Das Erbe der "schöpferischen Rekonstruktion". Der historische Wert der Wiederaufbauprinzipien des Stadtbaurates Walther Schmidt und ihre Auswirkungen auf die Altstadt von Augsburg


Hausarbeit (Hauptseminar), 2018

43 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


1. Einleitung

2. Walther Schmidts Umgang mit Gewordenem – die „schöpferische Rekonstruktion“ der historischen Altstadt von Augsburg….

3. Die „schöpferische Rekonstruktion“ und ihre historische Authentizität …
3.1 Barfüßerbrücke….…...…..
3.2 Beckenhaus.…
3.3 Hotel „Drei Mohren“.

4. Zur Mediokrität verdammt? Die Auswirkung von Walther Schmidts „schöpferischer Rekonstruktion“ auf das gegenwärtige Stadtbild Augsburgs.
4.1 Das ehemalige Areal von Hasenbräu und Goldener Gans…
4.2 Das Stadtsparkassengebäude in der Maximilianstraße
4.3 Das Evangelische Zentrum „UlrichsEck“ am Ulrichsplatz

5. Fazit: Walther Schmidts Rekonstruktion der Augsburger Altstadt als Menetekel?..

6. Quellen- und Literaturverzeichnis….…

7. Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

Die Stadt Augsburg präsentiert sich im 21. Jahrhundert als Renaissancemetropole mit römischen Wurzeln, als Heimat der Fugger, Mozarts und Bertolt Brechts und nicht zuletzt als potentiell welterbewürdige Stadt des Wassers. Die gegenwärtige Vermarktung Augsburgs beruht somit auf einer für den Wettbewerb der Städte fast atypischen Vielfalt touristischer Labels. Dass die Erinnerung an das Augsburg vergangener Jahrhunderte auf vielerlei Weise beschworen wird, mag mitunter auch darin begründet sein, dass große Teile der tatsächlichen, materiellen Hinterlassenschaften bereits unwiederbringlich verloren gegangen sind. So erzeugten die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges vor einem dreiviertel Jahrhundert nicht nur unermessliches Leid, sie beseitigten auch eine große Menge an historischer Bausubstanz und kulturellem Erbe. Der durch den Stadtbaurat Walther Schmidt (1899-1993) durchgeführte Wiederaufbau in der Nachkriegszeit führte zu einer nachhaltigen Veränderung großer Teile des historischen Zentrums von Augsburg und prägt das Stadtbild bis in die Gegenwart. Die vorliegende Arbeit fragt darum nach den Auswirkungen und Folgen, welche Schmidts Umgang mit dem Gewordenen mit sich brachte und will eine Möglichkeit aufzeigen, dieses Erbe aus heutiger Sicht zu bewerten. Im Mittelpunkt stehen hierbei die historische Authentizität und der historische Wert der Wiederaufbauprinzipien Schmidts und ihr potentieller Einfluss auf das heutige Stadtbild und die Stadtplanung in der Altstadt Augsburgs.

Die theoretische Grundlage für Walther Schmidts Schaffen in der Nachkriegszeit bilden zwei zentrale Publikationen seiner Lindauer Zeit – „Ein Architekt geht über Feld“1 von 1947 sowie „Bauen mit Ruinen“2 von 1949. Person und Wirken Schmidts wurden in einer Publikation des Architekturmuseums Schwaben3 sowie der Dissertation von Gregor Nagler4 umfassend dargelegt. Nagler etablierte sich zudem als ein zentraler Kritiker der Augsburger Baupolitik bis in die Gegenwart.5 Die Stadtbautheorie des 20. Jahrhunderts sowie die Aufbaudiskussion der Nachkriegszeit wurden ebenfalls differenziert aufgearbeitet, beispielsweise durch Beymes „Der Wiederaufbau“6 oder Jonas „Die Stadt und ihr Grundriss“7. Für die gewählte Fragestellung zeigte sich vor allem der von Winfried Nerdinger herausgegebene Band „Architektur der Wunderkinder“8 ergiebig. Die Signifikanten-Interaktionsanalyse von Stefan Lindl9 bildet indes eine methodische Grundlage für die Bewertung der Authentizität.

