Im Jahr 1917 kauft sich der französische Künstler Marcel Duchamp bei einem New Yorker Händler für Sanitärbedarf ein handelsübliches Pissoirbecken. Eine nicht weiter erwähnenswerte Geschichte, hätte sie sich nicht wie folgt fortgesetzt: Duchamp signierte das Urinal mit dem Pseudonym ‚R. Mutt’, gab ihm den Titel Fountain und reichte es für die Jahresausstellung der Society of Independent Artists ein. Das Werk wurde heftig diskutiert und letztlich abgelehnt, durch eine Fotografie von Alfred Stieglitz (vgl. Abb. 1) erlangte es jedoch weltweite Berühmtheit und stellte die gesamte Kunstwelt auf den Kopf. Duchamp nimmt einen industriell gefertigten Alltagsgegenstand, erklärt ihn zum Kunstwerk und greift so das traditionelle Verständnis von Kunst radikal an. Die klassische Rolle des Künstlers und sein Schaffen werden in Frage gestellt, ebenso die nur scheinbar klare Grenzziehung zwischen Kunst, Nicht-Kunst und ‚normalem’ Leben. Fountain ging als ein zentrales Werk der modernen Kunst in die Geschichtsbücher ein, Duchamp wurde zum Erfinder der sogenannten Readymade-Kunst. Diese Art der Objektkunst operiert mit vorgefundenen Gebrauchsgegenständen, die allein durch ihre Auswahl und Ausstellung im musealen Kontext zum Kunstwerk werden. Ästhetische Gesichtspunkte treten dabei eher in den Hintergrund, vielmehr werden das dahinterstehende Konzept eines solchen Vorgehens und der dadurch angeregte Diskurs bedeutend.
Im Folgenden soll nun, nach einem einleitenden Abriss über die Geschichte der Readymade-Kunst bei Duchamp, genauer untersucht werden, was passiert, wenn ein Alltagsgegenstand durch Auswahl und im Rahmen seiner Ausstellung zum Kunstwerk wird. Dabei spielen sowohl der Status des Objekts selbst wie auch die es umgebenden Bedingungen eine entscheidende Rolle. Auf den Überlegungen Brian O. Dohertys zum Ausstellungsraum der Moderne basierend, soll daher im zweiten Teil dieser Arbeit zunächst der institutionelle Kontext, in dem uns Kunst begegnet, unter ästhetischen, soziologischen und ökonomischen Gesichtspunkten analysiert werden. Mit diesen Hintergründen sollen dann die Verschiebungen und Entwicklungen, die mit dem Vorgang der Überführung eines Gebrauchsgegenstands aus dem Alltag in die Kunstwelt einhergehen, ausführlich, sowohl aus rezeptions- wie auch produktionsästhetischer Sicht dargelegt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Readymade-Kunst: Mehr als nur ein Pissoir
- Der White Cube
- Die Metamorphose des alltäglichen Dings
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Readymade-Kunst, insbesondere Marcel Duchamps Beitrag dazu. Ziel ist es, die Transformation alltäglicher Gegenstände in Kunstwerke zu analysieren und den damit verbundenen Diskurs zu beleuchten.
- Die Entstehung und Entwicklung der Readymade-Kunst bei Marcel Duchamp
- Der institutionelle Kontext der Kunst und seine Bedeutung für Readymades
- Die Rolle des Betrachters in der Rezeption von Readymades
- Die Kritik an traditionellen Kunstauffassungen durch Readymades
- Das Verhältnis von Alltagsgegenstand und Kunstwerk
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und beschreibt Duchamps Fountain als zentralen Ausgangspunkt. Das Kapitel Readymade-Kunst: Mehr als nur ein Pissoir beleuchtet Duchamps frühe Arbeiten und seine Intentionen hinter dem Konzept der Readymades. Es werden verschiedene Kategorien von Readymades unterschieden. Die Kapitel Der White Cube und Die Metamorphose des alltäglichen Dings werden in dieser Vorschau nicht zusammengefasst, um den Lesefluss nicht zu beeinträchtigen.
Schlüsselwörter
Readymade-Kunst, Marcel Duchamp, Konzeptkunst, Alltagsgegenstand, Kunstwerk, Institution, Rezeption, Produktionsästhetik, White Cube, Objektkunst.
- Arbeit zitieren
- Danny Gronmaier (Autor:in), 2008, Raus aus dem Alltag, rein in den "White Cube", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121850