Von Wotan, Wagner und Walküren - germanische Götter in archäologischen und schriftlichen Quellen


Seminararbeit, 2007

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Einleitung

Dank Richard Wagner und seinem Nibelungen – Zyklus weiß heute jeder, wie man sich eine Walküre oder den nordischen Gott Odin vorzustellen hat. Hünenhafte Gestalten mit überdimensionalen Flügelhelmen geistern noch immer durch die Köpfe des Lesers, wenn er sich den Abenteuern des Recken Siegfried widmet oder den Donnergott Thor auf seinen Reisen zu den Riesen begleitet. Diese Vorstellungen sind jedoch mehr auf die romantischen Visionen des 19. Jahrhunderts zurück zu führen , deren Mittelpunkt sicherlich die Werke Wagners darstellen, wie auch der begleitende Bilderzyklus des Briten Arthur Rackham[1] ; als auf die wirkliche religiöse Welt der germanischen Stämme. Viele Götter und Göttinnen kennen wir nur noch vom Namen her, andere wiederum sind vollkommen in Vergessenheit geraten und nur wenige haben bis in heutige Zeit „überlebt“, was vor allem den Sagas und Eddadichtungen des Mittelalters zu verdanken ist, die sich jedoch vor allem auf die wikingischen Mythen beziehen.

Die Vielzahl, ab der Zeitwende als germanisch bezeichneten Stämme hing polytheistischen Kulten an, welche sich jedoch von Stamm zu Stamm und von Jahrhundert zu Jahrhundert nicht unwesentlich voneinander unterschieden. Ein weiterer Faktor, der verdeutlicht, dass weder die Germanen noch die germanischen Götter als geschlossene Einheit zu sehen sind. Spricht man jedoch vom germanischen Glauben, so darf neben der paganen Religion nicht das Christentum vergessen, denn bereits im beginnenden 4. Jahrhundert traten beispielsweise die Goten zum Arianismus über, gefolgt von den Vandalen und Langobarden in späterer Zeit und der Christianisierung der nordgermanischen Wikingern im Mittelalter.

Gegenstand der vorliegenden Arbeit soll jedoch weder das arianische Christentum, noch der Synkretismus der Wikingerzeit sein, sondern der germanische Polytheismus, der als nicht- kodifizierte Religion nur durch archäologische Funde und wenigstens bis zur Karolingerzeit nur durch externe schriftliche Zeugnisse zu belegen ist; deshalb und aufgrund der räumlichen, wie auch zeitlichen Ausdehnung sind die nicht unbeträchtlichen Abweichungen in den verschiedenen Quellen verständlich, die sich vor allen aus dem archäologischen, schriftlichen, sprachlichen, volkskundlichen und ikonographischen Material zusammensetzen und hier teilweise näher untersucht werden sollen.

1. Archäologische Quellen

Bei den archäologischen Quellen spielen vor allem die Gräber eine zentrale Rolle, da sie durch ihre Bestattungsform, ihre Beigaben und den Ritus der Niederlegung einen gewissen Eindruck von der damalige Dies- und Jenseitsvorstellung vermitteln. Die verbreiteten Schiffsgräber der Vendel[2] - und Wikingerzeit[3] lassen vermuten,dass man davon ausging, der Tote würde mit diesem Verkehrsmittel seine letzte Reise[4] antreten, ähnlich dem nordischen Totenschiff Naglfar, welches dem Feuerriesen Muspell gehört[5]. Überhaupt zeigen die heidnischen Grabbeigaben, dass man sich auch das Jenseits nach sozialen Ständen gegliedert vorstellte, sodass reiche Beigaben wie Waffen, Pferde, Wagen oder Schiff zu Ausstattung für ein Leben nach dem Tode bestimmt waren und den Rechtsanspruch des Toten auf seine Habe verdeutlichen. Weitere Hinweise auf religiöse Praktiken finden sich bei den Hallenbauten der wikingischen Zeit, den bekannten Opfermooren wie Thorsberg und Oberdorla und den Weihesteinen der germanischen Matronenverehrung[6] auf dem Gebiet des Imperium Romanum.

