Der Kapp-Putsch und die deutsche Arbeiterbewegung


Examensarbeit, 2005

85 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Politische und personelle Ausgangslage des Kapp-Putsches
2.1 Anti-republikanische Kräfte in der Führung der Reichswehr
2.2 Zivile Unterstützer des Umsturzversuchs

3. Das Verhältnis der Putschisten zur Arbeiterbewegung
3.1 Angriffe der Putschisten auf die Arbeiterbewegung
3.2 Deeskalationsversuche
3.3 Appelle an die Arbeiterbewegung
3.4 Konfrontation mit der Arbeiterbewegung

4. Reaktionen der Arbeiterbewegung auf den Kapp-Putsch
4.1 Politische und organisatorische Voraussetzungen
4.1.1 Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands
4.1.2 Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands
4.1.3 Die Kommunistische Partei Deutschlands
4.2 Verhandlungen über die Aktionseinheit
4.3 Lokaler Widerstand
4.4 Der Chemnitzer Vollzugsrat
4.5 Die Rolle der Gewerkschaften

5. Schluss

6. Quellen- und Literaturverzeichnis
6.1 Quellen und zeitgenössische Darstellungen
6.2 Literatur

1. Einleitung

Am frühen Morgen des 13. März 1920 marschierten Angehörige der Marinebrigade Ehrhardt aus dem Döberitzer Truppenlager kommend ins Berliner Regierungsviertel ein. Jubelnde Menschen säumten den Straßenrand, als die Soldaten unter schwarz-weiß-roter Flagge und mit Hakenkreuz am Helm ins Zentrum der deutschen Reichshauptstadt vorstießen. Die Männer kamen mit dem erklärten Ziel, die Regierung zu stürzen. Dennoch stießen sie auf keinerlei Widerstand, als sie als Vorhut einer kleinen Gruppe ziviler Politiker um den ostpreußischen Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp und Offiziere um General Freiherr von Lüttwitz die Reichskanzlei betraten und die bestehende politische Ordnung für nichtig erklärten.

Die vorangegangene Nacht hindurch hatte die SPD-Führung um Reichspräsident Friedrich Ebert, Reichskanzler Gustav Bauer und Reichswehrminister Gustav Noske vergeblich versucht, zuverlässige Truppen zur Verteidigung Berlins zu verpflichten. Mit dem Argument, dass Reichswehr nicht auf Reichswehr schieße, hatten die Offiziere der parlamentarisch legitimierten Regierung ihre aussichtslose Situation aufgezeigt. Gegen sechs Uhr morgens verließen die sozialdemokratischen Reichsminister Berlin und flohen erst nach Dresden und abends nach Stuttgart. Wenige Minuten nach der Flucht standen Kapp und seine Unterstützer zur Regierungsübernahme bereit. Der Kapp-Putsch[1] startete zunächst äußerst erfolgreich.

Schon wenige Tage später war der Umsturzversuch gescheitert. Am 17. März räumten Kapp und Lüttwitz ihre Niederlage ein und traten zurück. Die Koalitionsregierung aus Sozialdemokratischer Partei (SPD), Zentrumspartei und Deutscher Demokratischer Partei (DDP) kehrte in ihre Ministerien zurück und übernahm wieder die Amtsgeschäfte, die sie zuvor aus Stuttgart provisorisch wahrgenommen hatte.

Wie kam es zu dieser rapiden Wende der Ereignisse? Dieser Frage wurde bereits in zahlreichen Forschungsarbeiten nachgegangen.[2] Im historischen Diskurs hat sich weitestgehend ein Ansatz durchgesetzt, der mehrere Faktoren als ursächlich für das Scheitern des Kapp-Putsches ansieht. Die Bewertung der Ereignisse im März 1920 und die Gewichtung der Faktoren, die zum Scheitern des Kapp-Putsches geführt haben, sind jedoch umstritten. Im Allgemeinen wirkten sich drei Sachverhalte entscheidend auf den Umsturzversuch aus. Erstens war der Unterstützerkreis der Putschisten sehr begrenzt, was sich auch in Schwierigkeiten beim Finden fähiger Führungspersönlichkeiten für ein Kabinett Kapps äußerte. Zweitens blieben wichtige Teile des Beamtentums, der öffentlichen Verwaltung und der Streitkräfte loyal zur alten, sozialdemokratisch geführten Regierung und verharrten gegenüber den Putschisten in passiver Verweigerung. Eine dritte, entscheidende Ursache für die Niederlage des Kapp-Putsches war ein reichsweiter Generalstreik, den die Arbeiterbewegung zwar mit unterschiedlich weitreichenden Zielen, jedoch in weitgehend geschlossener Aktionseinheit bis zum Sturz der Kapp-Regierung führte.

In dieser Arbeit soll ein Beitrag zur Beantwortung der Frage geleistet werden, inwiefern der Generalstreik, den die überwiegende Mehrheit der deutschen Arbeiterbewegung lostrat, dazu beigetragen hat, den Staatsstreich niederzuschlagen. Es soll bewiesen werden, dass der Kapp-Putsch unter den gegebenen Bedingungen im Frühjahr 1920 gar nicht erfolgreich sein konnte. Dabei ist nicht das Ziel, eine monokausale Erklärung für das Scheitern Kapps zu liefern, sondern aus dem Verhalten der Arbeiterbewegung und ihrer Organisationen herzuleiten, dass ein Fortbestehen der Kapp-Regierung[3] unter der Bedingung des Streiks unmöglich wurde. Dass der Putsch möglicherweise auch ohne den Streik scheitern musste, soll dabei nicht geleugnet werden.

Weit davon entfernt, nur Objekt jener ereignisreichen Wochen im Frühjahr 1920 zu sein, schaltete sich die Arbeiterbewegung aktiv in das Geschehen ein. Die Menge der Versammlungen, Demonstrationen, Kundgebungen und politischer, ökonomischer und sogar militärischer Auseinandersetzungen ist kaum überschaubar. Unter den Führungspersönlichkeiten der Arbeiterparteien herrschte aber keineswegs Einigkeit hinsichtlich der Einschätzung und Bewertung der Ereignisse rund um den Staatsstreich.

Die organisatorische und weltanschauliche Spaltung der Arbeiterbewegung schlug sich in den unterschiedlichen Zielsetzungen im Widerstand gegen die Putschregierung nieder. Die Bandbreite der Reaktionen reichten von der bedingungslosen Verteidigung der republikanischen Staatsform und ihrer durch die Verfassung legitimierten Organe bis hin zu Forderungen nach einer Wiederaufnahme revolutionärer Auseinandersetzungen zur Fortführung der Novemberrevolution. Die Ereignisse des 13. März 1920 und der folgenden Tage ließen parteipolitische Trennungslinien jedoch teilweise verschwimmen und zogen spontane Aktivitäten vieler Werktätiger nach sich, die vielerorts mit einer Radikalisierung der politischen Einstellungen einhergingen.

Im Folgenden soll das Verhältnis zwischen den Verschwörern um Kapp und Lüttwitz einerseits und der Arbeiterbewegung andererseits untersucht werden. Hieraus werden die Gründe ersichtlich, warum der Putsch auf derart massiven Widerstand der werktätigen Bevölkerung traf. Die Reaktionen der Arbeiterbewegung auf den Putsch, ihre Möglichkeiten und Schwierigkeiten sollen im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen.

Die Quellenlage zum bearbeiteten Thema ist gut. Gerade die ersten Reaktionen der Arbeiterparteien und Gewerkschaften auf den Putsch sind hervorragend dokumentiert. Dies ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass sie ihre Stellungnahmen zu Ereignissen und Entwicklungen veröffentlichen und vervielfältigen mussten, um damit außenwirksam in Erscheinung zu treten. Die Aktivitäten der verschiedenen lokalen Aktionsausschüsse von Werktätigen sind ebenfalls ausführlich dokumentiert. Umfangreiche Quellensammlungen zum gesamten Themenkomplex rund um den Kapp-Putsch liegen von Erwin Könnemann und Gerhard Schulze, teilweise in Zusammenarbeit mit Brigitte Berthold, vor.[4] Weitere Quellen sind im Werk von Fritz Krause[5] zugänglich. Diese Arbeit stützt sich in wesentlichen Teilen auf die im Jahr 2002 erschienene Quellenedition „Der Kapp-Lüttwitz-Ludendorff-Putsch: Dokumente“ von Erwin Könnemann und Gerhard Schulze.

Zeitgenössische Darstellungen der Ereignisse bieten aus verschiedenen Perspektiven Gustav Noske[6], Walther Freiherr von Lüttwitz[7], Spectator[8], Karl Brammer[9], M. J. Braun[10], Gerhard Colm[11], Robert Jansen[12], Paul Frölich[13], Richard Müller[14] und Arthur Rosenberg[15]. In einigen dieser Werke sind zudem Zeitzeugnisse abgedruckt, die in sonst keiner Quellenedition zugänglich sind.

Einen hilfreichen Einstieg und die Einordnung in politische, ökonomische und historische Zusammenhänge bieten Eberhard Kolb[16], Hans Mommsen[17], Gordon A. Craig[18], Karl Dietrich Erdmann[19] und Andreas Wirsching[20]. Einblicke in Fragen der modernen Forschung sowie einen Überblick über die Literatur zur Epoche bieten sowohl Eberhard Kolb als auch Andreas Wirsching in gesonderten Kapiteln der jeweiligen Werke.

Umfassende Monographien zum Kapp-Putsch liefern Erwin Könnemann[21] und Johannes Erger[22]. Beide Autoren behandeln sowohl Hintergründe und Ursachen des Umsturzversuchs, als auch den Widerstand gegen den Kapp-Putsch. Erhard Lucas legt in seinem dreibändigen Werk „Märzrevolution im Ruhrgebiet“[23] den Schwerpunkt auf die Auswirkungen des Kapp-Putsches auf die Arbeiterbewegung des Ruhrgebiets, stellt jedoch auch allgemeine Erkenntnisse zum Thema dar. Weniger umfangreich, dafür mit vielfältigem dokumentarischen Bildmaterial versehen, ist die Darstellung von Hans J. Reichhardt[24]. Heinrich August Winkler bietet in seinem Werk „Von der Revolution zur Stabilisierung. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1918-1924“[25] neben ausführlichem Hintergrundwissen über Parteien und Gewerkschaften in der frühen Weimarer Republik ein Kapitel zum Kapp-Putsch. Zusätzlich enthalten Werke von David W. Morgan[26], Dieter Engelmann und Horst Naumann[27], Hermann Weber[28] und Ossip K. Flechtheim[29] wichtige Erkenntnisse über die politischen Parteien der Arbeiterbewegung jener Zeit. Den Gewerkschaften und ihrer Politik in der Weimarer Republik widmet sich besonders Heinrich Potthoff[30].

