Inhaltliche und sprachliche Analyse der Falkenstrophen des Kürenbergers unter Berücksichtigung der Falknerpraxis


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

23 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Der von Kürenberg und die Überlieferung seiner Strophen

3. Informationen zum Thema Falknerei
3.1 Der Falke und die Falknerei
3.2 Der Falke als Symbolträger

4. Eigene Interpretation des Falkenliedes

5. Sprachliche Analyse

6. Interpretationen unter Einbeziehung der verschiedenen Forschermeinungen
6.1 Das Falkenlied als Wechsel
6.2 Das Falkenlied als Männerlied
6.3 Das Falkenlied als Hochzeitslied
6.4 Das Falkenlied als Totenklage
6.5 Das Falkenlied als Frauenlied

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Vorwort

Das Falkenlied des Kürenbergers, um 1160/70 entstanden, wird als eines der schönsten Lieder des Mittelalters beschrieben. Die Bezeichnung „Lied“ kommt daher, dass die Gedichte meist singend vorgetragen wurden.

Als ich das Lied zum ersten Mal in meiner Schulzeit gelesen habe, wusste ich nicht, dass es zu den ersten Minneliedern zählt. So hatte ich zuerst den Eindruck es handle sich um ein naturalistisches[1] Gedicht, das die Abrichtung eines Falken und den schmerzlichen Verlust dieses edlen Tieres darstelle. Stutzend machte mich nur die letzte Zeile. Insbesondere die Verschleierung der eigentlichen Thematik und die bildliche Darstellung sind für den Minnesang besonders.

Aus diesem Grund habe ich es auch für eine intensivere Beschäftigung in Form dieser Hausarbeit ausgewählt, nachdem wir es in unserem Seminar zum Thema Minnesang nur kurz besprochen haben. Das Kernmotiv - der Falke - und die damit einhergehende Symbolik haben mich interessiert.

Der Kürenbergsche Minnebegriff ist in besonderem Maße emotional geprägt. Es kommt in seinen Liedern zu einem Zusammenspiel von Liebe und Leid, das im frühen Minnesang selten zu finden ist. Dabei macht insbesondere die Frau leidvolle Erfahrungen mit der Minne, meist ausgelöst durch die Trennung ihres Geliebten. Der Dichter wählt eine rollenhafte Sprechsituation, wobei der Frau letztendlich trotz ihrer Bemühungen um die richtige Erziehung eine passive und machtlose Position zukommt.[2]

Bei meiner ersten Recherche habe ich herausgefunden, dass das Stück von den Germanisten intensiv analysiert wurde. Der Streit um die richtige Deutung des Liedes ist bereits 100 Jahre alt. Grund dafür ist die problematische Übergangsphase von der heimischen Liebes- zur provenzalisch-höfischen Minnedichtung. Außerdem ist die zugrundeliegende Symbolik auch für die heutigen Leser noch aktuell.[3]

Im ersten Teil meiner Hausarbeit möchte ich einige, für die anschließende Interpretation des Liedes notwendige, Informationen über den Autor und die Überlieferung geben. Anschließend werde ich den Leser über die Praxis der Falknerei im Mittelalter informieren, da das vorliegende Gedicht dieses Geschehen thematisiert. Im zweiten Teil folgt eine Textanalyse, bei der ich Zeile für Zeile vorgehen möchte. Nach meiner eigenen Interpretation werde ich Forschermeinungen anhand von Sekundärliteratur zurate ziehen und mithilfe dieser die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten darstellen. In einem abschließenden Fazit möchte ich überprüfen, inwieweit meine eingangs erläuterte Interpretation mit den Deutungen der Fachleute übereinstimmt bzw. welche der Möglichkeiten ich nach der intensiven Auseinandersetzung letztendlich für die wahrscheinlichste halte.

2. Der von Kürenberg und die Überlieferung seiner Strophen

Der von Kürenberg(er) ist der erste namentlich bekannte deutsche Minnesänger. Überliefert sind seine 15, meist einstrophigen, Lieder in der Handschrift C, der Manessischen Handschrift. Dort ist zudem ein Bild gefunden worden, das einen österreichischen Ministerialen, einen unfreien Dienstmann, mit Krone zeigt und die Überschrift „Der von kürenberg“ trägt. Kürn ist das mittelhochdeutsche Wort für Mühle. Der Mühlstein im Ritterwappen des Bildes gibt somit einen Hinweis auf den Autor. Neben dem Wappen ist ein Ritter im Gespräch mit einer Frau abgebildet. Die Dame ist mit kostbarer Kleidung und Krone als Fürstin dargestellt. Beide stehen sich erhobenen Hauptes gegenüber. Diese Darstellung wird auf das Nebeneinander von Frauen- und Männerstrophen bei den Liedern des Kürenbergers zurückgeführt.[4]

Der Name Kürenberg wird genannt, indem das lyrische Ich im Zinnenwechsel, einem weiteren Gedicht des Kürenbergers, davon spricht, dass ein Ritter in kürenberger wîse singt. Dies wurde aber laut Haupt vermutlich erst als Zusatz von den manessischen Sammlern eingefügt.

