„Doch das wirklich Böse ist das, was bei uns sprachloses Entsetzen verursacht, wenn wir nichts anderes mehr sagen können, als: Das hätte nie geschehen dürfen.“
So ein berühmtes Zitat aus Hannah Arendts Vorlesung „Über das Böse“. Sie spricht vor dem Hintergrund der Erfahrung des Nationalsozialismus und des Holocaust, ratlos steht sie vor etwas, das „nie geschehen hätte dürfen“, das alle Grundpfeiler der Moralphilosophie und des Glaubens an das Gute im Menschen mit einem Male grundlegend in Frage stellt. Sprachlos ist Hannah Arendt dabei nicht nur wegen der unvorstellbaren Gräueltaten, die geschehen sind, sprachlos ist sie vor allem angesichts jener Menschen, die in der Mehrzahl diese Gräueltaten mitgetragen, unterstützt oder stumm geduldet haben.
Diese Arbeit wendet sich vor dem Hintergrund dieser Erfahrung und auch vor dem Hintegrund Hannah Arendts Vorlesung einem Menschen zu, der in den Zeiten des Nationalsozia-lismus in der Minderheit war und der gehandelt hat.
Sophie Scholl ist eine Figur des 20. Jahrhunderts, die schon viele Bücher gefüllt hat, die als Heldin, als Vorbild oder als ganz normales junges Mädchen dargestellt wurde und die in ihrer fast sturen Konsequenz beinahe etwas Märtyrerhaftes an sich hat.
In dieser Arbeit soll der Film „Sophie Scholl – die letzten Tage“ in den Mittelpunkt gerückt werden. Dabei werden von seinen Problemstellungen ausgehend die moralphilosophischen Spannungsfelder beleuchtet, die das Handeln der Sophie Scholl und die Diskussionen mit Mohr aufzeigen. Bei dem Film handelt es sich dabei um keinen Dokumentarfilm, es wird also immer von den Figuren des Spielfilms die Rede sein. Allerdings kann man dem Film „Sophie Scholl – die letzten Tage“ dennoch einen gewissen dokumentarischen Wert zuweisen, da sich der Regisseur Marc Rothemund intensiv mit Zeitdokumenten auseinander gesetzt hat und ein Großteil der Dialoge auf den Original-Vernehmungsprotokollen und Interviews mit Zeitzeugen beruht.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffsklärungen
2.1 Die „Moral“
2.2 Die „Gerechtigkeit“
2.3 Die „Religion“
3 Inhaltsangabe Film
4 Analyse des Films
4.1 Politik, Moral und Religion
4.2 Soziales Umfeld von Sophie
4.3 Politik, Moral und Recht
4.4 Das Gewissen
4.5 Erweiterte Betrachtung der Figuren Mohr und Sophie
4.5.1 Deontologisch versus teleologisch
4.5.2 Verantwortungsethik versus Gesinnungsethik
5. Schluss
Medienverzeichnis
1. Einleitung
„Doch das wirklich Böse ist das, was bei uns sprachloses Entsetzen verursacht, wenn wir nichts anderes mehr sagen können, als: Das hätte nie geschehen dürfen.“[1]
So ein berühmtes Zitat aus Hannah Arendts Vorlesung „Über das Böse“. Sie spricht vor dem Hintergrund der Erfahrung des Nationalsozialismus und des Holocaust, ratlos steht sie vor etwas, das „nie geschehen hätte dürfen“, das alle Grundpfeiler der Moralphilosophie und des Glaubens an das Gute im Menschen mit einem Male grundlegend in Frage stellt. Sprachlos ist Hannah Arendt dabei nicht nur wegen der unvorstellbaren Gräueltaten, die geschehen sind, sprachlos ist sie vor allem angesichts jener Menschen, die in der Mehrzahl diese Gräueltaten mitgetragen, unterstützt oder stumm geduldet haben.