Im Folgenden sollen zunächst die Unterstützer des Kapp-Putsches und ihre zentralen Motive analysiert werden. Dies hat den Zweck der Annäherung an die Beweggründe und das politische Verständnis der treibenden politischen und militärischen Kräfte. Die Untersuchung der hinter den Putsch stehenden Kräfte und ihrer politischen Zielsetzungen ist insofern von Bedeutung, als daraus klar wird, warum die deutsche Arbeiterbewegung im Zentrum des Widerstandes gegen Kapp stand. Aus der Untersuchung der Zusammenhänge zwischen rechtsgerichteten politischen Kräften und bewaffneten Verbänden innerhalb und außerhalb der Reichswehr geht hervor, dass die Arbeiterbewegung die „natürliche“ Gegnerin eines nationalistisch-militärischen Umsturzversuches sein musste.

Anschließend sollen diejenigen Maßnahmen der Kapp-Regierung untersucht werden, die direkt oder indirekt auf die Arbeiterbewegung, ihre Wirkungsmöglichkeiten oder die soziale Situation der Werktätigen abzielten. Dies dient ebenso der Präzisierung der vorhandenen Differenzen zwischen den Putschisten und der Arbeiterbewegung, wie auch der Erklärung, weshalb die Werktätigen große Einigkeit in ihrer Ablehnung der Kapp-Regierung erzielen konnten.

Den Schwerpunkt dieser Arbeit bilden die Reaktionen der deutschen Arbeiterbewegung auf den Kapp-Putsch. Zunächst soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern die Organisationen der Arbeiterbewegung auf die Bedrohung durch einen rechtsgerichteten Putsch vorbereitet waren. Zu diesem Zweck werden zunächst relevante Aspekte der Vorgeschichte der einzelnen Arbeiterparteien beleuchtet. Anschließend werden die Versuche der Parteien geschildert, auf Führungsebene ein gemeinsames Vorgehen gegen die Putschisten zu organisieren. Hauptsächlich anhand von Quellen lokaler Zusammenschlüsse der Werktätigen wird im Anschluss die Praxis des Widerstands gegen die Kapp-Regierung einer Untersuchung unterzogen. Als gesondertes Beispiel wird die Initiative Chemnitzer Werktätiger während des Kapp-Putsches beschrieben, bevor die Rolle der Gewerkschaften analysiert wird.

Diese Arbeit lenkt das Interesse auf die politischen Akteure, ihr Selbstverständnis und ihre Programmatik. Der Erkenntnisgewinn, der hier versucht wird, zu erreichen, zielt auf die politisch-historische Ebene ab. Hierzu wird, soweit es angemessen ist, ein politisch-analytischer Ansatz verfolgt. Der militärhistorische Ansatz, wie er von verschiedenen Autoren teilweise verfolgt wird[31], wird ebenso weitgehend vernachlässigt, wie sozialgeschichtliche Gesichtspunkte der Forschung, wie sie beispielsweise von Gerhard Colm[32] untersucht werden. Das Ziel der hier angewandten Methode ist es, die politischen Interessen der Akteure zu entwickeln und als objektivierbare Sachverhalte entlang bedeutender Konfliktlinien zu skizzieren. Auf diese Weise soll die Einordnung in den Gesamtzusammenhang erleichtert werden.

2. Politische und personelle Ausgangslage des Kapp-Putsches

Bei der Analyse der Ursachen für den Putschversuch, den der ostpreußische Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp, General Walther Freiherr von Lüttwitz und ihre Sympathisanten am 13. März 1920 unternahmen, müssen zwei Sachverhalte grundlegend unterschieden werden. Zum Einen liegt den Aktivitäten der Verschwörer aus politischen und militärischen Zusammenhängen[33] eine antirepublikanische Stimmung zugrunde, die sich seit der Novemberrevolution stetig entwickelte und in konservativen und nationalistischen Kreisen zunehmend Anhänger gewann. Zum Anderen darf der konkrete Anlass für den Beginn der Vorbereitungen des Putsches sowie für das Losschlagen der Putschisten nicht außer Acht gelassen werden.

2.1 Anti-republikanische Kräfte in der Führung der Reichswehr

Die Stimmung in den Streitkräften war während der Spätphase des Krieges uneinheitlich. Während vor dem Ersten Weltkrieg adlige Rekruten und solche aus höheren sozialen Schichten bei der Armee deutlich überrepräsentiert waren, weil es in diesen Kreisen üblich war, den eigenen Nachwuchs durch den Militärdienst unter kaiserlichem Regiment schulen zu lassen, änderte sich dies schon bald nach Kriegsbeginn. Der langwierige und auszehrende Kriegsverlauf machte Massenmobilisierungen erforderlich, was zur Folge hatte, dass Millionen von Arbeitern in die unteren Ränge der Streitkräfte aufgenommen wurden.[34] Während sich das Offizierskorps weiterhin an traditionellen preußischen Idealen und konservativen Werten der Monarchie orientierte, hielten sozialdemokratische und sozialistische Ideen verstärkt Einzug in die militärischen Einheiten. Die einfachen Soldaten lehnten in zunehmendem Maße den Krieg ab, wohingegen die Offiziere, angestachelt von ihren Vorgesetzten und der Obersten Heeresleitung (OHL), den Sieg noch propagierten, als er militärisch und ökonomisch nicht mehr erreichbar war.[35]

Die faktische Abdankung des Kaisers am 9. November 1918 und sein Gang ins Exil wenige Tage darauf wurde von großen Teilen des Offizierskorps als „Zusammenbruch der Welt“[36] aufgefasst.[37] General Wilhelm Groener, Chef des Generalstabs und führendes Mitglied der OHL, beklagte, dass der ruhmlose Abgang der Hohenzollern-Monarchie „den Offizieren den Boden ihres Daseins, ihren Sammel- und Ausrichtepunkt“[38] entzogen habe. Für die Mehrheit der Offiziere stellten sich die Ereignisse rund um den 9. November 1918 als „feige“ Revolution dar, die der kämpfenden Truppe „in den Rücken gefallen“ sei, die „Autorität des Offiziers“ untergrabe, „absolut zur Anarchie“ führe und „vielleicht zum völligen Untergang“ des deutschen Volkes.[39] Diese und ähnliche Äußerungen bilden die Grundlage der schon in dieser Zeit entstehenden Dolchstoßlegende, wonach die Revolutionäre des November 1918 die im Felde ungeschlagenen Truppe verraten hätten.[40] In den Augen vieler Offiziere hatten Pazifisten, Sozialisten, Taugenichtse und Juden die Heimatfront derart zersetzt und gegen den Krieg aufgebracht, dass die Niederlage unabwendbar wurde.[41]

Dieser Untergangsstimmung bei der militärischen Führung und in Teilen der Öffentlichkeit stand im November 1918 der Unwille zur Fortsetzung des Kampfes von hunderttausenden Soldaten und Matrosen entgegen. Die Begeisterung über das Kriegsende und die Hoffnung auf einen erträglichen Frieden überwog auch im Rest der Gesellschaft.[42] Der Matrosenaufstand am 4. November 1918 in Kiel legte Feuer an das Pulverfass der kaiserlichen Ordnung. Die Revolution breitete sich schnell aus, und die neu gegründete Arbeiter- und Soldatenräte erhoben Forderungen nach einer sofortiger Beendigung des Krieges und der umfassenden Umgestaltung des politischen Systems. Die Soldatenräte sprachen Forderungen nach Reformen der militärischen Strukturen und Umgangsformen aus, die bei der OHL auf schärfste Ablehnung stießen.[43]

Die OHL ging davon aus, dass ohne sie kein Staat zu machen sei und sie für jegliche künftige Regierung mit Blick auf den nötigen politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau sowie zur Stabilisierung der Verhältnisse unentbehrlich sei.[44] Aus dieser Wahrnehmung leitete sich ihr Anspruch auf Gleichberechtigung von militärischer und ziviler Kommandogewalt ab.[45] In der Folge betrachteten höhere Offiziere es als durchaus legitim, im Verlauf des Jahres 1919 regelmäßig mit politischen, personellen und sozialen Forderungen an die Regierung heranzutreten. Diese reichten von der Ablehnung der neuen Reichsfarben Schwarz-Rot-Gold über die Rücktrittsforderungen gegenüber bestimmten Regierungsmitgliedern (besonders der preußische Finanzminister Erzberger[46] war vielen Offizieren ein Dorn im Auge) bis hin zu Forderungen, die die Absicherung von Soldaten- und Offiziersgehältern in Zeiten der Inflation betrafen.[47]

Zwischen November 1918 und März 1920 ging das deutsche Militär, das sich am 6. März 1919 in Form einer vorläufigen Reichswehr reorganisierte[48], Bündnisse mit den Regierungen ein - sicherlich nicht aus Treue zur republikanischen Staatsform, sondern viel mehr aus machtpolitischem Kalkül. Der bedeutendste Grund für die enge Zusammenarbeit zwischen OHL und Regierung liegt sicherlich in der gemeinsamen Furcht vor einer Entwicklung hin zu einer bolschewistischen Revolution, ähnlich wie in Russland etwa ein Jahr zuvor. Die hohen Offiziere fanden bei einigen sozialdemokratischen Regierungsmitgliedern durchaus Gehör für ihre Anliegen, im besonderen beim Reichswehrminister Gustav Noske. Die Regierung war auf die militärische Stärke von regulären Reichswehrtruppen und ihr nahestehenden Freikorps angewiesen, während die Reichswehrführung in der von der SPD geführten Regierung eine Möglichkeit sah, das harte Vorgehen gegen linksgerichtete Aufstände im Inneren zu legitimieren.

