Gegenwärtig ist eine intensive Diskussion um Reformansätze im deutschen Bildungswesen im Gange. Nach Auffassung von Dubs geht es darum, den überwiegend darbietenden, atomisierenden und zum Teil lebensfremden Unterricht zu überwinden.1 Dieser führt oft zu einer nicht anwendungsbereiten Ansammlung von Faktenwissen. Mit neuen Unterrichtskonzepten soll gewährleistet werden, daß sich die Lernenden besser an veränderliche Umwelt- und Lebensbedingungen anpassen können. Dies wird in der postmodernen Zeit zur unabdingbaren Grundanforderung an jeden einzelnen. Das Wissen muß so vermittelt werden, daß es jederzeit in verschiedenen Kontexten anwendbar ist. Diese Anforderungen sollen im Konzept des handlungsorientierten Unterrichts, welches im Fokus der Diskussion um die Reformbemühungen steht, verwirklicht werden. Eine mögliche handlungsorientierte Aktionsform im Unterricht ist das Rollenspiel. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist das von Juliane Böhm und Jens Siemon entwickelte Rollenspiel Anspruchsgruppen innerhalb des Modellunternehmens A&S GmbH. Es soll untersucht werden, inwieweit die Grundsätze des handlungsorientierten Lehrens und Lernens in diesem Rollenspiel berücksichtigt werden. Weiterhin wird am Beispiel des Rollenspiels gezeigt, wie sich die handlungstheoretischen Grundlagen auf die konkrete Unterrichtssituation auswirken. Dabei soll deutlich werden, welch gravierende Veränderungen eine umfassende Umsetzung handlungstheoretischer Konzepte im Unterricht bewirken können. Die Fokussierung der Arbeit auf diese Problembereiche resultiert aus zwei Erkenntnissen: Erstens ist es für ein Rollenspiel, welches sich noch in der Entwicklungsphase befindet, besonders wichtig, laufend die Umsetzung der theoretischen Grundlagen zu kontrollieren. Zweitens ist es unerläßlich, einen Schwerpunkt der Analyse auf die praktische Umsetzung zu legen. Der Erkenntnisfortschritt der handlungsorientierten Didaktik bliebe ohne praktische Umsetzung wirkungslos.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die genetische Erkenntnistheorie als Grundlage der Handlungsorientierung
- 2.1 Die Grundintention der genetischen Erkenntnistheorie Piagets
- 2.2 Denken als aktiver Interaktionsprozeß
- 2.3 Die zentrale Bedeutung der Handlung für die Erkenntnis
- 3. Die Grundsätze der handlungsorientierten Didaktik und deren Verwirklichung im Rollenspiel Anspruchsgruppen
- 3.1 Definition wichtiger Begriffe der handlungsorientierten Didaktik Aeblis
- 3.1.1 Der Unterschied zwischen Tätigkeit und Handlung
- 3.1.2 Die Dimensionen von Tätigkeiten im Unterricht
- 3.2 Die lerntheoretischen Grundannahmen Aeblis
- 3.2.1 Pragmatismus
- 3.2.2 Konstruktivismus
- 3.2.3 Das reflexive Subjekt
- 3.1 Definition wichtiger Begriffe der handlungsorientierten Didaktik Aeblis
- 4. Die Auswirkungen handlungsorientierter Didaktik auf den Unterricht
- 4.1 Vom stofforientierten zum kompetenzorientierten Unterricht
- 4.2. Die Kompetenzorientierung im Rollenspiel Anspruchsgruppen
- 4.3 Handlungskompetenz als Ziel handlungsorientierten Unterrichts und die Folgen für die Unterrichtsgestaltung
- 4.4 Die Auswirkungen auf die Unterrichtsinhalte: Das Bereitstellen von Handlungs- und Erfahrungsmöglichkeiten
- 4.4.1 Die Ebene der sozial – kommunikativen und inhaltlichen Erfahrungen
- 4.4.2 Die Ebene der individuellen Erfahrungen der Schüler
- 4.4.3 Die Ebene des Reflexions- und Systematisierungsniveaus
- 5. Ergebnisse und Perspektiven
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Umsetzung handlungsorientierter Didaktik im Rollenspiel "Anspruchsgruppen" von Böhm und Siemon. Ziel ist es, anhand der genetischen Erkenntnistheorie Piagets und den lerntheoretischen Grundannahmen Aeblis, die Berücksichtigung handlungsorientierten Lehrens und Lernens im Rollenspiel zu analysieren und Verbesserungsvorschläge zu formulieren. Die praktische Umsetzung handlungstheoretischer Konzepte im Unterricht und deren Auswirkungen stehen im Mittelpunkt.