Die vorliegende Arbeit möchte zunächst die Stadtplanung Augsburgs in den Jahren von 1951 bis 1967 gerafft darstellen, die Position und das Wirken des damaligen Stadtbaurats Walther Schmidt in die bundesweite Aufbaudiskussion einordnen und in groben Zügen individuelle Ausprägungen für den Fall Augsburg aufzeigen. Zudem soll der Begriff der „schöpferischen Rekonstruktion“ umrissen werden. Im folgenden Kapitel werden die Barfüßerbrücke, das Beckenhaus und das Hotel „Drei Mohren“ dezidiert vorgestellt und der von Lindl erarbeiteten Signifkanten-Interaktionsanalyse (SIA) unterzogen. Anhand dieser drei Beispiele sollen die Authentizität und die historischen Wertigkeiten von Walther Schmidts Konzept der „schöpferischen Rekonstruktion“ aufgezeigt werden. Unter der Grundthese, dass Schmidts Umgang mit Historischem weitergeführt wurde und sich diese Weichenstellung bis in die Gegenwart in Stadtbild und Stadtplanung niederschlägt, soll diese angenommene Entwicklung bis in die Gegenwart aufzeigt werden. Die ausgewählten Baubeispiele des 21. Jahrhunderts sind das Gelände um die ehemalige Brauerei Hasenbräu, das Stadtsparkassengebäude in der Maximilianstraße 23 sowie der Komplex „UlrichsEck“ der evangelischen Kirche am Ulrichsplatz. Ein Fazit möchte schließlich die Nachkriegszeit mit der gegenwärtigen Stadtentwicklung Augsburgs kontextualisieren und eine grobe Bewertung der baulichen Prinzipien der „schöpferischen Rekonstruktion“ und der gegenwärtigen Stadtplanung abgeben.

2. Walther Schmidts Umgang mit Gewordenem

– die „schöpferische Rekonstruktion“ der historischen Altstadt von Augsburg

Während des Zweiten Weltkrieges wurden im Stadtgebiet Augsburg 23 Prozent aller Wohnungen zerstört und circa 60 Prozent beschädigt – vor allem im Zuge der Bombennacht vom 25. auf den 26. Februar 1944.10 Die Stadtplanung nach 1945 stellte jedoch keine radikale tabula rasa dar, da Entwürfe bereits vor dem Krieg ausgearbeitet waren.11 Mit dem 1951 genehmigten Wirtschaftsplanentwurf erhielt die städtebauliche Entwicklung Augsburgs eine nachhaltige rechtliche und planerische Basis.12 Er orientierte sich an älteren Ideen und Konzeptionen wie dem Generalbebauungs- und Besiedelungsplan des Architekten Theodor Fischer von 1926 bis 1930, der bereits die Kernideen der Schleifenstraße und Ost-West-Achse enthielt, oder dem Wirtschaftsplan von 1941. Gleichzeitig reflektierte er aber auch progressive Leitbilder wie die „Stadtlandschaft“13 oder die „autogerechte Stadt“14. Die Übernahme einer modernen Architektursprache in Orientierung am Neuen Bauen der zwanziger Jahre etablierte sich in der Nachkriegszeit rasch als Ausdruck für Demokratie und Neuanfang.15 Die Stadtplanung in Augsburg profitierte zudem von der Zugehörigkeit Bayerns zur US-amerikanischen Besatzungszone. Durch die Unantastbarkeit des Grundbesitzes konnten Altstadtstrukturen weitaus besser erhalten werden als in anderen Teilen Deutschlands.16 Die städtebaulichen Hauptanliegen17 der Nachkriegszeit waren in Augsburg wie auch bundesweit die Trümmerräumung, die Schaffung und Einbindung einer leistungsfähigen Verkehrsführung, sowie vor allem die Behebung des sozialen Elends und der Wohnungsnot.18

