Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Soziale Medien und Adoleszenz
2.1. Begriffserklärung, Entstehung und Gattungen
2.2. Nutzung sozialer Medien und ihre Folgen
3. Das soziale Handeln nach Max Weber
3.1 Definition: Soziales Handeln und soziale Beziehung
3.2 Soziales Handeln in sozialen Medien
4. Cybermobbing in sozialen Medien
4.1 Begriffserklärung, Entstehung und Merkmale
4.2 Ursachen und Auswirkungen
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Binnen der letzten zwei Jahrzehnten hat sich unsere Kommunikationsweise aufgrund der Nutzung sogenannter „sozialen Medien“ elementar verändert. Ob Facebook, WhatsApp oder Twitter – die soziale Interaktion und Kommunikation in sozialen Medien scheint für die Jugend heutzutage banal zu sein. Doch die Flucht in virtuelle Welten birgt neben ihren Chancen und Potentialen auch Gefahren. Hierzu gehört das vielschichtige Phänomen Cybermobbing. Grundlegend für die Suche nach einem Hausarbeitsthema im Rahmen des Seminars „Werkzeuge der Emanzipation oder Unterdrückung? Soziale Medien und Gesellschaft in der Gegenwart“ waren Überlegungen zum Einfluss von sozialen Medien auf die psychische Gesundheit, die reale Welt und das soziale Handeln der Jugendlichen. Durch die wachsende Nutzung sozialer Medien scheint neben der Emanzipation zugleich der Hass und Mobbing im Netz unter den NutzerInnen präsenter zu sein. Demnach wird sich die vorliegende Hausarbeit mit sozialen Medien hinsichtlich Cybermobbing und dem sozialen Handeln auseinandersetzen. Der Fokus soll dabei auf der Plattform Facebook liegen. Geleitet wird die Hausarbeit durch die Frage welchen Einfluss Cybermobbing auf die psychische Gesundheit der deutschen Social-Media-NutzerInnen im Jugendalter von 2009 bis 2020 hatte. Das methodische Vorgehen zur Behandlung der Themenbereiche Soziale Medien, soziales Handeln und Cybermobbing setzt sich wie folgt zusammen: Die Literatur von Schmidt und Taddicken (beide 2016), Fuchs (2019), Becker (2013), Kneidinger-Müller (2017), Lünenborg (2021) und Kolo (2020) soll mittels der historisch-kritischen Quelleninterpretation hinsichtlich der Begriffserklärung, Entstehung und Gattungen sozialer Medien vergleichend analysiert und interpretiert. Anhand der empirischen Studien von JIM (2019), BITKOM (2019), DAK (2019), Faktenkontor (2020) und SevenOne Media (2019), die statistisch analysiert und ausgewertet werden und der Werke von Krämer et al. (2017) und Montag (2018), soll die Nutzung von Social Media und ihre Folgen für Jugendliche durchleuchtet werden. Mittels der hermeneutischen Methode sollen die Werke von Weber (beide 1922), Schäfers (2016), Schneider (2002), Hugger (2010) und Schulz-Schaeffer (2018) bezüglich des sozialen Handelns nach Max Weber vergleichend analysiert und interpretiert. Mithilfe der historisch-kritischen Quelleninterpretation soll die Plattform Facebook von Kneidinger (2010), Brommer et al. (2012) und Schmidt und Taddicken (2016) vergleichend analysiert werden. Die Werke von Katzer (2014), Kaschnitz (2016), Scheithauer et al. (2020), Marx (2017), Gradinger (2010), Fawzi (2009), Leest (2018), Mathiesen (2014) und Eickelmann (2017) werden hinsichtlich Cybermobbing in sozialen Medien mittels der historisch-kritischen Quelleninterpretation vergleichend analysiert und interpretiert. Zuletzt sollen die empirischen Studien von IKG (2012), Porsch und Pieschl (2014), Bündnis gegen Cybermobbing (2020), von den Autoren Baier et al. (2019) und Kliem et al. (2020) zur Durchleuchtung der Leitfrage statistisch analysiert und ausgewertet. Ziel der Hausarbeit soll es sein, die gemeinsamen und unterschiedlichen Positionen der Experten bezüglich der sozialen Medien und deren Auswirkungen auf die NutzerInnen hinsichtlich Cybermobbing argumentativ zu analysieren. Die Gegenüberstellung der Positionen der Experten steht hierbei im Mittelpunkt, um einen Erkenntnisgewinn darüber zu erzielen. Zur Darstellung der Themenbereiche wird sich die Hausarbeit zunächst auf die Thematik Soziale Medien hinsichtlich Adoleszenz fokussieren. Danach folgt das „soziale Handeln“ einschließlich „soziale Beziehungen“ nach Max Webers Sinn und eine theoriegeleitete Diskussion bezüglich des sozialen Handelns in Social Media. Zuletzt beschäftigt sich die Hausarbeit mit der Thematik Cybermobbing in sozialen Medien. Am Ende der Hausarbeit werden die bedeutsamsten Erkenntnisse aus den Positionen der Experten zusammengefasst, um ein abschließendes Fazit bilden zu können. Hierbei soll die Leitfrage durch die Benennung und Abwägung von Argumenten und Gründen umfassend beantwortet werden.
2. Soziale Medien und Adoleszenz
Heutzutage bewegen sich vermehrt Jugendliche in Deutschland innerhalb sozialer Netzwerke. Sie dienen zur Unterhaltung, Kommunikation und Vernetzung mit anderen UserInnen. Doch was genau sind Soziale Medien? Wie sind Soziale Medien entstanden? Und welche Gattungen von sozialen Medien gibt es? Im Folgenden werden diese Fragen durchleuchtet, indem die Werke der verwiesenen Experten vergleichend analysiert und interpretiert werden.
2.1 Begriffserklärung, Entstehung und Gattungen
„Social Media“, die englische Bezeichnung für „Soziale Medien“ definiere eine “[…] Gruppe von digitalen Medien und Techniken […]“ mithilfe dessen UserInnen ihre Gedanken austauschen können (Becker 2013: 205). Dieser Austausch finde mittels der „Virtuellen Identität“ statt, wobei “[…] besondere Merkmale einer Person zum Ausdruck gebracht werden […]“, um “[…] sich zugleich mit gewissen kollektivierenden Eigenschaften zu präsentieren“ (Kneidinger-Müller 2017: 63). Es wird Text, Bild und Ton als Mittel zur Kommunikation und Selbstinszenierung genutzt (Becker 2013: 205). Das Teilen und Kommentieren von Inhalten sowie die Reaktion auf Beiträge anderer Social-Media-UserInnen gehe durch “[…] spontane, unmittelbare Gefühlsausdrücke von Freude und Begeisterung […]“ hervor (Lünenborg 2021: 6). Zwecks der Reaktion auf Beiträge, Kommentare und Kritik, die geleitet sind durch Emotionen, können soziale Beziehungen zwischen den NutzerInnen aufgebaut werden (Becker 2013: 205). Social Media beschreibe demnach “[…] allgemein zugängliche Technologien, die sozial genutzt werden, um Inhalte unterschiedlicher Art zu kreieren, zu modifizieren oder auszutauschen“ (Kolo 2020: 989). All diese technischen