"New Art Spaces" - Nichtkommerzielle und virtuelle Galerien als neue Perspektiven für den Kunstmarkt


Bachelorarbeit, 2007

73 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

0 Einleitung

TEIL A
1 Der Kunstmarkt
1.1 Preisbildung und Marktmechanismus
1.2 Kunst ist Ware
1.2.1 Funktionalität der Kunst
1.3 Die Marktteilnehmer und ihr Wirkungsbereich
1.3.1 Kunst und Konsum – Faktoren der Transformationsgesellschaft
1.3.2 Der Primärmarkt
1.3.2.1 Künstler
1.3.2.2 Sammler/Kunstinteressierte
1.3.2.3 Galeristen
1.3.2.4 Art Consultants
1.3.2.5 Kunstkritiker
1.3.3 Der Sekundärmarkt
1.3.3.1 Museen
1.3.3.2 Stiftungen, Unternehmen und Sponsoren
1.3.3.3 Messen
1.3.3.4 Auktionshäuser
2 Kunst im Raum
2.1 Raum und Wahrnehmung
2.2 Der Art Space
2.3 Verkaufsraum Galerie
2.4 Der virtuelle Raum
2.4.1 Virtualität und veränderte Arbeitswelt
2.4.2 Virtuelle Akquise neuer Käufergruppen

TEIL B
1 Die PROGRAM Galerie
1.1 Formen von Galerien
1.2 Kurzbeschreibung der PROGRAM Galerie
2 Organisationszweck und Ziel der Unternehmung – Das Mission Statement
3 Analyse externer und interner Bedingungen
3.1 Externe Bedingungen
3.1.1 Nachfrageanalyse
3.1.2 Umweltanalyse
3.1.2. Konkurrenzanalyse
3.1.3 Analyse des Beschaffungsmarktes
3.2 Interne Bedingungen
3.2.1 Potential- und Leistungsanalyse
3.2.2 Stärken von PROGRAM
3.2.3 Schwächen von PROGRAM
4 Konzeption und strategische Ziele
4.1 Inhaltliche Ziele und Wettbewerbsvorteil
4.2 Marketingstrategische Ziele
5 Synthese und Gestaltung der Unternehmenspolitik
5.1 Kommunikationspolitik
5.2 Qualitätsmanagement
5.3 Programmpolitik
5.4 Finanzierungspolitik
5.5 Distributionspolitik
5.6 Konzeptionspolitik
5.7 Kooperationspolitik
6 Resümee
IV. Literatur- und Quellenverzeichnis
V. Anhang

I. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

II. Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Stärken und Schwächen des Medienstandortes Berlin

Abstract

Zur Einführung in die Thematik und die Problemstellung auf denen die vorliegende Bachelorarbeit basiert, seien an dieser Stelle einige Thesen und Bemerkungen formuliert sowie die PROGRAM Galerie als Untersuchungsobjekt kurz erläutert.

These 1: Der Kunstmarkt ist ein Markt, der zwar nach ökonomischen Regeln abläuft, aber in seiner Gesamtheit undurchsichtig bleibt, da seine systeminhärenten Aktionen nicht publik gemacht werden, somit intransparent bleiben, und sich zudem gegenseitig bedingen. Er hat dadurch einen nahezu mystischen Status und zeichnet sich durch ein hohes Maß an Unzugänglichkeit aus.

These 2: Der Primärmarkt zeitgenössischer Kunst und deren Rezeption unterliegt den Präsentations- und Handelsformen im Verkaufsraum Galerie. Kunst wird dort nicht frei, im Sinne von autonom, vermittelt, sondern bleibt immer dem konsumbezogenen Prädikat der Ware verhaftet.

These 3: Die steigende Virtualisierung unserer Lebenswelt wird längst auch in Werken der sogenannten Netzkunst oder virtuellen Kunst sichtbar. Onlinegalerien und ihre Darstellungsform nehmen einen immer größeren Stellenwert als Präsentationsform von Kunst ein. Sie erweitern damit den bisherigen Kreis kunsthändlerischer Institutionen und übernehmen spezifische Aufgaben, die der neue Markt fordert.

These 4: Es ist möglich, durch die Präsentationsform von Kunst in nichtkommerzieller Umgebung und fernab von musealer Inszenierung einen neuen Blick auf Kunst richten zu können und ihr ihren selbstgewählten Raum zu überlassen. Derartige Projekte können und wollen hierbei den konventionellen Markt nicht ersetzen, sondern bieten eine nötige Bereicherung und Ergänzung zum bestehenden Ausstellungshabitus.

Die Betrachtung des Kunstmarktes und seiner Mechanismen wurde von der Autorin in Form der Darstellung aller für eine Galerie wichtigen Kunstmarktteilnehmer vorgenommen. So sind die jeweiligen Einflussbereiche klar abgegrenzt und eine differenzierte Betrachtung der Wirkungskreise möglich, die den Kunstmarkt in seinen komplexen Bedingungen möglichst genau erfassen soll.

Die PROGRAM Galerie als nichtkommerzielle Galerie dient als Untersuchungsobjekt für vorliegende Arbeit, da sie zeigt, wie es möglich ist, als nichtkommerzielles Unternehmen zeitgenössische Kunst auszustellen und dem Werk, den Künstlern und den Konsumenten respektive Rezipienten eine Alternative zum konventionellen Kunstmarkt zu bieten. Sie will den Markt ausweiten und neue Sichtweisen auf Kunst möglich machen.

0 Einleitung

Kunst boomt. Ein Blick auf aktuelle Auktionen oder die letzten Messen in Basel, Köln und London zeigt: Rekorde. Kunstwerke erzielen immer höhere Preise, immer mehr Kunst wird gesammelt, ausgestellt und umgesetzt.[1] Der Markt wächst und schon stehen wieder erste Kritiker auf dem Plan, die vor dem großen Crash warnen.

Kunst ist zum jetzigen Zeitpunkt wieder hoch frequentiert und gefragt wie nie. Nicht nur private Sammler, auch Unternehmen steigen mit ein in den umtriebigen Markt und jeder Investmentfond investiert einen gewissen Prozentsatz - Tendenz steigend - in den Kunstmarkt.[2] Kunst ist nicht mehr nur Liebhaberei, nicht mehr nur Luxus und Passion. Kunst wird, neben ihrem inhaltlichen Wert und darauf aufbauend, zur Investition mit Potenzial zur Ertragssteigerung.[3] Sie wird ebenso zu einem leistungsstarken Imagepartner für die Kommunikationspolitik von Unternehmen, die sich einem erwachenden Interesse der Gesellschaft an gesellschaftspolitisch verantwortungsvollem Handeln von Unternehmen gegenüber sehen. „Profitorientierung und moralisches Handeln gehören heute zusammen“[4], wie das Trendbüro Hamburg treffend analysiert. Die große Geschäftigkeit auf dem Markt stachelt die Kauflust an; das Image der Künstler steigt mit den Preisen auf dem freien Markt und umgekehrt.

