Großbritannien: Westminstermodell und das Auftreten von Koalitionen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

31 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundzüge der britischen Verfassung

3. Das Westminster-Modell
3.1 Die Krone
3.2 Der Premierminister und sein Kabinett
3.3 Das Oberhaus
3.4 Das Unterhaus

4. Kritik am Westminster-Modell

5. Das britische Parteien- und Wahlsystem
5.1 Das britische Wahlsystem
5.2 Das britische Parteiensystem
5.2.1 Die Conservative Party
5.2.2 Die Liberal Democratic Party
5.2.3 Die Labour Party

6. Abweichungen vom Zweiparteiensystem im Westminster - Modell in Großbritannien
6.1 Koalitionen in Kriegs- und Krisenzeiten
6.1.1 Situation der Regierung während des ersten Weltkriegs
6.1.2 Nationale Koalition
6.1.3 Situation der Regierung während des zweiten Weltkriegs
6.2 Die Minderheitsregierung – „hung parliament“
6.2.1 Politische Entwicklungen 1974 bis 1979 und der Lib-Lab-Pakt
6.2.2 Weitere Minderheitsregierungen

7. Abschließende Betrachtung des Westminster-Modells und das Auftreten verschiedener Regierungen

8. Abbildungen

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die hier vorliegende Hausarbeit: „Großbritannien: Westminster-Modell und das Auftreten von Koalitionen“ kann grob in zwei Teile gegliedert werden:

Zuerst werden Grundzüge der britischen Verfassung sehr allgemein umrissen. Darauffolgend werden das Westminster-Modell und sein Aufbau beschrieben mit den dazugehörenden Verfassungsorganen Krone, Premierminister und Kabinett, Oberhaus sowie Unterhaus verbunden mit deren Machtbefugnissen. Abschließend kommt es zu einer kritischen Betrachtung des Westminster-Modells.

Der zweite Teil behandelt das britische Wahl- und vor allem das Parteiensystem. Die drei großen Parteien in Großbritannien (Konservative, Liberale, Labours) werden vorgestellt und ihre Entwicklung aufgezeigt. So wird im Zusammenhang mit der Entwicklung der Parteien unter anderem auf die Fragen des Ausdrucks „Lib-Labs“, und wie sich dieses Phänomen aus der Zeit vor der Gründung der Labour Party in die Behandlung von Koalitionen einfügt, näher eingegangen. Desweiteren kommt es zur Betrachtung der Regierungen in der Zwischenkriegszeit und auf welchen Konstellationen diese beruhen.

Am Ende der Arbeit folgt eine genauere Betrachtung des Zweiparteiensystems im Westminster-Modell in Großbritannien und der Situationen, als keine der beiden großen Parteien eine eindeutige Mehrheit im britischen Parlament zu verzeichnen hatte. Es werden die Kriegskoalitionen, die sich im Ersten und Zweiten Weltkrieg bildeten, beschrieben, Mehrheitsregierungen mit nur einer knappen Mehrheit sowie Minderheitsregierungen, wie sie sich beispielsweise im Zeitraum 1976 bis 1979 zeigten. Zudem wird aufgezeigt, wie sich Harold Wilson und James Callaghan in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts die Mehrheiten sicherten.

2. Grundzüge der britischen Verfassung

Die britische Verfassung hat sich wie keine zweite über Jahrhunderte in einem nahezu „evolutionären Prozess“ [KASTNING (1991): S. 378] entwickelt.

Die britische Verfassung hat ihre Wurzeln in den Verfassungskonflikten des 17. Jahrhunderts zwischen der Stuart-Dynastie und dem Parlament. Diese Machtkämpfe wurden in der sogenannten Glorreichen Revolution von 1688/89 zugunsten des Parlamentes entschieden. [WENDE (1981): S. 135 f.]

In dieser Entwicklung kommt eine Fähigkeit zum Tragen, die Einrichtungen und Inhalte immer neuen Funktionserfordernissen anzupassen.

Großbritannien besitzt keine geschlossene, verschriftlichte, einheitliche Verfassungsurkunde. Die „English Constitution“ setzt sich aus geschriebenen und ungeschriebenen Teilen zusammen, die in unterschiedlichen Zeiten entstanden und in Kraft getreten sind.