Es ist hingegen nicht erwiesen, welche historische Person die Strophen verfasste. Man kann lediglich durch die Namensgleichheit zwischen der historisch bezeugten und der literarisch erwähnten Person auf die Identität des Dichters schließen. Urkunden des 11. und 12. Jahrhunderts verfügen über zahlreiche Einträge zu diesem Namen. Drei Namen werden mit dem Verfasser der Strophen in Verbindung gebracht.

Dies ist zum einen das Breisgauer Freiherrengeschlecht des 11. Jahrhunderts. Es gibt einen Beleg aus dem Jahre 1088, wo geschrieben steht: „Burchardus quidam ingenuus de Curenberg“[5] im Kloster Reichenbach.

Zum anderen enthält eine Schenkungsurkunde des Cunradus de Schalah an das Stift Michaelbeuren/Salzburg die Namen Henricus und Purchard de Curnberch.

Auf einer weiteren Urkunde an das Kloster Wilhering im Jahre 1161 ist der Name Gvaltherus de Curnberg verzeichnet.[6]

Doch eine endgültige Klärung der historischen Person ist nicht möglich.

Aufgrund des verwandten Stils (Strophenform, sprachliche Wendungen) zu den donauländischen Liebesdichtern wie Heinrich von Melk oder den Verfassern des Nibelungenliedes, sucht man den Verfasser vordergründig im österreichischen Raum.[7]

3. Informationen zur Falknerei

Zu Beginn meiner Hausarbeit möchte ich einen kurzen Einblick in die Kunst der Falknerei geben, um den heutigen Leser mit den Grundzügen der Beizjagd vertraut zu machen.

3.1 Der Falke und die Falknerei

Der Falke zählt wie der Adler und der Habicht zu den Beizvögeln, die als Einzelgänger beim Fliegen und beim Brüten bekannt sind. Er ist ein Langstreckenjäger, der hochfliegendes Wild bevorzugt, wodurch er des Öfteren als der Vogel des hohen Fluges bezeichnet wird. Falken jagen mit großer Ausdauer und verfügen über viel Geschick und Mut beim Jagen im freien Feld. Besonders auffallend ist ihre elegante Flugweise mit dem ruhigen, erhabenen Flügelschlag. So ziehen sie ihre weiten Kreise über das Revier.

Ein weiteres Zeichen seiner Schönheit und Grazie sind die schmalen, langgestreckten Flügel des Falken, die ihn sehr wendig erscheinen lassen. Gut zu erkennen ist er zudem an seinem stark gekrümmten Schnabel und dem großen, schwarzbraun funkelndem Falkenauge. Letzteres verleiht ihm ein großes Blickfeld zum Erspähen seiner Beute.[8]

Aufgrund seines Aussehens und seiner Flugkunst nimmt der Falke eine königsgleiche Stellung unter den Raubvögeln ein. Die Menschen verbinden mit diesem Vogel seit jeher Adel, Schönheit, Mut und Freiheitsliebe und versuchen den Falken in ihre Gewalt zu bringen, indem sie ihn für die Beizjagd abrichten. Um die Gehorsamkeit des Falken zu erreichen, muss sich der Falkner fortwährend mit seinem „Schüler“ auseinander setzen.

Für die Zähmung können junge Falken während der Wanderzeit gefangen werden, die vor der ersten Mauser stehen oder eben geschlüpfte Jungen. Das Zähmen erfolgt immer durch Ermüdung und Hunger. Der Falke kommt nur auf das luoder geflogen, wenn er mithilfe des Futters gelockt wird.[9]

Nach dieser Zähmung kann mit dem Abrichten zur Jagd begonnen werden. Er wird an das vederspil gewöhnt. Dazu wird dem Falken ein Geschüh aus weichen Lederschlaufen an den Fängen (Füßen) angelegt.

Das Abrichten zur Beizjagd braucht viel Zeit, Aufwand und eine Menge Flugübung. Solange der kleine Falke sich noch nicht selbst ernähren kann, ist das freie Fliegen unproblematisch, da er bei Hunger zurückkommt. Kritisch wird der erste Freiflug, bei dem er selbstständig sein Wild erlegt und kröpft. Hier besteht immer die Gefahr, dass er nicht zum Falkner zurückkehrt, wenn das vederspil nicht verinnerlicht ist. Eine Abrichtung dauert beim Falken sechs bis sieben Monate. Erst nach seiner ersten Mauser, kann der Falke zur Beizjagd verwendet werden. Auswirkungen der Mauser sind ein schöneres, härteres, farbenprächtigeres Gefieder und eine größere Beutegier.[10]

Bis zum Erreichen des Jagdreviers ist der Falke am Langriemen befestigt und bleibt auf dem Handschuh des Falkners. An den Fängen werden meist Glöckchen, Schellen, angelegt, so dass der Falkner seinen Zögling am Geläut erkennt.