Ein Risiko, das schnelle und große Gewinnmargen verspricht, aber auch leicht ins Gegenteil, dem freien Fall, umschlagen kann. Ein durch den Galeristen mühsam erarbeiteter Markt kann so in kurzer Zeit zunichte gemacht werden. Dieser ökonomische Ansatz und diese grundlegende Umwertung der Wahrnehmung von Kunst ist Anlass für die Autorin, Einflussfelder, die auf die Künstler, Kunstprozesse und Kunstwerke einwirken, genauer zu untersuchen.

Wie frei ist Kunst wirklich noch, wenn sie in einen Markt dieser Art eingebettet ist und in welcher Form wird Kunst heute präsentiert und dem Markt angeboten? Und weiter: mit welchen Mitteln kann Kunst auf einem Markt, der geprägt ist vom Umbruch der Industrie- zur Informationsgesellschaft gemanagt werden? Die steigende Komplexität des Marktes macht es den Galeristen als Händlern immer schwerer, die Künstler verantwortungsvoll zu vertreten. Sie können oftmals gar nicht mehr entscheiden oder abwägen, ob Werke in einer privaten Sammlung einen guten Platz finden, im Museum möglicherweise im Lager verschwinden oder durch effizienzverpflichteten Wiederverkaufsstrategien einen Preissturz erleben. Die Beziehungen zwischen einer Hauptgalerie und dem Künstler sind schon lange nicht mehr die einzige und auch nicht mehr die beste Art, sich auf dem Markt zu bewegen. Allein in Berlin öffnen nahezu wöchentlich neue Galerien, die mit der Betonung auf ihre nichtkommerzielle Arbeit ein ganz neues Präsentationsforum bieten. Auch die Veränderung der Nutzung neuer Medien und die steigende Präsenz virtueller Unternehmenskonzepte eröffnen völlig neue Möglichkeiten gerade für die Publikation, Information und somit auch den Vertrieb von Kunst.

Vorliegende Bachelorarbeit will das Konzept nichtkommerzieller Galerien innerhalb dieser sich verändernder globaler und medialer Gegebenheiten für Künstler und Kunstwerke untersuchen. Zu diesem Zwecke werden Art Spaces verschiedenster Art gegenüber gestellt und ihre Wirkungen auf die Wahrnehmung von Kunst betrachtet.

TEIL A widmet sich dem Kunstmarkt und seinen Akteuren. Zunächst werden seine Mechanismen, der Prozess der Preisbildung und Wertschöpfung und die Themen Kunst als Konsumgut, sowie dessen Funktion erörtert werden (A.1). Weiter erfolgt die Betrachtung der Marktteilnehmer mit ihren jeweiligen Einflussmerkmalen auf Künstler, Werke und Prozesse, ihre Beziehung zum Art Space und nk. Galerieformen, damit daraus später Rückschlüsse für die optimale Gestaltung eines Galerieraumes gezogen und entsprechende Perspektiven und Vorschläge ausgearbeitet werden können. Hierzu wurde die Gliederung in Primär- und Sekundärmarkt gewählt, die jedoch nicht als absolut zu sehen ist, da deren Grenzen fließend sind und die Marktteilnehmer zu unterschiedlichen Anteilen bewusst und unbewusst auf beiden Seiten agieren. Der zweite Schritt (A.2) führt ein in die Thematik der Wahrnehmung von Raum und seiner Wandlung, in die Transformation von Gesellschaft in einer globalisierten und virtualisierten Welt, sowie deren Konsequenzen für nk. Galeriekonzepte.

TEIL B widmet sich der praktischen Seite in Form der konkreten Analyse der nk. PROGRAM Galerie in Berlin. Hierzu werden zunächst verschiedene Galeriekonzepte vorgestellt, um dann in die Arbeit der PROGRAM Galerie einzuführen (B.1). Darauf folgt eine eingehende Betriebsanalyse (B.2ff.) dieser, um Tendenzen, Möglichkeiten und Prognosen für die PROGRAM Galerie im speziellen und den Kunstmarkt im Allgemeinen zu untersuchen und abzuleiten.

TEIL A

1 Der Kunstmarkt

1.1 Preisbildung und Marktmechanismus

Kunst kostet. Der Kunstmarkt ist wie jeder andere Markt eine Plattform für den Austausch von Waren. Bestimmt wird dieser Austausch durch Akteure auf Seiten der Produktion, Rezeption und Konsumption. Kunst ist dabei per se Ware und wird sie nicht erst; sie ist durch ihre Schaffung bereits im Markt existent und dort auch veräußerbar. So regelt sich das Marktgeschehen auch bei Kunst durch Angebot und Nachfrage und folgt zunächst den gleichen wirtschaftlichen Prozessen wie Verknappung, Angebotüberschuss, usw., denen auch andere Güter unterliegen.[5]

Ihr Wert besteht dabei ambivalent in ihrer ästhetischen und ihrer materiellen Wirklichkeit. Die Schnittmenge dieser beiden Muster führt zu einer Preisbildung, die in Teilmärkten den marktimmanenten geographischen Gegebenheiten folgt, wie z.B. verschiedene Kulturkreise und deren individuelle Handelspolitik, Traditionen, Geschmäcker, usw. Zudem reagieren diese Teilmärkte auf ihre jeweiligen externen, sowohl nationalen als auch internationalen, Faktoren wie politische und wirtschaftliche Entwicklungen und gesellschaftliche Tendenzen.

Kunst unterliegt also einer willkürlichen Preisbildung, d.h. dass das Kunstwerk zwar einen gewissen Materialwert besitzt, darüber hinaus jedoch der ideelle, ästhetische oder historische Wert (Stichwort: Provenienz) bemessen wird, der individuell völlig unterschiedlich ausfallen und nicht nach einem Schema berechnet werden kann. Es ist ein Spiel auf dem Markt als Basar. Die Akteure des Marktes kreieren durch Informationen und deren Formierung ein materielles System. So wird ein symbolischer Preis genannt, der durch die Akzeptanz, den abgeschlossenen Handel, zum Marktpreis wird. Die Bekanntgabe dessen im Marktgeschehen zieht wiederum neue Wertigkeiten für weitere Kunstwerke des Künstlers und die anderer Künstler nach sich. Es geht hierbei um Trends und nicht nachvollziehbare Entwicklungen des Preises auf dem Markt, um Insiderwissen, das Entscheidungen folgen lässt, deren Analyse oder Prognose bezüglich der Systematisierung einer Preisbildung enorm schwierig ist. Dementsprechend bedienen sich auch die darauf fußenden Marketingstrategien keiner stabilen Erkenntnis.

