Die Frage nach dem vorzugswürdigen Kapitalerhaltungssystem der Europäischen Privatgesellschaft zeichnet sich durch ihre doppelte Aktualität in der rechtspolitischen Diskussion aus und ist gerade aus Sicht der Praxis von größter Relevanz.
Mit der Veröffentlichung des Entwurfs für eine Verordnung über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft (sog. „Societas Europaea Privata“, im Folgenden:
SPE) vom 25.06.2008 hob die Europäische Kommission eine neue supranationale Rechtsform aus der Taufe. Diese soll, als Reaktion auf langjährige Forderungen des Mittelstandes, den Bedürfnissen kleiner und mittelständischer Unternehmen (sog. KMU) auf dem Europäischen Binnenmarkt gerecht werden.
Bei der Einführung jeder neuen Rechtsform stellt sich aus Gläubigersicht die zentrale Frage nach der Ausgestaltung eines verlässlichen Kapitalerhaltungssystems.
Dabei steht der Europäische Gesetzgeber vor der Problematik, dass sich das bilanztestbasierte Kapitalerhaltungsmodell Kontinentaleuropas, das noch der zweiten (Kapital-) Richtlinie zugrunde liegt, massiver Kritik aus Schrifttum und Praxis ausgesetzt sieht. Es drängt sich die Frage auf, ob mit der Einführung der SPE zugleich die Grundsätze der bilanziellen Kapitalerhaltung durch einen Solvenztest US-amerikanischer Prägung grundlegend reformiert werden sollten.
Nach einer allgemeinen Einführung in die neue Rechtsform der Europäischen Privatgesellschaft soll eine ökonomische Analyse des Solvenz- und Bilanztests die Grundlage für die Empfehlung eines konkreten Kapitalerhaltungsmodells der SPE legen. Hierzu werden beide Ansätze zunächst in ihrem nationalen Kontext anhand einer Rechtsvergleichung zwischen Deutschland und den USA dargestellt.
Nachdem die Aufgabenstellung der Arbeit über eine wirtschaftliche Betrachtung hinausgeht, und nach einem generellen Vorzug fragt, werden im Anschluss an die abstrakte Effizienzanalyse die weiteren Anforderungen an ein Kapitalerhaltungsmodell einer supranationalen Rechtsform herausgearbeitet.
Die Untersuchung schließt mit einer Empfehlung an den Europäischen Gesetzgeber zur Ausgestaltung eines neuen Kapitalerhaltungssystems.
Inhaltsverzeichnis
- A. EINLEITUNG
- B. SOCIETAS PRIVATA EUROPAEA – EINE EINFÜHRUNG
- I. Rechtspolitischer Hintergrund der SPE
- 1. Darstellung der SPE nach dem aktuellen Kommissionsentwurf
- 2. Regelungskompetenz des Rates
- II. Gründungsfreiheit der SPE
- III. Dispositives Innenverhältnis
- IV. Gläubigerschutz und Außenrecht
- a) Gesetzliches Mindestkapital und Einlagen
- b) Die Ausschüttungsregelung der SPE
- aa) Bilanztest und fakultativer Solvenztest
- bb) Haftungsregelung im Falle unzulässiger Ausschüttungen
- c) Insolvenzrecht
- V. Inkrafttreten der SPE-Verordnung
- C. KAPITALERHALTUNGSMODELLE IM VERGLEICH: BILANZTEST VS. SOLVENZTEST
- I. Gegenüberstellung von Bilanz- und Solvenztest im nationalen Kontext
- 1. Der Bilanztest als Grundlage der Kapitalerhaltung in Deutschland
- a) Gläubigerschutz durch Gesellschaftsrecht
- b) Ergänzung des Gläubigerschutzes durch das Bilanzrecht
- c) Haftung im Falle rechtswidriger Auszahlungen
- 2. Der Solvenztest - das US-amerikanische Alternativmodell
- a) Die gesellschaftsrechtliche Ausschüttungssperre des § 6.40 RMBCA
- aa) Der equity insolvency test, § 6.40(c)(1) RMBCA
- bb) Der balance sheet test, § 6.40(c)(2) RMBCA
- b) Bilanzrecht im Kontext des § 6.40(c)(2) RMBCA
- c) Haftung im Falle rechtswidriger Ausschüttungen
- II. Analyse der Ausschüttungssperren aus Gläubiger- und Gesellschaftersicht unter Effizienzgesichtspunkten
- 1. Spezielles Gläubigerschutzbedürfnis bei Ausschüttungen
- 2. Erforderlichkeit zwingender Ausschüttungsregelungen
- a) Privatautonome Ausschüttungssperren - Covenants
- b) Gläubigerkonflikte im rein privatautonomen System
- c) Zwischenergebnis
- 3. Umsetzung des Gläubigerschutzes durch Ausschüttungssperren
- 4. Kritische Würdigung der Rechtfertigung bilanzieller Kapitalerhaltung
- a) Erhaltung eines Haftungsfonds durch gezeichnetes Kapital
- b) Insolvenzprophylaxe
- c) Finanzielle Signalwirkung des gezeichneten Kapitals
- d) Anreizsteuerung durch die Eigenkapitalbindung
- aa) Schaffung eines Investitionsanreizes durch Kapitalbindung ?