Das zeitweise beinahe freundschaftliche Verhältnis zwischen hohen Offizieren und dem Reichswehrminister sowie die gemeinsame Überzeugung, dass die Schaffung von Ruhe und Ordnung nur durch eine Stärkung und Zentralisierung der Staatsautorität zu bewerkstelligen sei, führten sogar dazu, dass seitens verschiedener Generäle mehrfach der Vorschlag geäußert wurde, Noske selbst solle Führer einer diktatorischen Regierung werden, die sich auf das Militär stützt.[49]

Nachdem solche Bemühungen seitens militärischer Vertreter ein ums andere mal scheiterten, kamen neue Probleme auf, die das Verhältnis zwischen militärischer und politischer Führung belasten sollten. Besonders die Frage des Friedensvertrages, der in verschiedenen Pariser Vororten verhandelt und unter dem Namen Versailler Vertrag bekannt wurde, führte zu erhöhter Spannung und erheblichen Meinungsverschiedenheiten, sowohl innerhalb der Reichswehr als auch zwischen Regierung und OHL.[50] Die Ablehnung der sogenannten „Schand-“ oder „Schmachparagraphen“ 227 bis 231[51] einte die Offiziere, wenngleich einige trotzdem auf eine Verhandlungslösung und einen Friedensschluss ohne Vorbedingungen drängten.[52] Die Annahme des Vertrages einschließlich dieser Paragraphen, welche am 24. Juni 1919 erfolgte, stellt daher eine Zäsur im Verhältnis zwischen Reichswehr und der Regierung dar. Viele Offiziere sahen sich nach dem November 1918 zum zweiten Mal von zivilen Unterhändlern verraten - zwischen ihnen und der Regierung entstand eine „Kluft, die nicht mehr überbrückt wurde“[53]. Von nun an wurden von verschiedener Seite konkrete Pläne zum gewaltsamen Sturz der Regierung ausgearbeitet, sowohl innerhalb der Reichswehr als auch in nationalistischen Verbänden und Organisationen. Am 21. Juli 1919 wurde sogar ein Vormarsch einzelner militärischer Einheiten auf Berlin erst in letzter Minute von der Reichswehrführung unterbunden.[54]

Neuerlichem Zeitdruck sahen sich die Vorbereitungen für einen Putsch durch die Forderungen der Alliierten nach einer baldigen Verringerung der deutschen Truppenstärke ausgesetzt. Zwar hatten die Alliierten schon kurz nach der Unterzeichnung des Versailler Vertrages ihre Vorstellungen über die Reduzierung der Reichswehr auf 100.000 Mann und die baldige Räumung des Baltikums durch deutsche Truppen präzisiert.[55] Unklarheit herrschte aber anfangs über die Einwohnerwehren, die spätestens seit Beginn des Jahres 1919 flächendeckend und mit Unterstützung der militärischen Befehlsstellen sowie der zivilen Behörden auf kommunaler Ebene gegründet wurden. Von der Regierung ursprünglich als Verstärkung der örtlichen Polizeieinheiten gedacht, führte der paramilitärische Charakter vieler dieser Wehren nicht nur im Ausland zur Einschätzung, in Wirklichkeit seien die Einwohnerwehren eine heimliche Umgehung der Begrenzung der Heeresgröße. Zur Mitte des Jahres 1919 wurde eine Auflösung der Einwohnerwehren zugunsten einer zahlenmäßig kleineren und von ihrem militärischen Gehalt befreiten „Sicherheitspolizei“ immer wahrscheinlicher.[56] Ende Februar 1920 schickte sich die Regierung an, den Rückzug der baltischen Truppen und die Auflösung ganzer Einheiten und Freikorps endgültig anzuordnen.[57] Tausende Offiziere standen beruflich vor dem Nichts und hatten wenig Aussicht auf den Fortbestand der materiellen Grundlagen ihres Überlebens, geschweige denn auf die Wiederherstellung ihrer privilegierten Stellung.[58]

In den Tagen vor dem 13. März 1920 spitzte sich die Lage in Berlin zu. Lüttwitz, militärischer Oberbefehlshaber über das Gruppenkommando I, versuchte, die Auflösung ihm unterstellter Freikorps unter allen Umständen zu verhindern. Im Alleingang konfrontierte er am 10. März 1920 Ebert und Noske mit einem Ultimatum zur Erfüllung seiner Forderungen nach Rücknahme der Auflösungsbefehle, Umgestaltung der Regierung sowie „[s]ofortige[r] Auflösung der Nationalversammlung und Neuwahlen zum Reichstage“[59]. Als Lüttwitz erkannte, dass ihm die sozialdemokratisch geführte Regierung nicht entgegenkommen würde, begab er sich zur Brigade Ehrhardt ins Döberitzer Truppenlager, fest entschlossen, seine Forderungen mit militärischer Gewalt durchzusetzen.[60]

Auf Unterstützer aus Kreisen der Reichswehr konnte er hoffen. Zwar war sich die Führung der Reichswehr zu keinem Zeitpunkt zwischen November 1918 und den Ereignissen im März 1920 bezüglich eines Sturzes der Regierung oder gar eines bewaffneten Umsturzes einig. Die Mehrheit war jedoch gegenüber den politischen Inhalten der Regierung Ebert-Bauer kritisch bis ablehnend eingestellt, was sich auch im Verlauf des Putsches zeigen sollte.[61] Am 13. März 1920 standen nur wenige zu ihrem Eid auf die Verfassung und erklärten ihre Bereitschaft, ihn auch zu erfüllen, indem sie die Regierung mit der Waffe verteidigten.

2.2 Zivile Unterstützer des Umsturzversuchs

Neben bestimmten Mitgliedern der Reichswehr traten schon mit dem Beginn der Novemberrevolution auch politische Organisationen, Verbände und Parteien für eine gegenrevolutionäre Bewegung ein. Vier Elemente lassen sich in dieser „Welle von Rechts“[62] ausmachen, wobei eine Abgrenzung oftmals schwierig ist und ähnliche Vorstellungen neben zivilen auch militärischen Kreisen zugeordnet werden können.

Als erstes grundlegendes Merkmal kann eine „konservative Staatsauffassung“[63] vieler Angehöriger der Rechtsopposition angeführt werden, die eine pluralistische Politikvorstellung ablehnten und stattdessen eine übergeordnete Machtinstanz präferierten. Zweitens befürchteten viele Mitglieder der ehemaligen Führungsschichten ein Vorgehen der maßgeblich von der SPD beeinflussten Regierung gegen ihre privilegierte Stellung in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Drittens nahmen viele die Kompromisse der an der Regierung beteiligten bürgerlichen Parteien (Zentrumspartei und Deutsche Demokratische Partei) mit Sozialdemokraten, besonders den Umgang mit den Linken betreffend, zum Anlass, das parlamentarische System als solches zu kritisieren. Viertens wirkte sich die außenpolitische Entwicklung bis hin zur Unterzeichnung des belastenden Friedensvertrages und die innere Instabilität des ersten Nachkriegsjahres negativ auf die Regierungsparteien und ihren Rückhalt in der Bevölkerung aus. Alle diese ideologischen Momente füllten einen gedanklichen Raum aus, der für eine wachsende Zahl von Menschen eine attraktive Alternative zur Unsicherheit der neuen politischen Entwicklung bildete.[64]

Organisatorisch schlugen sich diese Ideen in verschiedenen Parteien und politischen Initiativen nieder.[65] Die bedeutendsten parlamentarischen Parteien der Rechten waren die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) und die Deutsche Volkspartei (DVP), wobei die DNVP das Ergebnis einer Sammlungsbewegung verschiedener konservativer und völkischer Parteien[66] nach der Novemberrevolution war und die DVP den Teil der Nationalliberalen umfasste, der sich nach dem Ende des Kaiserreichs nicht der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) angeschlossen hatte[67]. Wolfgang Kapp selbst war zeitweise Vorsitzender des ostpreußischen DNVP-Landesverbands.[68]

Einig waren sich beide Parteien in ihrer strikten Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der SPD oder weiter links stehenden Parteien und in ihrer Skepsis gegenüber dem parlamentarischen System. Während sich jedoch die DVP lediglich zu Wahlkampfzwecken und mit vollem Einsatz auch erst nach dem Abschluss des Friedensvertrages von Versailles in fundamentale Opposition zur Regierung begab, scheute die DNVP nicht vor wiederkehrenden Bekenntnissen zur Monarchie zurück.[69] Die Frage, ob ein gewaltsamer Umsturz der Regierung legitim sei, beschäftigte letztere Partei wiederholt, jedoch sprach sich regelmäßig eine große Mehrheit für den legalen Kurs der Machtübernahme in der Republik zum Zweck ihrer radikalen Umgestaltung aus.[70] Die Rechtsparteien fielen in der Zeit zwischen der Revolution im November 1918 und dem Putschversuch vor allem dadurch auf, dass die ihr nahestehende Presse in einer Fülle von Artikeln das Versagen der Regierung und ihren Verrat am deutschen Volk beklagte.[71] Besonders aus dem sogenannten Erzberger-Prozess suchten die Rechtsparteien Kapital zu schlagen, indem sie unaufhörlich die Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen, die bei ihrer Klientel vorherrschte, auf führende Politiker aus den Regierungsparteien kanalisierten.[72]

Zu den anderen Organisationen der Rechtsopposition, die sich nicht (zumindest in ihrer Hauptfunktion) parteipolitisch engagierten, den Umsturzplänen aber durchaus Sympathien entgegenbrachten, zählten der Alldeutsche Verband[73] und verschiedene Agrarverbände.[74] Daneben ist der von Ludendorff und Kapp Ende Oktober 1919 gegründete „Nationale Heimatbund zur Versorgung Heeresentlassener“, der allgemein unter dem Namen Nationale Vereinigung bekannt war, von großer Bedeutung. Die Nationale Vereinigung stellte nach der Vaterlandspartei zur Zeit des Kaiserreiches das zweite politische Projekt dar, in dem Kapp eine zentrale Rolle spielte.[75] Zu den Mitgründern zählten Hauptmann Pabst, Oberst Bauer und einige deutschnationale und rechtskonservative Politiker aus der ehemaligen Vaterlandspartei und ihrem organisatorischen Umfeld.[76]

Schon im Sommer 1919 stand für diesen engen Kreis um Kapp und Ludendorff fest, dass die Planung eines Putsches erforderlich sei, und sie begannen, Kontakte mit rechten Verbänden zu knüpfen und zuverlässige Bündnispartner zu rekrutieren. Das Ziel waren besonders enge Kontakte zu bewaffneten Verbänden herzustellen. Die Nationale Vereinigung entwickelte sich auf diese Weise schnell zum Planungszentrum für einen gewaltsamen Umsturz der Verhältnisse.[77] Deutschnationale Persönlichkeiten prägten die Umsturzvorbereitungen bis zu dem Grad, dass eine „virtuelle Identität mit den Anhängern des Putsches vom März 1920“ bestand.[78]

Gleichgesinnte fanden Kapp und Ludendorff ab dem Herbst 1919 in zunehmendem Maße in akademischen Kreisen, unter enttäuschten oder von sozialer Verelendung betroffenen Angehörigen der Mittelschichten wie Beamten oder Kleinunternehmern, sowie im besonderen unter Offizieren der Reichswehr aus zuvor geschilderten Gründen.[79] Die größte Unterstützung aber erfuhr Kapp bei den ostelbischen Großgrundbesitzern, deren Interessen er bereits Kraft seines Amtes als Vorsitzender einer ostpreußischen Kreditanstalt vertrat. Von den zivilen Unterstützerkreisen der Putschisten spielten sie die größte Rolle bei der Vorbereitung des Umsturzes. Sie finanzierten nennenswerte bewaffnete Verbände, die zum Teil offen als Freikorps an der Niederhaltung sozialer Bewegungen mitwirkten, zum anderen Teil als Arbeitstrupps getarnt die Funktion von Streikbrechern und stiller militärischer Reserve erfüllten.[80]

Obwohl die Gemeinsamkeiten der militärischen und zivilen Unterstützern des Staatsstreichs lediglich grundlegender Natur waren, blieb Kapp, Lüttwitz und ihren engsten Vertrauten Anfang März 1920 nichts anderes übrig, als den Umsturzversuch in Angriff zu nehmen. Die geplante Auflösung der Marinebrigaden unter Lüttwitz’ Kommando bedrohten die militärische Machtbasis der Verschwörer. Zugleich beschworen die Drohungen, die Lüttwitz am 10. März 1920 gegenüber der Regierung ausstieß, Gegenreaktionen der Regierung herauf. Die Zeit lief gegen die Verschwörer, sodass am Abend des 12. März 1920 die Brigade Ehrhardt in Marsch gesetzt wurde, um Berlin zu besetzen.[81]