Die einzigartige Struktur des Kunstmarktes, die Wechselwirkung der verschiedenen Informationskanäle schafft es außerdem ein hohes Maß, wenn nicht gar die völlige Intransparenz seiner Mechanismen zu fördern. Dies gilt weniger für die Verfügbarkeit von Informationen zu Vita, Ausstellungen, Galerist usw., sondern vielmehr einer Datenbank über getätigten Handel. Sind die Künstler und ihr Schaffen nun aufgelistet, so ist doch die Bewertung, das Erfassen und Strukturieren von Qualität, und die Umsetzung dieser für ein einsetzbares Ergebnis zu einer Art Ranking nahezu unmöglich. Ein Versuch dazu ist die jährlich erscheinende Rangliste der 100 erfolgreichsten Künstler im Wirtschaftsmagazin CAPITAL. Dieser Kunstkompass basiert auf einem Punktesystem, das Kritiken, Einzel- und Gruppenausstellungen eines Künstlers bewertet und damit zumindest dessen Außenwirkung in den Informationsfluss des Kunstmarktes einstreut. Zugleich stellt er damit einen subjektiven Orientierungspool für Sammler dar, die das Ranking reflexiv verstärken und damit den Kreislauf fortführen.

Wie wichtig Information und Kommunikation für den Kunstmarkt sind, zeigt auch die Analyse New Yorker Galerien von Ulrike Klein. Nach Aussage der Galeristen zählen hier allein 92% der Befragten Kommunikation „(...)als wichtigsten Transmitter für die Galeristen, sich über die Kunstwelt insgesamt zu informieren.“[6]

Börsengleich bedingen sich hier Spekulation, Erwartungshaltungen und Glück, was dem Markt seinen Reiz verleiht, ihn spontan und konfus, unlogisch und attraktiv erscheinen lässt. Und analog bedingt das Insiderwissen höhere Renditen am Markt, kurzum, die bessere Spürnase, den Vorsprung, was Trends und zukünftige Entwicklungen angeht. Dieses Insiderwissen wird kolportiert und erzeugt von allen Akteuren auf dem Kunstmarkt. „Die Insider wissen sich ein und derselben Wertsphäre verbunden. Je engagierter sie an den Wertebildungen der Sphäre beteiligt sind, desto subtiler können sie mit der Sphärengrammatik umgehen. Sie entwickeln eigene Codes und Sprachen, die nur ihnen selbst vertraut sind. Dadurch schützen sie die Wertsphäre nach außen; der Sprachunkundige wird zum Banausen.“[7] Hier wird trefflich beschrieben, wie die stark emotional gebundenen Handlungsweisen auf dem Kunstmarkt ihre eigenen Demarkationslinien einer Kunstwelt setzen, entsprechend dem Ergebnis der Evaluation Kleins, in dem allein 95% der Galeristen angeben, Kunstliebe sei das wichtigste Motiv ihre Galerie zu betreiben.[8]

Vorliegende Arbeit untersucht die Bedingungen für Kunst fernab vom ökonomischen Markt in einer nichtkommerziellen Umgebung, in der sie ohne materielle Abhängigkeit und Systematisierung existiert. Hier stellt sich die Frage inwieweit die Unabhängigkeit von einem ökonomischen Wert Kunst ihre ästhetische Größe ausdrücken lässt und ein eigenes wirtschaftlich unabhängiges Wertesystem erzeugen kann.

1.2 Kunst ist Ware

Kunst ist ein Produkt. Produkt im Sinne einer Schöpfung durch den Menschen - ein Werk, das im Prozess des Denkens unter Verwendung von Materialien in der Entwicklung und Verwendung von Instrumentarien entsteht. Kunst in dieser Definition als Produkt ist automatisch auch Ware. In ihrer Existenz bedingt sie Nachfrage und aus der Interaktion heraus entsteht umgehend ein Markt, zunächst ungeachtet der Aktionsschemata mit denen in und auf ihm agiert wird.

Auf dem freien Markt der Güter und Waren nimmt die Kunst eine Sonderstellung ein. Ein Kunstwerk existiert immer nur einmal, es ist einzigartig, ein knappes, begrenztes Gut, werbestrategisch gesprochen: limited. Die Eminenz dieser Sonderstellung durch Limitierung des Angebots findet Ausdruck, betrachten wir vergleichend die Marketingstrategie der Unternehmen für konventionelle Güter, die Limitierung als Werbestrategie einsetzen, um Käufern durch diese Begrenzung einen zusätzlichen Anreiz zu bieten. Ganzjährig angebotene Produkte in ihrer ständigen Verfügbarkeit mangelt es an diesem allein durch die Maßnahme der Verknappung geschaffenen Anreiz. Entscheidend ist hierbei auch die Tatsache des gesellschaftlichen Trends zur Individualisierung, zum Trieb immer aktuell zu sein und seine eigene Persönlichkeit auf allen Ebenen des Lebens zu verwirklichen und darzustellen.

Bildende Kunst ist (ausgenommen Kunstdrucke, Graphiken, Kunsthandwerk, Medienkunst und Photographie, außer sie wird auf eine Stückzahl begrenzt) nicht reproduzierbar und folgt daher bestimmten Marktbedingungen. Ihre oben beschriebene Einzigartigkeit macht sie zu einem nicht substituierbaren Gut. Kunst kann nicht durch andere Güter oder Waren ersetzt werden, schon gar nicht ein einzelnes Werk durch ein anderes, da ein jedes seine eigene Aussage und Darstellungsform hat. Steigt also der Preis eines Werkes, kann der Käufer nicht auf ein anderes Produkt zurückgreifen, und somit kann auch die Nachfrage nicht gestillt werden. Daher greift hier auch nicht die zyklische Anlage von Angebot und Nachfrage. Zu viele unsichere Komponenten beeinflussen den Markt, als dass er wie z.B. bei existenziellen Gütern in ein Schema zu fassen wäre.

Zurückzuführen ist dies auf den Motor der Warenwelt und auch der Kunst: die Marke und deren Image. Jede Marke strebt nach einer bestimmten Aussage, je nach Zielgruppe. Ob Jeans oder Erfrischungsgetränkanbieter – sie alle wollen am Puls der Zeit sein, einen Trend setzen oder erfüllen, und geben sich daher juvenil und unangepasst. Statt aufwändiger Promotion oder Imagekampagnen nutzt die Kunst hierfür die Marke Künstler, der durch sein Auftreten und seine provokative Arbeit bereits ein Versprechen auf die Größe und den Wert seiner Arbeit gibt. Mit dem Kauf des Produktes sichert man sich somit ein Stück dieses gesellschaftlich verklärten Künstlertypus. Das nonkonformistische Leben für die Wand, ein Stück Unberechenbarkeit für das Eigenheim, aber auch der Diskurs in Form eines passiven Kulturkonsums für zu Hause: der Käufer fungiert als Speichermedium aktueller politisch-gesellschaftlicher Wandlungen.

Neben dem Künstler als lebendiger Marke besitzt auch die Galerie ihren eigenen Markenwert, der durch ihre Tätigkeit, ihre Performance auf dem Kunstmarkt gebildet wird. Somit prägt sie als Vertretung des Künstlers auch entscheidend den Wert desselben und seiner Werke mit. Zusammen bilden sie als Marken ein „imaginäres Wertesystem“[9], das Begehrlichkeiten weckt und dem Kunstrezipienten in Form der Aneilnahme oder des Kaufes einen persönlichen Mehrwert bringt.