Diese Arbeit wendet sich vor dem Hintergrund dieser Erfahrung und auch vor dem Hintergrund Hannah Arendts Vorlesung einem Menschen zu, der in den Zeiten des Nationalsozialismus in der Minderheit war und der gehandelt hat.
Sophie Scholl ist eine Figur des 20. Jahrhunderts, die schon viele Bücher gefüllt hat, die als Heldin, als Vorbild oder als ganz normales junges Mädchen dargestellt wurde und die in ihrer fast sturen Konsequenz beinahe etwas Märtyrerhaftes an sich hat. Auch das Medium des Films hat sich dieser Figur zugewandt, im Jahr 2005 kam Marc Rothemunds Film „Sophie Scholl – die letzten Tage“ in die deutschen Kinos. Beruhend auf den erstmals freigegebenen Verhören zwischen Sophie Scholl und dem Gestapo-Kriminalobersekretär Robert Mohr stellt der Film die letzten Tage der Sophie Scholl zwischen Verhör und Zelle ins Zentrum des Films, ein Großteil des Films konzentriert sich auf die Dialoge zwischen den beiden Hauptfiguren und es sind Dialoge, die den Zuschauer viel von dem erahnen lassen, was Sophie die Stärke gab, ihren Weg zu gehen.
In dieser Arbeit soll der Film „Sophie Scholl – die letzten Tage“ in den Mittelpunkt gerückt werden. Dabei werden von seinen Problemstellungen ausgehend die moralphilosophischen Spannungsfelder beleuchtet, die das Handeln der Sophie Scholl und die Diskussionen mit Mohr aufzeigen. Bei dem Film handelt es sich dabei um keinen Dokumentarfilm, es wird also immer von den Figuren des Spielfilms die Rede sein. Allerdings kann man dem Film „Sophie Scholl – die letzten Tage“ dennoch einen gewissen dokumentarischen Wert zuweisen, da sich der Regisseur Marc Rothemund intensiv mit Zeitdokumenten auseinander gesetzt hat und ein Großteil der Dialoge auf den Original-Vernehmungsprotokollen und Interviews mit Zeitzeugen beruht[2].
In der Arbeit werden zunächst die wichtigsten Begriffe geklärt werden und eine Inhaltsangabe des Films die Handlung kurz umreißen. Die drei großen Kapitel der Arbeit widmen sich erst dem Spannungsfeld Moral und Religion, dann dem der Moral und Gerechtigkeit und schließlich sollen mit einem Einordnungsversuch in die Begriffspaare deontologisch versus teleologisch und Gesinnungs- versus Verantwortungs-Ethik die Figuren Sophies und Mohrs noch einmal von einem anderen Blickwinkel aus betrachtet werden.
Max Weber hat in seinem Text „Politik als Beruf“ geschrieben:
„Es ist durchaus richtig, dass man das Mögliche nicht erreicht, wenn nicht immer wieder in der Welt nach dem Unmöglichen gegriffen worden wäre. Aber der, der das tun kann, muss ein Führer und nicht nur das, sonder auch – in einem sehr schlichten Wortsinn – ein Held sein.“[3]
Hat Sophie Scholl in einer Zeit der moralischen Haltlosigkeit nach dem Unmöglichen gegriffen und musste man wirklich ein Held sein, um seinen Idealen und Grundwerten treu zu bleiben?
2. Begriffsklärungen
Es werden in dieser Arbeit mehrere Begriffe verwendet werden. Es liegt dabei im Wesen der Arbeit, dass sich diese Begriffe mitunter von der lexikalischen Definition entfernen und ihre Grenzen und die innerbegrifflichen Spannungsfelder aufgezeigt werden. Doch auch wenn es schwer fällt, große philosophische Begriffe in ein festes Muster zu pressen, so sollen die drei zentralen Begriffe dieser Arbeit – die Moral, die Gerechtigkeit und die Religion – doch kurz aus dem Arbeitskontext herausgehoben und eine möglichst neutrale Definition versucht werden, die später den Wandlungen und Abweichungen gegenüber gestellt werden kann.
