"Das Martyrium des heiligen Laurentius" von Tiziano Vecellio. Bildbeschreibung, Interpretation und Vergleich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2014

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Zur Person des Laurentius - Leben und Ikonographie

3. „Das Martyrium des heiligen Laurentius” von Tizian
3.1. Lokalisierung und Entstehungsdaten des Werkes
3.2. Bildbeschreibung und Aufbau
3.3. Interpretation

4. Vergleich mit anderen Werken
4.1. Das Laurentiusgemälde von Tizian im Escorial-Palast
4.2. Die Laurentiusgemälde von Michael Pacher und Palma il Giovane

5. Fazit

Quellen- und Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

„Tizian, der die Stadt Venedig, ja ganz Italien und andere Teile der Erde durch treffliche Malereien geschmückt hat, verdient von Künstlern geliebt und beachtet und in vielen Dingen bewundert und nachgeahmt zu werden”1, so auch seine „erstaunenswürdige Manier, wodurch die Malereien sehr lebendig erscheinen und mit großer Kunst ausgeführt sind, während ihre Mühen verborgen bleiben.”2

So beschrieb Giorgio Vasari (1511-1574) seinen Zeitgenossen und dessen späten Stil im Jahre 1566, etwa eine Dekade vor dessen Tod. Ohne Zweifel kann man Tiziano Vecellio (1490-1576) zu den großen Künstlern des 16. Jahrhunderts zählen. In seiner Heimat, die ihrerzeit mächtige Seerepublik Venedig, galt er lange als unangefochtener Meister. Tizians „Martyrium des heiligen Laurentius”, das den Gegenstand dieser Arbeit bildet, ist ein bedeutendes Werk, das bereits in die Übergangszeit dessen fällt, was die Forschung heute noch kontrovers unter dem Begriff Altersstil diskutiert.

Zu der Fertigstellung dieses Gemäldes trugen jedoch nicht nur innere, sondern auch äußere Umstände bei - nicht nur die individuelle Schaffenskraft und die Manier des Künstlers kreirten den „Laurentius”, sondern auch die Zustände in der Welt. Das 16. Jahrhundert war die Zeit der Reformation und - im katholischen Venedig - die der Gegenreformation. In dieser Arbeit soll deshalb näher auf die Frage eingegangen werden, ob es sich bei diesem Werk Tizians nun um einen typischen, epochenspezifischen Ausdruck der Gegenreformation handelt - oder aber um sein fast schon undefinierbares, epochenübergreifendes künstlerisches Genie.

Die Forschung über Tizian und sein Spätwerk beginnt bereits mit dessen Zeitgenossen Giorgio Vasari.3 In der heutigen Zeit genießen die späteren Werke des Malers wieder mehr Achtung, nachdem sich die Kunstgeschichte bis vor wenigen Jahrzehnten vor allem auf die frühen Gemälde Tizians konzentrierte. In den meisten Biographien und grundlegenden Werken über Tizian der letzten 25 Jahre wird der „Laurentius” in der Gesuitikirche zu Venedig erwähnt, außerordentliche Aufmerksamkeit wird dem Werk aber selten geschenkt. Der späte Stil Tizians allgemein findet dagegen regere Beachtung, über dessen genaue Definition ist sich die Forschungjedoch uneins.4

Um das Werk erfassen zu können, erfolgt zunächst eine kurze Darlegung des Lebens und der Ikonographie des heiligen Laurentius von Rom. Dem folgen die Lokalisierung und Informationen zur Enstehung des Gemäldes. Dann konzentriert sich die Arbeit auf das Gemälde an sich. Es folgen die Beschreibung und der Aufbau, anschließend die Interpretation. Zuletzt wird „Das Martyrium des heiligen Laurentius” von Tizian noch mit anderen Werken verglichen, darunter das Laurentius-Gemälde Tizians im Escorial- Palast in Spanien sowie die Laurentius-Gemälde von Michael Pacher (1435-1498) und Palma il Giovane (1548-1628). Ein Fazit rundet die Arbeit ab.

2. Zur Person des Laurentius - Leben und Ikonographie

Der katholische Heilige Laurentius von Rom soll in der Mitte des dritten Jahrhunderts nach Christus unter Papst Sixtus II. als Diakon gedient haben. Während der Christenverfolgung Kaiser Valerians im Jahr 258 wurde der Papst gefangen genommen und hingerichtet. Als der Kaiser die Herausgabe des Kirchenvermögens verlangte, gewährte er Laurentius eine Frist von drei Tagen. In dieser Zeit verteilte dieser das gesamte Geld an die Armen und Kranken der Stadt. Danach führte Laurentius die Menschen dem Kaiser als wahren Schatz der Kirche vor. Für diesen Ungehorsam ließ Valerian Laurentius enthaupten.

