Leseprobe
Inhalt
Einleitung
Die räumliche Struktur des Internets
Die räumliche Struktur des Internets in den Vereinigten Staaten von Amerika
Entwicklung seit 2000
Die regionale Verteilung von Internetbasierten Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland ..
Gründe für die räumliche Disparität von Domains in Deutschland
Entwicklung seit 2000
Wachstum
Regionale Verteilung
,,Digital Divide“ - Die digitale Bildungskluft
Zusammenfassung
Literatur
„ Where is the Internet? It is everywhere, as businesses and households even in the remotest parts of the world
are discovering how internet technology revolutionizes communication. But it is also nowhere, with its nearly invisible infrastructure and its ephemeral content. Together, its apparent ubiquity and invisibility give its users a sense of placelessness, of freedom from the traditional constrains of physical distance. But this placelessness is
an illusion. The internet is where its users are. ” [1]
Einleitung
Das Internet ist ein weltumspannendes Medium. Es hat als neues Informations- und
Kommunikationssystem zum Ende des 20. Jahrhunderts die Welt revolutioniert, wie es einst die Eisenbahn oder die Elektrizität in ihrer Epoche taten. Seinen Ursprung nimmt das Internet im Amerika der 50er und 60er Jahre, als nach einer Möglichkeit zur Vernetzung von Universitäten und Forschungseinrichtungen gesucht wurde. Entstanden ist das weltweite Informationsnetz aus einem Projekt der Advanced Research Projects Agency, kurz ARPA, und diente neben den bereits erwähnten Verflechtungsmöglichkeiten zwischen Universitäten (zum Ziele einer verbesserten wissenschaftlichen Zusammenarbeit), unter anderem auch dem Abbau eines vermeintlich existierenden technologischen Vorsprungs der Sowjetunion. Darüber hinaus sollte das ARPANET im Falle eines Atomkrieges zur Sicherung des weltweiten Kommunikationsprozesses beitragen. Als das ARPANET in den späten 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts seine Arbeit aufnahm, war es darauf beschränkt die nicht vorhandene Interoperabilität zwischen Rechnern der Universitäten von Los Angeles (UCLA), Stanford, Santa Barbara und der Universität von Utah abzubauen und die wissenschaftliche Zusammenarbeit zu verbessern. Die ,,Wiege“ des Internets liegt somit im Westen der Vereinigten Staaten, genauer in Kalifornien2. In den folgenden Jahren expandierte der Vorläufer des Internets in die westliche Welt, sodass es Anfang der 80er Jahre bereits in weiten Teilen Westeuropas, Kanadas, Japans und der Sowjetunion zur Verfügung stand. Nachdem sich im Jahre 1983 der militärische Zweig der Internetforschung, das MILNET, vom ARPANET abgespalten hatte, wurde es im Jahre 1989 aufgrund finanzieller Aspekte gänzlich aufgelöst. Der Nachfolger des ARPANET, das Internet, ,,erblickte“ Anfang der 90er Jahre das Licht der Welt.
Die räumliche Struktur des Internets
„ Sollten diese Ver ä nderungen wirklich so tief greifend sein, dass man von einem Ü bergang der Industrie- zur Informationsgesellschaft sprechen kann, wie bisweilen vorhergesagt wird, dann erf ä hrt sowohl individuelles Handeln, als auch das politische und wirtschaftliche System einen tief greifenden Wandel. “ 3
In den folgenden Abschnitten soll weniger auf den technischen ,,Background“ des Internets mit seinen Hypertext Markup Language (HTML), Uniform Ressource Locator (URL), Domains oder IP-Adressen eingegangen werden, sondern vielmehr auf dessen Implementierung im physischen Raum, unter besonderer Berücksichtigung des ,,Digital Divide“ zwischen Entwicklungs- und Industrieländern, mit der dominierenden Stellung der USA und Europa, sowie auf die räumliche Verteilung von Internetfirmen in den besagten Ländern.
