Leseprobe
I. Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Bedeutung des Themas
1.2. Forschungsfrage
1.3. Ziel der Arbeit
1.4. Aufbau und Methode der Arbeit
2. Hauptteil
2.1. Wahrnehmung des Kindes
2.2. Bildungs- und Beratungsfelder
2.2.1. Handlungsfeld Beobachtung und Nähe zum Kind
2.2.2. Handlungsfeld Kommunikation
2.2.3. Handlungsfeld Umgang zwischen Kind und Erwachsenen
2.2.4. Handlungsfeld zwischen verschiedenen Sozial- und Zeiträumen
3. Beratung der Bezugspersonen und Handlungsempfehlungen
4. Fazit
II. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Bedeutung des Themas
Die Familie stellt eine Beziehung verschiedener Einzelsysteme dar wie zwischen Vater und Kind, die ständig im Wandel ist. Die Einzelsysteme wiederum können in Subsysteme unterschieden werden, die Teile der Kernfamilie darstellen. Zu den Teilsystemen gehört die Partnerschaft, in der gegenseitige Bedürfnisse befriedigt und der Partner unterstützt wird. Das Teilsystem der Eltern übernimmt die Aufgabe die Kinder zu ernähren und zu sozialisieren. Geschwister bilden Beziehungen im sogenannten Geschwisterteilsystem aus. Das Teilsystem zwischen den Geschlechtern z.B. Vater zum Sohn, hilft bei der Ausbildung der geschlechtlichen Identität. Die Teilsysteme ordnen ihre Beziehungen und Interaktionen untereinander, wobei die unterschiedlichen Beziehungen durch eine Grenze festgelegt werden, die das System von seiner Umgebung trennt. Die Teilsysteme bilden untereinander eine Hierarchie, wobei das elterliche Teilsystem über dem kindlichen Teilsystem steht (Boszormenyi-Nagy, I., 2001, S. 19ff.).
Die familiären Interaktionen entwickeln eine Dynamik, bei der gemeinsame Sinndeutungen und eine gemeinsame Geschichte den Zeitverlauf über mehrere Generationen hinweg umfasst. Die Verhaltensweisen eines Mitglieds der Familie sind systemrelevant. Einzelne Veränderungen können sehr schnell wahrgenommen werden und Irritationen auslösen. Die Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern befinden sich üblicherweise in einem Zustand des Gleichgewichts, wobei in jeder Familie unterschiedliche Entwicklungsstadien durchlaufen werden, in denen sich die Beziehungen verändern, so dass ein neuer Gleichgewichtszustand eintritt (Boszormenyi-Nagy, I., 2001, S. 19ff.).
Durch die am 11. März 2020 ausgerufene Corona Pandemie (Schlack, 2020) hat sich das Familiensystem und die damit einhergehenden Einschränkungen des Sozialraums verändert, da alle Beteiligten enger miteinander verbunden und aufeinander angewiesen sind (Boszormenyi-Nagy, I., 2001, S. 19ff.). Für die Kinder brach mit der Schließung der Kindertagesstätten der gewohnte Alltag mit den sozialen Kontakten zusammen (Schlack, 2020). Solch ein gewaltiger Umbruch erfordert professionelle Unterstützung.
In dieser Arbeit werden Bildungs- und Beratungsfelder in der frühkindlichen Entwicklung, in der Kinderbetreuung und in Familien aufgezeigt. Dabei wird der Schwerpunkt auf diese Bildungs- und Beratungsfelder in der Corona Pandemie in Deutschland gesetzt.
1.2 Forschungsfrage
In der vorliegenden Arbeit wird die Frage beantwortet, welches Bildungs- und Beratungsangebot geeignet ist, um Familien dabei zu unterstützen, die durch die Corona Pandemie verbundenen Herausforderungen zu bewältigen. Es gilt dabei zu beachten, dass es nicht das eine richtige Angebot gibt, da Familien unterschiedliche Bedürfnisse haben. Daher ist eine individuelle Anpassung erforderlich.
1.3 Ziel der Arbeit
Das Ziel der Arbeit besteht darin, Bildungs- und Beratungsfelder in der frühkindlichen Entwicklung, in der Kinderbetreuung und in Familien während der Corona Pandemie aufzuzeigen.
