Irreduzibilität des Bewusstseins und dessen Implikationen bei David J. Chalmers und Daniel C. Dennett


Bachelorarbeit, 2021

62 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1. David Chalmers
2.1.1. Definition von Bewusstsein
2.1.2. Zwei Konzepte des Bewussten
2.1.2.a. Dualismus des Mentalen
2.1.2.b. Zwei Probleme des Leib-Seelischen
2.1.2.c. Zwei Bewusstseins Konzepte
2.1.3. Supervenienz
2.1.3.a. Lokale Supervenienz
2.1.3.b. Globale Supervenienz
2.1.3.c. Logische Supervenienz
2.1.3.d. Natürliche (nomologische) Supervenienz
Exkurs: Physikalismus/Materialismus
2.1.3.e. Voraussetzung, dass der Physikalismus wahr ist
2.1.4. Reduktive Erklärungen in der Welt
2.1.5. Kann das Bewusstsein auf das Physikalische reduziert werden?
2.1.5.a. Die logische Möglichkeit von Zombies
2.1.5.b. Invertierte (Farb-) Spektren
2.1.5.c. Epistemische Asymmetrie
2.1.5.d. Wissen Argument – Gedankenexperiment Mary von Jackson (1982)
2.1.5.e. Fehlende Analysierbarkeit
2.1.6. Reduktive Erklärungen von Bewusstsein versagen
2.1.6.a. Neurobiologische Erklärungen
2.1.6.b. Wäre eine neue Physik eine Lösung?
2.1.6.c. Evolutionäre Erklärungen
2.1.7. Naturalistischer Dualismus
2.1.7.a. David Chalmers Argument, warum der Physikalismus/Materialismus falsch ist
2.1.7.b. Spezieller Eigenschaftsdualismus
2.1.7.c. Ist Chalmers Position epiphänomenalistisch und ist das ein Problem?
2.1.7.d. Positionen und Typen von Meinungen über bewusste Erfahrung
2.1.8. Phänomenale Urteile
2.1.8.a. Definition phänomenaler Urteile
2.1.8.b. Das Paradox phänomenaler Urteile
2.2. Daniel C. Dennetts Gegenposition zu Chalmers
2.2.1. Quining Qualia
2.2.2. Phänomenologie und Heterophänomenologie
2.2.2.a. Ein Besuch im phänomenologischen Garten
2.2.2.b. Heterophänomenologie
2.2.3. Mit Chalmers Zombie Argument kann man nichts zeigen
2.2.4. Gegen den Dualismus
2.2.5. Phänomenale Urteile
2.3. Eigene Ansichten über die Reduzierbarkeit des Bewusstseins

3. Schluss

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Leute:

Was ist der sogenannte Geist?

Cleobulus:

Was man so Geist gewöhnlich heißt,

Antwortet, aber fragt nicht.

Johann Wolfgang von Goethe1

Die Frage nach dem Wesen des Bewusstseins ist eine der zentralen und auch verblüffendsten Fragen der Menschheit, die wahrscheinlich seit der Zeit gestellt wird, als der Geist im Menschen erwacht ist und nach Erkenntnis rief. In der täglichen Erfahrung ist das Bewusstsein allgegenwärtig und subjektive Erlebnisse sind auf so einer direkten Art und Weise gegeben, dass niemand, unter normalen Umständen, deren Existenz in Frage stellen würde. Die Neurowissenschaften versuchen seit langer Zeit erfolglos, ein Korrelat des Bewusstseins im menschlichen Gehirn zu finden und es ist fraglich, ob das jemals gelingen kann. René Descartes, sah das Bewusstsein gar nicht im Gehirn verortet, sondern postulierte eine res cogitans, eine eigene Substanz des denkenden Geistes, unabhängig von der res extensa, der Körperwelt. David J. Chalmers, mit dessen 1996 erschienenen Buch „The Conscious Mind – In Search of a Fundamental Theory“ diese Bachelorarbeit sich hauptsächlich beschäftigt, fragt nach dem subjektiven Charakter des Bewusstseins und dessen Status in einer vor allem naturwissenschaftlich, physikalisch geprägten Welt.

Im Verlauf dieser Arbeit wird sich zeigen, dass die Existenz des Bewusstseins, von Chalmers nicht in Frage gestellt wird, aber es schwierig ist, Bewusstsein zu fassen, da es eben nicht aus der Perspektive der dritten Person erklärt werden kann. Mit Hilfe u.a. des Zombiearguments zeigt er, dass consciousness nicht global logisch über dem Physikalischen superveniert, nicht auf das Physikalische reduzierbar ist und das der Physikalismus falsch ist. Er beschreibt einen „Naturalistic dualism“, einen speziellen Eigenschaftsdualismus der consciousness als grundlegendes Prinzip „over and above“ des Physikalismus betrachtet.