Folgende Teile gehören dazu:

- „statue law“: Dies bezeichnet das vom Parlament beschlossene Gesetzrecht, das so lange gilt, bis es abgeschafft oder andererseits geändert wird.
- Das „common law“ ist das Richterrecht der gerichtlichen Rechtsprechung.
- Die „constitutional conventions“ bildeten sich ebenso im Laufe der Jahrhunderte und besitzen auch Verfassungsrang.
- „Procedures“ sind die Geschäftsregeln des Parlaments und der Regierung.

Der ständige Verfassungswandel ist allerdings an zwei Grundsätze gebunden: zum einen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, zum anderen die verfassungsrechtliche Parteiensouveränität. Auf ihnen beruht heute die parlamentarische Monarchie des Vereinigten Königreichs[vgl. KASTNING (1991): S. 378].

Wie die einzelnen Regierungsorgane positioniert sind, wie sie sich gegenseitig beeinflussen und welche Kontrolle sie ausüben, ist der Abbildung 1,auf Seite 26, zu entnehmen.

3. Das Westminster-Modell

Namensgebend für die demokratische Regierungsform des Westminster-Modells ist der Palace of Westminster, in dem die beiden Häuser des britischen Parlaments ihren Sitz haben. Aufgrund der historischen Entwicklung des britischen Empires und den Commonwealth-Staaten kann man das Westminster-Modell heute meist in einer modifizierten Form, z.B. in Australien, Indien, Irland und in den meisten Commonwealth und ehemaligen Commonwealth-Staaten, finden.

3.1 Die Krone

Die Krone steht an der Spitze der Regierung Großbritanniens und repräsentiert die Einheit des Staates und die Kontinuität seiner Geschichte, übt jedoch keine reale politische Macht mehr aus.

In der Monarchie, die eine Personifizierung des Staates darstellt, laufen die drei Staatsgewalten nach britischem Verfassungsverständnis zusammen. Die Königin gibt als „Queen in Paliament“ Gesetze, als „Queen in Council“ leitet sie die Politik des Landes und als „Queen in Banco“ wird in ihrem Namen die Judikative durchgesetzt.

Jedoch besitzt die Krone in den zuvor benannten Bereichen nur noch formelle Kompetenzen, das heißt also, dass sie über keine materielle Macht mehr verfügt. So wird der Premierminister in der Regel nicht frei nach den politischen Vorstellungen der Monarchin ernannt, sondern „vielmehr hat die Königin diejenige Person zum Premierminister zu ernennen, der im Unterhaus eine Mehrheit sicher ist“ [KASTNING(1991): S. 380 f.].

Zudem tritt die Königin bei der alljährlichen Parlamentseröffnung auf, um den Text zu verlesen, der ihr vom Premierminister vorgegeben ist. Auch andere Möglichkeiten der aktiven politischen Einmischung sind obsolet geworden, wie zum Beispiel das königlich - gesetzlicheVetorecht bei der Ernennung und Entlassung von Ministern und anderen Regierungsmitgliedern. In jedem Fall hat der regierende Monarch den Vorschlägen des Premierministers Folge zu leisten [vgl. KASTNING(1991): S. 380 f.; STURM (1994): S. 192 f.].

Auf Seite 26 sind die Funktionen der Monarchie im britischen Westmister-Modell in der Abbildung 2 verbildlicht.

3.2 Der Premierminister und sein Kabinett

Das Amt des Premierministers bildete sich erst im 18. Jahrhundert aus der Rolle des ersten Mannes und Koordinators des Kabinetts heraus. Mit Entstehen einer Parteiendemokratie im 19. Jahrhundert kam es zur Festigung des Parteivorsitzes und des Amtes des Premierministers. Die Macht des Premierministers ist im 20. Jahrhunderts gewachsen, dies rührt vor allem aus der Medienpräsenz. [STURM (1994): S. 203f.].

Die Arbeit der Regierung wird durch drei Prinzipien [vgl. STURM (1994): S. 204] bestimmt:

- Ministerverantwortlichkeit: Die Minister sind für die korrekte Aufgabenerfüllung ihres konkreten Ministeriums zuständig. Fehlleistungen des Ministeriums, sogar ohne eigenes Verschulden des Ministers, sind ein Rücktrittsgrund. Dies führt dazu, dass die Minister immer auf die Loyalität und die Wachsamkeit ihrer Mitarbeiter angewiesen sind [STURM (1994): S. 204].
- Kollektive Verantwortung: Das Kabinett besitzt eine kollektive Verantwortung für Regierungsentscheidungen. Die Kabinettsminister dürfen nur während Kabinettssitzungen Kritik äußern, nach außen muss eine Kabinettsdisziplin gewahrt werden oder sie müssen zurücktreten. Kabinettssitzungen finden immer Donnerstag Vormittag statt. Die Beratungen im Kabinett werden beeinträchtigt durch den Ressortegoismus der Minister, durch mangelnde Informiertheit und eine kurzfristige tagespolitische Interessenlage. Der Premier ist auf Zustimmung durch das Kabinett angewiesen, er braucht nämlich seine Kollegen zur Umsetzung seiner Politik und zur Mobilisierung von Unterstützung in seiner Partei. So kann man die britische Regierung als eine Kabinettsregierung bezeichnen [STURM (1994): S. 204].
- Dominanz des Premiers: Diese Dominanz ist in etwa vergleichbar mit der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers in Deutschland, jedoch mit weiterreichenden Machtbefugnissen [STURM (1994): S. 204].

Eine der persönlichen Machtquellen des Premierminister ist sein Patronagepotential. Die von ihm ernannten Minister müssen einem der beiden Häuser (Ober- oder Unterhaus) angehören, d.h. es bieten sich mindestens einem Drittel der Fraktion im Unterhaus in der Exekutiven eine Karrieremöglichkeit. Die Karrieremöglichkeiten der Parlamentarier sind dementsprechend direkt mit dem Erfolg der Regierung verbunden [STURM (1994): S. 205].

Außer in Kriegszeiten (jedoch nicht zwingend), sind Premierminister nie in Koalitionen oder Koalitionsverträge gebunden. Das britische Wahlsystem ist auf Mehrheitsbildung ausgelegt, falls es jedoch bei einer Wahl zu keiner absoluten Mehrheit einer Partei kommt, wird zumeist versucht, eine Minderheits-, anstelle einer Koalitionsregierung zu bilden. Das britische Regierungssystem bevorzugt die Konvention der klaren Zuweisung von Verantwortung [vgl.STURM (1994): S. 204 f.].

Die Regierung in Großbritannien verfügt über ein weit gefächertes Netz von Kabinettszirkeln teils mit Ministern und zum Teil mit Spitzenbeamten, in denen auch Spezialprobleme abgehandelt werden [vgl. KASTNING(1991): S. 383 f.].

3.3 Das Oberhaus

Bis in das 20. Jahrundert hinein verfügte das britische Parlament über ein Zweikammersystem. Mitglieder des Oberhauses (House of Lords) wurden nicht gewählt, sondern ernannt oder besaßen die zum Teil vererbte Peerswürde (Mitgliedschaft). Obwohl das Oberhaus über 1000 Mitglieder enthält, kann jedoch nur ein Drittel anwesend sein, da nur für rund ein Drittel Sitzplätze verfügbar sind. So bleibt die Mehrzahl der Abgeordneten den Parlamentssitzungen fern. Etwa zwei Drittel der Abgeordneten erbten ihre Mitgliedschaft. Weiterhin finden jährlich Ehrungen verdienter Persönlichkeiten und deren Erhebung in den Adelsstand statt.

Die Liste zur Ehrung (Honours List) überreicht dem Monarchen der Premier nach Rücksprache mit dem Oppositionsführer [vgl. KASTNING(1991): S. 381 f.].

Nach 1969 wurde die alte Form der Ernennung erblicher Peers ersetzt durch die Ernennung zum Mitglied auf Lebenszeit (Life Peer), die seit 1958 möglich war. Auf Initiative Margaret Thatchers erfolgte die Wiedereinführung erblicher Peerwürden 1983 für besonders verdiente Mitglieder. So unterscheidet sich der Status im Oberhaus in weltliche Peers (Law Lords) und geistliche Bischöfe und Erzbischöfe der anglikanischen Kirche. Parteipolitisch besitzen die Konservativen ein starkes Übergewicht, doch existiert auch eine starke politische Gruppe sogenannter unabhängiger Lords, die sich keiner Parteigruppe anschließen.

Zwar erfolgt immer noch eine jährliche Thronrede zur Eröffnung der neuen Sitzungsperiode, doch besitzt das Oberhaus eine deutlich nachgeordnete Rolle nach dem Unterhaus seit dem „Parliament Act“ von 1911, nachdem das Oberhaus das Unterhaus durch sein Vetorecht blockierte. Jetzt erscheinen die Gewalten bei Konflikten klar verteilt [vgl. STURM (1994): S. 206 f.].