Bedingt durch den Lock down hat sich die Beziehung in den Familien stark auf einen engen sozialen Bezugsraum reduziert. Neben den Schließungen der Kindertagesstätten wurde auch das gesamte gesellschaftliche Leben auf ein Minimum reduziert. Eltern waren einer deutlich höheren Belastung ausgesetzt. Nicht nur die Arbeit im Homeoffice musste organisiert werden, auch die ständige Kinderbetreuung wie beispielsweise Homeschooling, die Angst sich selbst mit dem Corona-Virus zu infizieren sowie finanziellen Sorgen durch die drohende Kurzarbeit waren bzw. sind immer noch ständige Begleiter (Cohen et al., 2020, S. 36). Die Erforschung der physischen und psychischen Auswirkungen dieser Pandemie auf die Kinder wird allerdings noch lange nicht abgeschlossen sein, da die Corona-Pandemie nach wie vor allgegenwärtig ist (BMFSFJ, 2020, online).
Der Schwerpunkt dieser Seminararbeit liegt auf der Frühpädagogik, da sich die Kinder in dieser Lebensphase noch am stärksten entwickeln und am meisten betreut werden müssen, wozu der Kontakt zu ihren Bezugspersonen gefordert ist.
Die Reichweite der Arbeit liegt vor allem auf der Situation in Deutschland, da eine internationale Betrachtung den Rahmen der Arbeit sprengen würde.
1.4 Aufbau und Methode der Arbeit
In der Arbeit wird zunächst auf die individuelle Wahrnehmung des Kindes in verschiedenen Stadien der Entwicklung eingegangen. Daran anschließend folgt ein Kapitel über die Bildungs- und Beratungsfelder, in dem die unterschiedlichen Handlungsfelder:
- Beobachtung und Nähe zum Kind,
- Kommunikation,
- Umgang zwischen Kindern und Erwachsenen
- sowie den Sozial- und Zeiträumen eingegangen wird. Das dritte Kapitel behandelt die Beratung der Bezugspersonen der Kinder sowie entsprechende Handlungsempfehlungen. Zum Schluss erfolgt ein Resümee.
Für die Arbeit wird theoretische und praxisorientierte Literatur verwendet.
2. Hauptteil
2.1 Wahrnehmung des Kindes
Von Säuglingen und Kleinkindern können die Veränderungen in der Familie kognitiv noch nicht wahrgenommen werden. Sie realisieren die leibliche und emotionale Resonanz der Spannungen und Verhaltensänderungen bei den Erwachsenen. So kommt es zu Schlaf- und Essstörungen. Die Babys reagieren gereizt und lassen sich kaum beruhigen oder trösten. Entscheidend trägt hier auch die Bindungsforschung zu den Forschungsergebnissen bei. Die Kinder sind stark auf eine Person orientiert und solange die Bezugsperson vorhanden ist kommt es kaum zu Folgeerscheinungen. Wenn allerdings die primäre Bezugsperson psychisch oder physisch zu sehr belastet ist, dann kann auch das Verhältnis zum Kind beeinträchtigt sein (Grossmann, K.; Grossmann, K., 2004, S. 23f.). Der Verlust der Bezugsperson kann zu einer starken Verunsicherung und damit verbundenen Ängsten wie Ein- und Durchschlafstörungen führen. Es kommt zu Verzögerungen in der Sprachentwicklung und im Spielverhalten (Dettenborn, H.; Walter, E., 2002, S. 149ff.).
Für Kleinkinder ist es wichtig, dass die vertraute Bezugsperson ständig zur Verfügung steht. Durch eigene Belastungen und konkrete Einschränkungen der Bezugspersonen, beispielsweise ihrer zeitlichen Ressourcen und seiner Konzentration auf den Partner, kann das Verhalten gegenüber dem Kind unbewusst verändert werden. Darauf reagiert das Kind mit Schreien, nicht Schlafen oder Fordern von Aufmerksamkeit. Bei Kindern unter zwei Jahren kann es zu verstärktem Anklammern kommen, wenn es verunsichert ist. Das kann auch beim Wechsel der Bezugspersonen der Fall sein (Dettenborn, H.; Walter, E., 2002, S. 149ff.).