Damit einher geht die Tatsache, dass Kunst ein Luxusgut ist - Luxus i. S. eines nicht notwendig zu deckenden Bedürfnisses. Es ist somit kein existentielles Gut und wird dann konsumiert, wenn ein gewisses Wohlstandsniveau erreicht ist und keine Sorge um die Sicherung der Lebensgrundlage mehr der weiteren Entfaltung des Individuums entgegensteht. Das impliziert zudem die Zuordnung der Kunstkaufenden in ein Milieu mit einer gewissen Einkommensgröße oder aber bestimmten Präferenzen, was den Lebensstil betrifft. Darauf wird in Teil A 1.3.1 Kunst und Konsum – Faktoren der Transformationsgesellschaft sowie Teil B 3.1.1 Nachfrageanalyse näher eingegangen werden.

Kunst als Produkt zur Vervollkommnung eines individuellen Lebensstils, der vermeintlich käufliche Nonkonformismus nährt einen Trend, einen Mainstream, dem sich auch die Kunst zu stellen hat. In ihrer Verfügbarkeit ist sie Teil des Konsums und Galerien, Museen, Sammler usw. können wählen, wie sie Kunst als autonomes Gut (ein Paradoxon in sich) und deren Aussagekraft angemessen präsentieren und handeln können.

1.2.1 Funktionalität der Kunst

Nur in aller Kürze sei hier näher auf das spannende Feld der Funktionalitätsdebatte eingegangen, deren Diskussionsergebnisse die Kunst stets begleiten, bewerten und den Galerieräumen eine eigene Stimmung, um nicht zu sagen prestigebehaftete Erscheinung verleihen, die später auch die Vorteile der nichtkommerziellen Galerien unterstreichen und sich dort wiederum in einem eigenen Spannungsfeld entladen.

Das Produkt Kunst wird mit Leidenschaft verfolgt, es erreicht einen nahezu intimen Status. Mit dem Kauf ist kein Nutzen verbunden, reine Emotion, ob in Form von Begierde, Liebe, Lust, Liebhaberei oder anderen, sind Anreiz zum Kauf. Ein Produkt scheinbar ohne Funktionalität, das dennoch alle Blicke auf sich zieht und Begehrlichkeiten weckt. Der Traum vieler Strategen des operativen Marktes.

Gerade diese nicht greifbare und auch daher stets strittige Frage um den Nutzen des Produktes Kunst verstärkt die These: Ihr Reiz macht den Markt aus. Es existiert eben kein Bewertungsschema, keine ökonomische Größe, aus der sich ein solides Kunstmarktparadigma ableiten ließe.

Das Non-funktionale der Kunst wird als Thema im deutschsprachigen Raum, ob unter Kunstphilosophen oder in öffentlichen Debatten stets mit größter Umsicht behandelt. Dies entspringt auch aus dem im 18. Jh. entstandenen Selbstverständnis des Autonomiegedankens. Für die Kunst gelte, dass sie von keinem äußeren Zweck regiert sei. (Vgl. I. Kant: „Schöne Kunst dagegen ist eine Vorstellungsart, die für sich selbst zweckmäßig ist, und, (...) ohne Zweck (...).“) Nach den jahrhundertelangen Auftragsarbeiten für Klerus, Kirchen und Kapellen stellt sich die Kunst erstmals dem freien Markt.[10] Damit verlässt sie zwar das Joch dieser jahrhundertewährender auftragsbezogener und somit direkter Abhängigkeiten, begibt sich jedoch in eine indirekte Abhängigkeit von den Wünschen und Geschmäckern des Volkes, der Massen. Sie dient nicht mehr der Intention eines Auftraggebers, sondern hat vor den Augen des Publikums zu bestehen, einer unkalkulierbaren Größe an Lust auf Zerstreuung, einer Erwartung und Funktionalisierung zum Zwecke der Unterhaltung und Ablenkung. Entsprechend endet Kants Zitat: „(...) und, obgleich ohne Zweck, dennoch die Kultur der Gemütskräfte zur geselligen Mitteilung befördert.“

Nach Adorno ist es einzig die Funktionslosigkeit, die sich als gesellschaftliche Funktion von Kunstwerken präzidieren ließe.[11] Kunst wird also funktional, indem sie Gegenposition zur Gesellschaft bezieht, diese kritisch fixiert und dies kann sie erst durch ihre autonome Existenz. Sie bezieht eine eigenständige Position, die wahrgenommen und in eine gesellschaftliche Debatte einbezogen wird, somit in zweiter Instanz nutzbar oder nützlich gemacht wird. Die bloße Anerkennung und Wahrnehmung ihrer Existenz nimmt also die gesellschaftlichen Vorgänge in die Kritik und verschafft der Kunst ihre Funktion.

Diese gesellschaftlich und wahrnehmungsgebundene Aussage findet sich ganz anders im Denken des Ausdrucks „L’art pour l’art“, der Kunst um ihrer selbst willen rechtfertigt. Kunst entsteht also ohne Zweck und Nutzen, sondern nur für sich, für ihren eigenen Zweck, weil sie schlicht da ist. Daraus ergäbe sich nun aber wieder der Zweck ihrer Existenz in ihrer Existenz und ihrer Pflicht sich selbst gegenüber, also einer selbstreferentiellen Abhängigkeit.

Wie wird Kunst allerdings als Kunstwerk eingeschätzt und überhaupt erkannt? Wie kann ein Konsens über die Definition eines Kunstwerkes als Kunstwerk gebildet werden? Indem die schöne Kunst keinem Zweck unterliegt, grenzt sie sich ab zum Zweckmäßigen. Dieser Vergleich des funktionslosen Schönen gegenüber dem Zweckmäßigen, diese antipolare Darstellung von Zweck und Kunst ist es, die eine Abhängigkeit und Bedingtheit herstellt, ohne die das Funktionale gar nicht sondierbar und die Kunst wiederum nicht erkennbar wäre.

In Realität begegnet uns Kunst nun als veräußerbares Objekt und wird gehandelt. „Authentische Kunst existiert nur in der Negation aller Nützlichkeit, als das schlechthin verfügbare, doch auch sie kann sich dem Markt nicht entziehen.“[12] Davon ausgehend entspricht die Distribution und Präsentation von Kunst durch Kunsthändler und Galerien einer natürlichen Marktteilnahme, die nicht in Erklärungsnot ob ihrer Existenz geraten muss. Eben gerade dann ist sie nämlich endlich selbst frei, und fähig sich der wichtigen Frage des Wie, also der Autonomitätsdebatte bewusst und deren Diskussion als Grundlage für ihre Tätigkeit verstanden wissend, zu stellen und ihre Arbeit als Konzeptbereiter für eine angemessene Markttransparenz und Ausstellungspraxis zu verfolgen.