Erst im darauffolgenden Jahrhundert entstand die Legende, dass der Heilige auf einem Rost über dem Feuer zu Tode gefoltert wurde, was jedoch in der Kunst großen Anklang finden sollte. Laurentius galt bald als einer der beliebtesten römischen Märtyrer. Dem Volksglauben nach war er fähig, Seelen aus dem Fegefeuer zu erretten, was seinen Kult nur noch weiter verbreitete. Aufgrund seines Amtes als Diakon ist er der Patron der Bibliothekare, aber aufgrund seines angeblichen Feuertodes auch der Heilige aller Berufe, die mit dem Feuer Zusammenhängen. Er wird oft als bartloser Jüngling dargestellt. Seine Attribute sind der Rost, die Palme der Märtyrer sowie eine Börse oder Münzen. Ein weiteres Element, welches die Werke zu diesem Thema oft beherrscht, sind die Henker. Laurentius wird von ihnen mit Spießen auf den Rost gedrückt und oft gibt es auch einen Folterknecht, der das Feuer zusätzlich schürt.

Sehr beliebt ist eine antikisierende Architektur im Hintergrund sowie Statuen von heidnischen Göttern oder die Darstellung des daneben thronenden Kaisers.5

3. „Das Martyrium des heiligen Laurentius” von Tizian

3.1. Lokalisierung und Entstehungsdaten des Werkes

Seit seiner Fertigstellung befindet sich das Gemälde in der heutigen Jesuitenkirche Santa Maria Assunta in Venedig. Der Kirchenkomplex befindet sich am Nordrand der Lagunenstadt, im Stadtteil Cannaregio, weitab vom politischen Zentrum, dem Markusplatz, sowie dem wirtschaftlichen Zentrum, den Distrikt um die Rialtobrücke. Dennoch war die Kirche nebst angeschlossenem Konvent im 16. Jahrhundert ein geistiges und kulturelles Zentrum der Stadt. In dieser Zeit war sie noch nicht im Besitz der Jesuiten, sondern sie gehörte den Crociferi, dem Orden der Kreuzträger. Tizian soll damals ganz in der Nähe gewohnt haben. Nachdem die Kreuzträger später vom Papst aufgelöst und die Kirche samt Konvent den Jesuiten übergeben wurde, ließ man sie von 1715 bis 1730 barock umgestalten. Es entstand ein typisch römisch-barocker, prachtvoller Bau.6 Die alte Kirche und damit der ursprüngliche Ausstellungsort des Gemäldes ist demnach nicht mehr in der von Tizian intendierten Art erhalten.

Das Bild selbst wurde in den Jahren 1547 oder 1548 begonnen und etwa 1559 fertiggestellt. Diese ungefähre Arbeitsdauer von über zehn Jahren ist für Tizian jedoch nicht weiter ungewöhnlich. Das Ölgemälde misst 2,77 auf 4,93 Meter. Der Auftraggeber war ein gewisser Lorenzo Massolo, der das Bild noch in Arbeit gab, während Tizian sich in Rom und Augsburg aufhielt. Massolo wünschte sich das Gemälde des heiligen Namenspatrons für sein Grabmal. Allerdings sah der Mann das Bild wahrscheinlich nie, da er bereits zwei Jahre vor dessen Fertigstellung verstarb.7