3. Das Verhältnis der Putschisten zur Arbeiterbewegung

3.1 Angriffe der Putschisten auf die Arbeiterbewegung

Einige Autoren weisen darauf hin, dass die Regierung Kapp außer dem Verfassen von Verordnungen, Erlassen und Befehlen keine Erfolge verbuchen konnte.[82] Die neue Regierung glaubte, der Arbeiterbewegung auf dem „Verordnungswege“[83] Herr werden zu können, was jedoch in der Praxis scheiterte, wie im einzelnen zu zeigen sein wird. Die Herausgabe immer neuer Regierungsverordnungen in der Folge des Staatsstreich führte lediglich zu Gegenreaktionen, die in ihrer Masse und Heftigkeit zunahmen, je mehr die Regierung ihre Drohungen verschärfte, ohne jemals Verstöße sanktionieren zu können. Weder die Truppen der Reichswehr noch die Beamten standen in ausreichender Geschlossenheit zur Regierung Kapp, um die Verordnungen und Erlasse Kapps und Lüttwitz’ wenigstens ansatzweise rechtswirksam umzusetzen.[84]

Die Vorhaben der Kapp-Regierung widersprachen mehrheitlich den Interessen und Prinzipien der Arbeiterbewegung. Keine Regierung konnte sich jedoch ohne weiteres über die Forderungen der Arbeiterbewegung hinwegsetzen. Einerseits benötigte die Regierung die Unterstützung der Werktätigen, um den wirtschaftlichen Betrieb im Reich aufrechtzuerhalten, die Versorgung der Bevölkerung zu sichern und dadurch die eigene Macht zu festigen. Andererseits zog die Gewaltanwendung (vielmehr ihre Androhung) gegenüber der zwar umstrittenen aber immerhin aus der republikanischen Verfassung resultierenden und damit durch Wahlen legitimierten Regierung Ebert-Bauer den Groll der Arbeiterschaft auf sich. Die reflexartige Ablehnung der neuen Regierung versuchten die Putschisten mit der Betonung arbeiterfreundlicher und klassenneutraler Inhalte wenig erfolgreich von sich abzulenken. Bedeutsam ist außerdem die Anordnung zur Absetzung der Nationalversammlung sowie der preußischen Landesversammlung, die als einzige legitime Volksvertretungen für das Reich beziehungsweise Preußen bestanden und zudem maßgeblich von der SPD als stärkster Fraktion beeinflusst wurden.[85] Neben zahlreichen Anhängern bürgerlicher Parteien wie des Zentrums und der DDP musste eine solche Aktion insbesondere große Teile der Arbeiterbewegung gegen die Kapp-Regierung aufbringen.[86]

Insgesamt ist die Beziehung zwischen organisierter Arbeiterbewegung und Kapp-Regierung von einer beiderseitigen und sich wechselseitig bedingenden Eskalation des Konfliktes geprägt. Zum Einen sah ihr politisches Programm harte Einschnitte in die Rechte und den Lebensstandard der Werktätigen sowie besonders der Arbeitslosen vor, wie noch zu zeigen sein wird. Zum Anderen rechneten Kapp und seine Gefolgsleute mit politischen und ökonomischen Abwehrmaßnahmen der Arbeiterbewegung.[87] Die Empörung zumindest der sozialdemokratischen Arbeiterschaft war absehbar, sollten die meisten sozialdemokratischen Führer auf Reichsebene in der Nacht vom 12. auf den 13. März verhaftet werden.[88] Auch bürgerlichen Beobachtern war bewusst, dass der Sturz der Regierung auf militärischem Wege zwangsläufig die Radikalisierung der Masse der Werktätigen nach sich ziehen würde.[89]

Schon vor Beginn ihrer Unternehmung zur gewaltsamen Regierungsübernahme beschäftigten sich die Verschwörer deshalb mit Arbeiterfragen in der Zeit nach einem Regierungswechsel. Vermutlich in einer Sitzung mit einigen der Verschwörer stellte Schnitzler[90] die Pläne zur „[s]chärfste[n] Erfassung der vorhandenen Arbeitskräfte“ und „[g]rundsätzliche[n] Durchführung der Arbeitspflicht“ in den Mittelpunkt seines Beitrags zum „Politische[n] Programm“[91]. Hier sind bereits Grundzüge der geplanten Zwangsmaßnahmen der späteren Regierung Kapp gegenüber streikenden Arbeitern oder Angestellten erkennbar. Desweiteren bekannte sich Schnitzler an dieser Stelle zu einem „[w]irtschaftliche[n] Hilfsdienst der Jugendlichen“, zu einer „[u]mfassende[n] Neuregelung des Arbeitsverhältnisses“, der „Verknüpfung des Lohn- mit dem Akkordsystem“ und der „Beteiligung der Arbeiter am Gewinn“.[92]

Was in Form eines politischen Programms eher harmlos und teilweise sogar positiv für die Masse der Werktätigen scheinen mochte, beinhaltete in Wirklichkeit Zwangsarbeit für Jugendliche, Verschärfung des Arbeitsdrucks durch „Neuregelung“ der Arbeits- und Tarifverträge, Individualisierung der Arbeiter durch die Staffelung des Lohnsystems nach Akkordleistung und verstärkte Bindung der Arbeiterschaft an ihre Betriebe durch das Versprechen der Gewinnbeteiligung. Den zahlreichen Kontakten der Verschwörer mit ostelbischen Agrarunternehmern entsprang außerdem der Plan, die agrarische „Zwangswirtschaft“[93] zu beenden. Die Festlegung von Höchstpreisen für Agrargüter (vor allem Lebensmittel), die während des Krieges eingeführt worden war, sollte zugunsten höherer Gewinne der landwirtschaftlichen Erzeuger abgeschafft werden. Die erwartete sprunghafte Steigerung von Lebensmittelpreisen und die damit verbundene Verarmung vieler Arbeiterhaushalte wurden damit Kauf genommen.[94]

Nicht nur auf den Lebensstandard der Werktätigen wollten die Putschisten Einfluss nehmen zum Zweck „derjenigen Gesundung unseres sozialen Körpers[...], die wir im Interesse unserer Volkszukunft auf die Dauer nicht entbehren können“.[95] Vielmehr sollten zahlreiche politische Errungenschaften der Arbeiterbewegung, wovon die meisten nach der Novemberrevolution durchgesetzt worden waren, rückgängig gemacht werden.[96]

Gewerkschaften sollten unter Androhung der Beschlagnahme ihres Vermögens und ihrer Auflösung gezwungen werden, ihre Mitglieder zu mäßigen und von Arbeitskämpfen abzuhalten. Im Gegenzug zu dieser faktischen Entmachtung der Gewerkschaften sollte den Arbeitern neben der bereits erwähnten Gewinnbeteiligung eine „Verwaltungsbeteiligung“ zugestanden werden, mit dem Ziel, die Arbeiterbewegung in zwei Teile zu spalten.[97] Die gewerkschaftliche Basis in den Betrieben könne schließlich nicht Kampfmaßnahmen wie Streiks gegen eine Firma aufnehmen, in der Arbeitervertreter die Entscheidungen der Firmenleitung mittrage. Das Modell der Verwaltungsbeteiligung sollte der Rätebewegung durch scheinbares Entgegenkommen die Existenzberechtigung entziehen und damit den Einfluss der Unabhängigen und Kommunisten in den Betrieben zurückdrängen. Letztlich liefen die Vorstellungen der Putschisten auf eine Zersplitterung der Bestimmungen zur Zentralen Arbeitsgemeinschaft (ZAG)[98] in einzelne Punkte hinaus, die künftig jeder Betrieb mit Arbeitern und Angestellten aushandeln sollte. Obwohl die ZAG von einzelnen Gewerkschaften zunehmend kritisiert wurde[99], brachten die Vorschläge der Putschisten die Freien Gewerkschaften gegen die Kapp-Regierung auf, weil sie die Verhandlungsposition der Gewerkschaften geschwächt hätten.

3.2 Deeskalationsversuche

Zu einer Umsetzung dieser Vorstellungen in Form gesetzgeberischer Ausgestaltungen durch die Putschisten kam es nie. In den meisten Fällen kamen Vorhaben der Regierung Kapp nicht über das Stadium der Ankündigung hinaus, auch wenn ihre Versuche der Einflussnahme auf die Arbeiterschaft als durchaus ernst gemeint zu verstehen waren.

Die erste Kundgebung der Kapp-Regierung, in der der Machtwechsel bekannt gegeben wurde, beinhaltete keinerlei explizite Erwähnung der arbeitenden Klassen - die Richtung der Innen- und Wirtschaftspolitik war noch in der Floskel der „Regierung der Ordnung, der Freiheit und der Tat“[100] kaschiert. Als aber die Putsch-Regierung im Laufe des Tages von Streikaufrufen der alten Regierung und der politischen Parteien der Arbeiterbewegung, sowie von Seiten der Gewerkschaften hörte, sollten die Monate alten Pläne der Verschwörer, die sogar direkte „Maßnahmen zur Niederschlagung von Generalstreiks“[101] beinhalteten, zur Anwendung gelangen. Oberstes Ziel der Putschisten war schon zu diesem Zeitpunkt der eigene Machterhalt, der nur über die Niederschlagung der politischen Opposition und die Überwindung der Verweigerungshaltung in Wirtschaft und Verwaltung zu bewerkstelligen war.

Das Ziel der Verhinderung beziehungsweise Bekämpfung von Aufständen gegen die neue Regierungsgewalt suchte diese mit zweierlei Mitteln zu erreichen. Erstens bemühten Kapp und seine Gefolgsleute sich um eine Deeskalation des ideologischen, politischen und ökonomischen Konflikts mit der Arbeiterbewegung und ihren Organisationen. Die neue Regierung richtete noch am Tag der Machtübernahme den sogenannten „Aufklärungsdienst der Reichskanzlei“ ein, welcher als Pressestelle und Propagandaabteilung fungierte. Von den Mitarbeitern dieser Abteilung ging eine Fülle von Schriftstücken aus, die auf verschiedene Arten versuchten, deeskalierend zu wirken. Angestrebt wurde eine Solidarisierung der Arbeiter mit der neuen Regierung sowie die Stärkung des Antikommunismus und die Schwächung klassenkämpferischer Positionen innerhalb der Arbeiterbewegung.

Zweitens zielte die Politik der neuen Regierung darauf ab, Unruhen, zivilen Ungehorsam, politische Streiks sowie regierungskritische Kundgebungen und Demonstrationen im Keim zu ersticken und notfalls gewaltsam zu unterdrücken. Dabei betonten die Putschisten stets die Schuld der radikalen Linken an Chaos und Gewalt, wohingegen sie selbst als Garant geregelter Verhältnisse auch und gerade für die Werktätigen stünden. Beide Formen der politischen Auseinandersetzung zwischen Kapp-Regierung und Arbeiterbewegung, Deeskalation und Repression, können anhand von Beispielen illustriert werden.