Betrachten wir hierzu die etymologische Herkunft der Autonomie, die sich aus zwei Teilen nämlich dem griech. autós „selbst“ und griech. nómos „Gesetz“[13] zusammensetzt, so bestätigt diese die unantastbare Bestimmung der Kunst in ihrer “sich selbst gesetzten“ Existenz.

Die Kunsttheorie der Gegenwart stellt vor allem fest, dass Kunst in einer Form viele Funktionen einnehmen und übernehmen kann, eingeschlossen die der Funktionslosigkeit, jedoch ist sie immer in einem gesellschaftlichen Diskurs oder zumindest einer Rezeption angesiedelt, die ihr bestimmte Bewertungen und Eigenschaften von einem externen Standort aus zuschreibt. Sie wird somit, je nach Intentionsursprung für die unterschiedlichsten Zwecke in Anspruch genommen (Wahlkampfthema Kultur, Symposien zu Kunst als Standortfaktor, Kunstförderung als Wirtschaftsförderung, Kunst als starke Marke, usw.). Ihr Wirkungskreis ist somit größer, unmittelbarer und vielfältiger als es die Autonomieästhetik erfassen kann. So erscheint sie durchaus in ihrer Selbstgenügsamkeit, kann sich aber nicht aus einer gesellschaftsrelevanten Diskussion, aus einer Tatsache der Teilnahme herausnehmen. Sie kann und muss gerade deshalb nach einer ihr entsprechenden Kommunikationsformel gefördert und ausgestellt werden, da sie sich im System befindet und nur aus dem System heraus verstanden und verändert, aus- und dargestellt, produziert und verkauft werden kann.

Hierbei kommt den Galerien die verantwortungsvolle Aufgabe der Präsentation und des Verkaufs zu. Sie haben ein ideologisch, moralisch, ethisch oder politisch aufgeladenes Gut zu betreuen, das gerade in den Räumen der Galerie nicht für sich wirkt, sondern der Funktion oder Möglichkeit des Tauschs durch Verkauf unterliegt. Anders als im Museum, dem Raum für „unveräußerliche Dinge, die die Zirkulation des Warentauschs unterbrechen, um der Zirkulation der Kommunikation und Reflexion Raum zu geben“[14], steht der Raum und die Kunst unter der Prämisse der kapitalorientierten Verwertung und damit in aufgeladener Position, in Funktionalität. Die Galerie macht so, kraft ihrer Präsentationsform, aus den Werken „Fetische des Konsums“[15]. Sie steigert den Wert des Produktes und hat somit die Verantwortung gegenüber ihrer Rolle als Präsentationsform zu tragen. Das Wie ist hierbei die Schlüsselfrage für vorliegenden Ansatz zu einer Annäherung an eine temporär optimale Galerieform.

1.3 Die Marktteilnehmer und ihr Wirkungsbereich

1.3.1 Kunst und Konsum – Faktoren der Transformationsgesellschaft

„Risikogesellschaft“, „Erlebnisgesellschaft“ oder „Sinus-Studie“ sind die Schlagwörter der in den letzten 20 Jahren erschienenen aufschlussreichen soziologischen Studien zum Wandel unserer Gesellschaft. Besonders für die Kulturinstitutionen und das Kulturmarketing haben sich daraus entscheidende Veränderungen im besuchergruppenorientierten Marketing ergeben. Während Beck Mitte der 80er Jahre in „Risikogesellschaft“ noch den Individualisierungsprozess beschreibt, der sich eigentlich entgegen seiner Wortschöpfung durch die Emanzipation der Person neuen Abhängigkeiten aussetzt und so zum Schöpfer und Opfer von Massenmarkt und Massenkonsum wird[16], lesen wir bei Schulze bereits die Erweiterung dessen durch den von ihm fokussierten immer größer werdenden Anteil an Freizeit für den Einzelnen. Jeder ist gefordert aus der stetig steigenden Zahl von Möglichkeiten auszuwählen und dabei einen Sinn für sein Leben, sein Glück und seine Erfüllung zu finden.[17] Die dabei von Schulze erkannten Milieus und darin noch genauer spezifizierten Lebensstile finden Anwendung im Habitus “alltagsästhetischer Zeichen“[18]. Kunst wirkt hier als gruppenspezifischer Faktor, als “kulturelles Symbol“[19]. Die Milieus enthalten Lebensstile, die ihren eigenen Wertvorstellungen in Form von Trends folgen und so ihre Identität bilden. Im Kunstmarkt lässt sich hier auch die Verbindung zur “Correct Collection“ ziehen bzw. zur Charakterisierung „exhibitionally correct“[20]. Diese Sammlungen beheimaten bereits anerkannte Künstler und deren Werke und entsprechen so den Normen eines sozialen Konsenses. Galerien finden innerhalb entsprechender Milieus ein dankbares Kundenpublikum für trendbezogenes Marketing und Inszenierungsmut. Diese Erkenntnisse finden später in der Betrachtung der PROGRAM Galerie in TEIL B 3.1.1 Nachfrageanalyse Anwendung.

1.3.2 Der Primärmarkt
1.3.2.1 Künstler

Sie sind die Produzenten der Werke, Wunder und Waren, die eine so große und vielfältige Diskussionskultur entstehen lassen. Sie finden durch ihr Schaffen die Möglichkeit, ihrem Selbst, ihrem Bewusstsein in Interaktion mit den realen Umständen und Gegebenheiten ihrer Zeit Ausdruck zu verleihen, ihre Erkenntnisse zu bündeln und ihre Ansichten und Erlebnisse mitzuteilen. Es sind Aussagen, die sie, anders als Intellektuelle, in keinem verbalen Diskurs zur Sprache bringen könnten, die sich ihren Weg durch eine Arbeit bahnen, in einer Arbeit erfahren lassen und decodiert werden müssen.

Die Galeristen tun alles, damit die Künstler sich nur noch auf ihre Arbeit konzentrieren können. Sie werden in diesem Moment völlig von der rezeptiven Seite ihrer Werke in Form des Werkverkaufs abgekoppelt, da sie sich nicht direkt mit den Käufern in Verhandlung begeben. In Zeiten wirtschaftlicher Schwankungen, Hartz IV und Ich-AG mutieren andere Künstler zu ihren eigenen Art-Managern. Einerseits haben sie dadurch eine relative Unabhängigkeit in der Wahl ihrer Käufer und Aufträge, andererseits tragen sie die absolute Verantwortung in allen organisatorischen Belangen. Wie ein Künstler vertreten sein will, ob durch eine Galerie oder durch sich selbst, hängt letztlich ab von seiner eigenen Persönlichkeit und in gewisser Weise auch von den Wegen, die andere Künstler gehen und dem Markt, der sich aus diesen Entscheidungen bildet.