Das Unterhaus verfügt über uneingeschränktes Entscheidungsrecht. Ein Vermittlungsprozess zwischen beiden Häusern erübrigt sich, da Kompetenz und Verantwortung bei der Mehrheitsfraktion im Unterhaus liegen.

Kein Premier der Nachkriegszeit musste sich den politischen Vorgaben des Oberhauses beugen. Das Engagement des Oberhauses zeigt sich vor allem bei Eigeninteressen seiner Mitglieder, z.B. zur Jagd und in der Landwirtschaft.

Andere Themen werden nur diskutiert zur Bewahrung des Konsens, so unter anderem Minderheiten- sowie Konsumentenschutz, im britischen Gemeinwesen.

Das Oberhaus sieht sich selbst im Verhältnis zum Unterhaus als ergänzende Funktion. Außerdem erfolgt die Diskussion von Themen, die wegen mangelnder Parteiinteressen oder fehlender politischer Profilierung sonst gar nicht angesprochen werden, jedoch für Teile der Bevölkerung von erheblicher Wichtigkeit sein können.

So wird das Gefühl der Wähler, politisch repräsentiert zu werden, erhöht, und damit die Akzeptanz, die das politische System findet [STURM (1994): S. 206 f.].

3.4 Das Unterhaus

Klassische Parlamentsaufgaben, d.h. die Gesetzgebung, die Kontrolle der Regierung sowie eine öffentliche Thematisierung politischer Probleme als Forum der Nation sind die größten und entscheidenden Teile der Aufgabe, die alleine von dem Unterhaus bearbeitet werden [STURM (1994): S. 208 f.].

Gesetzesinitiativen initiiert fast allein die Regierung. Einzelnen Abgeordneten stehen nur 10 Freitage zur Verfügung, um eigene Gesetzesentwürfe einzubringen (private member bills). Die Opposition sieht ihre Rolle vor allem in der parlamentarischen Konfrontation mit der Regierung. Ihre Oppositionsrolle aber ist eingebunden in den Konsens des parlamentarischen Wechselspiels.

Der Vorsitzende der größten Oppositonspartei amtiert als mit staatlichem Gehalt ausgestatteter Führer von „Her´s Majesty Opposition“ und berät durch sein Schattenkabinett. Das Unterhaus bildet ein Redeparlament zum Forum des Kampfes um die öffentliche Meinung. Die Opposition gilt als eine Regierung auf Abruf, die nicht in politische Entscheidungen mit eingebunden wird, aber auch andererseits keine Verantwortung für solche Entscheidungen trägt [vgl. STURM (1994): S. 208 f].

Im Gesetzgebungsprozess findet die Majorisierung der Opposition ihre Fortsetzung.

Die Regierung besitzt weitestgehend die Kontrolle über die Tagesordnung.

An 19 Tagen (opposition days) bestimmt die Oppositon die Gegenstände der Debatte. Die Regierungsmehrheit entscheidet über das frühzeitige Ende der Beratungen zu einem Teilaspekt eines Gesetzes (closure), über das Ende der Debatte und damit den Zeitpunkt der Abstimmung im Unterhaus (guillotine) sowie über die Auswahl von Diskussionsgegenständen bei der Beratung von Gesetzesänderungen (kangoo). Parlamentssitzungen leitet der Vorsitzende (speaker), der im überparteilichen Konsensverfahren ermittelt wird und sich zur Überwachung der Einhaltung der Geschäftsordnung und zum Schutz der Interessen der „Hinterbänkler“ verpflichtet.

Keine Rolle spielen Fachausschüsse für den Prozess der Gesetzesformulierung.[vgl. KASTNING(1991): S. 381 f.].

[...]

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Großbritannien: Westminstermodell und das Auftreten von Koalitionen
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Politikwissenschaft und Japanologie )
Veranstaltung
Wahl-, Parlaments- und Regierungskoalitionen in westlichen Demokratien
Note
3,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
31
Katalognummer
V121765
ISBN (eBook)
9783640264544
ISBN (Buch)
9783640264810
Dateigröße
3715 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Großbritannien, Westminstermodell, Auftreten, Koalitionen, Wahl-, Parlaments-, Regierungskoalitionen, Demokratien
Arbeit zitieren
Albrecht Steinmüller (Autor:in), 2008, Großbritannien: Westminstermodell und das Auftreten von Koalitionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121765

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