Mit der Bekanntgabe des „Regierungsprogramms“[102] am Abend des 13. März wurden erstmals soziale Fragen in die Propaganda der Putschisten integriert. Von „Hungersnot“, steigenden Preisen, „Korruption, Wucher, Schieberei und Verbrechen“ war die Rede, und nur eine „starke Staatsgewalt“ könne dem entgegenwirken. Explizit betonten die Verschwörer, es handele sich nicht um eine Regierung der „Reaktion“, sondern um die „freiheitliche Fortbildung des Deutschen Staates, Wiederherstellung der Ordnung und Heiligkeit des Rechtes“.[103] Der Appell an das deutsche Volk, wonach „Pflicht und Gewissen [...] wieder in deutschen Landen regieren“[104] sollten, erschien unglaubwürdig, weil er von Putschisten, Eidbrüchigen aus Politik und Militär, verfasst wurde. Die Regierung versuchte, bei der überwiegend sozialistischen oder sozialdemokratischen Arbeiterschaft den Anschein zu erwecken, dass der Staatsstreich eine logische Fortsetzung der Novemberrevolution sei, nur eben mit einer zuverlässigen Autorität an der Spitze des Staates. Bewusst vermied die Regierung auch in der Folge eine negative Bezugnahme auf die Ereignisse des November 1918. In selbiger Kundgebung zum Programm der neuen Regierung bekannte sich diese zur Erfüllung des Friedensvertrages, „soweit es möglich ist und nicht Selbstvernichtung bedeutet.“[105] Auch politische Partizipation wurde insofern versprochen, als „die Arbeiterschaft zum Zwecke der wirtschaftlichen Neuordnung in hervorragendem Maße zur Vorbereitung und zur tätigen Mitarbeit neben den anderen Berufs- und Erwerbsständen“ herangezogen werde.[106] Jede Art der „Klassenbevorzugung, sei es nach rechts oder links“[107] müsse beendet werden, und ein Kabinett aus unparteiischen Fachministern solle die „wahren Arbeiter-Interessen“[108] vertreten.[109] Als zusätzliches Signal des Entgegenkommen wollte die Regierung das Angebot des „nachdrücklichen Schutzes“ für „[j]ede arbeitsfreudige Hand“, die „friedlich“ ihrer Arbeit nachgehe, verstanden wissen.[110]

In der Realität sollten jedoch lediglich Streikbrecher der Technischen Nothilfe und anderer Freiwilligenorganisationen geschützt werden.[111] In Berlin und einigen anderen Orten wurden solche Arbeitstrupps von Streikenden tätlich angegriffen, sodass lediglich in wenigen Fällen die Grundversorgung mit Elektrizität gesichert werden konnte.[112]

Hier zeichnete die Regierung Kapp schon eine Ideologie vor, die während der Herrschaft der Nationalsozialisten unter dem Begriff der „Volksgemeinschaft“ zu brutaler Umsetzung gelangen sollte. Als Hauptfeinde des deutschen Volkes und auch der deutschen Werktätigen wurden einerseits der „einseitige Kapitalismus“, der die „deutsche Arbeit“ in das „harte Schicksal der internationalen Verknechtung unter das Großkapital“ führe, benannt. Auf der anderen Seite drohe „[v]om Osten [...] Verwüstung und Vergewaltigung durch den kriegerischen Bolschewismus.“[113] In einer anderen Kundgebung, vermutlich vom 15. März wird diese Idee verdeutlicht. Deutschlands „Ehrliche Arbeit und ehrliches Kapital“ führten schon „seit Jahrtausenden“ in Stadt und Land eine für das Gemeinwohl gewinnbringende Partnerschaft, die vom „internationalen Gaunertum“, den Sozialdemokraten und Sozialisten, bedroht werde.[114] Die junge Republik werde bedroht, einerseits von diesen inneren Feinden, andererseits von einem „Gewimmel neuer Nationalstaaten“ und „raubgierigen Nachbarn“ an den Grenzen und der Gefahr eines „greulichen Mischmasch[s]“ der Nationalitäten in den östlichen Grenzgebieten.[115]

Die Arbeiterbewegung sollte sich gemäß einem Aufruf der Putschisten von ihren sozialistischen Führern, diesen „vollgefressenen, millionenreichen ,Genossen’“[116] abwenden und sich auf die Seite der neuen Regierung stellen. Erneut wurde hier der Versuch einer Solidarisierung mit den mittellosen Teilen der Bevölkerung deutlich. Das „internationale [...] Gaunertum“, bestehend aus Sozialisten und Kommunisten wolle die Macht in die Hände von Beamten legen und das gewinnbringende Miteinander von Arbeit und Kapital zerstören.[117] Die Putsch-Regierung, die sich noch in ihrem Regierungsprogramm vom 13. März für das Beamtentum einsetzte und „seine Interessen in jeder Hinsicht“[118] wahrnehmen wollte, imitierte das vielfach vorhandene proletarische Misstrauen gegenüber dem Berufsstand der Beamten, um die Zustimmung der Arbeiterbewegung zu erlangen. Die ehemals regierenden Sozialdemokraten verkörperten demnach „großsprecherische Untüchtigkeit und Schlaubergerei“[119]. Sie wollten die Deutschen in „eine Horde von schachernden Sklaven [...] ohne Ehre und Charakter“[120] verwandeln, eine „haltlose, zerfahrene, korrupte Lotterwirtschaft“[121] einsetzen und letztlich den „Weg des Verderbens“[122] einschlagen.

Dieses Szenario der Bedrohung wollten die Putschisten durch eine Kombination von starker Staatsautorität und Reformen im Innern abgewehrt werden. Die Reformideen der Regierung waren jedoch vage gehalten und zudem in ihrer Wirksamkeit fragwürdig. Die „demnächstige Rückzahlung“[123] der Kriegsanleihen wurde zwar versprochen, jedoch gab es lediglich Pläne, sie in ein gültiges Zahlungsmittel umzuwandeln, was die Geldmenge im Reich enorm erhöht und eine gesteigerte Inflation zur Folge gehabt hätte.[124] Der Wertverfall des Geldes hätte in diesem Fall besonders diejenigen Menschen betroffen, die keinen Besitz an Grund und Boden bzw. Immobilien, ausländischen Devisen oder Gold hatten – die Arbeiter. Zudem ist das Versprechen der Ausstattung der Versicherungsgesetzgebung „mit einem freiheitlichen Selbstverwaltungsrecht der Arbeiter“ auf verschiedene Weisen zu deuten.

Da Kapp persönlich ein strikter Gegner der staatlichen Sozialgesetzgebung war[125], muss davon ausgegangen werden, dass sich hinter diesem Versprechen das Programm einer Privatisierung der Vorsorgeverpflichtungen und der Lebensrisiken jedes einzelnen Arbeiters verbarg. Zudem umfasste das „Regierungsprogramm“ vom 13. März die geplante Verabschiedung des sogenannten Heimstättengesetzes, welches Arbeitern die Möglichkeit zum Erwerb von Eigentum an Land und Immobilien einräumen sollte. Das vorrangige Ziel eines solchen Gesetzes war nach persönlichen Äußerungen Kapps die Herauslösung von Arbeitern und ihren Familien aus den großstädtischen „Aufruhrzentren“.[126] Zugeständnisse bezüglich der Verbesserung der Lebensbedingungen der Werktätigen in Stadt und Land wurden seitens der neuen Regierung also durchaus mit Blick auf die Stabilisierung der eigenen Machtposition angestrebt.

Auf einem Plakat der neuen Regierung, das vermutlich auf den 14. März 1920 datiert werden kann[127], wird der Kurs der Deeskalation und versuchten Versöhnung mit der Arbeiterbewegung erneut deutlich. Der unterzeichnende Kapp bekannte sich darauf zur republikanischen Staatsform und lehnte jede Bezeichnung des Regierungswechsels als „monarchistischen Putsch“ als „Lüge“ ab.[128] Als „Kernpunkte des neuen Programms“ werden die Schaffung „menschenwürdige[r] Lebensbedingungen für jeden einzelnen[...]“ genannt, sowie die Einrichtung einer „Volksvertretung[...], die der wahre Ausdruck des Volkswillens ist“ und die „loyal[e]“ Durchführung des Friedensvertrages.[129]

Besonders die Betonung friedfertiger Absichten findet sich bemerkenswert häufig in den Kundgebungen der Putschisten. Dabei mögen die Angst einer Missbilligung des Putsches durch die Entente-Mächte eine Rolle gespielt haben. Von größerer Bedeutung war aber sicherlich die Gegnerschaft einer großen Bevölkerungsmehrheit gegenüber kriegerischen Auseinandersetzungen und militärischen Traditionen. Nicht der „unnütze [...] Prunk- und Gewalt-Militarismus“ werde daher von der neuen Regierung angestrebt, sondern lediglich der „hinreichende [...] Schutz der Grenzen“.[130] Eine patriotische Regierung unter der Führung Kapps werde ebenso um das Wohl des Volkes bemüht sein, wie es die Regierungen der angrenzenden Nationalstaaten seien. Mit Blick auf die vornehmlich linksgerichtete Arbeiterschaft wurde festgehalten, dass sogar „Lenin und Trotzki [...] doch heute bereits Patrioten geworden“ seien.[131] Die Putschisten betonten zudem, dass kein Mitglied des neuen Kabinetts „unter dem Regime Bethmanns, der den Krieg einleitete, einen bestimmenden Einfluß auf die Leitung der Geschäfte ausgeübt“ habe.[132]

[...]


