Beeinträchtigen Handys die Intelligenz? Der Einfluss digitaler Medien auf die kognitive Leistungsfähigkeit von Jugendlichen


Masterarbeit, 2022

61 Seiten, Note: 1.0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Digitale Medien bei Jugendlichen
2.1 Medienausstattung von Jugendlichen
2.2 Nutzungsverhalten von Jugendlichen

3 Aufmerksamkeit
3.1 Theoretischer Überblick
3.1.1 Begriffliche Grundlagen
3.1.2 Theorien und Modelle
3.2 Empirische Untersuchungen zum Gegenstandsbereich digitale Medien
3.2 Synopsis und Diskussion

4 Das Arbeitsgedächtnis
4.1. Theoretischer Überblick
4.1.1 Begriffliche Grundlagen
4.1.2 Arbeitsgedächtnis nach Baddeley und Hitch
4.2 Empirische Untersuchungen zum Gegenstandsbereich digitale Medien
4.3 Synopsis und Diskussion

5 Die Intelligenz
5.1 Theoretischer Überblick
5.1.1 Begriffliche Grundlagen
5.1.2 Ausgewählte Theorien und Modelle
5.2 Empirische Untersuchungen zum Gegenstandsbereich digitale Medien
5.3 Synopsis und Diskussion

6 Zusammenfassung und Kritische Reflexion

7 Fazit und Ausblick

8 Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Prozentuale Ausstattung der Medien Smartphone, Computer / Laptop, Fernsehgerät und Tablet bei Jugendlichen (n = 1200) und Entwicklungsrate pro Jahr über die letzten 10 Jahre, auf Basis der Ergebnisse der jährlichen JIM-Studie

Abbildung 2: Tägliche Dauer der Internetnutzung von Jugendlichen in Deutschland über die Jahre 2006 bis 2021 in Minuten (Statista 2022)

Abbildung 3: Anteil von Kommunikation, Spielen, Informationssuche und Unterhaltung an der Internetnutzungszeit Jugendlicher in den Jahren 2008 bis 2020 (Statista, 2022)...

Abbildung 4: Filtermodell der Aufmerksamkeit (Bak, 2020: 71)

Abbildung 5: Attenuation-Modell (Bak, 2020: 71)

Abbildung 6: Theorie der späten Selektion (Bak, 2020: 71)

Abbildung 7: Arbeitsgedächtnismodell nach Baddeley (Baddeley 2000: 421).

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Systematische Literaturrecherche

Tabelle 2a: Empirische Befunde zum Gegenstandsbereich digitale Medien(-aktivitäten) und Aufmerksamkeit

Tabelle 2b: Empirische Befunde zum Gegenstandsbereich Medien(-aktivitäten) und Auf­merksamkeit

Tabelle 3a: Empirische Befunde zum Gegenstandsbereich digitale Medien(-aktivitäten) und Arbeitsgedächtnis

Tabelle 3b: Empirische Befunde zum Gegenstandsbereich digitale Medien(-aktivitäten) und Arbeitsgedächtnis

Tabelle 4: Psychologische Definitionen zur Intelligenz

Tabelle 5: Allgemeine fluide und kristalline Intelligenz nach Geary (2005)

Tabelle 6: Signifikante Befunde zum Zusammenhang von Bildschirmmedien mit kristalli­ner und fluider Intelligenz in Anlehnung an Paulus et al., (2019).

Tabelle 7: Empirische Befunde zum Gegenstandsbereich digitale Medien(-aktivitäten) und Intelligenz

Tabelle 8: Summierte Ergebnisse zum Einfluss digitaler Medien(-aktivitäten) auf die ko­gnitive Leistungsfähigkeit