Daniel C. Dennett hingegen leugnet in seinem 1991 publizierten Werk „Consciousness explained“, dass es subjektive Erlebnisqualitäten überhaupt gibt, der Geist ist das Gehirn, Bewusstsein sei nur eine Illusion, so wie die Benutzeroberfläche eines IPhones. Bewusstseinsforschung muss sich, laut Dennett, an empirischen Modellen orientieren, diese Thesen werden sich jedoch im Lauf der Arbeit als nicht haltbar herausstellen.

Die Darstellung von David Chalmers negativer Theorie im Teil I und II seines Buches, die sich mit der Irreduzibilität des Bewusstseins und dem naturalistischen Dualismus beschäftigt, ist das Hauptthema dieser Arbeit, Chalmers positive Theorie im Teil III und IV, die sich mit einer neuen Theorie des Bewusstseins und weiteren applications beschäftigt, lasse ich aus Gründen des begrenzen Umfangs einer Bachelor Arbeit außen vor.

Daniel Dennett stelle ich als Gegenposition daneben, jedoch, aus Umfangsgründen, nur die Aspekte, die direkt auf Chalmers Argumentation eingehen, diskutiere diese vor dem Hintergrund Chalmers Thesen und schließe den Hauptteil der Arbeit mit eigenen Überlegungen zum Bewusstsein ab.

Diese Vorgehensweise versucht die Frage zu beantworten, wie Chalmers für die Irreduzibilität des Bewusstseins argumentiert, ob Dennetts Thesen eine plausible Gegenposition darstellen und wie sich eigene Überlegungen des Autors dieser Arbeit davon abgrenzen. Ich schließe die Arbeit zusammenfassend im Schluss ab.

Aufgrund mancher Schwierigkeiten eine gute Übersetzung aus dem Englischen zu generieren und aus Gründen der Verständlichkeit, übersetze ich die Zitate in der Arbeit nicht. Besonders deutlich wird dies bei der Übersetzung von „Mind“2 mit „Geist“, was nicht vollständig die Bedeutung des englischen Ausdrucks widerspiegelt. Ich stelle hier immer „Mind“ in Klammern bei.

2. Hauptteil

2.1. David Chalmers

2.1.1. Definition von Bewusstsein

Bewusstsein ist für David Chalmers einer der letzten, aber auch größten Rätsel der Menschheit. Es ist durchaus vorstellbar, dass das Bewusstsein von materiellen, den Gesetzen der Physik unterliegenden Dinge, wie dem Gehirn, erzeugt wird, es ist jedoch völlig unklar, wie dies geschehen kann,3 so dass selbst wenn wir ein detailliertes Wissen von der Funktionsweise des Gehirns und den neuronalen Korrelaten des Bewusstseins hätten, wir trotzdem nicht erklären könnten, wie und warum Menschen eine bewusste Erfahrung haben.4 Was versteht Chalmers unter Bewusstsein? Grundsätzlich sieht Chalmers Bewusstsein als einen primitiver Begriff, d.h. einen Begriff, wo es keinen Sinn mehr macht ihn weiter zu zerlegen, analog wie wir auch bei Begriffen wie Raum, Zeit oder Materie keine Grundlegendere finden können.5 Wie Thomas Nagel in seinem berühmten Aufsatz „Wie es ist eine Fledermaus zu sein“ sagt, hat ein Organismus dann eine bewusste Erfahrung, wenn es sich für diesen irgendwie anfühlt, diese Erfahrung zu haben (What is it like to...).6 Und es ist diese bewusste Erfahrung, die Chalmers unter consciousness versteht, die bewusste Erfahrung aus der ersten Person oder auch die subjektive Qualität der Erfahrung7, er beschreibt es so:

„[…] we can say that a mental state is conscious if it has a qualitative feel – an associated quality of experience. These qualitative feels are also known as phenomenal qualities, or qualia for short. The problem of explaining these phenomenal qualities is just the problem of explaining consciousness. This is the really hard part of the mind-body problem.”8

Was es mit diesem harten Problem des Leib-Seelischen auf sich hat und warum David Chalmers diese Qualität der Erfahrung als nicht auf das Physikalische reduzierbar betrachtet, erläutere ich im Laufe dieser Arbeit.