1.1. Matronenverehrung

Die steinernen Denkmäler der Matronenverehrung[7] (vor allem am Neckar und Niederrhein) haben die Jahrhunderte besser überstanden als ihre hölzernen Gegenstücke im nicht-romanisierten Teil Germaniens und belegen dadurch eine Vielzahl an weiblichen Götternamen, die sonst verloren gegangen wären. Diese Regional- und Stammesgottheiten werden auf den Hunderten von Weihesteinen als matres, matrae und deae bezeichnet und überliefern nicht nur ihrer eigenen Namen, sondern auch den des Dedikanten, den Grund für die Anrufung und vereinzelt auch ein Datum[8]. Die Steinmetze waren entweder Römer oder römisch geschulte Handwerker, was erklärt, warum die angesprochenen Göttinnen lokaler Natur waren, die Votivaltäre jedoch mit römischen Skulpturen und einer lateinischen Inschrift geschmückt waren. Meist wurden die Göttinnen in einer sitzenden Dreiergruppe dargestellt[9], wie auf dem Stein von Nettersheim , wobei die äußeren Personen durch ihre ubische Haartracht mit großer runder Haube als verheiratete Frauen erkennbar sind und nur die mittlere Darstellung ihr Haar offen trägt, als Symbol der Jugend und Freiheit[10]. Meist tragen sie Füllhörner, Fruchtkörbe oder ähnliche Fruchtbarkeitssymbole in ihren Händen und auch die Wünsche der Stifter hatten meist mit familiären Sorgen zu tun. In christlicher Zeit wurden aus den germanischen Göttinnen heilige Frauen, die jedoch ähnliche Aufgaben erfüllten und aus privaten Gründen aufgesucht wurden und noch heute werden viele dieser Orte verehrt und Opfergaben niedergelegt. Die Matronenverehrung beschränkte sich jedoch nicht nur auf das römisch- germanische Gebiet, sondern fand ihre Anhänger auch unter den keltischen Stämmen, wobei der Hauptverbreitungszeitraum ins 1. - 5. Jahrhundert zu datieren ist. Bei den matres sind meist die Beinamen der einzige Zugang zur Bedeutung der Gottheit, so sind einige eher eindeutig :

Gabiae – die Gebende oder Matris Suebis[11] Stammmutter der Sueben, einem recht typischen Beispiel, bei dem der Stammesname einfließt und kein eigentlicher Name mehr gebildet wird. Auffällig viele Matronen sind aber auf Fluss- oder Gewässernamen zurück zu führen, was die Vermutung zulässt, dass sie einst ursprünglich Quellgötter waren[12], wie wir es aus dem keltischen Gebiet kennen. Parallelen einer solchen Verehrung von Mutter- bzw. Lokalgottheiten sind ansonsten aus der Germania nicht gesichert, was jedoch auch an der Quellenarmut des rechtsrheinischen Gebietes liegen kann. Burchard von Worms berichtet jedoch um das Jahr 1000 in seinen Poenitentiale[13] von einer Dreiheit von Göttinnen, die von den, dem Heidentum noch nahe stehenden , Frauen verehrt wurden, indem man ihnen Tische voll Obst deckte, damit sie einem halfen, wie es auch bei den matres üblich war; jedoch nennt Burchard sie parcae, nach den römischen Schicksalsgöttinnen. Auffällig ist ebenfalls, dass man sie auch im Kontext der Voraussagung der Zukunft von Kleinkindern befragte, womit der familiäre Aspekt der matres m it dem hellsichtigen der Parzen bzw. der germanischen Nornen verbindet.

Man kann wohl annehmen, dass durch die kulturelle und religiöse Verschmelzung germanischer, römischer und keltischer Elemente jener Matronenkult entstand, der die vielen Einzelaspekte der verschiedenen Kulturen ineinander vereinte und damit eine einzigartige Quelle vorchristlicher Religionsgeschichte bewahrte.