1 Einleitung

Die voranschreitende Digitalisierung hat in den letzten Jahrzehnten zu einer zunehmen­den Implementierung digitaler Medien in etlichen Lebensbereichen geführt. Jüngsten re­präsentativen Statistiken zufolge nutzen 62,5 Prozent der weltweiten Bevölkerung das Internet, wobei dieser Anteil allein seit letztem Jahr um 4 Prozent gestiegen ist (Global Overview Report Digital 2022)[1]. Seit der Verbreitung des Internets (1990er Jahre) ist die Nutzung digitaler Medien rasant gestiegen und hat in den letzten Jahrzehnten neben vie­len positiven Entwicklungen in diversen Bereichen auch Ängste und Unsicherheiten in Bezug auf potenziell negative Wirkungen, unter anderem auf die kognitiven Fähigkeiten, hervorgerufen. Infolge dieser breitflächigen Präsenz digitaler Medien und den damit ein­hergehenden veränderten Lebensweisen, ist daher die Frage zu stellen, welchen psy­chologischen Einfluss diese Gerätschaften und das Internet im Allgemeinen auf das menschliche Gehirn und seine Funktionen hat. Vor dem Hintergrund, dass insbesondere Kinder und Jugendliche heute in dieser digitalen Welt aufwachsen und die Gehirnent­wicklung zu dieser Zeit noch nicht endgültig abgeschlossen ist, könnte diese Personen­gruppe von möglichen Folgen besonders betroffen sein.

Überdies hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowohl die Internetsucht als auch die in diesem Jahr in Kraft getretene Aufnahme der Computerspielsucht in einer Katego­rie zu „Störungen durch süchtiges Verhalten“ in der ICD-11 offiziell aufgeführt. Die regel­rechte „Obsession“ digitaler Medien und dem Internet hat zu einer Reihe wissenschaftli­cher Untersuchungen geführt, mit dem Zweck die Folgen der Mediennutzung auf die Ko­gnition aufzudecken. Seither konnten sowohl positive, negative als auch widersprüchli­che Resultate konstatiert werden. Die Kontroversen unterstreichen die Brisanz dieser Thematik und legitimieren die Forderung, Untersuchungen zum Einfluss digitaler Medien auf das menschliche Gehirn in den Vordergrund der wissenschaftlichen Theorie und der Praxis zu rücken.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll daher der folgenden Forschungsfrage nachge­gangen werden:

Welchen Einfluss hat die Nutzung digitaler Medien wie Smartphone, Computer und
Tablet auf die kognitive Leistungsfähigkeit von Jugendlichen und jungen Erwach-

senen?

Vor diesem Hintergrund verfolgt diese theoretische Arbeit das Ziel, Resultate empirischer Forschung heranzuziehen und sowohl positive als auch negative Einflüsse herauszustel­len. Zu diesem Zweck wurde eine systematische Literaturrecherche (s. Tabelle 1 ) mit primären und sekundären Suchbegriffen in den Datenbanken APA PsycINFO und Google Scholar durchgeführt.

Dabei unterlag die Auswahl der Literatur folgenden Kriterien:

- Publikationen: Studien, Meta-Analysen, Review-Artikel
- Sprache: Vorzugsweise englischsprachige Literatur
- Zeitraum: ab der Jahrhundertwende
- Personengruppe: Vorzugsweise Jugendliche, Teenager, junge Erwachsene

Die Einflüsse sollen in Bezug auf die kognitive Leistungsfähigkeit untersucht werden. Zur kognitiven Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns zählt die Wahrnehmung, die Aufmerksamkeit, die Konzentration, das Gedächtnis, die Intelligenz, das Denken sowie die Sprache. Da im Rahmen dieser Arbeit signifikante Befunde größtenteils in Bezug auf die Aufmerksamkeit, dem Arbeitsgedächtnis und die Intelligenz gefunden werden konn­ten, beschränkt sich diese Arbeit vordergründig auf diese exekutiven Funktionen[2] und der Intelligenz. Eine weitere Einschränkung bezieht sich auf die zu betrachtenden digita­len Medien. Zum einen hat die Recherche ergeben, dass es kaum Studien gibt, die ex­plizit die Nutzung des Tablets in diesem Zusammenhang untersuchen. Zum anderen hat sich gezeigt, dass sich in Bezug auf den Einfluss digitaler Medien auf kognitive Prozesse vielmehr folgende Forschungsschwerpunkte herauskristallisiert haben:

- Smartphone; Videospiele; Medien-Multitasking
- Aufmerksamkeit; Arbeitsgedächtnis, Intelligenz

Im Zuge dessen beschränkt sich diese Arbeit nicht bloß auf die Nutzung digitaler Medien im Allgemeinen, sondern nimmt auch die Nutzungsaktivitäten Videospielen sowie das Betreiben von Medien - Multitasking in den Blick, da zum einen dabei Tablets indirekt mit untersucht wurden und sich zum anderen diese beiden Forschungsschwerpunkte in der empirischen Forschung in diesem Zusammenhang etabliert haben, auch wenn sie keine direkten digitalen Medien darstellen. Auf dieser Grundlage haben sich daher folgende Kategorien zum Gegenstandsbereich digitale Medien(-aktivitäten) herausgebildet:

- Allgemeine Mediennutzung ohne Konkretisierung auf ein bestimmtes Medium
- Smartphone-Nutzung
- Videospiel-Nutzung
- Medien-Multitasking

Damit orientiert sich dieser Blickwinkel auf die empirische Forschung, die diese Medien(- aktivitäten) im Zusammenhang mit Einflüssen auf die Kognitionen Aufmerksamkeit, Ar­beitsgedächtnis und Intelligenz vordergründig untersucht. Insofern wird im Folgenden der Begriff „digitale Medien(-aktivitäten)“ verwendet, um sowohl die allgemeine Mediennut­zung als auch die spezifischen Aktivitäten anzusprechen.

Der Aufbau dieser Arbeit gliedert sich wie folgt: Zunächst beginnt diese Arbeit mit einem einführenden Kapitel zum Thema digitale Medien bei Jugendlichen, um die rasante Ent­wicklung der Medienausstattung und Mediennutzung zu verdeutlichen. Anschließend er­folgt ein theoretischer Abriss zur Aufmerksamkeit, in dem begriffliche Grundlagen und theoretische Modelle skizziert werden, bevor dann die empirischen Befunde zum Ge­genstandsbereich digitale Medien und Aufmerksamkeit dargelegt werden. Anknüpfend daran, werden diese Befunde im Kapitel „Synopsis und Diskussion“ diskutiert. Analog zu dieser Struktur, folgen dann die Kapitel zum Arbeitsgedächtnis und der Intelligenz. Dabei sei angemerkt, dass die ausgewählten Theorien und Modelle auf jene beschränkt wur­den, die für die zugrundeliegende Schwerpunkte dieser Arbeit und die wissenschaftli­chen Befunde vordergründig relevant sind. Im Anschluss wird die gesamte Befundlage kritisch reflektiert und in einer ganzheitlichen Betrachtung diskutiert, um die Forschungs­frage hinreichend beantworten zu können. Zum Schluss erfolgt ein Ausblick mit Implika­tionen für die zukünftige Forschung und Praxis.

Zur besseren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulinum verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

Tabelle 1: Systematische Literaturrecherche

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2 Digitale Medien bei Jugendlichen

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, erfolgt zunächst ein einführendes Kapitel zum Thema digitale Medien bei Jugendlichen. Zu diesem Zweck wird im nachfolgenden Kapi­telpunkt die Medienausstattung der Jugendlichen in den letzten 10 Jahren dargestellt und im Anschluss das Nutzungsverhalten in Kapitelpunkt 2.2 skizziert.

2.1 Medienausstattung von Jugendlichen

Die JIM-Studie liefert seit mehr als zwei Jahrzehnten jährlich Daten zur Mediennutzung von Jugendlichen in Deutschland. Die Studie kam in den letzten zehn Jahren hinsichtlich der Medienausstattung im Haushalt bei 1200 Jugendlichen unter anderem zu den in Ab­bildung 1 visualisierten Ergebnissen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Prozentuale Ausstattung der Medien Smartphone, Computer / Laptop, Fernsehge­rät und Tablet bei Jugendlichen (n = 1200) und Entwicklungsrate pro Jahr über die letzten 10 Jah­re, auf Basis der Ergebnisse der jährlichen JIM-Studie

Die Abbildung zeigt den prozentualen Anteil der Medienausstattung pro Jahr, angefan­gen von 2011 bis 2021. Es wurden gezielt die Werte eines Jahrzehnts genommen, um anhand dieser Dekade sowohl kurzfristige Trends als auch längerfristige Entwicklungen beobachten zu können. Dazu wurden die in dieser Arbeit zu betrachtenden digitalen Me­dien (Smartphone, Computer / Laptop, Tablet) sowie zusätzlich das Fernsehgerät aus­gewählt. Letzteres wurde gewählt, da trotz der Etablierung neuer Medien die Fernseh- Ausstattung bei Jugendlichen mit zuletzt 91 Prozent im Jahr 2021 noch immer hoch ist und das Fernsehgerät somit zu dem viertbeliebtesten Gerät zu zählen ist. Um den Zu­wachs und die Abnahme bzw. die Entwicklung der Medienausstattung zu verdeutlichen, wurde auch die Änderungsrate pro Jahr gebildet und in Form der gestrichelten Linie vi­sualisiert.