Künstler und Art Space

Künstler bespielen den Raum, der eigens für ihre Produktivität entsteht. Durch die etablierte Form der Galerien und Museen unserer Zeit ist das Werk des Künstlers eng mit der Ausstellung dessen verknüpft. Er kann dabei davon ausgehen, dass die Ausstellung in einem White Cube vorgenommen wird. Welcher Prozess läuft jetzt jedoch im Künstler ab, der mit diesem Wissen um diese Räumlichkeit sein Werk schafft? Provokativ formuliert: Die Künstler produzieren für die weiße Wand und dabei reflektiert sich bewusst oder unbewusst die Vorstellung des Werkes und dessen Wirkung in einem White Cube. Die Arbeit wird also von vorneherein in einen lokalen Kontext gestellt, dem sie sich später stellen muss. Einerseits müsste es den Künstler erleichtern, erreicht er durch die Erhabenheit der weißen Wand einen gesellschaftlich vorformulierten Konsens und wird als Kunst wahrgenommen. Andererseits muss er gegen die weiße Wand ankommen und sich in der Raumstruktur als herausragendes Exponat beweisen. So ist schon im Werkprozess selbst der Einfluss des White Cubes übermächtig. Der Künstler setzt sich mehr und mehr mit einer lokalen Wirkungsweise auseinander, die seine inhaltliche Arbeit modifiziert. Das könnte auch ein Grund für die heutzutage gängige Form der Großformate sein. Schließlich werden keine Häuser, sondern nahezu kultische Tempel bespielt. Die Architekturen für zeitgenössische Kunst erleben eine augmentative Entwicklung, die das Schaffen des Künstlers formal bedingt.[21]

Ein anderes Ergebnis der White Cube-Debatte sind die Auseinandersetzungen der Land-Art-Künstler und Post-Minimalisten, die begannen, den Raum in ihre Arbeit mit einzubeziehen, indem sie vor Ort wirkten. Das produzierte eine Art Live-Performance-Welle, die unter dem Schlagwort „Site Specific Art“ gerade in der zeitgenössischen Kunst in mehreren Festivals ihren Ausdruck findet.[22] Hier spielen vor allem die neueren performativen Kunstformen der Postmoderne wie Happening, Fluxus und Performance Art eine Rolle. Nk. Galerien sind hier die Alternative, um Künstlern einen experimentellen Raum zu bieten, sowohl als Form für bestehende Werke im Sinne einer kuratierten, komponierten Ausstellung, als auch als Entwicklungsfeld für Kunst vor Ort. Die große Chance liegt hier in der Neutralität und Freiheit der Voraussetzungen. Das, was durch den Künstler entstehen wird ist zwar der Rezeption geöffnet, ihr aber nicht verpflichtet, noch dem Raum, der Galerie oder dem Konsum durch Kauf. Es ist die reine Kunst, die in Erscheinung tritt, in Diskussion gebracht werden kann und eine intellektuelle Entwicklung forciert.

1.3.2.2 Sammler/Kunstinteressierte

Sie sind die Käufer und Kollektoren von Kunst. Der Anreiz für sie ein Kunstwerk zu kaufen ist rein persönlicher Natur und erfolgt daher auch aus den unterschiedlichsten persönlichen Gründen. In erster Linie ist ein Interesse oder sogar eine Liebe zur Kunst vorhanden, zudem bietet der Markt dem Sammler ein einzigartiges Produkt, ein Unikat, das ihm als Käufer und seine Sammlung selbst automatisch einzigartig werden lässt, womit wir auch gleich den Kernpunkt des Kunstmarktes als Unternehmen der Emotionen erreichen: das Prestige und die Passion. Der Kunstmarkt lebt vom Image seiner Existenz, von seiner neurotischen und größenwahnsinnigen Attitüde. Die Künstler inszenieren sich und ihr Werk, respektive werden es; der Markt existiert als Vanity Fair, bei dem das Zusammenspiel von Zeit, Ort, Menschen und Geld in einer perfekten Harmonie den Boden für das Luxusgut bereiten – ein Glücksspiel, Lotto für eine gewisse Klasse, ein gewisses Klientel. Individualität für jeden bei entsprechendem Einsatz monetärer Mittel. Die Leidenschaft für das Geschäftliche darf dabei nicht unterschätzt werden. Es geht um eine guten Deal im Sinne eines Tauschwertes von großartiger Kunst, übersetzt in die materielle Größe Geld, und um die Präsentation dessen im illustren Kreise. All das verwebt sich zu einem Cluster von Lebensstil und Lebensspiel und wird zu einem ganzen Netz von Anreizen, die den Sammler locken und inspirieren. Derartige Sammel- und Repräsentationsformen bieten die Möglichkeit Macht und Größe zu demonstrieren. Die Ästhetik der Kunst sichert den Käufern ihre Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Oberschicht, zu einem Spiel mit „Geld und Glamour“[23].

Das Aufregende daran ist die Schaffung eines abstrakten Marktes. Der Sammler in Interaktion mit der Kunstszene einigt sich auf ein Wertesystem. Kunst wird nicht nach dem Wareneinsatz und der Arbeitszeit bemessen, vielmehr liegt ein Großteil ihres Preises in ihrer ästhetischen Qualität, in ihrer Aussagekraft und ihrem denkerischen Ansatz. Die dargebotene Weltanschauung mündet dann in eine Preispolitik zwischen Galerie, selten auch dem Künstler selbst, Sammler und Marktresonanz.

Noch ist der Markt geprägt von einer serviceorientierten Kundenbetreuung durch den Art Consultant, der den Sammler beim Aufbau seiner Sammlung leitet, oder den direkten Kontakt des Sammlers zur Galerie. Diese geographische Begrenzung gilt es nicht etwa aufzulösen, aber durch eine virtuelle zu erweitern und somit den Kundenstamm zu vergrößern. Nk. Galerien verkaufen keine Kunst. Sie bieten die einmalige Chance, sich als Sammler zu informieren und möglicherweise selbst Künstler zu entdecken. In den Räumlichkeiten der nk. Galerie, ob virtuell oder physikalisch, lassen sich Trends aufspüren, ebenso können Gespräche rund um den Kunstmarkt, die Sammlertätigkeit, das zwanglose Zusammentreffen mit Künstlern und Kunstinteressierten den experimentellen Charakter formen und weiterentwickeln; dieser bietet dann auch eine niedrige Zugangsschwelle für noch nicht sammelnde Kunstinteressierte und erweitert den Rahmen der Kunstrezeption.

1.3.2.3 Galeristen

Sie sind die Zwischenhändler und Vertreter der Künstler und ihrer Kunst. Zumeist suchen sie auf Werkschauen oder Präsentationen der Kunstuniversitäten nach frischen vielversprechenden Talenten; daher sind sie meist die ersten am Markt, die Trends und Kunstströme erkennen und aufgreifen, dementsprechend spricht man hier vom Primärmarkt für die Kunstwerke. In der Galerie, dem Ort, der sowohl als Ausstellungsraum, Büro und Lagerstätte der Kunstwerke dient, arbeiten sie am Image ihrer Künstler und vertreten sie auf dem Markt. Die Künstler erhalten je nach Vertrag regelmäßige Einzel- oder Gruppenausstellungen, dazu kommen Ausstellungskataloge und Publikationen in entsprechenden Medien. Sammlern werden Kunstwerke angeboten, auch gibt es Ausleihen an etwaige Nebengalerien. Möglicherweise ist die Galerie auch auf Messen vertreten und präsentiert dort einen Querschnitt ihres Angebotes.