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[1] Die Bezeichnung „Kapp-Putsch“ für den politisch-militärischen Umsturzversuch vom 13. März 1920 birgt die Gefahr einer verkürzten Sichtweise auf die komplexen Geschehnisse dieser Zeit in sich. In einigen Darstellungen ist vom Kapp-Lüttwitz-Putsch oder vom Kapp-Lüttwitz-Ludendorff-Putsch die Rede (Johannes Erger: Der Kapp-Lüttwitz-Putsch. Ein Beitrag zur deutschen Innenpolitik 1919/20, Düsseldorf 1967; Erwin Könnemann / Gerhard Schulze: Der Kapp-Lüttwitz-Ludendorff-Putsch: Dokumente, München 2002, im Folgenden zitiert als: Könnemann/Schulze: Dokumente). In der Forschung hat sich jedoch weitestgehend der Begriff Kapp-Putsch durchgesetzt, nicht zuletzt weil der politischen Dimension zumeist eine größere Bedeutung als der militärischen zugesprochen wird, und mit der Person Wolfgang Kapps, dem selbsternannten Reichskanzler, ein Repräsentant der den Putsch tragenden Personenkreise fassbar ist. Bedeutender als die Frage der Miteinbeziehung diverser Personen in die Namensgebung des Umsturzversuches ist jedoch die Bezeichnung „Putsch“. Rechtskonservative und nationalistische Kreise, sowie viele Unterstützer des Putsches betiteln die Ereignisse rund um den 13. März 1920 als „Kapp-Unternehmen“ (Walther Freiherr von Lüttwitz: Im Kampf gegen die November-Revolution, Berlin 1934, S. 115, im Folgenden zitiert als: Lüttwitz: Kampf gegen die November-Revolution) oder „Märzunternehmen“ (Ludwig Schemann: Wolfgang Kapp und das Märzunternehmen vom Jahre 1920, München/Berlin 1937, im Folgenden zitiert als: Schemann: Märzunternehmen), während zeitgenössische sozialdemokratische bzw. kommunistische Akteure dieser Zeit ebenso wie die meisten späteren Darstellungen in beiden deutschen Staaten durchgehend die Bezeichnung „Kapp-Putsch“ verwenden (beispielsweise Gustav Noske: Von Kiel bis Kapp. Zur Geschichte der deutschen Revolution, Berlin 1920, im Folgenden zitiert als: Noske: Von Kiel bis Kapp; Paul Frölich: Illustrierte Geschichte der deutschen Revolution, Berlin 1929, im Folgenden zitiert als: Frölich: Illustrierte Geschichte; David W. Morgan: The Socialist Left and the German Revolution. A History of the German Independent Social Democratic Party, 1917-1922, New York / London 1975, im Folgenden zitiert als: Morgan: Socialist Left; Chris Harman: Die verlorene Revolution. Deutschland 1918-1923, Frankfurt/M. 1998, im Folgenden zitiert als Harman: Verlorene Revolution). Unter Verweis auf die Gefahr der Simplifizierung soll auch hier der Begriff Kapp-Putsch den politisch-militärischen Umsturzversuch im März 1920 benennen.

[2] Erwin Könnemann / Hans-Joachim Krusch: Aktionseinheit contra Kapp-Putsch, Berlin 1972; dieselben: März 1920. Arbeiterklasse vereitelt Kapp-Putsch, Berlin 1981, im Folgenden zitiert als: Könnemann/Krusch: März 1920; Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch; Lucas, Erhard: Märzrevolution im Ruhrgebiet, Bd. 1, Vom Generalstreik gegen den Militärputsch zum bewaffneten Arbeiteraufstand. März-April 1920, Frankfurt/M. 1970; derselbe: Märzrevolution 1920, Bd. 2, Der bewaffnete Arbeiteraufstand im Ruhrgebiet in seiner Struktur und in seinem Verhältnis zu den Klassenkämpfen in den verschiedenen Regionen des Reiches, Frankfurt/M. 19832; derselbe: Märzrevolution im Ruhrgebiet, Bd. 3, Verhandlungsversuche und deren Scheitern; Gegenstrategien von Regierung und Militär; die Niederlage der Aufstandsbewegung; der weiße Terror, Frankfurt/M. 1978; Hans J. Reichhardt: Kapp-Putsch und Generalstreik März 1920 in Berlin, Berlin 1990; Hans H. Biegert: Gewerkschaftspolitik in der Phase des Kapp-Lüttwitz-Putsches, in: Hans Mommsen / Dietmar Petzina / Bernd Weisbrod: Industrielles System und politische Entwicklung in der Weimarer Republik, Düsseldorf 1974, S. 190-205; Schemann: Märzunternehmen.

[3] In den meisten Darstellungen der historischen Ereignisse wird den Verschwörern um Kapp die Bezeichnung einer Regierung versagt. Dies wird dadurch zum Ausdruck gebracht, dass eher von den Putschisten, Verschwörern oder Umstürzlern die Rede ist, seltener von der in Anführungsstrichen gesetzten „Kapp-Regierung“. Dies hat drei Ursachen. Erstens fehlte den Unterstützern jegliche verfassungsmäßige Legitimation. Zweitens konnten sich die Verschwörer lediglich viereinhalb Tage an der Macht halten, ehe sie den Rückzug antraten. Drittens schließlich hatten die Putschisten große Schwierigkeiten, ein komplettes Kabinett zusammenzustellen. Die einzigen beiden Ämter, die zuverlässig besetzt werden konnten, waren das des Reichskanzlers und des Reichswehrministers. Alle anderen Ministerien blieben während des Umsturzversuches ohne Leitung. Der Verfasser verzichtet bewusst auf die Anführungszeichen und verwendet den Begriff der Kapp-Regierung gleichbedeutend mit den Putschisten, die seit dem 13. März 1920 das Berliner Regierungsviertel besetzt hielten. Der Hauptgrund hierfür liegt darin, dass die Putschregierung im Selbstverständnis einer offiziellen Regierung auftrat und von der Arbeiterbewegung bei aller Ablehnung auch so wahrgenommen wurde.

[4] Könnemann/Schulze: Dokumente; Erwin Könnemann / Brigitte Berthold / Gerhard Schulze: Arbeiterklasse siegt über Kapp und Lüttwitz, 2 Bde., Berlin 1971, im Folgenden zitiert als: Könnemann/Berthold/Schulze: Arbeiterklasse siegt; Könnemann/Schulze: Dokumente.

[5] Fritz Krause: Arbeitereinheit rettet die Republik: Dokumente und Materialien zur Niederschlagung des Kapp-Putsches im März 1920, Frankfurt/M. 1970.

[6] Noske: Von Kiel bis Kapp.

[7] Lüttwitz: Kampf gegen die November-Revolution.

[8] Spectator: Die Geschichte der Berliner Fünftageregierung, Leipzig 1920.

[9] Karl Brammer: Fünf Tage Militärdiktatur. Dokumente zur Gegenrevolution, Berlin 1920, im Folgenden zitiert als: Brammer: Fünf Tage Militärdiktatur; derselbe: Verfassungsgrundlagen und Hochverrat, Berlin 1922.

[10] M. J. Braun: Die Lehren des Kapp-Putsches, in: Die Internationale, Jahrgang 2, Heft 23 (1. Juni 1920).

[11] Gerhard Colm: Beitrag zur Geschichte und Soziologie des Ruhraufstandes vom März-April 1920, Essen 1921.

[12] Robert Jansen: Der Berliner Militärputsch und seine politischen Folgen, Berlin 1920.

[13] Frölich: Illustrierte Geschichte.

[14] Richard Müller: Der Bürgerkrieg in Deutschland, Berlin 1974 (erstmals 1925).

[15] Arthur Rosenberg: Geschichte der Weimarer Republik, hrsg. von Kurt Kersten, Hamburg 1991.

[16] Eberhard Kolb: Die Weimarer Republik, München 2000, im Folgenden zitiert als: Kolb: Weimarer Republik.

[17] Hans Mommsen: Aufstieg und Untergang der Republik von Weimar 1918-1933, München 20012, im Folgenden zitiert als: H. Mommsen: Aufstieg.

[18] Gordon A. Craig: Deutsche Geschichte 1866-1945, München 19813.

[19] Karl Dietrich Erdmann: Handbuch der Deutschen Geschichte, Bd. 19. Die Weimarer Republik, München 1989.

[20] Andreas Wirsching: Die Weimarer Republik. Politik und Gesellschaft, München 2000, im Folgenden zitiert als: Wirsching: Weimarer Republik.

[21] Könnemann/Krusch: Aktionseinheit; dieselben: März 1920.

[22] Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch.

[23] Lucas: Märzrevolution, 3 Bde.

[24] Reichhardt: Kapp-Putsch.

[25] Heinrich August Winkler: Von der Revolution zur Stabilisierung. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1918-1924, Berlin 19852.

[26] Morgan: Socialist Left.

[27] Dieter Engelmann / Horst Naumann: Zwischen Spaltung und Vereinigung: Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands in den Jahren 1917-1922, Berlin 1993.

[28] Hermann Weber: Kommunismus in Deutschland, Darmstadt 1983.

[29] Ossip K. Flechtheim: Die KPD in der Weimarer Republik, Hamburg 1986.

[30] Heinrich Potthoff: Gewerkschaften und Politik zwischen Revolution und Inflation, Düssledorf 1979, im Folgenden zitiert als: Potthoff: Gewerkschaften und Politik; derselbe: Freie Gewerkschaften 1918-1933. Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund in der Weimarer Republik, Düsseldorf 1987, im Folgenden zitiert als: Potthoff: Freie Gewerkschaften.

[31] Erwin Könnemann: Einwohnerwehren und Zeitfreiwilligenverbände. Ihre Funktion beim Aufbau eines neuen imperialistischen Militärsystems (November 1918 bis 1920), Berlin 1971; George Eliasberg: Der Ruhrkrieg von 1920, Bonn-Bad Godesberg 1974; Hans Marchwitza: Sturm auf Essen: Die Kämpfe der Ruhrarbeiter gegen Kapp, Watter und Severing, Berlin 1930.

[32] Colm: Beitrag.

[33] In der Forschung wird der Kapp-Putsch bisweilen als Militärputsch bezeichnet (Hagen Schulze: Freikorps und Republik 1918-1920, Boppard 1969, S. 288). Gordon verweist jedoch auf die bedeutsame Beteiligung auch ziviler Politiker am Putsch (H.J. Gordon: Die Reichswehr und die Weimarer Republik 1919-1926, Frankfurt/M. 1959, S. 96).

[34] Francis L. Carsten: Reichswehr und Politik 1918-1933, Köln 19652, S. 13f.

[35] Der unbeirrte Glauben der OHL an einen Sieg wird an einem Beispiel besonders deutlich: Als im Juni 1918, nach den ersten Etappen der insgesamt enttäuschenden und verlustreichen sogenannten „Ludendorff-Offensive“ an der Westfront, der Staatssekretär im Außenministerium Kühlmann im Reichstag Zweifel an der Erreichbarkeit des Sieges durch rein militärische Maßnahmen äußerte, wurde er von der nationalistischen Presse und auf Druck der OHL hin zum Rücktritt gezwungen (Wolfgang J. Mommsen: Der Erste Weltkrieg: Anfang vom Ende des Bürgerlichen Zeitalters, Frankfurt/M. 2004, S. 58, im Folgenden zitiert als: W. Mommsen: Erster Weltkrieg).

[36] Erich von Manstein: Aus einem Soldatenleben 1887-1939, zit. in: Carsten: Reichswehr, S. 17.

[37] Offiziell dankte Kaiser Wilhelm II. erst am 28. November 1919 ab (H. Mommsen: Aufstieg, S. 73).

[38] Wilhelm Groener: Lebenserinnerungen, zit. in: Carsten: Reichswehr, S. 17.

[39] Die Zitate entstammen einem Brief, den der damalige Major Ludwig Beck am 28. November 1918 verfasste, zit. in: Carsten: Reichswehr, S. 18.

[40] Halboffizielle Autorität und einen dauerhaften Namen erlangte die „Dolchstoßlegende“ durch die Äußerung Hindenburgs in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Jahr 1919: „Die deutsche Armee ist von hinten erdolcht worden.“ (Zit. nach Hindenburg, in: Roger Chickering: Das Deutsche Reich und der Erste Weltkrieg, München 2002, S. 229, im Folgenden zitiert als: Chickering: Deutsches Reich).