2.1 Die „Moral“
Die Moral wird als Sittenlehre, als sittliches Verhalten oder Gefühl definiert. Dabei wird der Terminus „Moral“ häufig mit dem der „Ethik“ gleichgesetzt und auch in dieser Arbeit sollen die beiden Begriffe synomym verwendet werden. Moral bezeichnet darüber hinaus eine gefühlsmäßige Reaktion auf sittliche Werte und Unwerte und ist der Oberbegriff für eine in der Natur des Menschen liegende Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht.[4]
2.2 Die „Gerechtigkeit“
Der Begriff der Gerechtigkeit hat viele Facetten, eine grundlegende Unterscheidung ist die zwischen subjektiver und objektiver Gerechtigkeit. Betrachtet man die objektive Seite, so definiert das Lexikon die Gerechtigkeit als:
„das zeitlos gültige Maß sozial richtigen Verhaltens, die Idee, die dem positiven Recht eines jeden Volkes zugrunde liegt und die als kategorischer Imperativ sich an alle mit dem Recht Befaßten, in erster Linie also an den Gesetzgeber und den Richter, weiterhin aber auch an jeden einzelnen Rechtsgenossen in seinem Verhalten zu anderen richtet“.[5]
Ein wichtiger Begriff, der in dieser objektiven Gewichtung eingeführt wurde, ist der des Gesetzes. Auch er wird im weiteren Verlauf der Arbeit eine Rolle spielen.
In subjektiver Hinsicht ist die Gerechtigkeit eine Tugend. Der Mensch begegnet dem anderen dabei zum einen als Person und zum anderen mit seinen Leistungen und stellt nur jene Anforderungen, die er selbst in der gleichen Lage zu erfüllen bereit wäre.
Soweit die objektive und die subjektive, auf die Person bezogene, Sichtweise der Gerechtigkeit. Weitere Aspekte sollen im zweiten großen Kapitel dieser Arbeit aufgezeigt werden.
2.3 Die „Religion“
Eine Religion ist die
„Weltanschauung aus dem Glauben und die Lebensführung aus dem Verbundenheits-, Abhängigkeits- und Verpflichtungsgefühl gegenüber Gott als der geheimnisvollen, haltgebenden und zu verehrenden obersten Macht“.[6]
So die lexikalische Definition. Dabei beruht die Religion im eigentlichen Sinne auf der Überzeugung einer übernatürlichen Offenbarung und auf der Gefühlsgrundlage gläubiger Gottesfurcht und Gottesliebe. Vor diesem Hintergrund einer tiefen Religiösität wird im Weiteren die Figur der Sophie Scholl betrachtet werden.
3. Inhaltsangabe Film
Der Film „Sophie Scholl – die letzten Tage“ konzentriert sich, wie der Titel schon beinhaltet, auf die letzten Tage und Momente im Leben der Sophie Scholl, ihres Bruders Hans und des Christoph Probst.
Eine kurze Szene zu Filmbeginn zeigt Sophie mit einer Freundin beim Hören von Swingmusik und es spricht Lebensfreude und Jugendlichkeit aus den Bildern. Doch nur kurz steht diese Unbekümmertheit im Raum, bald beobachtet man Sophie mit den anderen Mitgliedern der Weißen Rose in ihrem Versteck, dem Atelier eines befreundeten Malers. Das sechste Flugblatt der Weißen Rose[7] wird dort gedruckt – eine Anklage des Untergangs der Soldaten in Stalingrad und ein Mahnruf für einen „neuen gläubigen Durchbruch von Freiheit und Ehre“[8] in Deutschland. Die Studentenschaft soll Hitler entgegentreten und für wahre Wissenschaft und echte Geistesfreiheit kämpfen. Während Sophie die Flugblätter für den Briefversand fertig stellt, verkündet Hans seinen Plan, die restlichen Flugblätter am nächsten Tag in der Universität zu verteilen. „Ich übernehme die Verantwortung, ich alleine“ ist seine Reaktion auf Willi Grafs Ablehnung des Plans.