- Genetische Erkenntnistheorie Piagets als Grundlage handlungsorientierten Unterrichts
- Lerntheoretische Grundannahmen Aeblis und deren Anwendung im Rollenspiel
- Analyse der Umsetzung handlungsorientierter Prinzipien im Rollenspiel "Anspruchsgruppen"
- Auswirkungen handlungsorientierter Didaktik auf die Unterrichtsgestaltung
- Formulierung von Verbesserungsvorschlägen für das Rollenspiel
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die aktuelle Diskussion um Reformansätze im deutschen Bildungswesen ein und betont den Bedarf an anwendungsorientiertem Wissen. Sie beschreibt das Rollenspiel "Anspruchsgruppen" als Gegenstand der Untersuchung und skizziert den Aufbau der Arbeit. Die Arbeit fokussiert auf die Kontrolle der theoretischen Grundlagen und die praktische Umsetzung handlungsorientierter Didaktik, da deren Erkenntnisfortschritt ohne praktische Anwendung wirkungslos bliebe. Der Begriff der Handlungsorientierung wird im Sinne Aeblis definiert: Denken, Wissen und Können entwickeln sich aus praktischem Handeln und müssen sich darin bewähren.
2. Die genetische Erkenntnistheorie als Grundlage der Handlungsorientierung: Dieses Kapitel beleuchtet die genetische Erkenntnistheorie Piagets als Grundlage der Handlungsorientierung. Es wird der Perspektivenwechsel von der Analyse des Erkenntnisstandes zur Analyse des Erkenntnisprozesses hervorgehoben, wodurch die Handlung als dynamischer Prozess in den Fokus rückt. Die Kapitel-Unterpunkte befassen sich mit der Grundintention der Theorie, dem Denken als aktivem Interaktionsprozess und der zentralen Bedeutung der Handlung für die Erkenntnisgewinnung. Es wird deutlich, wie Piagets Theorie die Grundlage für die abzuleitenden lerntheoretischen Konzepte bildet.
3. Die Grundsätze der handlungsorientierten Didaktik und deren Verwirklichung im Rollenspiel Anspruchsgruppen: Dieses Kapitel definiert zentrale Begriffe der handlungsorientierten Didaktik nach Aebli, unterscheidet zwischen Tätigkeit und Handlung und beschreibt die Dimensionen von Tätigkeiten im Unterricht. Es werden die lerntheoretischen Grundannahmen Aeblis – Pragmatismus, Konstruktivismus und das reflexive Subjekt – erläutert und deren Relevanz für das Verständnis des Rollenspiels "Anspruchsgruppen" herausgearbeitet. Der Fokus liegt auf der Analyse, inwieweit diese Grundsätze im Rollenspiel berücksichtigt werden.
4. Die Auswirkungen handlungsorientierter Didaktik auf den Unterricht: Dieses Kapitel analysiert die Auswirkungen handlungsorientierter Didaktik auf den Unterricht, vom stofforientierten zum kompetenzorientierten Ansatz. Es betrachtet die Kompetenzorientierung im Rollenspiel "Anspruchsgruppen" und die Handlungskompetenz als Ziel handlungsorientierten Unterrichts, inklusive der Konsequenzen für die Unterrichtsgestaltung. Die Bereitstellung von Handlungs- und Erfahrungsmöglichkeiten auf verschiedenen Ebenen (sozial-kommunikative, individuelle, Reflexion) wird detailliert untersucht.