[41] Chickering: Deutsches Reich, S. 229.

[42] W. Mommsen: Erster Weltkrieg, S. 59.

[43] Carsten: Reichswehr, S. 26ff. Siehe auch die auf dem ersten Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands am 16.12.1918 verabschiedeten „Hamburger Punkte“ (Richard Müller: Vom Kaiserreich zur Republik, Bd. 2, Die Novemberrevolution, S. 211-213).

[44] Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 15f; H. Mommsen: Aufstieg, S. 58f.

[45] Wirsching: Weimarer Republik, S. 12.

[46] Der Zentrumspolitiker Erzberger hatte 1917 begonnen, im Reichstag Stimmen für eine Resolution zu sammeln, die einen annexionslosen Frieden zum Ziel hatte. Auch wenn diese sogenannte Friedensresolution des Reichstages keine sofortige Beendigung des Krieges signalisierte, brachte sie die Regierung und die OHL gegen viele Parlamentarier auf (Chickering: Erster Weltkrieg, S. 198f; Rosenberg, Arthur: Entstehung der Weimarer Republik, hrsg. von Kurt Kersten, Hamburg 1991, S. 149). Später war Erzberger Leiter der deutschen Waffenstillstandskommission. Bei den Verhandlungen, die der Unterzeichnung des Vertragswerks von Versailles vorangingen, erkannte er bereits früh, dass kein Weg an der Unterzeichnung zu den Bedingungen der Siegermächte vorbeiführte (H. Mommsen: Aufstieg, S. 98f). Damit stieß er nicht nur auf den Widerstand der Rechtsparteien, sondern auch vieler Sozialdemokraten (ebenda).

[47] Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 48.

[48] H. Mommsen: Aufstieg, S. 58. H. J. Gordon geht vom vorläufigen Charakter der Reichswehr vor dem Kapp-Putsch aus, da ungelöste Machtkonflikte innerhalb der militärischen Strukturen und unklare militärpolitische Vorstellungen bei Parteien und Regierung vorherrschten, zumal auch die Reichswehr infolge des Friedensvertrages von Versailles einem tiefgreifenden Wandel, hauptsächlich bedingt durch die einschneidenden Abrüstungsauflagen, unterworfen war (Gordon: Reichswehr).

[49] Der Gedanke einer sich auf die Reichswehr stützenden Diktatur Noskes tauchte nach dessen eigener Aussage zum ersten Mal am 6. März auf und erreichte nach Johannes Erger ernstzunehmende Unterstützung im Mai/Juni 1919, also kurz vor der Unterzeichnung der Friedensverträge. (Siehe Noske: Von Kiel bis Kapp, S. 196; Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 22ff; Schulze: Freikorps, S. 210ff). Demnach hätten General Groener aus der OHL und andere Noske mehrmals persönlich um die Übernahme der Regierung gebeten und mit Ebert über eine mögliche Umbildung der Regierung in diese Richtung gesprochen.

[50] Die Spitzen der Reichswehr waren besonders gegenüber den im Vertragswerk vorgesehenen Abrüstungsbestimmungen negativ eingestellt. Neben einer umfassenden Demobilmachung des Reiches sollte ein Verbot der Waffenherstellung, eine Umstrukturierung der Heeresleitung, eine strikte Limitierung des Militärhaushalts und vieles mehr, also die möglichst vollkommene Entmilitarisierung der deutschen Gesellschaft umgesetzt werden. Genaueres bei Michael Salewski: Entwaffnung und Militärkontrolle in Deutschland 1919-1927, München 1966.

[51] Diese Paragraphen betrafen die Auslieferung des Kaisers und der sogenannten Kriegsverbrecher an die Alliierten, ebenso die Anerkennung der alleinigen deutschen Kriegsschuld (Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 26).

[52] Lüttwitz betonte in diesem Zusammenhang die „dringende Gefahr“, dass die Truppen als Folge der Unterzeichnung des Friedensvertrages den Dienst verweigern würden (Fritz Ernst: Aus dem Nachlaß des Generals Walther Reinhardt, zit. in: Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch S. 26). Dies hätte die Regierung in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht, denn es musste auch nach den Januarkämpfen und den Märzunruhen 1919 mit Aufständen im Inneren gerechnet werden. Insgesamt jedoch war die Führung der Reichswehr in dieser Frage gespalten. Während Groener und von Seeckt sich für die Annahme des Vertrags von Versailles einsetzten, blieben Reinhardt und Lüttwitz bei ihrer Ablehnung (Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 27f).

[53] Walther Freiherr von Lüttwitz: Leitfaden für meine Verteidigung, zit. in: Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 29.

[54] Hauptmann Waldemar Pabst, der Stabschef der Garde-Kavallerie-Schützendivision, zu der auch die im Kapp-Putsch so bedeutsamen Marinebrigaden Ehrhardt und Loewenfeld gehörten, wollte nach Berlin ziehen, um die Regierung zu stürzen und von dort aus den Impuls zu einer nationalen Erhebung geben. Der geplante Marsch auf Berlin wurde jedoch kurzfristig von den Generalen Lüttwitz und Maercker abgeblasen beziehungsweise untersagt (Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 37, Könnemann/Krusch: März 1920, S. 15). Johannes Erger argumentiert an dieser Stelle, ein solches Unternehmen hätte aus militärischer und gesellschaftspolitischer Sicht größere Erfolgschancen gehabt als der unzureichend vorbereitete Umsturzversuch des Frühjahrs 1920. Jedoch vernachlässigt er die Tatsache, dass die politischen Vorbereitungen zur Durchführung eines Staatsstreichs im Sommer 1919 noch weitaus weniger fortgeschritten waren und nur von wenigen vereinzelten Truppenteilen vorangetrieben wurden. Inwieweit die im Sommer 1919 weniger starken Organisationen der Arbeiterbewegung im Vergleich zum Frühjahr 1920 einen Unterschied gemacht hätten, bleibt Spekulation.

[55] Carsten: Reichswehr, S. 44. General v. Seeckt, der als leitender Militärsachverständiger mit der deutschen Delegation nach Versailles gereist war, hatte noch kurz zuvor auf einer Mindeststärke von 300.000 Mann bestanden.

[56] Michael Salewski verweist auf das komplexe Nebeneinander verschiedener Sicherheitskonzepte zwischen der Unterzeichnung des Friedensvertrags und dem Kapp-Putsch. „Reichszeitfreiwillige“, Sicherheitspolizei, Einwohnerwehren, Reichswehrverbände und teilweise auch Freikorps bildeten demnach zumindest auf Dauer unvereinbare Stützen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Reich (Salewski: Entwaffnung, S. 81ff).

[57] Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 115.

[58] Der Zeitzeuge Robert Jansen, seinerzeit Hauptgeschäftsführer der DDP und Mitglied der preußischen Landesversammlung sieht in der Truppenreduzierung und der Perspektivlosigkeit vieler Soldaten und Offiziere, die beide Folge des Friedensvertrages seien, gar den Hauptgrund für die Unterstützung des Putsches durch Teile der Reichswehr (Jansen: Militärputsch, S. 4).

[59] Zitiert nach Lüttwitz, in: Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 121.

[60] Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 123.

[61] Carsten: Reichswehr, S. 89; Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 18f.

[62] Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 60.

[63] Ebenda, S. 63.

[64] Ebenda.

[65] Nicht alle dieser Organisationen waren ihrem Selbstverständnis nach als Parteien zu bezeichnen. Einige antirepublikanische Gruppierungen vermieden bewusst parteiähnliche Strukturen und Aktivitäten, um sich gegenüber den innerhalb des parlamentarischen Systems operierenden Organisationen der Rechtsopposition abzugrenzen. Andere sahen ihre Aufgabe eher in der Beeinflussung der Stimmung in der Bevölkerung oder in der Erringung kultureller bzw. ideologischer Hegemonie auf außerparlamentarischem Wege.

[66] Am 24. November 1918 schlossen sich Konservative Partei (Deutschkonservative), Deutsche Reichspartei (Freikonservative), Deutsche Reformpartei (Christlich-Soziale) und Deutschvölkische Partei zur DNVP zusammen. Genauer dazu: Werner Liebe: Die Deutschnationale Volkspartei 1918-1924, Düsseldorf 1956; Jan Striesow: Die Deutschnationale Volkspartei und die völkischen Radikalen 1918-1922, 2 Bde. Frankfurt/M. 1981.

[67] Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 66.

[68] Könnemann/Schulze: Einleitung, in: dieselben: Dokumente, S. VII-XXVI, hier S. XVI.

[69] Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 64ff.

[70] Ebenda, S. 65.

[71] Ebenda, S. 73ff und 90ff.

[72] Nach mehrmaligen Provokationen durch den deutschnationalen, ehemals kaiserlichen Minister Helfferich strengte Erzberger erfolglose Prozesse wegen Beleidigung an. Der letzte ging am 12. März zu seinen Ungunsten aus und führte zum Rücktritt Erzbergers am Vortag des Kapp-Putsches (Rosenberg: Geschichte, S. 95).

[73] Oberfinanzrat Bang, der ein Mitglied des Alldeutschen Verbandes war, sagte Kapp im Herbst 1919 zu, bei einem Regierungswechsel das Finanzministerium zu übernehmen (Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 94) Dazu kam es jedoch nicht. Eine neuere Monographie zum Alldeutschen Verband bietet Rainer Hering: Konstruierte Nation: Der Alldeutsche Verband 1890-1939, Hamburg, 2003.

[74] Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 90.

[75] Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 85f.

[76] Reichhardt: Kapp-Putsch, S. 9; Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 89f; Könnemann/Krusch: März 1920, S. 15.

[77] Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 89ff.

[78] H. Mommsen: Aufstieg, S. 94.

[79] Winkler: Revolution, S. 307.

[80] Könnemann/Krusch: März 1920, S. 19ff. Gemäß den Zielen der DDR-Forschung bemühen sich Könnemann/Krusch an anderer Stelle, Teile des Finanzkapitals in die Nähe der Putschisten zu rücken. Zwar sympathisierten Teile der Wirtschaftseliten auch im Westen des Reiches mit dem Gedanken der Diktatur (siehe Hugo Stinnes an den Minister für Wiederaufbau Otto Geßler über die Notwendigkeit einer Regierungsumbildung und der Errichtung einer Diktatur, Mülheim/Ruhr, 23. Januar 1920, in: Könnemann/Schulze: Dokumente, S. 90). Auch wenn Kapp keine bedeutungslose „Provinzgröße“ war, blieben seine Kontakte zu bedeutenden Wirtschaftsvertretern im Wesentlichen auf ostpreußische Großgrundbesitzer beschränkt, wie Könnemann/Krusch selbst einräumen (Könnemann/Krusch: März 1920, S. 18).

[81] Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 126ff.

[82] Brammer: Fünf Tage Militärdiktatur, besonders S. 21ff; siehe auch Reichhardt: Kapp-Putsch, S. 14ff.

[83] Exkurs der Putschisten über die „neue“ Reichsverfassung, vermutlich Oktober/November 1919, in: Könnemann/Berthold/Schulze: Arbeiterklasse siegt, Bd. 1, S. 29.