Die Abbildung zeigt, dass die Medien Computer / Laptop (rot) und Fernsehgerät (grün) bereits im Jahr 2011 bei knapp 100 Prozent lagen. Dieser Trend blieb nahezu unverän­dert bis zum Jahr 2020, indem ein minimaler Abstieg des Computers / Laptops und ein kleiner Abstieg beim Fernsehgerät um 5 Prozent zu beobachten ist. Des Weiteren ist von 2011 bis 2014 ein sprunghafter Anstieg des Smartphones von rund 40 Prozent auf knapp 95 Prozent zu verzeichnen. Durch die Betrachtung der Änderungsrate wird deutlich, dass der größte Anstieg im Jahre 2012 stattfand, obwohl es das erste Smartphone mit berüh­rungssensitivem Breitbild-Display schon 2007 gab, als das erste iPhone der Firma Apple entwickelt wurde. Anhand der Änderungsrate der Smartphone-Ausstattung, welche seit dem Jahre 2016 nahezu bei 0 lag, wird deutlich, dass der hohe Wert an Smartphone-Be­sitzern unverändert geblieben ist.

Auch das Tablet zeichnet sich durch einen starken Anstieg aus, welches vom Jahre 2011 bis 2017 durchgängig von 10 Prozent auf knapp 70 Prozent gestiegen ist. Dieser auf­steigende Trend wurde von 2017 bis 2019 kurzzeitig unterbrochen, als die Zahlen wieder abnahmen. Ab 2019 ist ein erneuter Anstieg zu beobachten. Es wird deutlich, dass das Smartphone das beliebteste Gerät bei Jugendlichen zu sein scheint, da es nicht nur die höchsten Werte, sondern auch eine Stabilität in ihrer Popularität aufweist. Auch der Computer / Laptop und das Fernsehgerät können zu den Geräten gezählt werden, die bei fast jedem Jugendlichen zur Medienausstattung gehören dürften, allerdings scheint die Tendenz bei beiden Geräten fallend zu sein.

Resümierend lässt sich durch die Betrachtung aller Entwicklungskurven, welche über­wiegend in positiven Bereichen liegen, festhalten, dass die Tendenz der Medienausstat­tung Jugendlicher im Allgemeinen steigend ist. Aus den Ergebnissen lassen sich mehre­re Schlussfolgerungen ziehen. Ein Grund für die starke, unveränderte Popularität des Smartphones könnte in der Multifunktionalität dieser Geräte und der festen Etablierung im Lebensalltag liegen. Für die jüngste Entwicklung des Tablets könnte die Ende 2019 auftretende Corona-Pandemie eine Erklärung liefern, in der Jugendliche und junge Er­wachsene Bildungsangebote überwiegend über digitale Medien von Zuhause aus wahr­nehmen mussten und dafür neben dem Computer / Laptop auch das Tablet verwendet werden kann. Die Medienentwicklung zeigt sehr deutlich, dass die digitalen Medien in der letzten Dekade stark an Popularität gewonnen haben und fest im Alltag von Jugend­lichen etabliert sind. Zudem kann aufgrund der steigenden Tendenz davon ausgegangen werden, dass Jugendliche immer mehr digitale Medien besitzen.

2.2 Nutzungsverhalten von Jugendlichen

Abbildung 2 visualisiert vom Jahre 2006 bis 2021 die tägliche Dauer der Internetnut­zung von Jugendlichen in Deutschland in den Jahren 2006 bis 2021 in Minuten. Der starke Anstieg in den letzten zwei Jahren (2021 und 2020) könnte auf die Corona-Pan- demie zurückzuführen sein, da Jugendliche im Zuge der Kontaktbeschränkungen und Lockdown-Maßnahmen viel Zeit Zuhause verbringen mussten und auch im großen Maße Home-Schooling betrieben wurde. Damit wurden die meisten sozialen Interaktionen im digitalen Raum vollzogen. Nichtsdestotrotz zeigt der Entwicklungsverlauf insgesamt, dass Jugendliche immer mehr Zeit im Internet verbringen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Tägliche Dauer der Internetnutzung von Jugendlichen in Deutschland über die Jah­re 2006 bis 2021 in Minuten (Statista 2022)[3]