Galeristen wählen die Käufer aus und versuchen, eine langsame und daher wahrscheinlich stabile Karriere zu erarbeiten. Das setzt eine ebenso konsequente Preispolitik voraus. Wenn der Käufer Kunst als Investitionsgut benutzt und nur einen schnellen und lukrativen Weiterverkauf im Sinn hat, wird die Preispolitik zwischen Galerie und freiem Markt bald erheblich variieren und die Arbeiten werden an Wert einbüßen. Das Vertrauensverhältnis zwischen Galerist und Sammler ist also von immenser Bedeutung.[24] Natürlich gibt es innerhalb der Galerienszene eine Kommunikation über die Marktteilnehmer und ihre Kaufpraxis, doch ist dies noch kein Garant für einen sicheren Verkauf. Dies zeichnet sich im zunehmenden Trend zur Sicherung des Verkaufs in Form des sogenannten Vorkaufsrechts ab. Sollte der Sammler das Kunstwerk also wieder verkaufen wollen, müsste er es, vertraglich gesehen, zunächst der Galerie anbieten, bei der er es erworben hat. Das Ansinnen ist allerdings eher gut gemeint als real wirksam, da eine Galerie bei wahrscheinlicher Preissteigerung meist gar nicht die finanziellen Mittel aufbringen kann, um solche Arbeiten aufzufangen und in angemessener Form dem Markt weiterzuvermitteln. Sollten den Markt Werke in einer unangemessenen und von den Galeriepreisen deutlich unterscheidbaren Größe erreichen, wird über kurz oder lang auch der Künstler die Kompetenz seiner Galerie in Frage stellen.

Die Varianz und spekulative Größe zeigt sich auch an der Gewinnbeteiligung der Galerien. Ihr Anteil an den verkauften Werken schwankt, je nach Status der Galerie, zwischen 10% und 70%, wobei sich hinter dem Ausstellungs- und Verkaufsraum von Kunst ein Netzwerkmodul mit perfekter PR-Maschinerie verbirgt.[25]

Galerie und Art Space

Galerien sind meist für jedermann zugänglich, Werke können betrachtet werden und man kann sofort in Verhandlung mit dem Galeristen treten. Selten jedoch werden Galerien von nichtkundigen Käufern frequentiert. Die Galerie tritt, wie oben bereits erwähnt, als Medium mit unzähligen Verbindungen und Beziehungen auf. Die Kontakte allein entscheiden über die richtige Publicity ihrer Arbeit und diese sucht sich durch nichtöffentliche, oder zumindest eingeschränkt verfügbare Informationskanäle ihren Weg in den ebenso reglementierten Kreis der Käufer. Die Galerie als einziger Zugang zum Luxusgut Kunst ist einem bestimmten bürgerlichen Milieu nahe. Sammler oder Kunden mit Interesse an Kunst, das oft mit einem gewissen Bildungsgrad und gesellschaftlichem Status verbunden ist, besuchen Galerien oder erhalten deren Einladungen und informieren sich selbstständig über die aktuelle Kunstszene. Dabei wird eine Art von Szenewissen vorausgesetzt. Werke werden nicht nur aus ästhetischen Vorlieben erworben, sondern erfüllen mehr und mehr einen Kanon zeitgenössischer Künstler. Die Galerie, die zunehmend an die musealen White Cubes erinnert, vermittelt von vorneherein das Statement der arrivierten Kunst. Hier gibt es nichts Neues i.S.v. Unentdecktem zu finden. Die Galeristen haben das Feld bereits sondiert und in ihrer Professionalität die besten Künstler im Hause. Das Entwickeln eines eigenen Geschmackes ist hier nicht mehr möglich. Es gilt: Kunst vom Band, entsprechend dem Programm im Fernsehen. Eine Auswahl aus einer Auswahl, hier kann man fast nichts falsch machen, und der Platz für eigene Entdeckung fehlt. Hier greift der Ausspruch der “Correct Collection“, die nur noch 30 Namen aktueller Künstler führt und damit einem anerkannten zeitgenössischen Kunstrahmen entspricht. Um nicht zu sagen spießig erscheint hier die ach so wilde Kunstwelt mit ihrem tabubrechenden Gestus.

Möglichkeiten für die Galerie bestehen in der Öffnung ihrer hermetischen Lebenswelt, sowohl in den virtuellen Raum, der es jeder Person jederzeit möglich macht, den Markt zu betreten und das Angebot zu sondieren, sowie den physikalischen Galerieraum an eine reale Lebenswelt anzupassen, die keine Barrieren aufbaut und Kunst als sich selbst erkennen lässt. Auch hier wieder die Erkenntnis: Die nk. Galerie als Raum ist ein Labor für Experimente, die alle Akteure neu fordert und weiterbringt.

1.3.2.4 Art Consultants

Art Consultants beraten Unternehmen, Stiftungen, oder private Sammler, ihre Kunstinvestitionen und -förderungen betreffend. Sie stellen unter Beachtung der Auftraggeberphilosophie mit Kunstwissen und Marktüberblick meist komplexe Anschaffungen zusammen. Sie agieren somit als Berater der Außendarstellung eines Unternehmens in Bezug zu Kunst, als Macher der “public relations through art“.

Dies bedeutet zum einen eine enorme Verantwortung, sowohl den finanziellen Umfang des Projektes als auch den inhaltlichen und darstellerischen Erfolg des Ankaufs betreffend, zum anderen lässt es die Art Consultants eine ungeahnte Macht innerhalb der Kunstszene einnehmen. Sie entscheiden, welche Kunst zu welchem Unternehmen passt und bewerten damit gleichzeitig Firma, Galerie und Werke. Diese geraten durch die Verbindung automatisch in eine thematische Verknüpfung und erzeugen so einen wechselseitigen Imagetransfer.

Art Consulting und Art Space

Art Consultants besitzen keinen eigenen Art Space, aber sie bestimmen die Gestaltung von Kunsträumen anderer. Man nehme zum Beispiel die Ausstattung der palastähnlichen Räumlichkeiten der Deutschen Bank mit Bildern Gerhard Richters. Allein die Architektur vermittelt unerschütterliches archaisches Unternehmerbewusstsein, das durch die großformatigen Richter in ihrer eindrucksvollen Präsenz absolut verstärkt wird. Auch sie nehmen hierdurch den Rezipienten eine unvoreingenommene Sicht auf die Kunst. Bewusst sind und unterbewusst werden die Werke mit einem Unternehmen, einer Einrichtung, einem Gestus und einer Philosophie konnotiert. Einer ungetrübten Wahrnehmung sind somit Grenzen gesetzt.