Bei der freien Jagd ist das Geschick des Falkners von besonderer Wichtigkeit, um den Falken vom Kröpfen der Beute abzuhalten. Ansonsten würde er nicht zurückkehren, da er genug Nahrung hätte.

Dieses Verlieren des Falken wird in der Dichtung des Öfteren thematisiert. Weitere Gründe für keine Rückkehr sind eine schlechte Behandlung durch den Falkner, der Freiheitsdrang des Falken oder ein zu hoher Flug, in Folge dessen der Falke die Orientierung verliert. Er kann auch unabsichtlich nicht zurückfinden, wenn er durch Krähen oder Hunde oder durch andere Falkner verschreckt und in ein anderes Revier verjagt wird. Dies bezeichnet man als ‚irrewerden’.[11]

Im Mittelalter war die Beizjagd dazu da, damit die Falkner ihre Lockkunst und Schnelligkeit im sportlichen Wettbewerb präsentieren konnten. Die gelungene Zähmung war dabei ein Erfolg des menschlichen Willens über den Freiheitsdrang des Falken. Kaiser Friedrich der II. (Friedrich von Hohenstaufen (1194-1250)) war einer der größten Falkner des Mittelalters und schrieb ein Buch über die Kunst der Falkenzucht, wodurch die Bedeutung der Falknerei noch gesteigert wurde.

In Westeuropa wurde die Beizjagd meist zum Vergnügen durchgeführt, in skandinavischen und slawischen Gebieten diente sie hingegen dem Nahrungserwerb.[12]

3.2 Der Falke als Symbolträger

Der Falke zieht aufgrund seiner Schönheit, Kraft, und seiner Unberechenbarkeit die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich. Er wird dabei als Sinnbild des Übermenschlichen gesehen und sein besonderes Auge als Symbol für seine Göttlichkeit. Wegen seines Stolzes, seiner Kampfeslust und seines Muts wird er als Sinnbild für den Helden und den Geliebten dargestellt. Sein freier hoher Flug steht symbolisch für den strebenden Willen, den höchsten Ehrgeiz und das Liebesbegehren des Helden.[13]

Unter dem Einfluss der ritterlichen Falknerei wird das heldische Falkenmotiv zum Bild eines edlen Falken als Symbol „des vollkommen erzogenen, mit allen höfischen Tugenden vertrauten Ritters.“[14] Durch die Erziehung, die Zähmung, die oft durch die Dame erfolgt, steht der Falke als Sinnbild für den vollkommenen Ritter. Das Zähmen des Falken entspricht einer intensiven Liebeswerbung. Bei beidem sind seelische Fähigkeiten entscheidend und Gewalt bringt nicht den gewollten Erfolg. Das Entfliegen steht damit symbolisch für die Untreue des Partners.

[...]


[1] Vgl. Weil 1985, S. 16.

[2] Vgl. Hensel 1997, S. 36ff.

[3] Vgl. Reiser 1963, S. 137f.

[4] Vgl. Weil 1985, S. 9f.

[5] Hensel 1997, S. 34.

[6] Vgl. ebd., S. 34f.

[7] Vgl. Wehrli: Geschichte der deutsche Literatur 1980, S. 335.

[8] Vgl. Reiser 1963, S. 16ff.

[9] Vgl. ebd., S. 19ff.

[10] Vgl. Reiser 1963, S. 22ff.

[11] Vgl. ebd., S. 25ff.

[12] Vgl. ebd., S. 29ff.

[13] Vgl. ebd.., S. 47ff.

[14] Reiser 1963, S. 51.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Inhaltliche und sprachliche Analyse der Falkenstrophen des Kürenbergers unter Berücksichtigung der Falknerpraxis
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen  (Germanistischen Institut)
Veranstaltung
Minnesang
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
23
Katalognummer
V121777
ISBN (eBook)
9783640264629
ISBN (Buch)
9783640264889
Dateigröße
464 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Dozentenkommentar: Eine intensive Auseinandersetzung mit Text und Forschung.
Schlagworte
Inhaltliche, Analyse, Falkenstrophen, Kürenbergers, Berücksichtigung, Falknerpraxis, Minnesang
Arbeit zitieren
Sabine Reichardt (Autor:in), 2007, Inhaltliche und sprachliche Analyse der Falkenstrophen des Kürenbergers unter Berücksichtigung der Falknerpraxis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121777

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