Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Lebensumstände und Arbeitsbedingungen der Dienstboten
2.1. Arbeiten im Haus
2.2. Arbeitszeit und Freizeit
2.3. Arbeitslohn
3. Mangelnde Freiheit und Anerkennung der Dienstboten
3.1. Beziehung mit der Hausfrau
3.2. Isolation der Dienstboten
3.3. Gründe für Konflikte zwischen den Dienstboten und der Herrschaft
4. Fazit
5. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Dienstboten1: wohl kaum eine andere Personengruppe ist so eng mit dem1. Jahrhundert verbunden, wie die vielen Mädchen und Frauen, die sich eine Zeitlang in fremden Haushalten verdingten.2Denn zum einen waren männliche Dienstboten zu dieser Zeit durch die Differenzierung weiblicher und männlicher Tätigkeitsbereiche seit dem2 Jahrhundert kaum noch vertreten,und zum anderen stellten dieseDienstboten 1895 in Deutschland die zweitgrößte Gruppe weiblicher Erwerbstätigkeit nach der in der Landwirtschaft tätigen Frauen dar3 Jedoch konnten die Dienstboten auch in anderen industrialisierten Ländern noch stärker vertreten sein.4 Die häuslichen Dienstboten machten 1882 in den Großstädten einen Bevölkerungsanteil von 5,6 % aus.7
Aus diesem Grund ist es besonders schwer zu verstehen, dass bis in den 1970er Jahren diese Arbeitergruppe kaum erforscht worden war. Der Grund dafür ist die zu späte Einsicht, dass man die Frauen und die Dienstboten nicht aus der Geschichtsschreibung ausklammern darf.8 Durch diesen späten Perspektivwechsel gibt es in der Forschung immer noch offene Fragen.
Eine dieser Fragen beschäftigt sich mit dem Dienstbotenrückgang und den Protesten der Dienstboten um die Jahrhundertwende. Jedoch musste es schon vor den ersten Protesten am Ende des 9. Jahrhunderts zu Konflikten zwischen der Herrschaft und den Dienstboten gekommen sein. Die Gründe für diese Konflikte sind unklar. Des Weiteren ergibt sich durch die geringe Beteiligung von 0,67- 1% von aller Dienstboten in Berlin, an den Versammlungen im Sommer 1899 und 1900die Frage, ob die Konflikte vielleicht nur Einzelfälle waren.10
Diese wissenschaftliche Arbeit soll versuchen diese Frage mit Hilfe des Forschungsstands und zeitgenössischer Quellen zu beantworten. Dabei arbeitet diese Arbeit mit den zeitgenössischen Quellen, den Lebenserinnerungen der beiden Hausmädchen Doris Viersbeck und Sophia Lemitz und auch mit den Lebenserinnerungen von Frau Weber, die als Hausfrau drei Dienstboten beschäftigte.
Dabei soll diese Arbeit zuerst die Lebensumstände und Arbeitsbedingung der Dienstboten darstellen und abschließend einen Versuch unternehmen, die Gründe für die Konflikte zwischen den Herrschaften und den Dienstboten herauszufinden.
2.1.Die Arbeiten im Haus
Die Arbeiten, die ein Dienstbote zu verrichten hatte warennicht genauer definiert,unspezifisch, schillernd und wechselhaft.11 Außerdem kann man dieDienstbotenarbeit in vier große Aufgabenbereiche unterteilen: Wohnung, Wäsche und Kleidung, Kochen und Küche, persönliche Bedienung der herrschaftlichen Familie und ihrer Gäste.12
Bei der Frage welche Faktoren für die unterschiedliche Arbeit der Dienstbotenwichtig waren, stehen ganz klar die ökonomischen Faktoren der Familie und die Anzahl der Familienmitglieder fest.Denn durch weitere oder weniger Dienstboten konnte die Arbeit entweder verteilt oder gebündelt werden. Die Wichtigkeit der Dienstboten für die Herrschaft bestand in der Freistellung der weiblichen Mitglieder der bürgerlichen Familie von der körperlichen Arbeit.13 Jedoch war dies für mittelbürgerliche Haushalte eine besondere ökonomische Balance seitens der Hausfrauen, damit sie sich häusliche Arbeitskräfte überhaupt halten konnten oder gegebenenfalls noch weitere Dienstboten einstellen konnten.14 Haushalte, die sich mehrere Dienstboten leisten konnten, hielten eine Köchin und ein Küchenmädchen, die die Küchen führten, ein Haus- oder Stubenmädchen, das für die Sauberkeit der Wohnräume sorgte, für die kleinen Kinder im Haus eine Amme oder ein Kindermädchen und für die größten eine Erzieherin oder Gouvernante.15