Möglichkeiten der sozialen Medien scheinen für viele Menschen neuartig zu sein – doch ihre Ursprünge reichen bis in die 1990er Jahre. Soziale Medien lasse sich durch die grundlegende Veränderung des Internets darstellen – dem sogenannten „Web 2.0“, der “[…] 2005 von Tim O’Reilly, dem Gründer des IT-Verlages O’Reilly Media, geprägt wurde“ (Fuchs 2019: 61). Er beschreibe die “[…] radikale Dezentralisierung des Netzes […]“, wodurch Vertrauen und Partizipation im Internet für die NutzerInnen geschaffen wurde (Fuchs 2019: 61; vgl. O’Reilly 2005). Im Sinne von O‘Reilly sei das Internet im Jahr 2005, im Vergleich zum „Pre-Web“ und „Web 1.0“, völlig neuartig (Fuchs 2019: 61; vgl. O’Reilly 2005). Doch “[…] bereits in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre […]“ gäbe es eine Vielzahl an “[…] Web-2.0-Anwendungen wie Weblogs, Wikis oder soziale Netzwerkplattformen“ (Schmidt; Taddicken 2016: 5). Der “[…] zuweilen synonym zu Social Media genutzte Begriff des „Web 2.0“ […]“ solle hier demnach vermieden werden, da die “[…] Sozialität des Webs bzw. auch anderer Internet-basierter Dienste bereits in den Anfängen angelegt war“ (Kolo 2020: 990; vgl. Rheingold 1993). Daraus lasse sich schließen, dass das Internet “[…] im technischen Sinne keinen solch tiefgreifenden Wandel […]“ durchlebte, wie Tim O’Reilly es beschreibt, sondern es nur “[…] technische bzw. funktionale Veränderungen und Erweiterungen des World Wide Web […]“ gegeben hat (Schmidt; Taddicken 2016a: 5). Durch die technologischen Fortschritte wie der “[…] Übergang von Modem- und ISDN-Technologien hin zu DSL […]“ war es erst möglich Web 2.0 effizient auszubauen und zu nutzen, wodurch Innovationen im Bereich Geräte und Software realisiert werden konnten (Schmidt; Taddicken 2016a: 5f.). Der Aufstieg von Web 2.0 sei aber nicht nur auf die “[…] technischen Innovationen zurückzuführen […]“, sondern ebenso auf die Ideen der „New Economy“ bei dem ein Umstieg der Wirtschaftsweise “[…] hin zu webbasierten Diensten erfolgte“ (Schmidt; Taddicken 2016a: 6). Aufgrund des Umschwungs kam es im Jahr 2000 zu einer „Krise der Internetökonomie“, da die „Dotcom-Blase“ durch zu hohe Spekulationen geplatzt ist und viele Kleinanleger und Industrieländer immense Verluste erleiden mussten (Fuchs 2019: 61). Trotz dessen erblühten soziale Innovationen durch Web 2.0 wie die “[…] individuellen Partizipationsmöglichkeiten an (teil-)öffentlichen Diskursen […]“, wodurch “[…] das Kommunikations- und Mediennutzungsverhalten […]“ seither grundlegend verändert wurde, da “[…] die sozialen Aspekte der Nutzung […]“ in den Vordergrund rückten (Schmidt; Taddicken 2016a: 7). Angesichts der Nutzung dieser Partizipationsmöglichkeiten befinden sich die UserInnen auf verschieden sozialen Medien. Unterscheidet werden vier Gattungen, nämlich Plattformen, Personal Publishing, Instant Messaging und Wikis, wobei diese noch längst nicht alle Untergruppen sind, da Soziale Medien sich permanent weiterentwickeln und zunehmend neuartige Gattungen entstehen (Schmidt; Taddicken 2016a: 9). Aus diesem Grunde werden lediglich auf die genannten Untergruppen eingegangen. Plattformen können soziale