Schlüsselwörter
Handlungsorientierte Didaktik, Genetische Erkenntnistheorie Piaget, Lerntheoretische Grundannahmen Aebli, Rollenspiel, Anspruchsgruppen, Kompetenzorientierung, Handlungskompetenz, Unterrichtsgestaltung, praktische Umsetzung, theoretische Grundlagen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Analyse handlungsorientierter Didaktik im Rollenspiel "Anspruchsgruppen"
Was ist der Gegenstand der Analyse in diesem Dokument?
Der Text analysiert die Umsetzung handlungsorientierter Didaktik im Rollenspiel "Anspruchsgruppen" von Böhm und Siemon. Er untersucht, wie die genetische Erkenntnistheorie Piagets und die lerntheoretischen Grundannahmen Aeblis im Rollenspiel berücksichtigt werden und formuliert Verbesserungsvorschläge.
Welche theoretischen Grundlagen werden verwendet?
Die Analyse basiert auf der genetischen Erkenntnistheorie Piagets und den lerntheoretischen Grundannahmen Aeblis. Piagets Theorie liefert die Grundlage für das Verständnis von Handlung als zentralen Aspekt des Erkenntnisprozesses. Aeblis Konzepte (Pragmatismus, Konstruktivismus, reflexives Subjekt) bilden den Rahmen für die didaktische Analyse des Rollenspiels.
Wie wird Handlungsorientierung definiert?
Handlungsorientierung wird im Sinne Aeblis verstanden: Denken, Wissen und Können entwickeln sich aus praktischem Handeln und müssen sich darin bewähren. Es geht um die aktive Beteiligung der Lernenden und die Verknüpfung von Theorie und Praxis.
Welche Aspekte des Rollenspiels "Anspruchsgruppen" werden untersucht?
Die Analyse untersucht die Berücksichtigung handlungsorientierter Prinzipien im Rollenspiel, die Umsetzung von Kompetenzorientierung, die Gestaltung von Handlungs- und Erfahrungsmöglichkeiten für die Schüler (sozial-kommunikativ, individuell, Reflexion) und die Auswirkungen auf den Unterricht (Wandel vom stoff- zum kompetenzorientierten Unterricht).
Welche Kapitel umfasst der Text und worum geht es in ihnen?
Der Text umfasst fünf Kapitel: Kapitel 1 (Einleitung) führt in das Thema ein; Kapitel 2 erläutert die genetische Erkenntnistheorie Piagets; Kapitel 3 definiert die Grundsätze handlungsorientierter Didaktik nach Aebli und deren Anwendung im Rollenspiel; Kapitel 4 analysiert die Auswirkungen handlungsorientierter Didaktik auf den Unterricht; Kapitel 5 präsentiert Ergebnisse und Perspektiven.
Welche Ziele verfolgt die Analyse?
Das Hauptziel ist die Analyse der Umsetzung handlungsorientierter Didaktik im Rollenspiel "Anspruchsgruppen" und die Formulierung von Verbesserungsvorschlägen. Es soll untersucht werden, inwieweit das Rollenspiel den Prinzipien handlungsorientierten Lehrens und Lernens entspricht und wie es optimiert werden kann.
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant für die Analyse?
Schlüsselbegriffe sind: Handlungsorientierte Didaktik, Genetische Erkenntnistheorie Piaget, Lerntheoretische Grundannahmen Aebli, Rollenspiel, Anspruchsgruppen, Kompetenzorientierung, Handlungskompetenz, Unterrichtsgestaltung, praktische Umsetzung, theoretische Grundlagen.
Wie wird der Übergang vom stofforientierten zum kompetenzorientierten Unterricht betrachtet?
Die Analyse untersucht, wie handlungsorientierte Didaktik den Übergang vom stofforientierten zum kompetenzorientierten Unterricht unterstützt. Im Fokus steht die Entwicklung von Handlungskompetenz als Ziel handlungsorientierten Unterrichts und die entsprechenden Auswirkungen auf die Unterrichtsgestaltung.
- Arbeit zitieren
- Sebastian Kunerth (Autor:in), 2002, Die Umsetzung der handlungsorientierten Didaktik im Rollenspiel Anspruchsgruppen von Juliane Böhm und Jens Siemon, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12153