Sophie schließt sich Hans an, am nächsten Morgen legen die beiden Geschwister in der Universität die Flugblätter aus. Die Zeit eilt, Sophie und Hans haben nur wenige Minuten, bis die Studenten aus den Vorlesungen in die noch menschenleere Aula der Universität strömen werden. Als die Geschwister die Universität schon beinahe verlassen haben, entscheiden sie sich, noch einmal zurück zu kehren um auch die letzten Aufrufe noch zu verteilen. In einem Anflug von Übermut stößt Sophie den letzten Stapel der Flugblätter von einer Brüstung hinab in die Aula.
Die Entscheidung zur Rückkehr hat fatale Folgen: Als sich die Aula mit Studenten füllt, werden Sophie und Hans vom Hausmeister der Universität, der die beiden beobachtet hat, verhaftet und zum Direktor abgeführt. Im Direktorat werden die beiden vom Kriminalobersekretär bei der Gestapo, Robert Mohr, abgeholt und in den Wittelsbacher Palais, die Münchner Gestapo-Zentrale, gebracht. Dort trennt man die beiden Geschwister voneinander und sie werden einzeln verhört – in Folge konzentriert sich der Film auf die Verhörszenen von Sophie durch Mohr.
„Ich habe damit nichts zu tun“ ist Sophies erste Reaktion auf die Frage Mohrs nach den Flugblättern. Sie und ihr Bruder seien unpolitische Menschen und wären nur zufällig zur Tatzeit in der Universität gewesen. Sie habe zwar aus Spaß den Stapel Flugblätter in die Aula hinab gestoßen, hätte vom Inhalt aber nur wenig gewusst. Mohr glaubt Sophie, da ihr Bruder Hans die Angaben bestätigt und er macht Sophie Hoffnung auf baldige Freilassung.
Doch kurz bevor Sophie der Entlassungsschein ausgestellt werden soll, werden die Beweise zu erdrückend. Es wurden hunderte von Briefmarken und eine Schreibmaschine in dem Zimmer von Hans gefunden und Sophie muss zu einem zweiten Verhör zu Mohr. Nachdem Sophie dort erfährt, dass ihr Bruder Hans gestanden hat und behauptet, alles alleine gemacht zu haben, gesteht auch sie. „Und ich bin stolz darauf“ fügt sie ihrem Geständnis hinzu.
Sophie lässt sich zur Toilette bringen, vor dem Spiegel bricht sie zusammen, weint und sammelt sich schließlich wieder. Zurück bei Mohr bekennt sich Sophie auch zu den ‚Schmierereien’ an der Universität und unterschreibt ihr Geständnis.
Zwischen den Verhören ist Sophie in einer Zelle zusammen mit Else, einer Kommunistin eingesperrt. In Else findet Sophie eine Freundin und Gesprächspartnerin, hier zeigt sich Sophie auch von ihrer weichen und leidenden Seite. Nach ihrem Geständnis hat Sophie vor allem Angst um ihre Eltern. „Wenn meine Mutter von der Verhaftung erfährt, das verkraftet sie nicht“, sagt Sophie.
Dann folgt das dritte Verhör – Mohr versucht nun von Sophie weitere Mitglieder der Weißen Rose zu erfahren. „Mein Bruder und ich sind die Täter, die Sie suchen“ ist Sophies Antwort – sie versucht in dem Verhör alles, um alle anderen, die am Widerstand der Weißen Rose beteiligt sind, zu entlasten bzw. zu verschweigen.
Wieder in der Zelle spricht Sophie mit Else über ihren Verlobten Fritz, der an der Ostfront kämpft. Er weiß nichts von dem Widerstand der Weißen Rose, aber er sei ein „freier Geist“ und würde verstehen, was sie tue, meint Sophie. Nachts betet Sophie und sucht Ruhe im Gespräch mit Gott.