Netzwerkplattformen wie Facebook sein, wobei sich NutzerInnen persönliche Accounts erstellen, um Kontakte zu knüpfen und sich mit ihnen auszutauschen. Der Austausch von Gedanken und das Veröffentlichen von Beiträgen auf diesen Plattformen werde strukturiert durch „ publicly articulate[d] connections “ (vgl. Schmidt; Taddicken 2016a: 10; vgl. Ellison; Boyd 2013: 158), wodurch “[…] nur bestätigte Kontakte bestimmte Beiträge und Informationen einsehen können“ (Schmidt; Taddicken 2016a: 10). Facebook biete dabei die Möglichkeit zur Partizipation mittels des „Gefällt-mir“-Buttons und der Kommentarfunktion auf Beiträge anderer zu reagieren, wodurch die “[…] Interaktion zwischen UserInnen gefördert wird“ (Kneidinger 2010: 60). Darüber hinaus verfüge die Netzwerkplattform Facebook über zusätzliche “[…] nicht-öffentliche Kommunikationskanäle, wie etwa einen Netzwerkinternen Chat und Email-ähnlichen Postfach […]“, womit der Austausch mit anderen Facebook-Usern ermöglicht wird (Kneidinger 2010: 60). Mittels dieser „Facebook-Kommunikation“ sollen die sozialen Beziehungen zu Kontakten aufrechterhalten oder wiederaufgefrischt werden (Brommer et al. 2012: 289). Das „Personal Publishing“ biete die Möglichkeit für nicht professionelle NutzerInnen “[…] eigene persönliche bzw. private Werbeangebote zu erstellen“ (Schmidt und Taddicken 2016a: 11). Twitter ist beispielsweise ein eigenständiger Teil des Personal-Publishings, wobei der individuelle Nutzer eigene News in Form von kurzen Meldungen, sogenannte „Tweets“, verbreiten und diese von anderen UserInnen kommentieren kann (Becker 2015: 207). Beim „Instant Messaging“ geht es um die direkte Kommunikation und Vernetzung mit persönlichen Kontakten auf Chat-Diensten wie WhatsApp. Eine Nachricht an eine bestimmte Person könne textbasierend und durch die “[…] Einbettung von Bildern oder den Dateitransfer erfolgen“ (Schmidt; Taddicken 2016a: 12). Sogenannte „Wikis“ beschreibe “[…] Hypertext-Dokumente, die direkt im Browser erstellt und bearbeitet werden können“ (Schmidt; Taddicken 2016a: 13). In Deutschland “[…] ist die Wikipedia, eine seit 2001 bestehende kollaborativ erstellte Enzyklopädie […]“, die bekannteste Form von Wikis (Schmidt und Taddicken 2016a: 13; vgl. Pentzold 2007; Stegbauer 2009).
2.2 Nutzung sozialer Medien und ihre Folgen
Die Jugend in Deutschland nutzt Soziale Medien mehr als je zuvor, seit Beginn des Handyzeitalters. Zurückzuführen sei dies auf die “[…] wachsende Bedeutung des Internets und der rasanten Entwicklung der Smartphone-Nutzung […]“ (Feierabend et al. 2019: 2).1 Doch welche Motive treiben die NutzerInnen an auf Soziale Medien zurückzugreifen? Wie häufig nutzen Jugendliche in Deutschland Social Media? Und welche Folgen hat die Nutzung von Social Media für die NutzerInnen? Folgend werden die Motive zur Nutzung von sozialen Medien begrifflich dargestellt und die Nutzung unter deutschen Jugendlichen anhand von Studien, die statistisch ausgewertet und analysiert werden, untersucht. Zudem sollen die Folgen der Nutzung von sozialen Medien für die NutzerInnen mittels der Studien und Sekundärwerken verwiesener Experten vergleichend analysiert werden.
