Typologie der Raumgrammatik. Lokalisierungsausdrücke der finnischen, englischen und deutschen Sprache

Eine semantisch-typologische Analyse


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

24 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Gegenstand und Zielsetzung

2. Lokalisierung – Begriffsbestimmung und theoretischer Hintergrund
2.1 Lokalisierung – Was ist das?
2.2 Intrinsische, relative und absolute Raumreferenz

3. Semantisch-typologischer Vergleich: Lokalisierung Deutsch – Englisch – Finnisch
3.1 Raum und Grammatik – Wie die Sprachen Finnisch, Englisch und Deutsch Raumrelationen grammatisch verarbeiten.
3.1.1 Deutsch – Kasus, Präpositionen und Adverbien
3.1.2 Englisch – Präpositionen und Adverbien
3.1.3 Finnisch – Lokalkasus, Postpositionen und Adverbien
3.2 Semantische Analyse ausgewählter finnischer, deutscher und englischer Lokalmarker

4. Schlussbetrachtung

5. Liste der Abkürzungen

6. Anhang – Ergebnisse der TRPS

7. Literaturverzeichnis

1. Gegenstand und Zielsetzung

Die etwa 6.000 Sprachen, die auf der Erde gesprochen werden, unterscheiden sich auf vielfältige Weise. Aber es gibt Grenzen der Verschiedenheit, und auch innerhalb der Verschiedenheit lassen sich Muster erkennen und Verallgemeinerungen formulieren. Haspelmath et al. 2001: VII.

Ziel dieser Arbeit ist einerseits die Darstellung eben dieser Verschiedenheit von Sprachen, andererseits soll versucht werden, Muster und Verallgemeinerungen aufzudecken und zu formulieren. Gegenstand der Arbeit sind dabei die sprachlichen Mittel zur Darstellung von Raumrelationen in den drei Sprachen Deutsch, Englisch und Finnisch. Die Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut: In Kapitel 2.1 wird zunächst der Begriff der Lokalisierung erläutert. Kapitel 2.2 geht auf die Frage ein, welche Referenzsysteme sprachlichen Lokalisierungsausdrücken unterliegen können. In Kapitel 3 werden anschließend anhand der Sprachen Deutsch, Englisch und Finnisch semantisch-typologische Aspekte der Raumlinguistik aufgezeigt, wobei in 3.1 zunächst auf die Raumgrammatik der einzelnen Sprachen eingegangen wird. Als Grundlage dienen dabei der Duden für die deutsche Sprache, verschiedene Lehrwerke und Grammatiken für die englische bzw. die finnische Sprache. Abschließend soll in Kapitel 3.2 anhand der so genanntenTopological Relations Picture Seriesvon Melissa Bowerman untersucht werden, ob und wenn ja, welche Unterschiede sich im Bezug auf die Semantik aus den in 3.1 dargestellten grammatisch-lexikalischen Mitteln zur Beschreibung von Raumrelationen ergeben. In Kapitel 4 werden dann die Ergebnisse zusammengefasst und gegebenenfalls Anregungen für die weitere Forschung gegeben.

2. Lokalisierung – Begriffsbestimmung und theoretischer Hintergrund

2.1 Lokalisierung – Was ist das?

Bevor im weiteren Verlauf der Arbeit auf grammatische und semantische Aspekte von sprachlichen Raumdarstellungen eingegangen werden kann, stellen sich einige theoretische Fragen. Zunächst ist insbesondere der Begriff derLokalisierungvon besonderem Interesse. In der Forschungsliteratur herrscht hinsichtlich der Definition des Begriffs erstaunliche Einstimmigkeit, sodass der AusdruckLokalisierungfolgendermaßen definiert werden kann: Eine Lokalisierung ist eine Relation zwischen zwei Objekten, fortanFigureundGroundgenannt, wobei die Figure relativ zum Ground im Raum positioniert wird. In dem Beispielsatzdie Katze liegt auf dem Sofa istKatzedemnach die Figure,Sofader Ground, wobeidie Katzedurch das Verbliegenund die Präpositionaufrelativ zuSofaim Raum positioniert wird. Ähnliche Definitionen finden sich in der Forschungsliteratur, so z.B. bei Becker (1994: 3), Le­vinson und Wilkins (2006: 3) und bei Huumo und Ojutkangas (2006: 2). Äquivalent gebrauchte Begriffe für Ground sind unter anderemLocus, Lokale, LandmarkoderRelatum, die Figure wird auch alsThema, RelatoroderTrajectorbezeichnet.