Ein mentaler Zustand wird, laut Chalmers, von einem qualitativen Sich - Anfühlen (Qualia oder Qualität) begleitet und diese bewusste Erfahrung kann man nicht objektiv voraussagen, z. B., indem man neuronale Prozesse im Gehirn und im Organismus misst oder die Qualia anhand bestimmter Vorgänge bestimmt. Chalmers definiert einen mentalen Status dann als bewusst, wenn er von Qualia begleitet ist.

Aber es ist schwierig oder wahrscheinlich unmöglich, aus der Perspektive der 3. Person, diese Art des Bewusstseins objektiv zu erfassen, es ist eben etwas Subjektives.

Warum nehmen wir es dann an, dieses Erleben aus der ersten Person heraus und warum wird ein bestimmter mentaler Zustand gerade von einer für diesen Zustand spezifischen Erfahrung begleitet, wie beispielsweise, wenn wir einen Ton hören, der am Klavier angeschlagen wird? Eine komplexe Kette von Ereignissen findet beim Hören eines Klaviertons statt, u.a. von der Vibration der Saite, der Ausbreitung der Schallwellen durch die Atmosphäre, die Schwingung des Trommelfells etc. bis zur Verarbeitung im auditiven Kortex, aber warum sollte dieser Vorgang von einem Erleben des Tones in seiner charakteristischen Art und Weise oder überhaupt von einer Erfahrung begleitet sein? Auf diese Fragen hat die Wissenschaft bis heute keine Antwort, dazu aber später.9 Aus der Erfahrung ist das bewusste Erleben für uns alle zentral, jeder von uns kennt es, es wegzudiskutieren, wie es beispielsweise Daniel Dennett in seinem Buch: „Consciousness explained“ (1991) versucht, ich komme später darauf, ist nicht offensichtlich nachvollzierbar, denn es widerspricht unser aller Erfahrung. Auch René Descartes stellt in seinem berühmten Werk „Mediationen“ an den Beginn seiner zweiten Meditation den Satz: „Über die Natur des menschlichen Geistes: daß er bekannter ist als der Körper“10 oder laut Chalmers:

„I presume that every reader has conscious experiences of his or her own. If all goes well, these characterizations will help establish that it is just those that we are talking about.”11

Sicher hat die Wissenschaft große Erfolge bei der Beschreibung verschiedener bewusster Vorgänge im menschlichen Körper erzielt und Funktionen, wie das Sehen, das Fühlen und weitere Sinnesqualitäten beschrieben, auch sind die körperlichen Funktionen und die morphologischen Korrelate bei Empfindungen wie Schmerz oder Temperatur kein Geheimnis mehr und die entsprechenden Hirnregionen sind durch funktionale MRT bzw. PET Scans12 oder auch durch die Messung von evozierten Potentialen im EEG13 identifiziert. Jedoch kennen wir keinerlei Korrelate zu dem, was diese körperlichen Funktionen begleitet, eben wie es sich anfühlt dieses oder jenes zu fühlen, tun oder zu haben.

Diese phänomenale Qualität des Erlebens begleitet ebenso unsere Gedanken und mentale Bilder oder erinnerte u.a. olfaktorische oder auditive Erlebnisse, die nicht aktuell erlebt werden oder nur in unserer Vorstellung sind.14 Es kommt nicht darauf an, wie komplex der bewusste Vorgang ist, sei es das Betrachten einer blauen Wand oder das Verfolgen von Wagners „Tristan und Isolde“.

Wichtig für das Verständnis von Chalmers Bewusstseinsbegriff ist, dass er Begriffe, wie u.a. consciousness, bewusstes Erleben, Qualia zu haben oder auch phänomenale Erlebnisse, synonym mit überhaupt bewusst sein, jedenfalls im zentralen Sinne, verwendet.15 Allerdings darf man diesen Begriff nicht mit awareness gleichsetzen, eine Erläuterung folgt. Im weiteren Verlauf der Arbeit werde ich, wenn ich nur Bewusstsein schreibe, immer conscious experience meinen, meine ich eine andere Art von Bewusstsein, schreibe ich awareness oder psychologisches Bewusstsein etc..

2.1.2. Zwei Konzepte des Bewussten

2.1.2.a. Dualismus des Mentalen

Bewusste Erfahrung beschreibt den Geist (Mind) jedoch nicht komplett, denn es gibt eine Vielzahl neurophysiologischer Untersuchungen und Erklärungen innerhalb der Kognitionswissenschaften, die u.a. ein bestimmtes Verhaltensmuster mentalen Zuständen kausal zuordnen. Diese Zustände können, müssen aber nicht bewusst sein. Chalmers unterscheidet deshalb zwischen phänomenalen und psychologischen Aspekten des Geistes:

„The first is the phenomenal concept of mind. This is the concept of mind as conscious experience, and of a mental state as a consciously experienced mental state. […] The second is the psychological concept of mind. This is the concept of mind as the causal or explanatory basis of behavior.”16

Möglicherwiese sind beide Aspekte ineinander verstrickt oder haben spezifische innere Verbindungen, für die derzeitige Betrachtung nimmt David Chalmers jedoch diese konzeptuelle Unterscheidung an.17 Der erste Aspekt ist der der Qualia, des Sich - Anfühlens, das qualitativ – bewusste, subjektive Erleben aus der ersten Person heraus. Wie gesagt, finden wir hierfür kein Korrelat in den Gehirnfunktionen und die Perspektive der dritten Person ist nicht hilfreich.