Alltäglich greifen Jugendliche auf Soziale Medien zurück, um mit anderen UserInnen zu kommunizieren oder nach Informationen zu suchen. Dabei wird die Nutzung sozialer Medien hauptsächlich von sozialen Bedürfnissen geleitet, wobei folgende Motive von zentraler Bedeutung sind:
(1) Die Beziehung zu Freunden, die man nicht so oft sehen kann, aufrechtzuerhalten und den Kontakt mit älteren Freunden/Bekannten, die man aus den Augen verloren hat, wieder aufzunehmen (social connection), (2) sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und sich an Gruppen und Organisationen zu beteiligen, die den eigenen Interessen entsprechen (shared identities), (3) sich Fotos anderer anzuschauen und selbst Fotos zu veröffentlichen (photographs), (4) neue Inhalte, Apps und Spiele zu entdecken (content), (5) andere Menschen zu beobachten und neue Kontakte zu knüpfen (social investigation), (6) sich die Profile von Fremden anzuschauen und Freundesfreunde auszukundschaften (social network surfing), (7) auf dem Newsfeed Status-Updates zu lesen und selbst zu generieren (status updates). (Krämer et al. 2017: 43; vgl. Joinson 2008)
Bei 14-15-Jährigen haben im Jahr 2014 84 % der Befragten ein Smartphone, wobei im Jahr 2019 nahezu jeder (98 %) ein Smartphone besitzt (Bitkom 2019: 3).2 Laut der DAK-Studie3 nutze die Mehrheit der jugendlichen NutzerInnen mit 85 % Soziale Medien tagtäglich, wobei “[…] die durchschnittliche Nutzungsdauer pro Tag bei circa drei Stunden (166 Minuten) liegt“ (DAK 2019: 8). In der JIM-Studie beläuft sich die durchschnittliche Tagesnutzung sozialer Medien auf 205 Minuten (Feierabend et al. 2019: 24f.). Hingegen lag die durchschnittliche Nutzungsdauer im Jahr 2009 bei 134 Minuten und ist seither drastisch gestiegen (Feierabend et al. 2019: 24). Diese hohe Nutzungsdauer auf sozialen Medien resultiert aus den verstärkten sozialen Bedürfnissen der Menschen und der Dominanz der Smartphone-Nutzung (vgl. Bitkom 2019: 3), wobei 86 % der Jugendlichen zu Hause einen uneingeschränkten Zugang zum Internet haben und somit täglich auf Soziale Medien und das Netz zugreifen können (Feierabend et al. 2019: 22f.).
Auffällig wird, dass mit zunehmendem Alter der Befragten die durchschnittliche Nutzung pro Tag steigt (DAK 2019: 8). Ebenso spiele der Schulabschluss bei der Nutzungsdauer eine Rolle, denn Befragte die nach “[…] ihrer eigenen Einschätzung das Abitur erreichen werden, geben im Durchschnitt eine geringere Nutzungsdauer an als Kinder und Jugendliche mit (voraussichtlich) mittlerem oder niedrigerem Schulabschluss“ (DAK 2019: 9). Angesichts der inhaltlichen Verteilung der Internetnutzung von 2009 bis 2019 wird deutlich, dass die Kommunikation in sozialen Medien unter den Jugendlichen gesunken ist, nämlich von 47 % (2009) auf 33 % im Jahr 2019 (Feierabend et al. 2019: 25). Hingegen ist der Bereich Unterhaltung von 2009 bis 2019 um 8 % (von 22 % auf 30 %) gewachsen (Feierabend et al. 2019: 25). WhatsApp wird mit 66 % unter den Jugendlichen am meisten genutzt (DAK 2019: 10). Die beliebteste Plattform unter den Befragten der JIM-Studie ist YouTube mit 63 % (Feierabend et al. 2019: 27). Die Nutzung von Facebook der Befragten beläuft sich auf 2 % (vgl. DAK 2019: 10) und 4 % (vgl. Feierabend et al. 2019: 27). Das soziale Medium Facebook, das ursprünglich für die “[…] Kommunikation innerhalb des Universitäts-Campus