Dimension, wodurch oft politische, moralische oder praktische Zwänge wegfallen. Deshalb neigt diese Erscheinungsform des Terrorismus leicht zu Gewalttaten höheren Ausmaßes und potenziell höheren Opferzahlen. Andersdenkende werden als „Ungläubige“, „Kinder Satans“ oder „Untermenschen“ bezeichnet, was zu einer Auflösung von Hemmungen gegenüber Gewalt und Blutvergießen führen kann.16 Stattdessen steht das persönliche Heil des Attentäters, die Verheißung auf ein ewiges Leben im Paradies sowie die Betonung des Märtyrertums an vorderster Stelle. Die Gewalt wird dabei als einziges und notwendiges Mittel angesehen, mit dem die angestrebten Ziele erreicht werden können.

Grundsätzlich ist der religiös motivierte Terrorismus in allen großen Weltreligionen, aber auch zum Beispiel innerhalb von Sekten (v. a. bei apokalyptischen Endzeitsekten) zu beobachten. Besonders ist jedoch aktuell im islamischen Raum eine Renaissance des religiösen Terrorismus zu verzeichnen, in seiner heutigen Form vor allem seit der iranischen Revolution.17 Als hauptsächliche Ursache hierfür ist der wachsende Fundamentalismus im Islam seit Beginn des 20. Jahrhunderts zu nennen. Auf diese Entwicklung soll im folgenden Abschnitt genauer eingegangen werden.

2. Islamischer Fundamentalismus

Ein wichtiges Element, das vor allem für das Verständnis des religiösen Terrorismus eine entscheidende Rolle spielt, ist der religiöse Fundamentalismus. Diese Art der militanten Frömmigkeit hat im zwanzigsten Jahrhundert in allen großen religiösen Traditionen Einzug gehalten.18 Für diese Arbeit ist deshalb allen voran die Geschichte des islamischen Fundamentalismus19 äußerst wichtig.

Besonders im Falle des Islam kann der religiöse Fundamentalismus als ein Produkt der fehlenden Bewältigung der Moderne angesehen werden.20 Die moderne Form des islamischen Fundamentalismus entwickelte sich in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Nach dem Ende der osmanischen Fremdherrschaft über den arabischen Raum gab es dort große Hoffnungen auf Unabhängigkeit und eigene Nationalstaaten, welche jedoch durch die imperialistische Politik der europäischen Großmächte enttäuscht wurden. Diese Enttäuschung sowie ökonomische Probleme führten im islamischen Raum zu einer tiefen Identitätskrise, welche wiederum in einer zunehmenden anti-westlichen Stimmung mündete.21 Viele islamische Gruppierungen nutzten dies aus und propagierten die Rückbesinnung auf alte Traditionen und Verhaltensnormen als Lösung aus dieser Krise, die durch die Kolonialmächte in den arabischen Raum importierten westlichen Werte der Aufklärung wurden in diesen Kreisen vehement abgelehnt.22 Eine derartige Rückbesinnung auf den Islam als ein Allheilmittel resultiert aus dem Scheitern einer kulturellen Verwestlichung der arabischen Welt.23

[...]


1 Vgl. Laqueur 2004, S. 346.

2 Vgl. Hoffman 2001, S. 34f.

3 Laqueur 2004, S. 347.

4 Vgl. Witte 2003, S. 196.

5 Vgl. Laqueur 2004, S. 346.

6 Vgl. Laqueur 1987, S. 261.

7 Vgl. ebd.

8 Als Beispiele hierfür können etwa die baskische ETA mit ihrem politischen Flügel „Herri Batasuna“ sowie die irische IRA mit der ihr nahe stehenden Partei „Sinn Fein“ angeführt werden.

9 Vgl. Laqueur 1987, S. 261f.

10 Vgl. Laqueur 1987, S. 262.

11 Vgl. ebd., S. 298.

12 Vgl. ebd., S. 299.

13 Vgl. ebd., S. 299f.

14 Vgl. Hoffman 2001, S. 113.

15 Vgl. ebd., S. 112ff.

16 Vgl. ebd., S. 122f.

17 Vgl. ebd., S. 117.

18 Vgl. Armstrong 2004, S. 9.

19 Der islamische Fundamentalismus wird in der Literatur und in den Medien oft auch kurz als Islamismus bezeichnet.

20 Vgl. Tibi 2002, S. 46.

21 Vgl. Khallouk 2003, S. 98f.

22 Vgl. ebd., S. 99.

23 Vgl. Tibi 2002, S. 50ff.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Zwischen Freiheitskampf und religiösem Fanatismus - Terrorismus am Beispiel der palästinensischen Widerstandbewegung Hamas
Hochschule
Universität Regensburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
24
Katalognummer
V121114
ISBN (eBook)
9783640249916
Dateigröße
455 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zwischen, Freiheitskampf, Fanatismus, Terrorismus, Beispiel, Widerstandbewegung, Hamas
Arbeit zitieren
Michael Bartmann (Autor:in), 2006, Zwischen Freiheitskampf und religiösem Fanatismus - Terrorismus am Beispiel der palästinensischen Widerstandbewegung Hamas, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121114

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