„Sagt mir jemand, was Liebe ist?“ Eine große Frage – vielleicht die größte und wichtigste der Menschheit – und auch diejenige, deren Antwort die größte Herausforderung kostet. „Liebe ist zweier Herzen Freude“ – eine einfache Antwort, die ausdrückt, dass Liebe immer wechselseitig und glücklich sein muss, denn „tut sie weh, so heißt sie nicht wahrheitsgemäß Liebe“. In dieser Weise konstatiert zumindest Walther von der Vogelweide.
Erec und Enite lieben sich. Zwar nicht gleich zu Beginn ihrer Beziehung, aber ihre Zuneigung wächst und entwickelt sich zu einer großen Liebe. Ohne große Hindernisse kommen sie an ihr Ziel: sie gewinnen gemeinsam einen Ritterkämpfe und Schönheitspreise, ziehen ruhmreich am Artushof ein um dort Hochzeit zu halten, kehren in Erecs Heimat zurück und bekommen sogleich die Herrschaft übertragen. Aber am Höhepunkt ihrer Laufbahn und Gipfel ihrer Liebe, als alle Wünsche erfüllt zu sein scheinen, scheitern sie kläglich und fallen tief. Und die Liebe? Sie ist immer noch ihrer „zweier Herzen Freude“, dennoch wird sie zur Ursache ihres Scheiterns. Das Paar muss sein Ansehen restaurieren, seine Ehre wiederherstellen, sich auf einer langen âventiure-Fahrt neu beweisen.
Chrétiens de Troyes „Erec et Enide“ ist der erste Artusroman und auch eine der ersten Unternehmungen im europäischen Mittelalter einen weltlichen Stoff zu verdichten, Probleme zu behandeln, die von dieser Welt sind. So hier den Werdegang eines Ehepaares (Schmid 110). Hartmann von Aue hat die Geschichte von Erec ins Deutsche übertragen und ihr dabei seine eigene Färbung gegeben.
In dieser Arbeit wird der erste Teil Hartmanns Dichtung im Hinblick auf die Paarkonzeption analysiert. Erec und Enite werden von ihrer ersten Begegnung bis hin zu ihrer Herrschaftsübernahme in Karnant und dem darauf folgenden verligen begleitet: wie ihre Wege zusammen führen und nach einer gewissen gemeinsam zurückgelegten Strecke ihre Liebe entsteht und wächst, welcher Qualität diese ist, wie sie in der Ehe mündet und wie sie das Paar dort stolpern lässt; wie die beiden nicht nur die Stationen der Liebe durchwandern, sondern auch, wie sie parallel dazu die Stufen der Gesellschaft hinaufsteigen um den Gipfel der Anerkennung bei Hofe zu erklimmen – und wie sie schließlich bei der dortigen Gratwanderung das Gleichgewicht verlieren.
Und vielleicht findet sich auf diesem Wege sogar eine Antwort auf Walthers Frage nach der Liebe.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 minne
- 2.1 minne und Liebe - eine kurze Begriffserläuterung
- 2.2 Liebe und Ehepraxis im Hochmittelalter
- 2.3 Höfische Liebe in der Literatur
- 3 Charakteristik
- 3.1 Erec
- 3.1 Enite
- 4 Entstehung und Entwicklung der minne
- 4.1 Erste Begegnung in Tulmein
- 4.2 Sperberkampf in Tulmein
- 4.3 Heimritt
- 4.4 Hochzeit in Karadigan
- 4.5 Herrschaftsübernahme in Karnant
- 5 Das Verligen
- 5.1 Schuldfrage
- 5.2 Funktion
- 6 Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert den ersten Teil von Hartmanns von Aues "Erec" im Hinblick auf die Darstellung der Beziehung zwischen Erec und Enite. Ziel ist es, die Entwicklung ihrer Liebe von der ersten Begegnung bis zur Herrschaftsübernahme in Karnant zu untersuchen und deren Einfluss auf ihren gesellschaftlichen Aufstieg zu beleuchten.
- Entwicklung der Liebe zwischen Erec und Enite
- Der Begriff "minne" im Hochmittelalter und seine verschiedenen Bedeutungen
- Liebes- und Ehepraxis im Hochmittelalter im Kontext christlicher Moral
- Höfische Liebe in der Literatur des Mittelalters
- Der gesellschaftliche Aufstieg von Erec und Enite und dessen Zusammenhang mit ihrer Beziehung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die zentrale Forschungsfrage nach dem Wesen der Minne und ihrer Darstellung im Werk in den Kontext der Minne-Debatte des Mittelalters. Kapitel 2 untersucht den vielschichtigen Begriff "minne", seine verschiedenen Bedeutungsfacetten und den Unterschied zu "Liebe". Es werden die Liebes- und Ehepraxis des Hochmittelalters im Lichte christlicher Moralvorstellungen beleuchtet und die höfische Liebe in der Literatur dieser Zeit betrachtet. Kapitel 3 bietet eine Charakterisierung von Erec und Enite. Kapitel 4 beschreibt die Entwicklung der Beziehung zwischen Erec und Enite, von ihrer ersten Begegnung bis zur Übernahme der Herrschaft in Karnant. Kapitel 5 befasst sich mit dem "Verligen", wobei die Schuldfrage und die Funktion dieses Ereignisses untersucht werden.
Schlüsselwörter
Minne, Liebe, Ehe, Hochmittelalter, höfische Literatur, Erec, Enite, Hartmann von Aue, Paarkonzeption, gesellschaftlicher Aufstieg, christliche Moral.
- Quote paper
- Nike-Marie Steinbach (Author), 2008, Erec und Enites 'minne' auf dem Weg zur Herrschaftsübernahme, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122039