Die Entstehung des Internets und seine rasche Verbreitung in den sog. ,,more developed countries“ wurde von einer schier unvorstellbaren Euphorie getragen. Schnell waren sich viele Wissenschaftler und Politiker, aber auch Akteure aus der Wirtschaft sicher, dass sich die Einführung des Internets im zunehmenden Maße auf die Handlungsweise der Wirtschaft, aber auch auf zwischenmenschliche Beziehungen, auswirken würde. Im Rahmen der einsetzenden Globalisierung setzte man auf die scheinbar ubiquitär verfügbare Ressource Internet, welche das weltweite Handeln zwischen wirtschaftlichen Akteuren als auch von Privatpersonen revolutionieren sollte. Mit der einsetzenden ,,Digitalen Revolution“ kamen Vermutungen über ein mögliches ,,Ende der Geographie“ oder einen ,,Death of Cities“ bzw. ,,Death of Distance4“ auf. Die Wissenschaftler jener Tage waren fester Überzeugung, dass aufgrund des Internets und seines Bedeutungszuwachses in der Gesellschaft ,,die Bedeutung physisch - räumlicher Kategorien sinkt5“. Inwieweit sich diese Annahmen bis heute bewahrheitet haben, kann mit neueren Studien zahlreicher Autoren aus den USA und Deutschland hinterfragt werden. Um die Aktualität dieser Arbeit zu wahren, werden neben den Studien der im Anschluss näher betrachteten Geographen, auch einige Karten von
DENIC6, der zentralen Registrierungsstelle für alle Domains unterhalb der Top Level Domain
.de, und die von Matthew Zook im Netz7 zur Verfügung gestellten Karten für die USA und weitere Teile der Welt herangezogen.
Die räumliche Struktur des Internets in den Vereinigten Staaten von Amerika
Flows of data and communications speed around the globe with little regard for municipal, regional, or national boundaries. Despite this disregard for borders, information flows simply cannot exist without the people (living in physical space) who create, regulate, distribute, and consume Internet content and services ” 8
Wie bereits weiter oben angesprochen, kommt der USA eine Vorreiterrolle bei der Einführung bzw. Entwicklung des Internets zu. Die USA gilt zu Recht als Pionier hinsichtlich dieser neuen Technologie, beruht sie doch auf den Überlegungen und Erfahrungen des ARPANET und weiterer Entwicklungen, die letztendlich in der Erschaffung des Internets mündeten. Aufgrund dessen und weiterer Erkenntnisse, die aus dem ARPANET gründeten, wurde das Internet im Bereich der Wirtschaft zum Motor für die wirtschaftliche Prosperität der USA seit den 90er Jahren des 20. Jahrhundert. Dieser Entwicklung verdankt die USA ihr andauerndes Wirtschaftswachstum, das nicht zuletzt durch die ,,New Economy“ getragen wird. Die rasche Entfaltung und Implementierung im Bereich der Wirtschaft, Politik, Kultur und Kommunikation beruhte unter anderem auf der bereits vorhandenen Infrastruktur und einem Fachkräftepotenzial, welches aus dem 1989 aufgelösten ARPANET hervorging. Die weitere Entwicklung des Internets ist besser zu verstehen, setzt man den sozio- ökonomischen Umbruch der 80er und 90er Jahre in Bezug. Hierbei ist die Rede von einer vermeintlichen Transformation bzw. Substitution der ,,Old Economy“ durch eine ,,New Economy“. Eine mögliche Definition könnte lauten:,, First, that there are four key forces driving the New Economy, namely an information-technology revolution, accelerating globalization, a new entrepreneurialism, and a new political neoliberalism. Second, that it is a quintessentially ´ American growth model ´ , both originating in and being led by the USA ” 9 .
Eine weiterführende Vertiefung in diese Thematik ist nicht Ziel dieser Arbeit, jedoch ist die Verständnis des Strukturwandels in der Wirtschaft soweit von Interesse, da sich dieser auf die räumliche Verteilung sog. ,,e-commerce hubs“ und ,,lagging places“ bzw. ,,by-passed places“ auswirkt, und somit auf die regionale Entwicklung eines Landes. Als ,,e-commerce hubs“ werden all jene Standorte bezeichnet, welche die Umstellung von einer ,,Old Economy“ hin zu einer ,,New Economy“ am besten vollzogen haben. Auf der anderen Seite stellen sog. ,,lagging places“ sowohl rurale, in peripherer Lage befindliche Gegenden, altindustrielle Montangebiet, sowie landwirtschaftlich geprägte Räume dar, in welchen die Anpassungen an die neuen Herausforderungen einer globalisierten Welt gehemmt wurden. Hierzu zählen in den USA Städte wie Chicago oder Philadelphia oder das Ruhrgebiet in der Bundesrepublik Deutschland.