Das vierte und letzte Verhör entwickelt sich zwischen Sophie und Mohr zu einem Gespräch von philosophischer Tiefe. Emotional diskutieren Mohr und Sophie über die Bedeutung des Gesetzes, über das Gewissen und den von Hitler errichteten Staat. Mohr verficht dabei in allen Bereichen die Denkweise des Nationalsozialismus, glaubt an den Endsieg, wettert gegen Plutokratie und Bolschewismus und verteidigt die Judenverfolgung und die Euthanasie von geistig Kranken. Sophie stellt seiner Gesinnung eine Haltung gegenüber, die auf ihrem Gewissen gründet – auf „Sitte, Moral und Gott“. Auch wenn Mohr an seinen nationalsozialistischen Gedankenkonstrukten festhält, so ist ihm doch auch eine Bewunderung für die Standhaftigkeit und die Klarheit, mit der Sophie argumentiert, anzumerken. Nicht zuletzt ist er selbst Vater von einem Sohn und erinnert Sophie immer wieder daran, ob sie sich darüber im Klaren sei, dass sie ihr noch so junges Leben aufs Spiel setze: „Fräulein Scholl, wenn Sie das alles bedacht hätten. (…) Es geht um Ihr Leben.“
Sichtbar betroffen baut Mohr Sophie eine ‚goldene Brücke’ – er bietet ihr an, sich von ihrem Geständnis zu distanzieren und ihre eigene Handlung aufs schärfste zu verurteilen. Sophie lehnt ab. „Ich würde es genau so wieder machen. Denn nicht ich, sondern Sie haben die falsche Weltanschauung.“ ist Sophies Reaktion auf Mohrs Angebot und damit ist das Verhör beendet.
In der Zelle erfährt Sophie von dem Neuzugang Christoph Probst, der auch festgenommen wurde. Probst hatte den Text für das Flugblatt verfasst, nun droht auch ihm die Todesstrafe. Sophie ist erschüttert, denn Probst ist Vater von drei kleinen Kindern.
Bis zur Verhandlung am nächsten Tag ist Sophie mit Else in der Zelle. Wieder betet Sophie, in der Nacht träumt Sophie von einer Frau, die – während sie selbst stürzt – das Kind in ihren Armen rettet. „Das Kind ist unsere Idee und sie hat überlebt“, erzählt Sophie am nächsten Morgen Else. Dann wird Sophie zur Gerichtsverhandlung abgeholt.
Im Gerichtssaal sehen sich Sophie, Hans und Christoph Probst wieder, alle drei sind sie angeklagt wegen „Hochverrats, Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung“. Der Prozess ist ein Schauprozess vor Roland Freislers Volksgerichtshof.
Der Reihe nach werden die Angeklagten vor den Richter geführt. Christoph Probst ist schwer gezeichnet von Angst, er fleht Freisler um sein Leben an, seine Kinder bräuchten einen Vater. „Das ganze deutsche Volk ist ausgeblutet und es will Frieden“, verteidigt Hans noch einmal den Inhalt des 6. Flugblatts der Weißen Rose. Hitler führe das Volk „mit mathematischer Sicherheit“ in den Abgrund und er könne den Krieg nicht mehr gewinnen, sondern nur noch verlängern, so Hans.
Als letzte der Angeklagten wird Sophie vor den Richter geführt. Die Weiße Rose habe mit dem Wort gekämpft und versucht, den Menschen die Augen zu öffnen – dafür schäme sie sich nicht, sagt Sophie. Und: „Ein Herrenvolk will in Wirklichkeit Frieden. Und dass die Menschenwürde wieder Achtung findet. Es will Gott, Gewissen, Mitgefühl.“
Freisler reagiert in seiner Rolle als Richter cholerisch, er lässt die Angeklagten kaum zu Wort kommen und schreit ihnen die Parolen Hitlers entgegen.