gedacht“ war, wurde im Jahr “[…] 2004 von dem Harvard-Studenten Mark Zuckerberg entwickelt […]“ und erreichte innerhalb von wenigen Jahren das weltweite Netz und erlangte seither an globaler Bekanntheit (Kneidinger 2010: 59f.). Laut Schmidt und Taddicken (2016a: 15; vgl. Schneller 2013) zähle der Marktführer Facebook mit 23,82 Millionen deutschen NutzerInnen zu der am häufigsten benutzten Netzwerkplattform in Deutschland und war bis vor kurzer Zeit das beliebteste soziale Medium der Jugendlichen. Doch unter deutschen UserInnen im Jugendalter ist Facebook mittlerweile unbeliebt geworden – die Marktanteile sanken von 92 % im Jahr 2014 auf 36 % im Jahr 2019 unter den 16-19-Jährigen UserInnen (Faktenkontor 2020).4 Diese drastische Einwicklung zeigte ebenfalls die SevenOne-Media-Studie5, bei der die Nutzung von Facebook im Jahr 2015 71 % betrug und auf 30 % im Jahr 2019 gefallen ist (SevenOne Media 2019: 27). Die deutschen Jugendlichen verbrachten 3 Minuten (2019) auf Facebook, wohingegen die Nutzungsdauer im Jahr 2015 bei 28 Minuten lag (SevenOne Media 2019: 28). Dieses historische Tief ist auf die Nutzung anderweitiger sozialer Medien wie WhatsApp oder YouTube zurückzuführen, die ähnliche Funktionen wie Facebook besitzen, aber dennoch populärer unter den Jugendlichen sind (Feierabend et al. 2019: 27f.). Trotz der zur zeitigen Unbeliebtheit von Facebook unter den deutschen im Jugendalter, wächst die Bedeutung von Social Media immer weiter an und ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken.
Allerdings kann dieser Trend neben ihren Chancen und Potentialen zugleich negative Folgen für die NutzerInnen haben, die im Folgenden behandelt werden. Laut der BITKOM-Studie6 “[…] überwiegen die positiven Erfahrungen im Internet, da mehr als zwei Drittel (69 %) angeben, dass sie ihr Wissen erweitern und ein Drittel der befragten die schulischen Leistungen verbessern konnten“ (BITKOM 2014: 20). Außerdem habe “[…] mehr als jeder Fünfte (22 %) neue Freunde über das Internet kennengelernt“ (BITKOM 2014: 20). Doch ein Drittel (34 bzw. 35 %) der befragten sind dennoch in Kontakt mit Hass im Internet getreten (BITKOM 2014: 20). Dies zeigte weiterhin die Bitkom-Umfrage, wobei 41 % der Jugendlichen negative Erfahrungen mit dem Internet gemacht haben (Bitkom 2019: 13). In der JIM-Studie gibt jeder Fünfte an “[…], dass schon Falsches über die eigene Person online berichtet wurde […]“ und ein Drittel “[…] Fälle von Cybermobbing aus dem eigenen Bekanntenkreis kennt“ (Feierabend et al. 2019: 49f.). Außerdem sind zwei Drittel der Jugendlichen mit Hass im Netz in Form von beleidigenden Kommentaren, Fake News, extremen politischen Ansichten oder Hassbotschaften konfrontiert worden (Feierabend et al. 2019: 50). Hierbei wird deutlich, dass die Nutzung sozialer Medien unter anderem einen negativen Einfluss auf die UserInnen haben kann, wenn sie in Kontakt mit Hass und Mobbing im Netz treten. Die DAK-Studie zeigte, dass “[…] 8 % der 12-17-Jährigen angeben, dass sie mit all ihren Freunden ausschließlich über Soziale Medien Kontakt haben […]“ und “[…] es wegen ihrer Nutzung sozialer Medien zum Streit mit den Eltern kommt“ (DAK 2019: 14ff.). Aufgrund der erhöhten Social-Media-Nutzung wird indessen der Schlaf der Jugendlichen gestört. Hierbei gebe “[…] knapp jeder fünfte der befragten (12-17-Jährige) an, wegen der eigenen