Der über die Jahrhunderte gewachsene Stadtkörper Augsburgs war seit dem 19. Jahrhundert stark durch die Folgen der Militarisierung und mehr noch der Industrialisierung beeinflusst worden.19 Die Schaffung von Infrastruktur und Wohnraum konnte lange nicht mit dem Bevölkerungszuwachs mithalten. Bereits 1950 hatte Augsburg mit 185.000 die Einwohnerzahl der Vorkriegszeit wieder erreicht. Es mangelte nicht nur an tausenden Wohnungen, sondern auch an der adäquaten Ausstattung.20 Zudem wurde das reiche architektonische Gesamtbild der Altstadt seit dem 19. Jahrhundert nostalgisch auf das Ideal der „Renaissancestadt“ mit ihren strengen Hollbauten und der prachtvollen Maximilianstraße – in sich keineswegs ein Produkt der Renaissancezeit – beschränkt. Auf der einen Seite gab es ein Bewusstsein für die „alte“ Stadt, deren Grundzüge man erhalten wollte und welche einen wichtigen Ausgangspunkt für den Aufbau bilden sollte. Auf der anderen Seite mussten die Stadtbauräte der Nachkriegszeit eine funktionierende, „neue“ Stadt mit genügend Wohnraum und einer schlüssigen Verkehrsführung errichten.21 Die erste Phase der Enttrümmerung war bestimmt durch das Freiräumen der Straßen und die Gewinnung von Altziegelsteinen aus Schutt. Nachdem zunächst das Augenmerk auf dem Bewahren prägnanter Ruinen und Spolien gelegen hatte, begann man seit 1947 zunehmend Überreste bedeutender Zeugnisse des alten Augsburgs zu opfern, wie beispielsweise die barocke Fassade des „Drei Mohren“.22

Die Wahl Walther Schmidts zum Augsburger Stadtbaurat Ende 1950 erfolgte nach seinem Werdegang bei der Post in der Weimarer Republik23 sowie seiner Tätigkeit für das Berliner Reichspostministerium in der NS-Zeit, die jedoch eher als biografischer Einschnitt gedeutet werden kann.24 Hinzu kam seine publizistische Tätigkeit, durch die er sich in den Jahren nach dem Krieg in Lindau aktiv an der Diskussion über einen angemessenen Aufbau der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Städte beteiligt hatte.25 Unter dem Eindruck der Nachkriegszeit verfasste Schmidt bis 1947 unter anderem die Schrift „Ein Architekt geht über Feld“, in der er über einen Neubeginn der Baugestaltung reflektiert. In seiner Auseinandersetzung mit architektonischen Details bis hin zu städtebaulichen Leitfragen definierte Schmidt hier historische Werte als Fundament für die zukünftige Entwicklung des Bauens.26 In seiner 1948 veröffentlichten Schrift „Bauen mit Ruinen“ negiert er pure Rekonstruktionen und tendiert zu einer gestalterischen – „schöpferischen“ – Auseinandersetzung mit den kriegszerstörten Baumassen.27 In Augsburg verfolgte Schmidt mit seiner sogenannten „schöpferischen Rekonstruktion“ einen Aufbau der Stadt, der sich ästhetisch nur lose am Neuen Bauen der zwanziger Jahre orientierte. Schmidt beschrieb seine Zielvorstellungen lediglich mit den vagen Begriffen der ‘Maßstäblichkeit‘, des ‘hohen Realismus‘ und der ‘lebendigen Weiterentwicklung‘, die vieles unerklärt lassen.28 Er lehnte die Definition von festen Grundsätzen, allgemeingültigen Richtlinien und die Entwicklung schematischer Zugriffe zugunsten einer pragmatischen, aufgabenspezifischen Herangehensweise ab. Den harten Bruch mit der Tradition wollte er vermeiden – ein Grundsatz, den er jedoch nicht immer konsequent einhalten konnte.29 Schmidt nahm in der Aufbaudiskussion keineswegs eine radikale Position ein, er verfolgte vielmehr ein vermittelndes Konzept.30 Eine übergeordnete Vision, Richtlinien oder eine ästhetische Kontur fehlten31 aufgrund dieses Pragmatismus, der von seinen Gegnern wie Thomas Wechs, Wilhelm Wichtendahl oder Raimund von Doblhoff auch als Opportunismus gedeutet wurde.32 Die autoritäre Entscheidungsstruktur33 des Stadtbaurates gewährte freien Architekten kaum Mitspracherecht.34