Kurz, bevor die Angeklagten ihre Schlussworte sprechen sollen, stürmt Robert Scholl, der Vater von Sophie und Hans, in den Gerichtssaal. Er will seine Kinder verteidigen. „Es gibt noch eine andere Gerechtigkeit“ ruft er in den Saal, bevor er hinaus gezerrt wird.
In den Schlussworten fleht Probst noch einmal um sein Leben wegen seiner Kinder und Sophie richtet an Freisler die Worte: „Bald werden Sie hier stehen, wo wir jetzt stehen.“
In dem schließlich verkündeten Urteil werden alle drei Angeklagten zum Tode verurteilt, noch am selben Tag soll die Hinrichtung stattfinden. Nach Ende der Verhandlung werden Sophie, Hans und Probst in die Strafanstalt gebracht und wieder konzentriert sich der Blick des Films auf Sophies letzte Stunden dort.
In den wenigen Minuten, die ihr für schriftliche Abschiedsworte gegeben werden, bricht Sophie zusammen, sie krümmt sich zusammen, schreit und weint. „Gelieber Fritz“ sind die einzigen Worte, die sie auf Papier bringt, dann wird Sophie von der Wärterin abgeholt.
Ein letztes Mal sieht Sophie ihre Eltern. „Bitte sorgt euch nicht. Ich würde alles genauso wieder machen“, beteuert Sophie und ihr Vater meint: „Ich bin stolz auf dich“.
In einer innigen Umarmung verabschiedet sich Sophie von ihren Eltern – als sie weinend wieder auf den Gang des Gefängnisses hinaus geführt wird, begegnet ihr Mohr. „Ich habe mich gerade von meinen Eltern verabschiedet. Sie werden verstehen“ sagt Sophie und Mohr nickt leicht, dann geht sein Blick zu Boden.
In der Zelle betet Sophie zusammen mit dem Gefängnis-Geistlichen ein letztes Mal und lässt sich von dem Geistlichen segnen. „Niemand hat größere Liebe denn der, der sein Leben lässt für seine Freunde“ und „Gott ist bei dir“ sind die Worte, die der Pfarrer Sophie mit auf den Weg in die Todeskammer gibt.
Kurz vor der Hinrichtung lässt die Wärterin Sophie, Hans und Probst gegen die Vorschrift noch einmal zusammen treffen und eine letzte Zigarette zusammen rauchen. Die drei Mitglieder der Weißen Rose wirken ungeheuer stark in diesem Moment, sie scheinen sich gegenseitig Kraft zu geben und Christoph Probst meint: „Es war nicht vergebens.“.
„Die Sonne scheint noch“, sind Sophies letzten Worte, als sie über den sonnigen Innenhof in den Hinrichtungsraum geführt wird. „Es lebe die Freiheit“ schreit Hans, bevor er hingerichtet wird.
In den Hinrichtungsszenen wird der Film beinahe minimalistisch reduziert auf Geräusche und die letzten Worte. In den letzten Bildern sieht man Flugblätter auf eine Stadt hinabsegeln – das 6. Flugblatt der Weißen Rose war nach England gelangt und von den Alliierten über Deutschland abgeworfen worden. „Ein deutsches Flugblatt – Manifest der Münchner Studenten“ war der Titel.
4. Analyse des Films
4.1 Politik, Moral und Religion
Wie ein symbolischer Faden ziehen sich Elemente des Lichts durch den Film, gleißendes Sonnenlicht, das durch die Gefängnisfenster dringt oder Erinnerungen an lichte Zeiten und an sonnige Sommer. Sophie scheint dieses Licht zu suchen, immer wieder geht ihr Blick in Richtung Himmel und unterstreicht damit den Kontrast zwischen Gefangensein und der Freiheit, Helligkeit und Schönheit der Natur.
