Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Minimal Art
3 Conceptual Art
4 Sol LeWitt
Sol LeWitts Verständnis von Kunst und ihrer Ausführung
Werkbeispiel
Die Rolle des Künstlers bei LeWitt
Der Bezug zum Betrachter
5 Parallelen zu anderen Kunstrichtungen der 60er Jahre
6 Abschließende Überlegungen
7 Bibliographie
1 Einleitung
„Die Idee wird zur Maschine, die das Werk macht.“
Sol Lewitt
1915 malte Kasimir Malewitsch sein Schwarzes Quadrat, der Inbegriff der Gegenstandslosigkeit. Er verabschiedete sich von der Welt des Sichtbaren und schuf so eine neue Wirklichkeit der Farbe. Zwei Jahre später entstand eines der ersten Ready mades. Duchamps Fountain signalisierte, wie sehr der Ausstellungsort die Werke beeinflusst. Gleichzeitig stand bei ihm die Idee im Hintergrund und bildete so einen wichtigen Vorläufer für die Conceptual Art.[1] Schon bei ihm gab es keine Individualität mehr, da er vorgefertigte Materialien benutzte, beziehungsweise die Objekte direkt zum Kunstwerk emporhob.
Beide Werke stellten ein halbes Jahrhundert die Grenzen der visuellen Kunst dar. Reduziert auf ein Minimum an Farbe oder im Falle Duchamps ein Alltagsgegenstand, der im White Cube zur Kunst wird. Ja, eine Zeit, wo sogar eine unbemalte Leinwand zur Kunst werden konnte.
In den sechziger Jahren entstand letztendlich die Minimal Art, kurze Zeit später die auf ihr basierende Conceptual Art. Für beide Richtungen war ein Künstler ganz besonders wichtig: Sol LeWitt – der „Vater der Minimal Art“ und der Wegbereiter der Conceptual Art. So wird er in den meisten Kunstbüchern beschrieben.
Doch wo hört das eine auf und wo fängt das andere an und welche Rolle spielte dabei Sol LeWitt?
Diesen Fragen werde ich in dieser Arbeit auf den Grund gehen. Zunächst werde ich beide Richtungen darstellen. Daraufhin werde ich die Werke und Schriften Sol LeWitts analysieren und somit zu einem Resümee kommen und letztendlich die Frage bearbeiten, welche Rolle Sol LeWitt für die eine und für die andere Richtung spielte und was genau bei ihm konzeptuell war, seine Schriften oder seine Werke?
2 Minimal Art
Minimal Art war die erste rein amerikanische Kunstrichtung, die in Europa keinerlei Vergleiche fand. Amerika avancierte bereits in den 50er Jahren mit der New York School zu einer neuen Metropole der Künste.
Obschon keiner der Minimalkünstler mit der Bezeichnung Minimal Art zufrieden war,[2] war der Titel bezeichnend für eine Kunst mit minimalem Gehalt. „What is minimal about Minimal Art, appears to be when contrasted with Abstract Expressionism or Pop Art is the means, not the end.“[3] Auch wenn sich die Werke in vielerlei Hinsicht unterschieden, sei es das Aussehen oder das Material, so hatten sie doch zumindest diesen Aspekt gemeinsam. Sie bestanden aus industriellen Materialien, meist farblos und besaßen elementare Formen[4], die in keinem größeren Kontrast zum expressionistischen Ziel der parallel verlaufenden Strömungen stehen konnte. Gerade innerhalb der sechziger Jahre, entstanden zahlreiche Richtungen, die unterschiedliche Intentionen verfolgten. Im Vergleich zur Minimal Art gibt es wohl keinen größeren Kontrast, als den, den die Pop Art schuf. Gerade Andy Warhols farbenreiche Werke wirkten neben der Minimal Art äußerst divergent. Schuf er doch Werke, die auf die Konsumgesellschaft setzten – zwar kritisch, aber dennoch mit gewissem Eigennutzen verbunden, wandte sich die Minimal Art und die darauf folgende Concept Art vom Kunstmarkt ab. Waren die Werke Warhols farbenfroh und bunt, zog sich die Minimal Art hinter kühlen, meist einfarbigen Materialien zurück. Trotz allem verband die Pop Art mit der Minimal Art/Concept Art die Serialität (Duchamp bekundete seinen Wunsch eine Maschine zu sein[5] ) und mit ihr auch die Objektivität.