Angesichts des Zuwachses der täglichen Dauer der Internetnutzung nimmt die Relevanz der genutzten Medieninhalte zu. In Abbildung 3 wird aufgezeigt, wie viel Zeit Jugendli­che pro Jahr für die Aktivitäten Kommunikation, Spielen, Informationssuche und Unter­haltung während ihrer Internetnutzung verbracht haben. Aus der Abbildung geht hervor, dass der Konsum von Unterhaltungsangeboten sowie Spielen deutlich gestiegen ist, während die Aktivitäten Infomationssuche und Kommunikation gesunken sind. Zudem zeigt der Entwicklungsverlauf eine relativ schnelle Dynamik im Nutzungsverhalten von Jugendlichen. Während beispielsweise 2016 die überwiegende Aktivität noch im Kom­munizieren bestand, hat sich dies bis zum Jahr 2020 gewandelt. Jugendliche nutzen ihre Zeit im Internet jetzt mehr zur Unterhaltung. Ein Beispiel dafür liefern soziale Netzwerke, die jüngsten Statistiken zufolge global gesehen am meisten von jungen Erwachsenen genutzt werden (vgl. Global Overview Report Digital 2022)[4].

Ein wichtiges Nutzungsverhalten im Umgang mit digitalen Medien ist die Aktivität des Medien-Multitaskings. Medien-Multitasking kann beschrieben werden als "gleichzeitige Beschäftigung mit mehreren Medienaktivitäten, einschließlich mehrerer Fenster auf einer einzigen Medienplattform und / oder mehrerer Medien" (Lee et al., 2012: 95). Jugendli­che befassen sich demnach mit mehreren Medien(-aktivitäten) zur selben Zeit und kön­nen beispielsweise während des Videospielens am Computer, gleichzeitig den Fernseher im Hintergrund laufen lassen und per Smartphone mit seinen Spielkameraden kommuni­zieren. Ferner unterhalten Jugendliche mehrere Profile auf sozialen Netzwerken, wo­durch gleich mehrere Vernetzungsmöglichkeiten bestehen und die Kommunikationsmodi fließender geworden sind (vgl. Reid Chassiakos et al., 2016: 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Anteil von Kommunikation, Spielen, Informationssuche und Unterhaltung an der

Internetnutzungszeit Jugendlicher in den Jahren 2008 bis 2020 (Statista, 2022)5

3 Aufmerksamkeit

3.1 Theoretischer Überblick

In diesem Kapitel werden die Grundlagen zur Aufmerksamkeit dargelegt, indem zunächst begriffliche Grundlagen erläutert und anschließend Theorien und Modelle vorgestellt werden.

3.1.1 Begriffliche Grundlagen

Die Aufmerksamkeit stellt einen grundlegenden und unverzichtbaren psychologischen Prozess für die Informationsverarbeitung dar. Gegenwärtig existiert keine allgemein gül­tige Definition zur Aufmerksamkeit. Einen Konsens zu finden erscheint vor allem auf­grund der vielen Aspekte und Phänomene, die die Aufmerksamkeit umfasst, schwierig (vgl. Weidner & Fink, 2007: 220). Nach Gazzaniga, Ivry und Mangun ist die Aufmerk­samkeit ein Prozess im Gehirn, der ablenkende Elemente ignoriert und im Gegenzug die Verarbeitung von relevanten Handlungen, Gedanken und Reizen ermöglicht (Gazzaniga et al., 2014: 278). Auch Hagendorf und Krummenacher liefern eine ähnliche Definition:

„Selektive Aufmerksamkeit bezeichnet die kognitiven Fähigkeiten, die eine Teilmenge sensori­scher Reize höheren Prozessen der Kontrolle von Denken und Handeln zugänglich machen.“ (Hagendorf & Krummenacher, 2011: 179).

Zudem wird durch die Aufmerksamkeit die Speicherung sensorischen Inputs im Arbeits­gedächtnis und auch die semantische Verarbeitung sowie die Reaktion darauf beein­flusst (Gazzaniga et al., 2014: 279). Aus den Definitionen geht eine elementare Funktion der Aufmerksamkeit hervor und zwar die Selektivität. In der einschlägigen Literatur wird in diesem Zusammenhang daher von einer selektiven Aufmerksamkeit gesprochen.