Trotzdem konnten sich nur wenige Haushalte mehrere und höher angesehene und spezialisierte und ausgebildete Dienstboten, wie zum Beispiel Diener leisten. Dies lag an den deutlich höheren Lohnforderungen für diese spezialisierten Arbeitskräfte. Aus diesem Grund machten die deutlich günstigeren Haus- und Stubenmädchen, sowie die „Mädchen für alles“ den größten Anteil von 72% aller Dienstboten aus.16 Diese waren unqualifiziert, hatten aber den Vorteil, dass sie in jedem Arbeitsbereich des Hauses eingesetzt werden konnten.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden durch die technischen Entwicklungen und durch die fortschreitende Marktwirtschaft viele verschiedene Funktionen im Haus vereinfacht oder aufgegeben.17 Dennoch wirkten sich diese Erneuerungen nur sehr gering auf die Arbeitsforderungen der Dienstboten aus, da sich die Neuerungen nur in Haushalten des gehobenen Bürgertums, die sich dies auch leisten konnten,durchsetzte.18
Aus diesem Grund hatten die Dienstboten im einfachen städtischen Haushalt tägliche Pflichten, die eine körperliche Belastung waren. Dabei wurden sie auch als „Dienstbare Geister“ genannt. Dies lag daran, dass sie die Arbeit meistens ohne Geräusche und unbemerkt verrichteten.
Das Dienstmädchen Sophia beschreibt in ihrem Buch ihre Arbeit in Hohwacht bei dem Baron Brockdorff und dem nicht namentlich genannten (jungen) Paar in Kiel. Bei dem Baron Brockdorff bestand ihre Arbeiten darin,sich um die Kühe und um die Hühner zu kümmern. Desweitern musste sie Besorgungen machen, Geschirr spülen und ordnen, Milchabrahmen und die dicke Milch von gestern buttern und Wasser holen. Inwieweit Sophia bei dem Verkauf von Mehl, Grütze, Butter, Schmalz und Brote mitgewirkt hat ist unklar. Jedoch kümmerte sie sich bei schlechten Verkaufstagen um die Wäsche. (Budde 62) In wie weit Sophias Arbeiten bei der jungen Familie in Kiel aussah, bleibt ungeklärt. Jedoch erfährt man, dass sie sich dort zusätzlich noch um das abgemagerte und kranke Baby der Herrschaft kümmern musste.19
Wie man sieht, kamen zu den genannten täglichen Pflichten eines Dienstbotenoft weitere Aufgaben hinzu. Ein weiteres Beispiel war, dass sich die Arbeiten vor allem am Freitag und Samstag häuften, da diese für eine gründliche Reinigung vorgesehen waren. Diese Tagebrachte den Arbeitsrhytmus komplett durcheinander.20
Dazu kamen noch extra Arbeiten bis in die Nacht. Diese zusätzlichen Arbeiten und Tätigkeiten bis in die Nacht, erlebtedas Dienstmädchen Doris Viersbeck bei Frau Sparr in Hamburg. Bei Frau Sparrgehörten neben Badetage und Massagen auch Festtagemit sehr viel zusätzlicher Arbeit dazu.21 Des Weitern musste sie in der Nacht den Herrn einen frischen Kaffee zubereiten.22 Als ein zusätzliches Problem stellte sich der Herr der Familie heraus. Dieser vergriff sich öfters bei den Klingeln der Bediensteten und so klingelte er mit der lauten Klingel Doris ständig aus dem Schlaf.23 Die Folge war, dass die Dienstmädchen unter Schlafmangel litten.
2.2. Arbeitszeit und Freizeit
Eine festgelegte Arbeitszeit für Dienstboten gab es imdeutschen Reich bis zur Aufhebung der Gesindeordnung, 1918, nicht.24 Aus diesem Grund gab es bis dahin für die Dienstboten noch keine Gesetze für feste Arbeitszeiten und Pausen. Sie lebtensomit auf Abruf der Herrschaft,die die Dienstboten 24 Stunden beanspruchen konnten. Deshalb waren auch Arbeiten in der Nacht gesetzlich nicht verboten.Im Hinblick auf das Thema Arbeitszeit erkennt man die ersten Konfliktpunkte zwischen den Dienstboten und der Herrschaft. Es geht dabei um die Frage, was eigentlich als Arbeit angesehen wird.