Schmidts Position einer sogenannten „schöpferischen Rekonstruktion“ lavierte grob zwischen zwei Modi im Umgang mit der historischen Baumasse. Die meisten seiner Projekte interpretierte Schmidt als geschichtsbewusste Reaktion auf den bauhistorischen Kontext und die historische Schichtung des Ortes, welche das gewachsene Stadtgefüge erhielt und dennoch behutsam weiterentwickelte.35 Diese retrospektive Herangehensweise zeigt sich am Rathaus, einer der Hauptsehenswürdigkeiten Augsburgs. Dessen Fassade wurde auf Anweisung Schmidts hin als wichtiger Bestandteil des Stadtbildes in ihrem ursprünglichen Erscheinungsbild rekonstruiert. Die Renovierung des Innenbereichs erfolgte jedoch in einfacher, purifizierter Form. Der verbrannte Goldene Saal36 erhielt 1960 einen Asphaltboden und eine unverputzte Wand.37 Im Gegensatz zu diesem, an der Tradition orientierten Vorgehen erfolgte punktuell jedoch auch ein radikaler Eingriff in die Struktur der Altstadt durch Neubauten. Während Schmidt in der südlichen Maximilianstraße noch die Bebauung der Lücken unter enger städtebaulicher Bindung festlegte, griff er im nördlichen Pendant des Straßenzuges zugunsten der „autogerechten Stadt“ sehr viel stärker in die gewachsene Struktur der Stadt ein.38 Das kriegszerstörte Riedingerhaus im Stil der Neorenaissance ersetzte Schmidt bis 1955 durch einen sachlich-schlichten Neubau für die Stadtwerke - allerdings mit einem für das Viertel ungewöhnlich hohen, neunstöckigen Büroturm.39 Durch die Zurückversetzung wurde die Straße verbreitert, aber auch die neugeschaffene Sichtachse vom Rathaus zum Dom freigehalten.40 Nördlich des Stadtmarktes wurde auf dem ehemaligen Areal historischer Patriziergärten am Ernst-Reuter-Platz die erste süddeutsche Hochgarage mit Tankstelle und Autowaschanlage errichtet.41 Den größten Eingriff stellte jedoch die bereits vor dem Krieg intendierte Ost-West-Achse dar.42 Der breite Straßenzug vom Stadtheater zum Jakobertor sollte auf Kosten historischer, jedoch auch größtenteils kriegszerstörter Areale die innerstädtische Verkehrsführung effektivieren.43

Je nach Aufgabe und Einzelfall positionierte sich Schmidts „schöpferische Rekonstruktion“ einmal näher an einem traditionell-retrospektiven Wiederaufbau, mal an einem progressiv-modernen Neuaufbau.44 Sein gemäßigt moderner Kurs45 und seine Rücksicht auf überkommene Relikte46 – wie er sie beispielsweise auch in seiner Publikation „Bauen mit Ruinen“ vertrat – stellten im zeitgenössischen Diskurs allerdings keine Selbstverständlichkeit dar.47 Schmidt bewahrte weite Teile, Strukturen und Zusammenhänge der historisch gewachsenen Stadträume Augsburgs vor radikalen Eingriffen und schuf langfristige Perspektiven für Wohnraum und Verkehr, aber auch Arbeit und Naherholung.48

3. Die „schöpferische Rekonstruktion“ und ihre historische Authentizität

Ein zentrales Problem der modernen Architektur nach 1945 war und ist die Frage nach Bruch und Kontinuität sowie der An- und Einpassung in einen architektonischen und geistigen Kontext. Diese Auseinandersetzung der Moderne mit der Tradition und Geschichte stellt bis heute ein kontrovers diskutiertes Thema dar.49 Darum sollen Schmidts Wiederaufbauprinzipien im Folgenden anhand von drei explizit vorgestellten Bauten dargelegt werden. Um den historischen Wert und die damit verbundene historische Authentizität der Architektur und Baumasse zu eruieren, soll an ihnen die von Lindl erarbeitete Methode der SIA50 durchgeführt werden. Es werden hierbei drei Modi des Umgangs mit Gewordenem unterschieden. Der erste mögliche Zustand von materiellem Erbe kann als „belassen“ benannt werden, also in einem unveränderten, nicht rekonstruierten oder renovierten Zustand befindlich. Dieser Umgang gilt als historisch wertvoll. Der zweite Modus ist „beseitigt“ – das materielle Gut ist ungleich zu seinem ursprünglichen Zustand oder Original und damit historisch weitgehend wertlos oder nicht mehr existent. Der dritte Zustand kann als „angepasst“ bezeichnet werden. Da das Gewordene dadurch dem Original zumindest ähnlich ist, kann ihm bedingt ein historischer Wert zugewiesen werden.51 Lindl definiert darauf aufbauend vier Authentisierungskonzepte, welche den historischen Wert der Objekte mit ihren verschiedenen Modi auch verändern können. Im autonomistischen Authentisierungskonzept wird der original-historischen Materie Wert zugeschrieben. Im idealistischen Authentisierungskonzept werden Ideen historischen Bauens angewendet, ohne mimetisch-ästhetisch historische Bauwerke nachzuahmen. Am architektonischen Klassizismus und Historismus ist dies archteypisch ablesbar. Die im kulturellen Erbe enthaltenen Ideen sind abstrakt, wiederholbar und müssen apperzeptiv erfasst werden. Das ästhetische Konzept ist häufig die ästhetische Wiederholung beziehungsweise eine atmosphärisch-historische Rekonstruktion eines verlorenen historischen Gebäudes.