3.2. Bildbeschreibung und Aufbau

Auf dem Altarbild ist die Hinrichtung des Laurentius von Rom zu sehen.8 Es ist es eine Nachtszene. Eine Personengruppe befindet sich im Vordergrund. Man erkennt den Heiligen auf einem Rost, umringt von neun Folterknechten und Soldaten. Vier Personen befinden sich links von Laurentius, einer hält den Heiligen auf dem Rost fest, ein anderer schürt das Feuer darunter. Alle vier sind spärlich bekleidet. Fünf Personen befinden sich rechts von Laurentius, einer hält einen Spieß, mit dem er den Heiligen auf den Feuerrost drückt. Drei von ihnen tragen Helme, einer davon sitzt auf einem Pferd und trägt eine Standarte. Im Hintergrund ist eine antikisierende Architektur zu erkennen, bestehend aus einem großen Bau mit einer Säulenreihe und einem etwas weiter entfernten Gebäude, das sich jedoch mehr in der Dunkelheit befindet. Davor zieht sich eine Treppe nach unten, in Richtung Laurentius. Auf ihr befinden sich vier Personen, zwei stehen nebeneinander auf den Stufen, ein weiterer sitzt darauf und die letzte steht zwischen den Säulen des Tempels und trägt eine Fackel. Am linken Bildrand erhebt sich auf einem verzierten Podest eine Statue. Am oberen Bildrand erstreckt sich ein dunkler, sternenloser, wolkenverhangener Nachthimmel, der von einem hellen Lichtstrahl durchbrochen wird. Auf der Vorderseite des Rostes befindet sich die Signatur Tizians.

Beim Aufbau des Bildes gibt es im Großen und Ganzen drei Konstellationen, die für das Verständnis des Werkes von Bedeutung sind.

Erstens liegt eine sehr vertikale Ausrichtung vor. Die Statue, die Fahne, die Fackeln oder die sich in den Himmel erhebende Hand des Märtyrers streben allesamt nach oben. Auch die Säulenarchitektur schießt sehr in die Höhe, Richtung Nachthimmel und Blitz, und unterstreicht das Vertikale. Zweitens sind die Figuren des Gemäldes wellenartig angeordnet. Die Gruppen sind schräg stoßend aufgebaut, es beginnt im unteren linken Bildrand und steigert sich dann nach rechts oben. Die Architektur ist dabei in den Hintergrund gerückt, flieht quasi, unterstützt diese angedeutete Welle aber dennoch. Drittens lässt sich feststellen, dass die Statue am linken Bildrand und die Flagge am rechten Bildrand etwa gleich hoch sind und das Geschehen im Bildzentrum damit hufeisenförmig einrahmen. Auf die Bedeutung des Aufbaus für die Interpretation wird später noch genauer eingegangen.

Tizian hat sich also augenscheinlich sehr viel Mühe gemacht, das Gemälde und dessen Konzeption, Figuration und den Aufbau zu planen. Er vollzog seinen Schaffungsprozess allgemein ungern auf Kartons, wie es zu dieser Zeit üblich war, sondern lieber gleich auf der Leinwand. Die Forschung geht davon aus, dass die Position des Märtyrers und seiner Peiniger sowie der Sockel schon sehr früh geplant waren und damit feststanden, zu den späten Teilen des Bildes gehören die Statue, die Fenster, die Menschen auf der Treppe sowie die Nachtstücke um die Fackeln.9

[...]


1 Vasari, Giorgio. Lebensbeschreibungen der ausgezeichnetsten Maler, Bildhauer und Architekten der Renaissance. nachDokumentenundmündlichenBerichten dargestellt. Berlin 1931, S.435.

2 Vasaril931,S.433.

3 Vgl. Vasaril931.

4 Vgl. Ost, Hans. Tizian-Studien. Köln 1992.

5 Vgl. Poeschel, Sabine: Handbuch der Ikonographie, sakrale und profane Themen der bildenden Kunst. Darmstadt 2007, S.256ff.

6 Vgl. Kirchen in Venedig, Hrsg, von Ennio Concina, Piero Codato und Vittorio Pavan. München 1996, S.362-369.

7 Vgl. Panofsky, Erwin. Problems in Titian, mostly iconographic. New York 1969, S.53.

8 Vgl.Abb.l.

9 Vgl. Venedig, die Kunst der Renaissance ; Architektur, Skulptur, Malerei 1460 -1590. Hrsg, von Nobert Huse und Wolfgang Wolters. München 1986, S.325.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
"Das Martyrium des heiligen Laurentius" von Tiziano Vecellio. Bildbeschreibung, Interpretation und Vergleich
Hochschule
Universität Augsburg  (Philologisch-Historische Fakultät)
Veranstaltung
Tizian. Themen und Gestaltungsweisen der Renaissance
Note
1,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
18
Katalognummer
V1215591
ISBN (eBook)
9783346644015
ISBN (Buch)
9783346644022
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Tizian, Tiziano Vecellio, Martyrium, Laurentius, Lorenz, Venedig, Kunst, Kunstgeschichte, Renaissance
Arbeit zitieren
Christian Schaller (Autor:in), 2014, "Das Martyrium des heiligen Laurentius" von Tiziano Vecellio. Bildbeschreibung, Interpretation und Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1215591

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