Wenn man sich Stillichs Angaben über Dienstboten Ende des 19. Jahrhunderts ansieht, wird einem klar, dass er zwischen den unterschiedlich qualifizierten Dienstboten unterschied. Während die meisten „Mädchen für alles“ bei ihrer Arbeitszeit 16-18 Stunden angegeben haben, ist dies bei den Hausmädchen und den Köchinnen fast identisch. Die meisten von ihnen gaben bei ihrer Arbeitszeit 14-16 Stunden an. Fasst man alle Dienstboten zusammen, dann musste die Mehrheit zwischen 14 und 18 Stunden arbeiten.25
Diese Angaben wurden jedoch von nur 1,6 % der Herrschaftenbestätigt. Die meisten Herrschaften sahen nur 10-14 Arbeitsstunden ihrer Dienstboten als Arbeitszeit an. Der Grund dafür ist, dass die Herrschaft manche Tätigkeiten eher als Unterbrechung der Arbeit sah.24Zusätzlich kann man davon ausgehen, dass die Arbeitszeit der Dienstboten bei Festen der Herrschaften, von der Herrschaft nicht einkalkuliert wurde. Diese unterschiedliche Ansicht von Arbeit war jedoch nicht der größte Konfliktgrund für einen Streit zwischen den Dienstboten und der Herrschaft.
Denn genauso wenig wie feste Arbeitszeiten und Pausen,hatten die Dienstboten keinen Anspruch auf geregelte Freizeit.25Die Gesindeordnung gestattetelediglichnur den regelmäßigen Kirchenbesuch am Sonntag, zu dessen Einhaltung auch die Dienstherrschaft verpflichtet waren.26 Ob und inwiefern die Dienstboten das Hausverlassen durften, entschiedallein die Herrschaft. Jedoch gab es zum Ende des 19. Jahrhunderts eine Art Gewohnheitsrecht. Es war üblich, dass die Dienstboten alle 14 Tage oder wenn Besuch da war, alle 3 Wochen einen Ausgang hatten.27 Dennoch konnte es bei diesem Gewohnheitsrecht der Dienstboten zu Ausnahmen kommen,das der Diener von Frau Sparr berichtete. Er ging davon, dass bei einer Untersetzung von Dienstmädchen und Diener, Doris gar nicht aus dem Haus gehen durfte.28 Des Weitern war auch eine längere Freizeit oder Urlaub nicht üblich. Es gab aber auch einzelne positive Ausnahmen. Ein Bespiel dafür gibt uns das Dienstmädchen Sophia:29
Sophia Lemitz machte im Jahre 1869 eine positive Erfahrung. Ihre Herrschaft machten Urlaubund nahm Sophia nicht mit. Sie bezahlten ihr ein Reisegeld und Kostgeld für vier Wochen, damit sie in ihre Heimat fahren konnte.29Doch dies gehörte zu den Ausnahmen. Außer in diesen seltenen Fällen, wurden die Dienstboten in den Urlaub mitgenommen, um sich dort um die Kinder und die Sonderwünsche der Herrschaften zu kümmern, oder sie mussten Zuhause bei ihrer Familie helfen.30
Diese gesamte Darstellung zeigt, wie sehr die Herrschaft auf das Leben der Dienstboten Einfluss hatte.
2.3. Arbeitslohn
Der Arbeitslohn der Dienstboten bestand aus dem vertraglich vereinbarten Bargeld, das aber nur ein Viertel bis ein Drittel des Gesamtlohnes ausmachte.31 Der restliche Teil des Arbeitslohns bestand aus dem Naturallohn und unregelmäßigen Bezügen wie Trinkgelder, Geschenke und Teiledes Einkaufsgeldes.32
Die Höhe des Bargeldes wurde zwar vertraglich vereinbart, jedoch verdiente nicht jeder Dienstbote gleich viel. Dies schwankte mit dem Alter, der Position innerhalb der Dienstbotenhierarchie und der Berufserfahrungen.33 Zusätzliche Faktoren waren die Ortsklassen und die Nachfrage nach Dienstboten. Diese Nachfrage war mit dem Anwachsen der Industrie und der damit verbundenen Verknappung von Arbeitskräften und dem zunehmenden Angebot alternativer Arbeitsmöglichkeiten außerhalb des häuslichen Bereichs verbunden.34 Dies wird besonders in der zweitenHälfte des 19.Jahrhunderts deutlich, bspw. die Dienstmädchen die 1858 in Berlin gearbeitet hatten. Diese hatten vor der Verdopplung der Löhne mindestens 80, meist aber zwischen 90 und 120 Mark im Jahr verdient. Dies hat sich um 1900 verdoppelt.35 Zusätzlich erkennt man, dass die Dienstmädchen in Haushalten mit mehreren Dienstboten, besser entlohnt wurden.36
Ein Bespiel für die beiden Aspekte des Alters und der Berufserfahrung gibt uns das Dienstmädchen Sophia. Sie verdiente ohne Berufserfahrungen bei ihrer ersten Stelle als Stütze 18 Mark. Dies änderte sich mit jeder neuen Berufserfahrung und so verdiente sie in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts, als sie „schon in allen Arbeiten“ bewandert war, 180 Mark.Trotzdem war dieser Lohn im Gegensatz zum Lohn einer Fabrikarbeiterin, ein geringer Lohn.Dennoch wurde oft argumentiert, dass die Dienstmädchen im Gegensatz zu Fabrikarbeiterinnen oder Heimarbeiterinnen in der Lage waren, den Gesamtgeldbetrag zu sparen. Sie hätten sich also materiell recht gutgestanden.37
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1 Überwiegend weibliche Personen gemeint.