- bb) Steigerung der Sorgfalt im Umgang mit Gläubigermitteln ?
- 5. Zwischenergebnis
- 6. Das Alternativmodell des Solvenztests unter Effizienzgesichtspunkten
- a) Die Gesellschafterperspektive: Effizientere Unternehmensfinanzierung
- b) Höheres Gläubigerschutzniveau durch einen Solvenztest ?
- c) Volkswirtschaftliche Einsparungen der Kapitalerhaltungskosten
- d) Verbleibende Kritik am Solvenztestsystem
- III. Ergebnis der ökonomischen Analyse
- D. ENTWICKLUNG EINES NEUEN KAPITALERHALTUNGSSYSTEMS FÜR DIE SPE
- E. FAZIT
- Vergleich von Bilanz- und Solvenztest
- Gläubigerschutz im europäischen Gesellschaftsrecht
- Effizienz der Kapitalerhaltungssysteme
- Entwicklung eines optimierten Kapitalerhaltungssystems für die SPE
- Europäische Rechtsvereinheitlichung im Kontext der SPE
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht, welches System der Kapitalerhaltung – der Bilanztest oder der Solvenztest – für die Europäische Privatgesellschaft (SPE) vorzugswürdiger ist. Die Analyse fokussiert auf die Effizienz und den Gläubigerschutz beider Systeme im europäischen Kontext.
Zusammenfassung der Kapitel
A. Einleitung: Einführung in die Thematik und Forschungsfrage.
B. Societas Privata Europaea – Eine Einführung: Stellt den rechtspolitischen Hintergrund der SPE vor und beschreibt deren Gründungsfreiheit, inneres Verhältnis und Gläubigerschutz.
C. Kapitalerhaltungsmodelle im Vergleich: Bilanztest vs. Solvenztest: Vergleicht den Bilanztest (nationaler Kontext) mit dem Solvenztest (US-amerikanisches Modell) hinsichtlich Gläubigerschutz und Effizienz. Die Analyse betrachtet die jeweiligen Haftungsregelungen und die Perspektiven von Gläubigern und Gesellschaftern.
D. Entwicklung eines neuen Kapitalerhaltungssystems für die SPE: Diskutiert die Herausforderungen bei der Einführung eines Kapitalerhaltungssystems für die SPE, insbesondere die fehlende europäische Rechtsvereinheitlichung. Es werden Vorschläge für ein optimiertes System unter Berücksichtigung ökonomischer Aspekte gemacht.
Schlüsselwörter
Solvenztest, Bilanztest, Kapitalerhaltung, Societas Privata Europaea (SPE), Gläubigerschutz, Gesellschaftsrecht, Effizienz, Europäische Rechtsvereinheitlichung, Unternehmen, KMU.
- Quote paper
- Maximilian Preisser (Author), 2008, Solvenztest oder Bilanztest. Das vorzugswürdige Kapitalerhaltungssystem der Europäischen Privatgesellschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121831