Der zweite Aspekt ist das psychologische Konzept des Mentalen. Hier können wir ein Korrelat in den Hirnfunktionen finden, es ist messbar und es ist hinreichend durch zerebrale Funktionen beschrieben. Auch Verhaltensmuster lassen sich rein auf der funktionalen Ebene beschreiben, so dass mentale Zustände dieses Verhalten determinieren. Bei diesem Aspekt spielen Erlebnisqualitäten keine Rolle, rein die kausale Verknüpfung von einem bestimmten Zustand und dem resultierenden Verhalten tritt in den Vordergrund. In diesem Fall sind mentale Zustände dann mental, wenn sie eine spezifische Rolle für das Verhalten spielen. Im Gegensatz zum Behaviorismus spielen, bei dieser Spielart des Funktionalismus, mentale Zustände durchaus eine Rolle bei der Erklärung u.a. eines Verhaltens oder des Lernens, jedoch ist es schwierig sich vorzustellen, dass eine derartige Kausalbeziehung unabhängig von einem phänomenalen Aspekt besteht. Aber es ist kohärent vorstellbar, dass die physikalische Ebene dadurch hinreichend beschrieben wird. David Chalmers spricht von der „funktionellen Analyse“ oder „Funktion und Rationale“, die er jedoch nicht für ausreichend erachtet, denn eben nur die psychologische Ebene wird erklärt, die phänomenale fehlt. Wir finden im Bewusstsein eben noch mehr, wie wir alle wissen und wie wir es täglich erleben.18 Beide dieser Aspekte sind real und zur Beschreibung des Geistes notwendig:

„The moral of this discussion is that both the psychological and the phenomenal are real and distinct aspects of mind. At a first approximation, phenomenal concepts deal with the first-person aspects of mind, and psychological concepts deal with the third-person aspects.“19

Nach Einteilung des Mentalen in zwei Konzepte, erörtert David Chalmers im Folgenden, wie sich durch diese beiden Aspekte Erlebnisse beschreiben lassen, dabei postuliert er, dass mentale Erlebnisse entweder komplett phänomenal, komplett psychologisch oder eine Kombination von beidem sind. Ein guter Test, ob ein mentaler Begriff primär psychologisch ist, sei:

“[…] Could something be an instance of M without any particular associated phenomenal quality? If so, then M is likely psychological. If not, then M is phenomenal, or at least a combined notion that centrally involves phenomenology.”20

Analog zum vorherigen Abschnitt der Arbeit, definiert sich laut Chalmers die phänomenale Komponente durch die direkte subjektive Erfahrung aus der ersten Person, der psychologische Teil hingegen durch Reaktionen auf Umweltreize, durch Verhalten und die Beziehung mit der objektiven dritten Person - Sicht. Tendenziell treten beide jedoch gleichzeitig auf (co-occurence), wobei es naheliegen würde, dass sich jemanden fragt, ob beide Aspekte nicht doch gleich sind und ob die gemachte Unterscheidung einen wirklichen Unterschied darstellt. Der Unterschied ist laut Chalmers jedoch konzeptioneller Natur, jemand kann nach einer Erklärung für das Phänomenale und ein anderer für die kausale Rolle fragen und das sind definitiv zwei verschiedene Fragen.21

Um beide Aspekte zu veranschaulichen, denken wir als Beispiel an den Schmerz beim Verbrennen an einer heißen Herdplatte, hier können wir die afferenten Nervenimpulse in den C-Fasern messen, die dem Gehirn eine Gewebeverletzung melden, dies löst eine Kausalkette aus und eine Schmerzvermeidungsaktion wird initiiert. Die Hand wird von der heißen Herdplatte weggezogen, das ist aus der dritten Person messbar und beobachtbar und dies ist eine Beschreibung der psychologischen Komponente des Mentalen. Begleitet wird es jedoch zusätzlich von dem subjektiven phänomenalen Erleben des Schmerzes, Ich erlebe den Schmerz, ich weiß, wie es ist Schmerz zu haben, die erste Person Perspektive und das ist nicht mess- oder beobachtbar, das ist subjektiv. Es ist nun nicht konzeptionell notwendig, dass der psychologische Schmerz von Erlebnisqualitäten begleitet wird, es ist aber eine Tatsache aus einer sehr langen Erfahrung, die soweit zurückreicht soweit es Menschen gibt und wahrscheinlich noch darüber hinaus, wenn wir an prä- humanoides, animalisches Leben denken.