Darüber hinaus werden zwei Mechanismen der Aufmerksamkeitsorientierung unter­schieden. Bei endogener Aufmerksamkeit handelt es sich um eine freiwillige und ge­steuerte Aufmerksamkeit (Gazzaniga et al., 2014: 279). Es impliziert einen Top-Down Prozess, sprich einen von oben nach unten zielorientierten Prozess, „was bedeutet, dass unsere Ziele, Erwartungen und Belohnungen unser Ziel bestimmen.“ (ebd). Die exogene oder auch reflexive Aufmerksamkeit hingegen ist ein Bottom-Up Prozess, also ein von unten nach oben gerichteter, reizgesteuerter Prozess der durch ein sensorisches Ereig­nis, wie beispielsweise ein lautes Türknallen hervorgerufen wird (vgl. ebd.). Zusätzlich wird in der Aufmerksamkeitsforschung neben der selektiven Aufmerksamkeit auch zwi­schen ortsbezogene (selektive) Aufmerksamkeit, objektbezogene (selektive) Aufmerk­samkeit und dimensionsbasierte (selektive) Aufmerksamkeit unterschieden (Krum- menacher & Müller, 2017: 131).

3.1.2 Theorien und Modelle

Eine erste Theorie zur selektiven Reizverarbeitung der Aufmerksamkeit ist die Filtertheo­rie von Broadbent (1958), die der Abbildung 4 zu entnehmen ist. Demnach werden Rei­ze „zunächst parallel anhand von Oberflächenmerkmalen (sensorisch) verarbeitet. An­schließend wird ein Reiz aufgrund seiner physikalischen Beschaffenheit (z. B. weil er „rechts“ gehört wird) für die weitere Verarbeitung ausgewählt und höheren kognitiven Prozessen der Inhaltsanalyse zugeführt.“ (Bak, 2020: 71). Broadbent entwickelte diese Theorie nachdem er das sogenannte Split-Span-Experiment zum dichotomischen Hören durchführte und zu wichtigen Erkenntnissen kam. Dabei sollten die Versuchspersonen simultan auf beiden Ohren Ziffernpaare hören, sich aber nur auf das Gehörte auf einem Ohr fokussieren (vgl. Bak, 2020: 70). Eine ähnliche Studie zur simultanen Darbietung verschiedener Informationen führte auch Cherry (1953) durch. Beide Autoren stellten heraus, dass die Probanden nur wenig Informationen des Kanals wiedergeben konnten, den sie zuvor nicht beachten sollten (vgl. Bak, 2020: 71). Die Autoren konnten feststel­len, dass die Selektion der Informationen / Reize in einer sehr frühen Phase der Informa­tionsverarbeitung stattfindet (vgl. ebd.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Filtermodell der Aufmerksamkeit (Bak, 2020: 71)

Auf Basis dieser Erkenntnisse führte Moray (1959) ebenfalls eine ähnliches Experiment zum dichotomischen Hören durch. Im Rahmen dieses Experiments konnte Moray die Ergebnisse von Broadbent und Cherry nur teilweise bestätigen. So stellte sich heraus, dass die Probanden die akustischen Signale auf dem einen Ohr, welches sie nicht be­achten sollten, trotzdem registrierten wenn der Name der Versuchsperson auf diesem Kanal präsentiert wurde (Bak, 2020: 72). Moray (1959) benennt dieses Phänomen als „Cocktail-Party-Effekt“ welcher beschreibt, dass akustische Signale aktiv abgeschwächt werden, um die Konzentration auf einen bestimmten Reiz zu fokussieren. Dies geschieht beispielsweise in einer Gesprächsrunde auf einer Party, bei der man sich auf einen ein­zelnen Sprecher fokussiert (vgl. Ansorge & Leder, 2011: 145).

Im Zuge dieser Ergebnisse stellte Treisman (1964) die Theorie der Attenuationstheorie der Aufmerksamkeit auf, die in Abbildung 5 abgebildet ist. Im Unterschied zu den bishe­rigen Annahmen, funktioniert die Selektion nicht nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip, sondern vielmehr nach dem Mehr-oder-weniger-Prinzip (Bak, 2020: 72). Damit ist ge­meint, dass der Filterprozess die vermeintlich irrelevanten Signale nicht vollständig blo­ckiert, sondern die Verarbeitung lediglich abschwächt (ebd.). Demnach ist die semanti­sche Verarbeitung von Informationen, die nicht beachtet werden sollten, durchaus mög­lich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Attenuation-Modell (Bak, 2020: 71)