Da in dieser Arbeit aber vor allem die grammatischen Mittel, mit Hilfe derer eine solche Raumrelation ausgedrückt werden kann, im Zentrum stehen, wird an dieser Stelle der BegriffLokalmarker(LM) eingeführt. Dieser Begriff bezeichnet zusammenfassend das Repertoire an Adpositionen, Kasus und Adverbien, das für Lokalisierungsausdrücke in den Sprachen Deutsch, Englisch und Finnisch relevant ist. In Anlehnung an die semantische Kategorisierung deutscher Präpositionen durch Wunderlich und Herweg (1991: 776-781) wird dabei zwischen topologischen, dimensionalen und wegbezogenen Lokalmarkern unterschieden. Topologische Lokalmarker, z.B. deutschin, an, auf,bezeichnen eine zweistellige Raumrelation, in der die Figure in der Nachbarschaft des Grounds lokalisiert wird; sie lassen eine Betonung auf ziel- bzw. ursprungsgerichteten Richtungsaspekt (Goalbzw.Source) oder Positionsaspekt (Position) zu (Vgl. Wunderlich und Herweg 1991: 776). Auch dimensionale Lokalmarker wie z.B.über, unterundhinterlassen eine Unterscheidung nach Goal, Source und Position zu, sie implizieren neben Figure und Ground aber noch ein drittes Argument, einen Raumvektor (Vgl. Wunderlich und Herweg 1991: 778). Die drei Raumvektoren oder Raumachsen können als Vertikal- (z.B.über, unter), Lateral- (z.B.neben, links von, rechts von) und Frontal-Achse (z.B.vor, hinter) bezeichnet werden (Vgl. Huumo und Ojutkangas 2006: 18). Als wegbezogene Lokalmarker bezeichnen Wunderlich und Herweg (1991: 781)um, durch, längsundentlang.Diese Lokalmarker werden dadurch charakterisiert, dass zur Lokalisierung der Figure ein hypothetischer Weg (Path) gefunden werden muss (Vgl. Huumo und Ojutkangas: 781). Die Unterscheidung nach topologischen, dimensionalen und wegbezogenen Lokalmarkern macht deutlich, dass eine sprachliche Lokalisierung, je nach Lokalmarker, den Aspekt der Nähe oder Nachbarschaft, den Aspekt der Raumdimension oder den des Weges hervorheben kann.

2.2 Intrinsische, relative und absolute Raumreferenz

Nachdem in 2.1 der Begriff der Lokalisierung erläutert und die wichtigsten Kategorien von Lokalmarkern eingeführt wurden, bleibt die Frage, was bei einer Raumrelation als Referenzpunkt dienen kann. Schließlich können LM wieüber,hinterodernebennur verstanden werden, wenn die Frage nach der Referenz geklärt ist. Levinson und Wilkins (2006: 19-23) schlagen diesbezüglich eine Dreiteilung in intrinsischen, relativen und absoluten Referenzrahmen vor, die im Folgenden zusammengefasst dargestellt wird.