[...]


1 SCHMIDT „Ein Architekt geht über Feld“ 1947.

2 SCHMDIT „Bauen mit Ruinen“ 1949.

3 NERDINGER 2008.

4 NAGLER 2016.

5 NAGLER Baupolitik in Augsburg 2016.

6 BEYME 1987.

7 JONAS 2009.

8 NERDINGER 2005.

9 LINDL 2017.

10 LUTZ 2002, S. 76-81.

11 Zudem hatten sich wesentliche, stadtbildprägende Baudenkmäler sowie das Versorgungsnetz für Strom, Gas und Wasser gut erhalten, sodass die allgemeine Struktur und Physiognomie Augsburgs erhalten werden konnte, WOLF 1999, S. 169-206.

12 SCHMIDT „Neues Bauen in Augsburg“ 1955, S. 5.

13 ALBERS 1997, S. 40-41, 329-331.

14 JONAS 2009, S. 167-247.

15 Bereits nach dem Ersten Weltkrieg erschien eine Fülle an Publikationen zum Thema Städtebau und der damit verbundenen Problematik. Die weitgehende Zerstörung vieler Städte erschien trotz allen Leids vielen Architekten auch als städtebauliche Chance. Der Städtebau war in der Nachkriegszeit nicht mehr nur eine ästhetische, sondern nun vor allem auch eine politische Aufgabe, die zugleich soziale wie ökonomische Aspekte umfasste. Zusammenfassend griff man jedoch auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg auf Planungen der Vorkriegsjahre zurück, während die „technokratische Elite“ der dreißiger und vierziger Jahre trotz Entnazifizierung und Demokratisierung in kommunalen und staatlichen Behörden weiterbeschäftigt wurde. Die Nachkriegszeit stellte darum keine umfassende Zäsur in der Stadtplanungstheorie dar, vgl. NERDINGER 2005, S. 10-22.

16 THIEME 1985, S. 637-641.

17 BEYME 1987, S. 173-183.

18 MEHLHORN 2012, S. 331-335.

19 NAGLER 2016, S. 27-34.

20 SCHAFFER 1985, S.648-653.

21 JONAS 2009, S. 167-247.

22 NAGLER 2016, S. 35-39.

23 Von 1923 bis 1936 war Schmidt zunächst Mitarbeiter, dann Postbaurat bei der Oberpostdirektion in München. Hier arbeitete er mit Robert Vorhoelzer zusammen, einem Mitbegründer der Bayerischen Postbauschule, der wichtigsten Vertretung des Neuen Bauens im Bayern der Zwischenkriegszeit, vgl. WOLF 2008, S. 11-28.

24 KLOTZ 2008, S. 29-62.

25 Nach dem Krieg wirkte er als freier Architekt, Schriftsteller und Maler in Lindau am Bodensee, bis er Ende 1950 zum Augsburger Stadtbaurat ernannt wurde, vgl. LUTZ Lindau 2008, S. 63-74.

26 SCHMIDT „Ein Architekt geht über Feld“ 1947.

27 SCHMIDT „Bauen mit Ruinen“ 1949.

28 Schmidt „Neues Bauen in Augsburg“ 1955, S. 10-12.

29 LUTZ 2008, S. 98-117.

30 NERDINGER 2005, S. 113-114.

31 NAGLER 2016, S. 205-214.

32 FREUNDE DER AUGSBURGER ALTSTADT 1958, S. 4-27.

33 Durch die in Augsburg über Jahrzehnte entstandene Struktur seines Amtes, den auf Konsens bedachten Stadtrat sowie das Fehlen übergeordneter Regelwerke erhielt Schmidt eine fast unangefochtene Stellung innerhalb der Augsburger Baupolitik. Er stand den Ämtern für Bauordnung, Stadtplanung, Hochbau, Straßenbau, Kanalbau und Gartenbau vor und besaß somit weitreichende Befugnisse. Seine Tätigkeit wurde jedoch auch durch die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und topographischen Konstellationen und Akteure beeinflusst, vgl. NAGLER 2016, S. 40-72.