Wenn die Eltern ihr Kind schützen wollen, können sie ihnen in diesem Alter nur eingeschränkt Informationen zu ihrer Situation und den entsprechenden Folgen vermitteln. Dadurch kann es zu Angstfantasien und einer schuldhaften Eigenbeteiligung kommen, die als bedrohlich wahrgenommen wird. Durch ihr noch nicht ausgebildetes Zeitgefühl und fehlenden Strategien zur Konfliktlösung können die Kinder keinen Ausweg aus ihrer Situation finden. Sie begreifen nicht, wenn es sich um eine vorübergehende Krise handelt. Manche Kinder reagieren trotzig, traurig oder sogar aggressiv. Sie zeigen beim Spielen weniger Durchhaltevermögen und kooperieren weniger. In Kindergärten sind sie oft ängstlich und unaufmerksam oder ziehen sich völlig zurück und es treten regressive Verhaltensweisen auf (Dettenborn, H.; Walter, E., 2002, S. 149ff.).
2.2 Bildungs- und Beratungsfelder
2.2.1 Handlungsfeld Beobachtung und Nähe zum Kind
Das Verhalten des Kindes sollte regelmäßig beobachtet werden und nicht erst, wenn mit den Eltern über die Entwicklung gesprochen wird. Die Beobachtung kann von den pädagogischen Fachkräften in der Kinderbetreuung als Basis für ihr pädagogisches Vorgehen und die Prüfung des eigenen Vorgehens verwendet werden. So stellt sich die Frage was die Hintergründe für das individuelle Verhalten eines Kindes sind (Schmidt, S., 2016, S. 3ff.). Sind die Gründe bekannt, dann ist zu überlegen, welche Handlungsstrategien konkret erfolgen sollen, beispielsweise welches Spielmaterial angeboten oder welche Ideen des Kindes in die Angebote der Fachkräfte aufgenommen werden sollen. Mit der konkreten spielerischen Übung können bestimmte nonverbale Kompetenzen entwickelt werden. Durch eine genaue Beobachtung wird das Materialangebot im Raum überprüft und die Interessen des Kindes unterstützt. Die Fachkraft setzt sich in der Kinderbetreuung intensiv mit dem Kind auseinander und kann über die Beobachtung das Verhalten und die Einstellung des Kindes überprüfen und möglicherweise auch korrigieren, damit das Kind sein Verhalten ändert. In der Beobachtung wird die praktische Bedeutung und Integration der nonverbalen Kommunikation der Kinder deutlich (Schmidt, B. B.; 2002, S. 23ff.).
Der Akzeptanzraum des Kindes wird je nach Situation individuell gestaltet. Er zeigt das Bedürfnis nach individueller Nähe und Distanz gegenüber anderen Personen (Schmidt, B. B., 2002, S. 23ff.). Wenn dem Kind wie in der Corona Pandemie eine andere Situation aufgedrängt wird, dann reagiert es abwehrend und wird unruhig. Damit zeigt es, dass es sehr sensibel ist, wenn sein Akzeptanzraum überschritten wird und versucht, sich zu schützen (Schmidt, B. B., 2002, S. 23ff.).
Die pädagogischen Fachkräfte in der Kinderbetreuung sollen darauf achten, dass das Kind selbstbestimmt sein Verhalten in Bezug auf Nähe und Distanz zu anderen Personen bestimmen darf. Als Beispiel sollte das Kind an einem anderen Tisch sitzen dürfen als die Erwachsenen. Spielerisch kann eine Abwechslung von Nähe und Distanz geübt werden (Schmidt, S., 2016, S. 3f.).