Doch die Herausarbeitung dieses Kontrastes ist nur eine Weise der Interpretation. Man kann in dem wesentlichen Element des Lichts im Film „Sophie Scholl – die letzten Tage“ auch mehr sehen, man kann darin eine Versinnbildlichung eines wesentlichen Wertes von Sophie sehen, der ihr Handeln womöglich stark prägt: den Glauben.
Nach dem 3. Verhör durch Mohr wird Sophie in die Zelle zurück gebracht, nach einem Gespräch mit Else schläft sie ein. In der Nacht erwacht Sophie von Lärm auf dem Gefängnisgang – in einem Gebet sucht sie Ruhe in Gott:
„Lieber Gott, ich kann nicht anders als stammeln zu dir und dir mein Herz hinhalten.
Du hast uns geschaffen hin zu dir.
Und unruhig ist unser Herz bis es Ruhe findet in dir. Amen.“
Es ist das erste Gebet, das in dem Film gezeigt wird und Sophie ist in diesem Moment geprägt von den Erlebnissen des vorangegangenen Verhörs. „Haben Sie denn nie die Konsequenzen bedacht, wenn Sie und Ihr Bruder alles auf sich nehmen?“ hat Mohr sie kurz vor Ende des Verhörs gefragt – Mohr sprach dabei vom Tod, von der Bedrohung von Sophies Leben, die ihrem klaren Handeln folgen wird.
Vor diesem Hintergrund der Lebensbedrohung wendet sich Sophie nun an Gott und fleht darum, Ruhe zu finden. Noch einige Male erlebt man im Film eine zutiefst gläubige Sophie, die bis zuletzt neben ihrem Pochen auf das Gewissen, die Moral und das Mitgefühl den Glauben an Gott immer wieder betont. Auch bei ihren Schlussworten als Angeklagte bei der Gerichtsverhandlung vor dem Volksgerichtshof wirft sie dem Richter Freisler entgegen:
Sophie: „Ein Herrenvolk will in Wirklichkeit Frieden. Und dass die Menschenwürde wieder Achtung findet. Es will Gott. Gewissen. Mitgefühl.“
Frieden, Menschenwürde und Gott. Daraus spricht die Verbindung von humanistischen mit religiösen Werten bei Sophie und diese scheinen eine sehr wichtige, wenn nicht die wichtigste Rolle in ihrem unumstößlichen Eintreten für den Widerstand zu spielen.
Doch wie groß ist der Einfluss des Glaubens wirklich auf ihr Handeln?
Hätte Sophie genau so gehandelt, wenn sie nicht gläubig gewesen wäre?
Und: Ist es überhaupt denkbar, ohne die Religion als letztlichen Hintergrund moralisch zu handeln?
Immanuel Kant hätte die letzte dieser drei Fragen wohl bejaht und er hat die Religion und die Moral in seiner Philosophie klar voneinander getrennt. „Wir werden Handlungen nicht darum für verbindlich halten, weil sie Gebote Gottes sind, sondern sie darum als göttliche Gebote ansehen, weil wir dazu innerlich verbunden sind“[9] schreibt Kant und er verlangt damit eine Emanzipation der Moral von religiösen Geboten. Die Moralität soll eine rein menschliche Angelegenheit sein, dasjenige ‚Organ’, das die innerliche Verbundenheit auslösen soll, ist nach Kant die Vernunft. In der vernünftigen Struktur des menschlichen Geistes oder des menschlichen Herzens sei der Ort des allgemeinen Wissens zu finden – dabei verstehe sich dieses Wissen von selbst, während dies für das moralische Betragen nicht der Fall sei. Nach Kant ist es also die Vernunft, die dem Menschen den moralisch richtigen Weg weist. Ob dieser ihn dann auch einschlägt, ist eine andere Sache.