34 Durch Schmidts bestimmtes Auftreten und seiner strikten Weigerung, einen Baukunstausschuss zu installieren, wuchs die Kritik der zeitgenössischen Architekten, die ihn zunehmend einer „Zerstörung nach der Zerstörung“ beschuldigten. In der Tat gab Schmidt zugunsten seines persönlichen, ästhetischen Urteils durchaus historisch gewachsene Situationen auf. Gleichzeitig fehlte dieses Bewusstsein auch seinen Gegenspielern, die sich meist nur an der funktionalen Architektursprache störten. Lediglich Objekte in der Altstadt wurden kritisiert, während die neuen Wohngebiete mit ihren Schulen und Grünanlagen kaum zur Debatte standen. Konflikte ergaben sich auch aus fehlenden Partizipationsmöglichkeiten der Bevölkerung und der freien Architekten, die bereits Ende der fünfziger Jahre Unbehagen an der Art des Aufbaus nach vorwiegend funktionalen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten äußerten, vgl. LUTZ 2001, S. 185-186.

35 THIEME 1985, S. 641-643.

36 Abb.1

37 Die Fragmente der ursprünglichen Ausmalung blieben im Verputz sichtbar. Diese bescheidene, an die Zerstörung erinnernde Raumlösung ging erst bei der ab 1980 durchgeführten Rekonstruktion verloren. Den darüberliegenden Ratssitzsaal gestaltete Schmidt ebenfalls zweckmäßig purifiziert: Die kassettierte Decke und die kannelierten Stützen sollten an Motive Elias Holls erinnern, vgl. LUTZ 2001, S. 127-134.

38 LUTZ 2001, S. 159-180.

39 Abb.2

40 NAGLER 2008, S. 86-90.

41 NERDINGER 2005, S. 113-114.

42 Abb.3

43 CHEVALLEY 1994, S. 31-32.

44 AMS Nachlass Walther Schmidt KG3 R5: Der Wiederaufbau unserer Stadt. Vortrag, gehalten am 3. März 1959 von Stadtbaurat Walther Schmidt, Augsburg, S. 11-12.

45 AMS Nachlass Walther Schmidt KG3 R5: Der Wiederaufbau unserer Stadt. Vortrag, gehalten am 3. März 1959 von Stadtbaurat Walther Schmidt, Augsburg, S. 13-14.

46 AMS Nachlass Walther Schmidt KG3 R5: Die Verflechtung der Stadt Augsburg mit ihrem Umland. Referat bei der Tagung der Landesplanungsgemeinschaft und Bezirksplanungsgemeinschaft in Augsburg am 15. November 1962, S. 2-4.

47 NERDINGER 2010, S. 10-14.

48 DEMMLER-MOSETTER/EISINGER 1958, S. 11-73.

49 NERDINGER 2005, S. 9-10.

50 Historischer Wert und historische Authentizität bedingen sich nach Lindls Definition gegenseitig. Die SIA stellt eine kultur- und sozialwissenschaftliche Methode dar, die Authentizität als eine volatile, aber bestimmbare Eigenschaft analysierbar macht, vgl. LINDL 2017, S. 13-22.

51 LINDL 2017, S. 29-35.

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Das Erbe der "schöpferischen Rekonstruktion". Der historische Wert der Wiederaufbauprinzipien des Stadtbaurates Walther Schmidt und ihre Auswirkungen auf die Altstadt von Augsburg
Hochschule
Universität Augsburg  (Philologisch-Historische Fakultät)
Veranstaltung
Gebaute und natürliche Umwelt. Entwicklung Bayerisch-Schwabens nach 1945.
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
43
Katalognummer
V1215501
ISBN (eBook)
9783346644626
ISBN (eBook)
9783346644626
ISBN (eBook)
9783346644626
ISBN (Buch)
9783346644633
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wiederaufbau, Rekonstruktion, schöpferische Rekonstruktion, Walther Schmidt, Augsburg, Altstadt, Erbe, Zweiter Weltkrieg, Nachkriegszeit, Wirtschaftswunder
Arbeit zitieren
Christian Schaller (Autor:in), 2018, Das Erbe der "schöpferischen Rekonstruktion". Der historische Wert der Wiederaufbauprinzipien des Stadtbaurates Walther Schmidt und ihre Auswirkungen auf die Altstadt von Augsburg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1215501

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