Social-Media-Nutzung manchmal zu wenig Schlaf zu haben (17 %), bei 6 Prozent kommt dies sehr häufig oder häufig vor“ (DAK 2019: 18). Demnach bringt die exzessive Nutzung von Social Media ebenso psychosomatische Folgen wie Schlafstörungen mit sich. Zudem könne “[…] die dauernde Smartphone-Nutzung das menschliche Gehirn und […] die Psyche verändern“ (Montag 2018: 24). Nach Verhaltensbeobachtungen (vgl. Montag 2018: 24; Kushlev et al. 2016) stellte sich heraus, dass ein exzessiver Umgang mit dem Smartphone “[…] zu Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom-(ADHS)-ähnlichen-Symptome bei gesunden Probanden führte“. Die Nutzung sozialer Medien habe “[…] für viele NutzerInnen eine kurzfristig belohnende Wirkung […] “ im Gehirn, wodurch sie ständig “[…] motiviert werden auf die Plattform zurückzukehren“ (Montag 2018: 26; Turel et al. 2014). Dabei konnte festgestellt werden “[…], dass Menschen, die mehr Zeit auf Facebook verbringen, möglicherweise eher geringere Volumen in […] [bestimmten Hirnarealen] aufweisen, als Menschen die nicht regelmäßig auf Soziale Medien zurückgreifen“ (Montag 2018: 26f.).
3. Das soziale Handeln nach Max Weber
Die Kommunikation im Netz und in der Realität ist für den Wissensaustausch unerlässlich und verlangt eine menschliche Interaktion. In der Wissenschaft bemüht sich die Soziologie derartige Teile der menschlichen Realität zu verstehen. Das soziale Handeln ist ein elementarer Aspekt dessen und spielt bei der Klärung der Wirklichkeit eine entscheidende Rolle (Schäfers 2016: 24). Für den Sozialwissenschaftler Max Weber (1864-1920) ist soziales Handeln ein Tun, Dulden oder Unterlassen (Weber 1922a). Er versucht hierbei den Sinn und die Komplexität des Handelns eines Individuums oder mehrerer Individuen mithilfe von methodischen Fragestellungen zu erklären. Doch was genau bedeutet soziales Handeln ? Und was sind soziale Beziehungen ? In diesem Kapitel werden diese Fragen mittels verwiesener Experten durchleuchtet. Zudem soll das soziale Handeln nach Weber in Social Media theoriegeleitet diskutiert werden.
[...]
1 Für die repräsentative JIM-Studie 2019 wurden 1.200 Jugendliche zwischen zwölf und 19 Jahren in ganz Deutschland von Mai bis August 2019 telefonisch befragt.
2 Bitkom Research hat im Auftrag des Digitalverbands Bitkom eine repräsentative Umfrage durchgeführt. Dafür wurden 915 Kinder und Jugendliche befragt.
3 Die DAK-Studie wurde im Auftrag der DAK-Gesundheit durch eine repräsentative Befragung bestehend aus 1001 Kindern zwischen 12 und 17 Jahren in Deutschland zum Thema „Nutzung von sozialen Medien“ erstellt.
4 Von der Beratungsgesellschaft Faktenkontor wird seit 2011 jährlich auf Basis einer repräsentativen Umfrage die Nutzung Sozialer Medien in Deutschland im Social-Media-Atlas erfasst. Hierbei wurden rund 3500 Internet-NutzerInnen ab 16 Jahren in Deutschland befragt.
5 Im Rahmen des ViewTime Reports werden viermal im Jahr Daten zur Entwicklung der Videonutzung und der Social-Media Angebote wie Snapchat, Facebook und Instagram erhoben. Bei der Nutzung von Facebook wurde eine repräsentative Umfrage unter 30 810 Befragten im Alter von 14-69 Jahren innerhalb von vier Quartalen (2015 bis 2019) durchgeführt.
6 Die BITKOM-Studie aus dem Jahr 2014 umfasst eine repräsentative Befragung von 962 Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 18 Jahren in Deutschland.