[84] Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 206. Zur Stellungnahme der Reichswehr während des Kapp Putsches siehe Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 177-191; Carsten: Reichswehr, S. 89-99. Zum Verhalten der Beamten siehe Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 206-219. Rosenberg geht davon aus, dass der Kapp-Putsch „hätte ohne weiteres siegen können, wenn er als Unternehmen der maßgebenden Teile des deutschen Bürgertums aufgetreten wäre“ (Rosenberg: Geschichte, S. 96). Diese Argumentation vernachlässigt jedoch ebenso die erheblichen Schwierigkeiten der Putschisten, die Beamten in den Ministerien und in der Verwaltung auf ihre Seite zu ziehen (Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 210), wie auch den Generalstreik.

[85] Die Kundgebungen zur Auflösung der Nationalversammlung und der Preußischen Landes-versammlung, in: Brammer: Fünf Tage Militärdiktatur, S. 16 und 17. Zwar hatten die Putschisten recht mit dem Argument, die Nationalversammlung habe nach dem Inkrafttreten der neuen Verfassung ihren Zweck erfüllt und gemäß der Reichsverfassung keine Existenzberechtigung mehr. Daraus aber den Schluss zu ziehen, eine Regierung ohne jegliche Legitimation durch die Bevölkerung habe das Recht, die Politik des Reiches (wenn auch nur vorübergehend) zu lenken, war für viele Menschen gänzlich abwegig. Zudem stand die von Kapp ebenso aufgelöste preußische Landesversammlung sehr wohl auf der Grundlage der geltenden Verfassung (Mitteilung des Präsidenten der verfassungsgebenden Preußischen Nationalversammlung an deren Mitglieder vom selben Tag, zit. in: Brammer: Fünf Tage Militärdiktatur, S. 17).

[86] Zwar begnügte sich der Mehrheitsausschuss der Nationalversammlung anfangs mit der Feststellung, die Nationalversammlung und die alte Regierung seien die „einzige gesetzliche Autorität“ (Erklärung des Ausschusses, zit. in: Brammer: Fünf Tage Militärdiktatur, S. 17). Daran wird aber deutlich, dass die Parlamente und auch die bürgerlichen Kräfte darin keinesfalls gewillt waren, das Feld kampflos zu räumen.

[87] In den Umsturzplanungen, welche Hauptmann Pabst schon im Sommer 1919 zur Anwendung bringen wollte, und die von Kapp und seinen Gefolgsleuten direkt oder leicht modifiziert übernommen wurden, finden sich beispielsweise konkrete „Maßnahmen zur Niederschlagung von Generalstreiks“ (Könnemann/Berthold/Schulze: Arbeiterklasse siegt, Bd. 1, S. 52; siehe auch Könnemann/Krusch: März 1920, S. 15).

[88] Aktionsplan der Putschisten aus den beschlagnahmten Papieren Schnitzlers, vermutlich Anfang März 1920, in: Könnemann/Schulze: Dokumente, S. 126f).

[89] Lucas: Märzrevolution, Bd. 1, S. 232.

[90] Der Journalist Karl Schnitzler übernahm während der Vorbereitungen zum Umsturz die Aufgabe, Gesetzesvorlagen nach Kapps Anweisungen abzufassen (Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 89).

[91] Konzept des politischen Programms aus den Papieren Schnitzlers, vermutlich Februar/ März 1920, in Könnemann/Schulze: Dokumente, S. 115.

[92] Ebenda.

[93] Ebenda.

[94] Könnemann/Krusch: März 1920, S. 16.

[95] Exkurs der Putschisten über die „neue“ Reichsverfassung, o.O., vermutlich Oktober/November 1919, in: Könnemann/Berthold/Schulze: Arbeiterklasse siegt, Bd. 1, S. 26-34, hier S. 31.

[96] Könnemann/Schulze argumentieren, dass Kapp und Ludendorff eine „Wiederherstellung der gesellschaftlichen und politischen Zustände des Bismarck-Reiches“ vorschwebte (Könnemann/Schulze: Einleitung, in: dieselben: Dokumente, S. VII-XXVI, hier S. XVIf).

[97] Exkurs der Putschisten über die „neue“ Reichsverfassung, o.O., vermutlich Oktober/November 1919, in: Könnemann/Berthold/Schulze: Arbeiterklasse siegt, Bd.1, S. 26-34, hier S. 30f.

[98] Die offizielle Gründung der ZAG erfolgte wenige Tage nach dem Stinnes-Legien-Abkommen vom 15. November. Darin akzeptierten die Arbeitgeber grundsätzlich die Gewerkschaften als Vertragspartner in Fragen der Tarifpolitik und garantierten verschiedene Errungenschaften der Arbeiterbewegung, wie etwa den Achtstundentag und die Schaffung von Arbeitnehmervertretungen. Im Gegenzug akzeptierten die Freien Gewerkschaften den freien Unternehmerwillen und nahmen Abstand zu Sozialisierungsforderungen, wie sie von Unabhängigen und Kommunisten vorgebracht wurden (Winkler: Revolution, S. 75ff).

[99] Ebenda, S. 302.

[100] Proklamierung des Staatsstreichs durch Kapp und Lüttwitz, Berlin 13. März 1920, in: Könnemann/Schulze: Dokumente, S. 142.

[101] Aktionsprogramm der Putschisten für den Umsturz, o.O., vermutlich Dezember 1919, in: Könnemann/Berthold/Schulze: Arbeiterklasse siegt, Bd. 1, S. 49-54, hier S. 52.

[102] „Regierungsprogramm“ Kapps, Berlin, 13. März 1920, in: Könnemann/Schulze: Dokumente, S. 142-144, hier S. 142.

[103] Ebenda.

[104] „Regierungsprogramm“ Kapps, Berlin, 13. März 1920, in: Könnemann/Schulze: Dokumente, S. 142-144, hier S. 142.

[105] Ebenda, S. 143.

[106] Ebenda.

[107] Plakat der Kappregierung über ihre Ziele, Berlin, vermutlich 14. März 1920, in: Könnemann/Schulze: Dokumente, S. 166.

[108] Versuch der Kappregierung, die Arbeiterschaft für sich zu gewinnen, Berlin, vermutlich 15. März 1920, in: Könnemann/Schulze: Dokumente, S. 207-210, hier S. 208.

[109] Erneut wird das Staatsverständnis Kapps als übergeordneter, ideologiefreier und unparteiischer Instanz deutlich. Die Regierung sei im besten Falle eine „über den Berufsständen stehende“ (Versuch der Kappregierung, die Arbeiterschaft für sich zu gewinnen, Berlin, vermutlich 15. März 1920, in: Könnemann/Schulze: Dokumente, S. 207-210, hier S. 209) und handele ausschließlich gemäß den „praktischen Bedürfnisse[n] des Staates“ (Plakat der Kappregierung über ihre Ziele, Berlin, vermutlich 14. März 1920, in: Könnemann/Schulze: Dokumente, S. 166). Trotz vielfacher Beteuerungen der Putschisten, keine Restauration der Monarchie anzustreben, ist ihre ideologische Nähe zu monarchistisch-autoritären Vorstellungen deshalb nicht zu leugnen.

[110] „Regierungsprogramm“ Kapps, Berlin, 13. März 1920, in: Könnemann/Schulze: Dokumente, S. 142-144, hier S. 143.

[111] Lucas: Märzrevolution, Bd. 1, S. 229.

[112] Ebenda; Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 203.

[113] „Regierungsprogramm“ Kapps, Berlin, 13. März 1920, in: Könnemann/Schulze: Dokumente, S. 142-144, hier S. 142f.

[114] Versuch der Kappregierung, die Arbeiterschaft für sich zu gewinnen, Berlin, vermutlich 15. März 1920, in Könnemann/Schulze: Dokumente, S. 207-210, hier S. 207.

[115] Ebenda, S. 208.

[116] Ebenda, S. 207.

[117] Ebenda.

[118] „Regierungsprogramm“ Kapps, Berlin, 13. März 1920, in: Könnemann/Schulze: Dokumente, S. 142-144, hier S. 143.

[119] Versuch der Kappregierung, die Arbeiterschaft für sich zu gewinnen, Berlin, vermutlich 15. März 1920, in Könnemann/Schulze: Dokumente, S. 207-210, hier S. 209.

[120] Versuch der Kappregierung, die Arbeiterschaft für sich zu gewinnen, Berlin, vermutlich 15. März 1920, in Könnemann/Schulze: Dokumente, S. 207-210, hier S. 208.

[121] Ebenda, S. 209.

[122] Ebenda, S. 207.

[123] „Regierungsprogramm“ Kapps, Berlin, 13. März 1920, in: Könnemann/Schulze: Dokumente, S. 142-144, hier S. 143.

[124] Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 160. Johannes Erger verweist in diesem Zusammenhang auf die unzureichend durchdachte Planung der Wirtschaftsgesetzgebung der Regierung Kapp. Die gewünschte Rückkehr zur freien Wirtschaft und die Beibehaltung erträglicher Lebenshaltungskosten für die ärmeren Bevölkerungsschichten standen in unaufgelöstem Widerspruch, der schon von Zeitzeugen wie dem DVP-Wirtschaftsexperten Geheimrat Prof. Dr. Rießer beklagt wurde (Ebenda).

[125] Nach Kapps Ansicht nehme die soziale Gesetzgebung „dem einzelnen das Verantwortungsgefühl“. Sie bedeute „letzten Endes eine staatliche Bevormundung, ein Binden an die Staatskrippe, eine Vorstufe des sozialistischen Zukunftsstaates“. Nach Notizen von Anneliese Kapp über ihren Vater, zit. in: Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 161.

[126] Kapp zur DVP-Abordnung am 13. März, zitiert in: Erger: Kapp-Lüttwitz-Putsch, S. 160. An dieser Stelle wird einmal mehr das agrarisch-ländliche Gesellschaftsideal Kapps deutlich, welches sein Verständnis für die Belange der Arbeiterbewegung erheblich erschwerte.

[127] Plakat der Kappregierung über ihre Ziele, Berlin, vermutlich 14. März 1920, in: Könnemann/Schulze: Dokumente, S. 166.

[128] Ebenda.

[129] Ebenda.

[130] Versuch der Kappregierung, die Arbeiterschaft für sich zu gewinnen, Berlin, vermutlich 15. März 1920, in: Könnemann/Schulze: Dokumente, S. 207-210, hier S. 208.

[131] Ebenda, S. 209.

[132] Ebenda.

Ende der Leseprobe aus 85 Seiten

Details

Titel
Der Kapp-Putsch und die deutsche Arbeiterbewegung
Hochschule
Universität Hamburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
85
Katalognummer
V121939
ISBN (eBook)
9783640267842
ISBN (Buch)
9783640267958
Dateigröße
2089 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kapp-Putsch, Arbeiterbewegung
Arbeit zitieren
Lutz Niffka (Autor:in), 2005, Der Kapp-Putsch und die deutsche Arbeiterbewegung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121939

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