„Im Kern war der Minimalismus weniger ein Stil als eine Kritik anderer Stile, weniger ein Look als die Einführung von Denk- und Empfindungsweisen, die in der Kunst bisher bedeutungslos oder ihr gänzlich fremd waren.“[6]
Ihr Ziel war es vornehmlich, völlig frei von einer subjektiven Handschrift zu sein, daher wurden die Werke nicht selbst hergestellt. Zumal eine manuelle Erstellung nicht die Perfektion bot, die für die Minimal Art nötig waren. Sie waren frei von jeglicher Intention, waren selbst nicht aufgeladen mit möglichen Interpretationsmöglichkeiten. Hier zeigt sich schon, dass sich die Idee, beziehungsweise der Entwurf von der Erstellung und des aktiven Tuns abkoppelt, was keinen unwesentlichen Schritt zur Concept Art darstellt.
Der Künstler trat hinter das Werk zurück, eine persönliche Note oder subjektiven Ausdruck sucht man in diesen Werken vergeblich. „Die Verhältnisse von Werk und Betrachter, Material und Form (Struktur), Teil und Ganzem, Kunst und Vollzugsrahmen, Künstler und Gesellschaft wurden einer Redifinition unterzogen[…].“[7] Die Arbeiten setzten auf den Kontext, so wie es bereits bei dem oben genannten Ready made der Fall war.
Auf Grund des Rückzugs des Künstlers, rückte der Betrachter näher an das Werk heran. Seine Aufgabe war es nun nicht mehr nur das Werk zu betrachten und über die jeweilige Bedeutung nachzusinnen, sondern das Werk auf ganz andere Weise wahrzunehmen. Er teilte den Raum mit dem Werk und stand nicht nur davor. Seine Rolle bestand nun darin, die Minimal-Werke mit einer eigenen Bedeutung aufzuladen.
Eine Bedeutung, im Sinne von konkretem Inhalt, wurde von der Minimal Art völlig vernachlässigt. Sie stellte Kunst dar, sie existierte der Kunst willen.
[...]
[1] Honnef, Klaus: “Nichts als Kunst...” Schriften zu Kunst und Fotografie, Köln 1997. „Ernstzunehmende künstlerische Übungen haben – seit Marcel Duchamp mit seinen „Ready mades“ die Kunst in eine tiefe Identitätskrise stürzte – kein anderes Ziel gehabt, als das Selbstverständnis der Kunst zu erschüttern.“ S.23.
[2] Stemmrich, Georg (Hrsg.): Minimal Art. Eine kritische Retrospektive, Dresden 1995. S.12 und S.14 mit einem Zitat LeWitts: „In letzter Zeit ist viel über Minimal Art geschrieben worden, aber ich habe noch niemanden gefunden, der sagen würde, daß er so etwas macht.“
[3] Battcock, Gregory (Hrsg.): Minimal Art. A Critical Anthology, University of California Press 1995. S. 260.
[4] Wiehager, Renate: Minimalsm and After. Tradition und Tendenzen minimalistischer Kunst von 1950 bis heute, Ostfildern 2007. „Ein grundlegender Impuls der Minimal Art war es, die ideologisch kontamininierten Materialien der traditionellen Kunstgattungen – Sockel, Bronzeguss, Leinwand, Rahmen – durch industriell produzierte Massenware zu ersetzen, um schon auf der Materialebene den Anspruch der Entindividualisierung und objektivierungskategorisch und nicht selten auf Schockwirkung zielend geltend zu machen.“ S.59.
[5] Bonnet, Anne-Marie: Kunst der Moderne. Kunst der Gegenwart. Herausforderung und Chance, Köln 2004. S. 113.
[6] Reise, Barbara: „Ohne Titel, 1969“ Eine Anmerkung über Kunst und minimalistischen Stil, in: Minimal Art 1995, S. 559.
[7] Stemmrich, Georg (Hrsg.): Minimal Art. Eine kritische Retrospektive, Dresden 1995. S.12