2 Vgl. Budde, Gunilla-Friederike: Das Dienstmädchen, in: Frevert, Ute/ Haupt, Heinz- Gerhard (Hrsg.): Der Mensch des 19. Jahrhunderts, Frankfurt (Main); New York 1999, 149.
3 Vgl. Müller, Heidi: Dienstbare Geister –Leben und Arbeitswelt städtischer Dienstboten, Schriften des Museums für Deutsche Volkskunde Berlin (Bd. 6), Berlin 1981, 29.
4 Vgl. Ottmüller, Uta: Die Dienstbotenfrage- zur Sozialgeschichte der doppelten Ausnutzung von Dienstmädchen im deutschen Kaiserreich, zur Sozialgeschichte der Frau (Bd.1), Münster 1978,15.
5 Vgl. Wierling, Dorothee: Mädchen für alles –Arbeitsalltag und Lebensgeschichte städtischer Dienstmädchen um die Jahrhundertwende, Berlin; Bonn 1987, 12.
6 Vgl. Wierling 1987,12.
7 Vgl. Ottmüller 1978, 108.
8 Vgl.Budde, Gunilla-Friederike: Meine Erläbnise –Die Lebenserinnerungen der Sophia Lemitz, in: Budde, Gunilla-Friederike: In Träumen war ich immer wach –das Leben des Dienstmädchen Sophia von ihr selbst erzählt, Bonn 1989, 34.
9 Vgl. Wierling 1987, 103.
10 Vgl. Ottmüller 1978, 16.
11 Vgl. Walser, Karin: Dienstmädchen – Frauenarbeit um Weiblichkeitsbilder um 1900, Frankfurt (Main) 1985,24.
12 Vgl. Müller 1981, 148.
13 Vgl. Walser 1985, 25.
14 Vgl. Müller 1981, 143.
15 Vgl. Müller 1981, 144.
16 Vgl. Lemitz, Sophia: In Träumen war ich immer wach, in: Budda, Gunilla-Friederike: In meinen Träumen war ich immer wach, Bonn 1989, 62.
17 Vgl. Lemitz 1989, 64.
18 Vgl. Müller 1981,162.
19 Vgl. Viersbeck, Doris: „…in fester Stellung“ –Leben eines Hamburger Dienstmädchen um 1900, in: Doris Viersbeck, Nachwort von Ingeborg Weber-Kellermann, Bd.1 Dokumente des Alltags, Düsseldorf 1986,67.
20 Vgl. Viersbeck 1986, 44.
21 Vgl. Viersbeck 1986, 43.
22 Vgl. Müller 1981, 166.
23 Vgl.Orth, Karin: Nur weiblicher Besuch –Dienstbotinnen in Berlin 1890-1914, Frankfurt (Main); New York 1993,63.
24 Vgl. Orth 1993, 63.
25 Vgl. Müller 1981, 213.
26 Vgl. Müller 1981, 213.
27 Vgl. Stillich, Oscar: Die Lage der weiblichen Dienstboten in Berlin, Berlin; Bern 1902,136.
28 Vgl. Viersbeck 1986, 87.
29 Vgl. Lemitz 1989, 74.
30 Vgl. Wierling 1987, 90.
31 Vgl. Budde 1989, 37.
32 Vgl. Ottmüller 1987, 92.
33 Vgl. Budde 1989, 37.
34 Vgl. Müller 1981, 226.
35 Vgl. Müller 1981, 226.
36 Vgl. Ottmüller 1987, 92.
37 Vgl. Müller 1981, 226.