Die Anwendung des intrinsischen Referenzrahmens hat nach Levinson und Wilkins (2006: 20) zur Folge, dass dem Ground Merkmale wie z.B.Vorder-undRückseitezugeschrieben werden, anhand derer die Position der Figure beschrieben wird. Es findet also eine Art Identifizierung mit dem Ground statt, sodass Raumrelationen bei einer intrinsischen Beschreibung aus der Perspektive des Grounds beschrieben werden. Dabei ist nicht immer eindeutig, nach welchen Kriterien dem Ground Merkmale wie Vorder- oder Rückseite zugeordnet werden. So würde man z.B. bei Abb. 1 die Seite des Sessels als Vorderseite bezeichnen, auf die der/die Betrachter/in schaut, bei Abb. 2 ist die Vorderseite allerdings nicht eindeutig zu bestimmen, da man ebenso behaupten könnte, dass die Seite, auf die man schaut, die Rückseite des Sessels ist, da es sich um die Rückenlehne handelt. Man könnte also bei beiden Abbildungen die Situation mitdie Pflanze steht vor dem Sessel beschreiben,bei Abb. 2 wäre es aber auch möglich, die Situation mitdie Pflanze steht hinter dem Sesselzu beschreiben. Es kann also sogar innerhalb eines Referenzrahmens zu Missverständnissen kommen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei Anwendung des relativen Referenzrahmens können Uneindeutigkeiten leichter ausgeschlossen werden, zumindest, wenn man sich innerhalb einer Sprachgemeinschaft bewegt.[1]Die Raumrelation wird in diesem Fall aus dem Blickwinkel des/der Betrachters/in beschrieben; Figure und Ground werden also von außen betrachtet und relativ zur eigenen Position beschrieben (Vgl. Levinson und Wilkins 2006: 21). Das heißt, dass bei Anwendung des relativen Referenzrahmens die Situationen in Abb. 1 und 2 beide mitdie Pflanze steht vor dem Sesselbeschrieben würden. Levinson und Wilkins (2006: 21) stellen fest, dass es in Sprachen, die sowohl einen intrinsischen als auch einen relativen Referenzrahmen anwenden, aber für beide die gleichen Lokalmarker benutzen, zu Uneindeutigkeiten kommen kann, da anhand der Lokalmarker nicht zu erkennen ist, welcher Referenzrahmen angewendet wird. Dies ist in allen drei Sprachen, die in dieser Arbeit untersucht werden, der Fall.

Deutlich unterscheiden sich hingegen sowohl im Deutschen als auch im Englischen und Finnischen die LM für eine Raumbeschreibung mit absolutem Referenzrahmen von den LM, die sich auf einen intrinsischen oder relativen Referenzrahmen beziehen. Zur Anwendung eines absoluten Referenzrahmens, der sich durch absolute Referenzpunkte im Raum auszeichnet (Vgl. Levinson und Wilkins: 21), kommt es allerdings sowohl im Deutschen als auch im Finnischen und Englischen eher selten. Ein Beispiel für ein absolutes Referenzsystem wären z.B. die vier Himmelsrichtungen, die hauptsächlich für die Lokalisierung von Städten, Ländern und anderen geographischen Objekten benutzt werden. In einigen außereuropäischen Sprachen dienen absolute Referenzpunkte allerdings fast ausschließlich zur Orientierung (Vgl. Levinson und Wilkins: 22), sodass eine Situation, wie sie in Abb. 1 und 2 dargestellt ist, mit einem Satz wiedie Pflanze steht südlich des Sesselsbeschrieben werden könnte. Im Unterschied zu den beiden anderen Referenzsystemen ist ein Lokalisierungsausdruck mit absolutem Referenzrahmen unabhängig von der Position des/der Betrachters/in und den Merkmalen des Grounds.

Was die deutsche, finnische und englische Sprache betrifft, so unterliegt den meisten Raumrelationen mit dimensionalen LM der relative Referenzrahmen, der anhand der drei Raumachsen gegliedert wird. Auch Raumrelationen, die auf deiktischen Begriffen wiehier, dortoderdabasieren, unterliegt in der Regel der relative Referenzrahmen (Vgl. Wunderlich/ Herweg 1991: 758). Topologische Lokalmarker hingegen können keinem Referenzrahmen zugeordnet werden, sie werden in Kapitel 3.2 anhand der TRPS von Melissa Bowerman behandelt. Zunächst sollen nun aber in Kapitel 3 die wichtigsten Lokalmarker der drei Sprachen Deutsch, Englisch und Finnisch dargestellt werden. Dabei werden Verben bewusst ausgeklammert, obwohl diese in Bezug auf Raumrelationen eine wichtige Rolle spielen können.