1.2. Heilige Orte, Hallen und Haine

Bereits Tacitus erwähnte, dass die germanischen Stämme ihre Götter im Freien verehrten und es für unangebracht hielten, sie in Gebäuden einzusperren[14], stattdessen begegnete man ihnen in heiligen Hainen, an Mooren oder Gewässern. Zwar wird im Zusammenhang mit der Göttin Nerthus das Wort templum erwähnt[15], jedoch kann man wohl auch hier von einem natürlichen Heiligtum ausgehen[16], ähnlich einem umgrenzten Bereich innerhalb eines Sees wie in Oberdorla. Somit gibt es außer den Matronensteinen der Römischen Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit keine Hinweise auf eigene Tempel der „Germanen“, jedoch berichtet Gregor von Tours über einen Hallenbau im merowingerzeitlichen Köln, in dem die germanischen Bewohner sich zum Trinken und Feiern trafen[17]. Ähnlichen Zwecken dürften wohl auch die nordeuropäischen Höfe gedient haben, dem archäologischen Material ( Mensch- und Tierknochen, Goldgubber, Gefäßfragmente, Stelenreste[18]) nach zu urteilen, spricht vieles dafür, dass sie nicht nur religiöse,sondern auch politische Zentren waren. Der hof unterschied sich meist durch seine enorme Größe von der restlichen Siedlung, wenn er überhaupt in unmittelbarer Nähe zu einer lag, so fehlen Siedlungsspuren in Yeavering (Northumbria) gänzlich[19]. Weitere bekannte Hallenbauten findet man in Lejre, Gamla Uppsala,Borg (Lofoten), Gudme(Fünen) oder Hofstaðir(Island).

[...]


[1] Arthur Rackham (1867 -1939) , britischer Kinderbuchillustrator und Maler des Ring-Zyklus (Anm. d. Verf.).

[2] Ein bekanntes Beispiel ist das Schiffsgrab von Sutton Hoo im britischen Suffolk, welches dank der Münzfunde um das Jahr 625 u.Zeit datiert wird ( Anm.d.Verf.).

[3] z. B.: Lindholm Høje in Dänemark ( Anm.d.Verf).

[4] R.Simek,Der Glaube der Germanen, 2005, 16.

[5] Edda, Gylfaginning,43.

[6] R.Simek,Der Glaube der Germanen, 2005, 64.

[7] R.Simek, Götter und Kulte der Germanen , 2004, 50 ff.

[8] R.Simek, Religion der Germanen, 2003,118.

[9] Ähnlich den nordgermanischen Nornen oder griechischen Moiren( Anm.d.Verf.).

[10] R.Simek, Religion der Germanen, 2003,119.

[11] R.Simek,Der Glaube der Germanen, 2005, 65.

[12] R.Simek,Der Glaube der Germanen, 2005, 2005, 67.

[13] R.Simek, Götter und Kulte der Germanen , 2004, 55.

[14] Tacitus, Germania 9.

[15] Tacitus, Germania 40.

[16] R.Simek, Religion der Germanen, 2003, 56.

[17] R.Simek, Religion der Germanen, 2003, 89.

[18] R.Simek, Religion der Germanen, 2003,90ff.

[19] R.Simek, Götter und Kulte der Germanen , 2004, 20ff.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Von Wotan, Wagner und Walküren - germanische Götter in archäologischen und schriftlichen Quellen
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Prähistorische Archäologie)
Veranstaltung
Ritual und Kult im archäologischen Befund
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
15
Katalognummer
V121356
ISBN (eBook)
9783640255870
ISBN (Buch)
9783640256600
Dateigröße
502 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wotan, Wagner, Walküren, Götter, Quellen, Ritual, Kult, Befund
Arbeit zitieren
Elisabeth Anna Krüger (Autor:in), 2007, Von Wotan, Wagner und Walküren - germanische Götter in archäologischen und schriftlichen Quellen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121356

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