Bei der Untersuchung von regionalen E-Commerce Wachstumspolen, deren Entwicklung auf der Einführung der Innovation Internet basiert, haben sich drei Quellen als besonders ergiebig erwiesen. Hierzu zählt die Untersuchung der räumlichen Verteilung von Domains, der meistbesuchten Webseiten und des Internetfirmenbesatzes. Hierbei soll nicht näher auf die Erläuterung der verschiedenen Quellen eingegangen werden. Diese sind in zahlreichen Arbeiten von Matthew A. Zook, Ron Martin und Tim Jordan explizit erklärt worden. Daher werde ich mich in meiner Arbeit ausschließlich auf die Ergebnisse dieser Autoren auf den amerikanischen Raum beschränken.
Die Entwicklung des Internets in den Vereinigten Staaten wurde in den ersten Jahren besonders von einigen wenigen Regionen getragen. Zu diesen Regionen gehören die ehemaligen Zentren des ARPANET, welche sich in Washington D.C., Boston, Los Angeles und in der San Francisco-Bay befanden. Während sich 1994 die größte Anzahl an Domains noch in Washington D.C. ausfindig machen ließ, verzeichneten in den folgenden Jahren die Regionen um New York, Los Angeles und die San Francisco-Bay die größten Wachstumsraten, sodass sie bereits zwei Jahre später die Region um Washington D.C. bei der Anzahl an Domains überholen konnten. Als besonderes Charakteristikum der weiteren Ausbreitung von Domains gilt das überproportionale Wachstum derjenigen Regionen, welche bereits früh in der Entwicklung des Internets involviert waren. Neben dem starken Wachstum dieser sog. ,,Pionierregionen“, treten bereits neue Regionen der sich abzeichnenden Expansion des Internets ins Blickfeld. Gegen Mitte/Ende der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts verzeichnen vor allem die Gebiete im nördlichen und südlichen Kalifornien höchste Zuwächse. Ins besonders die Region um die San Francisco-Bay überragt das übrige Landschaftsbild: ,,( … ) there is a considerable variation among the 15 regions that score highest in the summed index. The seven hubs at the ( … ) are identical to the largest metropolitan areas in the USA with the exception of Seattle and the Exclusion of Philadelphia. The rankings, however, do not mirror the size of these regions, as the San Francisco Bay outstrips all other regions in all categories and Chicago ranks lower than expected based on its size ” 10. Gleichwohl man von einer starken positiven Korrelation zwischen der Anzahl an Domains und der Einwohnerzahl einer Region sprechen kann, beweisen Regionen wie Chicago, Dallas, Philadelphia oder Minneapolis, mitunter das Gegenteil. Verglichen mit der Wirtschaftskraft anderer Sektoren, kommt dem E-Commerce eine weniger bedeutendere Rolle zu. Als besondere Entwicklung bleibt festzuhalten, dass die drei führenden Region New York, San Francisco-Bay und Los Angeles den Großteil der Domains auf sich vereinen. Die Dominanz dieser Regionen spiegelt sich im Verhältnis zum restlichen Amerika wieder, wobei in den drei führenden Agglomerationen so viele Domains registriert sind, wie in den folgenden elf größten Metropolregionen zusammen. Eine weitere Besonderheit ist die Kennzeichnung des Spezialisierungsgrades in ausgewählten Stadtteilen innerhalb eines ,,e- commerce hub“ wie in San Francisco. Besonders auffällig ist die Konzentration an Domains in Stadtteilen, welche einen hohen Besatz an Firmen der Hoch-Technologie aufweisen. Hier sei vor allem an erster Stelle das Silicon Valley im Süden von San Francisco genannt, welches als eines der führenden Forschungs- und Industriegebiete der USA gilt und Sitz von namhaften Firmen wie Google, Yahoo, Apple oder Hewlett-Packard ist. Weitere Cluster finden sich in San Jose und Manhattan. Abseits dieser als ,,e-commerce hubs“ deklarierten Regionen haben sich weitere Städte (zum Teil unerwartet), zu sog. ,,e-commerce nodes“11, also Knotenpunkten für E-Commerce entwickelt. Zu dieser Gruppe gehört laut Zook die Stadt Miami, welche aufgrund ihrer Verbindung mit dem lateinamerikanischen Raum hierbei als Knoten fungiert. Ein weitere ,,node“ ist Austin, die