Auch für Sophie spielen außerhalb der Religion und ihrem Glauben andere Werte eine entscheidende Rolle und auch sie trennt die Moral erst einmal von der Religion. In einer Szene im vierten Verhör kommen Mohr und Sophie auf die Euthanasie von geistig Kranken zu sprechen und Mohr verteidigt die Tötung dieser Menschen. In der Reaktion Sophies und dem folgenden Dialog betont Sophie die Wertmaßstäbe, die mit ihrer Wirklichkeit zu tun haben, die für sie die Eckpfeiler darstellen:
Sophie: „Ich weiß genau, dass kein Mensch egal unter welchen Umständen ein Recht hat, ein Urteil zu fällen, das allein Gott vorbehalten ist. (…) Jedes Leben ist kostbar.
Mohr: „Sie müssen sich daran gewöhnen, dass eine neue Zeit angebrochen ist. Was Sie sagen, hat mit der Realität nichts zu tun.“
Sophie: „Was ich sage, hat natürlich mit der Wirklichkeit zu tun. Mit Sitte, Moral und Gott.“
‚Sitte, Moral und Gott’ sind die Pfeiler, die Sophie betont - für Sophie scheinen der Glaube an Gott und die religiösen Gebote demnach nicht gleich zu setzen zu sein mit der Moral, vielmehr scheinen sie in einem Zusammenspiel zu stehen und sich zu ergänzen. In ihrem moralischen Handeln fühlt sich Sophie ihrem Gewissen verpflichtet – darauf soll an späterer Stelle noch genauer eingegangen werden. Gleichzeitig ist der Glaube an Gott und die christliche Ethik eine Stütze, an der sie besonders in der extremen Situation der Lebensbedrohung Halt sucht. Besonders deutlich wird dies in dem zweiten Gebet, das im Film gezeigt wird. Hinter Sophie liegt an dieser Stelle das vierte Verhör durch Mohr, sie hat die Goldene Brücke nicht beschritten und damit letztlich ihr eigenes Todesurteil unterzeichnet. „Es gibt kein Zurück“ sagt Sophie nach ihrem Zurückkommen in die Zelle zu Else, später geht Sophies Blick zum Fenster, wieder sucht sie das Licht, das durch die Fensterscheiben dringt. In dieser Haltung betet Sophie.
„Ich bitte dich von ganzem Herzen. Ruf mich zu dir, wenn ich nicht von dir weiß…dass in dir allein mein Heil.
Ich bitte dich: Wende dich nicht von mir, lieber Gott. Mein herrlicher Vater. Amen.“
Das Heil, von dem Sophie in diesem Gebet spricht und das sie allein in die Hände Gottes legt, verbindet sie auch mit ihren Eltern. „Wir sehen uns in der Ewigkeit wieder“, sagt Sophies Mutter zu Sophie bei der Verabschiedung kurz vor der Hinrichtung. „Ja Mutter“, antwortet Sophie und sie wirkt in dieser Szene nicht mehr Halt suchend als verzweifelt Betende, sondern stark und sicher in ihrem Glauben an eine Ewigkeit, an ein Leben nach dem Tod und an das Heil in Gott.
[...]
[1] Arendt, 2006, 45
[2] http://www.br-online.de/kultur-szene/thema/scholl-weisse-rose/film.xml
[3] Weber, 1992, 252
[4] Hoffmeister, 1955, 412
[5] Hoffmeister, 1955, 260
[6] Hoffmeister, 1955, 524
[7] Anmerkung: Die Weiße Rose war eine Widerstandsgruppe von fünf Münchner Studenten und ihrem Hochschulprofessor, die zwischen Juni 1942 und Februar 1943 die deutsche Bevölkerung mit Flugblattaktionen zum Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur aufrief.
[8] Flugblatt 6 http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/weisserose6/index.html
[9] Menzer, 1924, 93
- Arbeit zitieren
- BA Dorothea Feuchtgruber (Autor:in), 2007, Gesetz ohne Gewissen? - Eine Analyse des Films „Sophie Scholl – die letzten Tage“ im Spannungsfeld von Politik, Moral, Religion und Recht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121278
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