3. Semantisch-typologischer Vergleich: Lokalisierung Deutsch – Englisch – Finnisch

3.1 Raum und Grammatik – Wie die Sprachen Finnisch, Englisch und Deutsch Raumrelationen grammatisch verarbeiten

3.1.1 Deutsch – Kasus, Präpositionen und Adverbien

Im Deutschen werden Raumrelationen hauptsächlich mit Hilfe von Lokaladver­bien und Lokalpräpositionen wie z.B.dort, hier, daundin, an, auf, eher selten auch durch Post- und Zirkumpositionen ausgedrückt. Die Präpositionen unterscheiden sich von den Adverbien dadurch, dass sie eine Ergänzung fordern und einen Kasus regieren.

Am häufigsten stehen Präpositionen im Deutschen mit dem Dativ und/oder dem Akkusativ. Präpositionen, die mit beiden Kasus gebraucht werden können, ermöglichen durch den Kasus eine Unterscheidung zwischen zielgerichtetem Richtungsaspekt und Positionsaspekt. Bei statischer Bedeutung regieren diese Lokalpräpositionen den Dativ, bei direk­tionaler Bedeutung hingegen den Akkusativ. Im Duden Grammatik (2005: 615f) werden solche Präpositionen als Wechselpräpositionen bezeichnet, als deren Vertreter werdenan, auf, hinter, in, neben, über, unter, vorundzwischenaufgezählt.

Im Gegensatz zu den Wechselpräpositionen ist bei Präpositionen, die nur den Akkusativ oder nur den Dativ regieren, keine Systematik im Hinblick auf Richtungs-, Positions- oder Wegaspekt zu erkennen. So impliziertbeiplus Dativ in dem Satzdas Kind ist bei den Großelterneinen Positionsaspekt,vonplus Dativ in dem Satzdas Kind kommt von den Großelternaber einen ursprungsgerichteten Richtungsaspekt. Ähnlich verhält es sich mit den Präpositionenumplus Akkusativ undgegenplus Akkusativ. In dem Satzdie Menschen standen um das Kindwird ein Wegaspekt ausgedrückt, der aber auch als Positionsaspekt verstanden werden kann, in dem Satzer ging gegen Südenhingegen wird ein zielgerichteter Richtungsaspekt ausgedrückt. Präpositionen, die nur den Akkusativ oder nur den Dativ regieren, lassen also allein aufgrund des Kasus keinen Rückschluss auf Richtungs-, Positions- oder Wegaspekt der beschriebenen Raumrelation zu.

Neben diesen beiden Gruppen von Präpositionen existiert auch noch eine Reihe von Präpositionen, die den Genitiv regieren, unter anderemoberhalb,inmittenundaußerhalb. Mitglieder dieser Gruppe implizieren entweder einen Positionsaspekt, so z.B. in den Sätzendas Landgut liegt oberhalb der Stadtoderdie Gruppe läuft diesseits des Flusses,oder einen Wegaspekt.Ähnlich wie bei Genitivattributen kann das Substantiv im Genitiv in diesen Fällen durch eine Art Hilfskonstruktion mitvonplus Dativ ersetzt werden, z.B.außerhalb von Kölnstattaußerhalb Kölns.

[...]


[1]Levinson und Wilkins (2006: 21) weisen auch im Falle des relativen Referenzrahmens auf mögliche Missverständnisse zwischen Sprechern/innen hin, da Begriffe wievorin verschiedenen Sprachen unterschiedlich definiert sein können. Da sowohl im Deutschen als auch im Finnischen und Englischen solche Unterschiede nicht auftreten, wird auf die Darstellung möglicher Uneindeutigkeiten bzgl. des relativen Referenzrahmens hier nicht weiter eingegangen.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Typologie der Raumgrammatik. Lokalisierungsausdrücke der finnischen, englischen und deutschen Sprache
Untertitel
Eine semantisch-typologische Analyse
Hochschule
Universität zu Köln
Veranstaltung
Deutsch kontrastiv (Hauptseminar)
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
24
Katalognummer
V121234
ISBN (eBook)
9783668065833
Dateigröße
591 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
typologie, raumgrammatik, lokalisierungsausdrücke, sprache, eine, analyse
Arbeit zitieren
Sandra Martina Bähr (Autor:in), 2008, Typologie der Raumgrammatik. Lokalisierungsausdrücke der finnischen, englischen und deutschen Sprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121234

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