Hauptstadt von Texas, welche in Anlehnung an das Silicon Valley und aufgrund ihrer landschaftlichen Beschaffenheit als Silicon Hills bezeichnet wird. Einige große Arbeitgeber der Computerbranche vor Ort sind Dell Computer, IBM, National Instruments und Hewlett -Packard. San Diego ist eine weitere Stadt aus Kalifornien, welche aufgrund der Präsenz von Telekommunikations- und Biotechnologieindustrie als ein ,,e-commerce node“ gilt. Hiermit wird bereits eines klar deutlich. Diejenigen Regionen welche sich besonders gut an die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der 80er und 90er Jahre des 20. Jahrhunderts angepasst haben, und einen gewissen ,,first-mover advantage“ innehaben, bauten in den folgenden Jahren ihre Führungsposition als E-Commerce - ,,hubs“, ,,nodes“ oder ,,places“, entsprechend ihrer Größe, aus. Diese Entwicklung wird nicht nur durch die relative Anzahl an Domains innerhalb einer Region, sondern auch durch die meistbesuchten Webseiten und durch den Internetfirmenbesatz bekräftigt. Weiterführende Untersuchungen durch Zook haben gezeigt, dass andere Faktoren wie z. B. die Standorte von ,,Top Websites“ die Theorie bestätigen, wonach eine regionale Konzentration von E-Commerce in den bereits weiter oben genannten Städten anzutreffen ist. Fügt man den Faktor Internetfirmenbesatz hinzu, so ergibt die Lokalisation dieser Indizes ein vergleichbares Muster wie die Untersuchung der räumlichen Verteilung von Domains. Im Klartext heißt das, dass eine gewisse Konzentration von E-Commerce in ausgewählten Agglomeration wie New York, San Francisco und Los Angeles vorzufinden ist. Zook folgert hieraus, dass die Verteilung von ,,e-commerce hubs“ der Städtehierarchie identisch ist.
Anders verhält es sich mit sog. ,,by-passed places“, als Regionen mit einem unterdurchschnittlichen Anteil an den genannten Faktoren wie Domains, Top Websites und Internetfirmenbesatz. Nach Zook konzentrieren sich ,,by-passed places“ erstrangig auf den Süden und Mittleren Westen der USA, wo bis heute die landwirtschaftliche Produktion und das Verarbeitende Gewerbe dominieren, wo also die Bedarfsdeckungswirtschaft überrepräsentiert ist.
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1 aus: Kolko, Jed: The Death of Cities? The Death of Distance? Evidence from the Geography of Commercial Internet Usage. In: Vogelsang, Ingo und Benjamin Compaine (Hrsg.): The Internet Upheaval. MIT Press, 2000b.
2 im weiteren Verlauf der Arbeit soll der Geographie des Internet eine wesentlichere Bedeutung zugestanden werden. Hierbei ist es wichtig die regionale Entstehungsgeschichte diese Medium aufzuzeigen.
3 Heinze, Inga (2000): Wechselbeziehung zwischen Kulturgeographie und Internet. Universität Freiburg.
4 Frances Cairncross prägte den Begriff ,,Death of Distance“, und deutete damit an, dass der räumliche Aspekt innerhalb der zwischenmenschlichen Kommunikation durch das Internet immer mehr in den Hintergrund treten würde. Die Einschränkungen des physischen Raumes auf jedwede Form der Kommunikation, verbale wie auch non-verbale, sollten damit umgangen werden.
5 Vgl. Langhagen - Rohrbach, C. (2004): Internet und Internet-User. Wer nutzt das Netz wo? In: Erdkundliches Wissen. Bd. 136, Stuttgart, S. 57 - 77.
6 www.denic.de
7 www.zooknic.com
8 Zook, M.A. (2001). Old Hierarchies or New Networks of Centrality? The Global Geography of the Internet Content Market. In: American Behavioral Scientist. Bd. 44(10), 2001, S.1679-1696.
9 Martin, Ron (2006): Making Sense of the 'New Economy'?: Realities, Myths and Geographies. In: Peter W. Daniels, Andrew Leyshon, Michael J. Bradshaw, Jonathan Beaverstock (Hrsg.): Geographies of the New Economy. Critical Reflections. Routledge Verlag, S. 15 - 48.
10 Vgl. Zook, M.A. (2002): Hubs, Nodes and by-passed places: a Typology of E-commerce regions in the United States. In: Tijdschrift voor Economische en Sociale Geografie, Vol. 93, No. 5: S. 515.
11 Die Begriffsbezeichnungen ,,hub“, ,,node“ und ,,by-passed places“ sind von Matthew A. Zook übernommen.