Der Umgang des Kindes mit seinem Intimraum kann zeigen, inwieweit direkte Berührungen und die Kontaktaufnahme zu ihm möglich sind. In der Corona Pandemie ist hier besonders darauf zu achten ein Gleichgewicht von körperlicher Nähe und geforderter Distanz durch Hygienemaßnahmen zu finden. Ein Kind beschäftigt sich intensiv mit dem Intimraum, indem es z.B. das Ritual der Verkleidung wählt, die es den ganzen Tag anbehalten will. Der direkte Körperkontakt mit anderen Personen wird durch das Tragen mehrerer Kleidungsstücke übereinander vermieden. Dadurch schützt sich das Kind vor Grenzüberschreitungen. Die Fachkräfte sollen sich überlegen, woher das Schutzbedürfnis des Kindes kommt und wie sie während der Corona Pandemie darauf reagieren können (Schmidt, B. B., 2002, S. 23ff.). Das Kind kann bereits grenzüberschreitende Erlebnisse gemacht haben. Als Beispiel sei hier das Zwingen zu einer Begrüßung genannt oder gar unsanfte Berührungen. Das Kind versucht hierbei, diese Erfahrungen zu vermeiden oder zu mildern, indem es sich abschirmt. Hier ist eine besondere Sensibilität der Fachkräfte erforderlich, mit dem Intimraum des Kindes umzugehen. Es muss berücksichtigt werden, dass das Kind nur dann berührt wird, wenn es unbedingt erforderlich ist und dabei sehr vorsichtig mit ihm umgegangen werden muss beispielsweise während der Körperpflege (Schmidt, S., 2016, S. 3f.).
Das Kind soll die Kontaktaufnahme selbst bestimmen und Berührungen zulassen und erwidern können, wenn diese von ihm selbst ausgehen, zum Beispiel wenn es auf dem Schoß des pädagogischen Mitarbeiters sitzen will oder diese an die Hand nimmt. Die Fachkraft kann Übungen mit dem Kind machen, bei denen sich das Kind selbst oder andere Kinder berührt, beispielsweise mit pusten, massieren, streicheln. Das Kind muss merken, dass es eigene Grenzen bestimmen darf und diese von Anderen respektiert werden, was dann auch umgekehrt gelten darf (Schmidt, S., 2016, S. 3ff.).
Insgesamt lässt sich feststellen, dass nonverbale Kommunikationskriterien in die Beobachtung und Analyse miteinbezogen werden, die dabei helfen, das Verhalten des Kindes in seiner geistigen, körperlichen und seelischen Entwicklung besser zu begreifen und das Kommunikationsverhalten der pädagogischen Fachkräfte selbst zu reflektieren und möglicherweise auch zu korrigieren (Schmidt, B. B., 2002, S. 23f.). Die Fachkräfte können bemerken, wo die nonverbale Kommunikation des Kindes besonders kompetent ist, an welchen Stellen es unterstützt und gefördert werden muss. Dabei bietet es sich an, eine ganzheitliche Umgangsweise und Professionalität bei den pädagogischen Mitarbeiter:innen zu gewährleisten. Diese sind entsprechend zu qualifizieren, indem sie beispielsweise konkrete Beobachtungskompetenzen üben und übernehmen (Schmidt, S., 2016, S. 3ff.).
2.2.2 Handlungsfeld Kommunikation
Die phonologische Bewusstheit ist die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf formale Eigenschaften der gesprochenen Sprache zu richten wie den Klang der Wörter als Teile von Sätzen und auf Silben als Teile von Wörtern sowie die Laute in der gesprochenen Sprache. In der empirischen Forschung zur phonologischen Bewusstheit zeigt sich, dass nach den Begriffsbestimmungen die Vorläuferfertigkeit und die Voraussetzung des Schriftspracherwerbs als Folge der Auseinandersetzung mit der Schriftsprache oder interaktive Komponente durch den Schriftspracherwerb beginnt und gefördert werden muss (Marx, H., 1997, S. 85ff.). Diese Unterschiede lassen sich durch die Differenzierung der phonologischen Bewusstheit im engeren und weiteren Sinn feststellen und auflösen. Die phonologische Bewusstheit im engeren Sinn nimmt Bezug auf den bewussten Umgang mit den Phonemen der gesprochenen Sprache und entwickelt sich unter der Anleitung in Verbindung mit dem Schriftspracherwerb. Im weiteren Sinne ist die phonologische Bewusstheit die Wahrnehmung der sprachlich größeren Einheiten wie Wörter in einem Satz und Silben in Wörtern, der Klang der Wörter. Diese entwickelt sich im Vorschulalter spontan und ohne eine Anleitung von außen (Skowronek, H.; Marx, H., 1989, S. 38ff.).
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