Entgegen dieser Annahme, stellen Deutsch und Deutsch (1963) eine alternative Theorie der späten Selektion auf. Abbildung 6 visualisiert die Funktionsweise dieser Theorie. Dabei gehen die Autoren davon aus, dass alle eingehenden Informationen verarbeitet werden und die Auswahl der Informationen, die weiterverarbeitet werden sollen, erst un­mittelbar bei der Reaktionsvorbereitung erfolgt (Bak, 2020: 73). Diese Annahme konnte von Treisman und Riley (1969) sowie von Coch, Sanders und Neville (2005) widerlegt werden. Die Ergebnisse beider Studien legen nahe, dass die Ausrichtung der Aufmerk­samkeit auf eine frühe Selektion ausgerichtet ist. Gegenwärtig besteht die Annahme, dass der Ort der Aufmerksamkeitsselektion flexibel ist und von spezifischen Aufgaben­faktoren abhängig sein kann (Krummenacher & Müller, 2017: 143).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Theorie der späten Selektion (Bak, 2020: 71)

3.2 Empirische Untersuchungen zum Gegenstandsbereich digitale Medien

In der einschlägigen Literatur gibt es eine Vielzahl an empirischen Untersuchungen hin­sichtlich des Einflusses digitaler Medien(-aktivitäten) auf die Aufmerksamkeit. Dabei liegt der Fokus der Forschung im Bereich der digitalen Medien auf das Medien-Multitasking sowie der Nutzung von Smartphones und Videospielen, welche sowohl über den Compu­ter / Laptop als auch über eine Konsole und einem Fernseher genutzt werden können. Im Folgenden werden die unterschiedlichen Befunde zum Einfluss digitaler Medien auf die Aufmerksamkeit dargelegt, die in folgende Kategorien unterteilt werden konnten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Allgemeine Mediennutzung ohne Konkretisierung auf ein bestimmtes Medium

Green und Kollegen (2018) untersuchten die Beziehungen zwischen der Nutzung digita­ler Medien und dem Schlafverhalten, der subjektiven Schläfrigkeit sowie der Aufmerk­samkeitsfähigkeit bei erwachsenen israelischen Bürgern im Vergleich zu israelischen Ju­gendlichen. Sie fanden heraus, dass eine übermäßige nächtliche Nutzung von Smart­phones und Fernsehen mit längerer Schlaflatenz, geringerer Schlafdauer, Abnahme des subjektiven Gesundheitszustands, Zunahme der Konzentrationsschwierigkeiten und der subjektiven Schläfrigkeit am Morgen verbunden waren (Green et al., 2018: 273). Ferner

[...]


1 Verfügbar unter: Digital 2022 (Letzter Zugri ff am 14.03.2022).

2 Exekutive Funktionen (EF) sind kognitive Prozesse höherer Ordnung, die für die Aktivierung und Verarbeitung von Informationen im Gehirn zuständig sind. Darunter zählt unter anderem das Ar­beitsgedächtnis und diverse Aufmerksamkeitsfähigkeiten (z. B. Aufmerksamkeitskontrolle, Auf­merksamkeitsflexibilität etc.). Sekundäre - Teenagers; Adolescents; Young adults Suchbegriffe - Impact; Effects; Functional / Structural Change

3 Verfügbar unter: Statista 2022 (Letzter Zugri ff am 14.03.2022).

4 Verfügbar unter: Digital 2022 (Letzter Zugri ff am 14.03.2022).

5 Verfügbar unter: Statista 2022 (Letzter Zugri ff am 14.03.2022).

Ende der Leseprobe aus 61 Seiten

Details

Titel
Beeinträchtigen Handys die Intelligenz? Der Einfluss digitaler Medien auf die kognitive Leistungsfähigkeit von Jugendlichen
Note
1.0
Jahr
2022
Seiten
61
Katalognummer
V1215895
ISBN (eBook)
9783346642578
ISBN (Buch)
9783346642585
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
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Schlagworte
Medien, Arbeitsgedächtnis, Jugendliche, Erwachsene, Smartphone, Computer, Tablet, Leistungsfähigkeit, Digitalisierung, Internet
Arbeit zitieren
Anonym, 2022, Beeinträchtigen Handys die Intelligenz? Der Einfluss digitaler Medien auf die kognitive Leistungsfähigkeit von Jugendlichen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1215895

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