Der Art Consultant findet in der nk. Galerie als Raum und dessen Öffnung auf eine virtuelle Ebene die Möglichkeit, sich umfassend zu informieren. Er kann zudem auf dieser Ebene auch mit Kunden und Künstlern operieren und mit der vorhandenen Galeriestruktur sein medienvernetztes Arbeiten verbinden. Gemeint ist hier seine intensive Kundenbetreuung in einem virtuellen Rundgang der unternehmerischen Sammlungen. Der freie Zugriff durch Kunde und Consultant beschleunigt die Kommunikation und Entscheidungen, die bei Ankäufen zumeist schnell getroffen werden müssen, und kann durch den raschen Austausch über das Internet die Fehlerquote minimieren. Bei nk. Galerien kann hier ein schneller Trendspot gesetzt werden, der durch die Kontakte des Art Consultants wiederum die nk. Galerie in Kommunikation bringt.

1.3.2.5 Kunstkritiker

Kunstkritiker und –journalisten sind wie der Galerist auf der Suche nach dem Neuen, den Trends. Sie bewegen sich ebenfalls auf Werkschauen junger Künstler, Hochschulrundgängen und jeglichen Plätzen künstlerischer Intervention, versuchen den aktuellen Markt zu sondieren und so als erste Veränderungen festzustellen und Prognosen zu formulieren; journalistisch fixiert sind sie jedoch auf Messen, Auktionen und vor allem Ausstellungen von Galerien und Museen, deren Inhalte sie an ihren eigenen Erkenntnissen und ihrem Kunstverständnis messen. In ihrer Funktion sind sie ein Faktor für die Entwicklung von Preis und Image von Künstlern und Werken. Denn ihre Beiträge in Kunstmagazinen und Ausstellungskatalogen, Feuilletons und entsprechenden Medien sind eine der Grundlagen der Informationsbildung von Kunstliebhabern und –interessierten. Sie liefern die Informationen, Vergleiche und Bewertungen zu den Bildern, sie sind die unabhängigen PR-Agenten, können protegieren und denunzieren. Inwieweit ihre Artikel und Interviews Karrieren und Preise direkt beeinflussen, lässt sich nicht exakt bestimmen, sie sind jedoch in jedem Falle meinungsbildend und können Diskussionen und Kontroversen mitinszenieren, die den Markt wiederum durch Entscheidungen von Akteuren, die u.U. auf den Kommentaren und Informationen der Journalisten beruhen, in Bewegung bringen.

Für nk. Galerien sind sie ein ideales Kommunikations- und damit Zugangsmittel zum Kunstmarkt. Sie können die experimentellen Phasen und Projekte der Galerie verfolgen und lassen diese, bewusst oder unbewusst, in ihren Erfahrungshorizont und ihre Arbeit mit einfließen und so die Ergebnisse der nk. Galerien unmerklich Einfluss auf die Wahrnehmung von Kunst haben. Kontakte zu Journalisten im Speziellen und Verbindungen zu den Medien im Zuge einer aufmerksamen Pflege des PR-Bereiches im Allgemeinen machen, sofern die Qualität der nk. Galerie hochwertig ist, eine Reputation durch den Kunstmarkt möglich, der die Kompetenz und das Prestige einer nk. Galerie widerspiegeln und steigern kann.

[...]


[1] „Die New Yorker Novemberauktionen von Sotheby's und Christie's setzten in den beiden Auktionswochen (2006) gemeinsam insgesamt 1,3 Milliarden US-Dollar um. Das ist ein Plus von 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zum ersten Mal wurde die Marke von 1 Milliarde US-Dollar überschritten. 470 Million US-Dollar gaben die Käufer allein für zeitgenössische Kunst aus.“, J. Lutteroth in Raum&mehr, Nr.1/2007, S. 31ff.

[2] „Fachleute empfehlen, in Kunst zu investieren, etwa fünf bis zehn Prozent des Portfolios.“ Johannes Heinzmann, Geschäftsführer des Art-Estate-Kunstfonds, zitiert in: ebd.

[3] s. Anhang: 2. Preisentwicklung von Kunstwerken.

[4] Einladungsfolder zum 12. Trendtag, Thema: Karma-Kapitalismus, Hamburg, 2007, www.trendbuero.com.

[5] Vgl. W. Dörstel, Kunstmarkt ohne Kunstwerk, in: Meyer/Even, Die Zukunft des Kunstmarktes, 2002, S.14.

[6] U. Klein, 1993, S.282.

[7] H. Bonus/D. Ronte, 1997, S.30.

[8] Vgl. U. Klein, 1993, S.283.

[9] B. M. Michael, zitiert in: A. Szymczyk, 2005, S.1.

[10] Ähnliches wird in der Musikhistorie diskutiert, die Mozart (1756-1791) als den ersten Musiker an der Schwelle zum freischaffenden Künstler sieht.

[11] Vgl. Theodor W. Adorno, Ästhetische Theorie, Frankfurt am Main, 1973, S. 336 zitiert in R. Schmücker, 2001, S.13.

[12] W. Henckmann/K. Lotter, 20042, S.23.

[13] Kluge, 200224, S.78.

[14] H. Böhme, 2006, S.366.

[15] http://www.prkolleg.com/aesthetik/101_07.html Art & Pop - kein Thema mehr?, 1998, S. 4.

[16] Vgl. U. Beck, 19861, S.212.

[17] Vgl. G. Schulze, 19951, S.33.

[18] A. Klein, 20052, S.142.

[19] ebd.

[20] Sammler W. Schürmann, zitiert in: W. Grasskamp, Der Sammler geht voran, in: Meyer/Evens, 2002, S.70.

[21] Erkenntnis durch Beobachtung.

[22] Als Beispiel sei das Site Specific Art Festival „Stromereien“ in Zürich genannt, das seit 2002 in einem Turnus von zwei Jahren ein bestimmtes Territorium in der Stadt bespielt. http://www.stromereien.ch.

[23] Vgl. A. Lindemann, 2006, S.40.

[24] Vgl. A. Lindemann, 2006, S.70.

[25] Erkenntnis durch Beobachtung.

Ende der Leseprobe aus 73 Seiten

Details

Titel
"New Art Spaces" - Nichtkommerzielle und virtuelle Galerien als neue Perspektiven für den Kunstmarkt
Hochschule
Hochschule Zittau/Görlitz; Standort Zittau
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
73
Katalognummer
V122036
ISBN (eBook)
9783640268849
ISBN (Buch)
9783640274444
Dateigröße
1046 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Spaces, Nichtkommerzielle, Galerien, Perspektiven, Kunstmarkt
Arbeit zitieren
B.A. Felicitas Aull (Autor:in), 2007, "New Art Spaces" - Nichtkommerzielle und virtuelle Galerien als neue Perspektiven für den Kunstmarkt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122036

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