Es ist somit, ein fact about the world, dass kognitive Vorgänge von phänomenalen Erlebnisqualitäten begleitet werden, je nach Art der Prozesse stehen dabei entweder mehr psychologische oder mehr phänomenale Aspekte im Vordergrund. Wichtig aber ist dabei:

„What counts is that there is no aspect of this state that outstrips both the psychological and the phenomenal (with perhaps a relational component thrown in). Psychology and phenomenology together constitute the central aspects of the mind.”22

Der Geist (Mind) wird somit durch beide Aspekte erschöpfend beschrieben, kein Begriff übertrifft der anderen. Wenn man sich ein identisches, menschliches Individuum mit gleichen mentalen und psychologischen Aspekten und die entsprechenden relationalen individuellen Eigenschaften denkt, dann ist es schwer vorstellbar, dass dieses identische Individuum anders denkt oder andere Erfahrungen hat. Denken wir auch an das Lernen, hier ist eher die psychologische Komponente im Vordergrund, bei den Emotionen, laut Chalmers, eher das Phänomenale. Wichtig ist dabei, dass es gemäß David Chalmers, keinen mentalen Zustand ohne eine dieser beiden Aspekte gibt, somit sind diese die zentralen Aspekte des Mentalen und obwohl sie völlig verschieden sind, sind sie doch zusammengehörig.23

Aber wie kann man diese Aspekte sprachlich beschreiben? Das ist laut Chalmers schwierig, da es nicht direkt eine vom Psychologischen unabhängige Sprache gibt. Die Qualia sind auf eine bestimmte Art auch ineffabel24. Wir versuchen diese mit extrinsischer Sprachausdrücken zu beschreiben, die nicht das intrinsische Erleben vollständig widerspiegeln. Denken wir an eine Grünempfindung, wir sprechen über die Erlebnisqualität, die erlebt wird, wenn ein mentaler Zustand, welcher von einer grünen Wahrnehmung, wie von Gras etc., kausal begründet ist. Wir sprechen von etwas wie: „Der phänomenale Zustand, der in der Wahrnehmung von Gras etc. begründet ist.“ Und genau der Erlebnisaspekt verhindert eine komplett funktionale Beschreibung. Allgemein ist die Erlebnisqualität nicht einfach P, sondern die bewusste Erfahrung, die P begleitet.25 Wir sehen, es gibt keine Begriffe, die den phänomenalen Aspekt genau beschreiben; Qualia ist, wie bereits beschrieben, grundlegend und lässt sich nicht in anderen Begriffen auflösen. Die begriffliche Unterscheidung genügt aber für die Analyse Chalmers.

2.1.2.b. Zwei Probleme des Leib-Seelischen

Wie wir gesehen haben, ist es empirisch nachvollziehbar, dass physiologische Vorgänge von phänomenalen Qualitäten begleitet werden, die Frage, die bleibt ist, warum das so ist und wo die Verbindung zwischen beiden Welten liegt. Chalmers nennt es, Jackendorff26 folgend mind-mind-problem, da es eben nicht ein Problem zwischen Körper und Geist (Mind) ist, sondern ein Problem der Verbindung zwischen zwei Aspekten des Geistes.27 Chalmers unterscheidet zwei Probleme, mit denen man sich bei einer möglichen Lösung des mind-mind-problems auseinandersetzen muss, das einfache und das schwierige Problem28. Das einfache Problem fragt, wie ein physisches System eine kausale Rolle für Bewusstsein spielen kann, das schwierige Problem hingegen, warum kognitive Funktionen von phänomenalen Erlebnisqualitäten begleitet werden bzw. wie die Verbindung zu dem Physischen ist.29 The easy part stellt hier die funktionelle Komponente des Bewusstseins dar, die kognitiven Prozesse, die prinzipiell der objektiven Bewertung aus der dritten Person heraus offenstehen. Hier werden Informationen erfasst, verarbeitet und es resultieren u.a. Verhaltensaktionen. The hard part geht darüber hinaus und ist immer noch ein großes Rätsel.

Wir haben gesehen, dass Chalmers eine psychologische und eine phänomenologische Komponente des Mentalen unterscheidet. Dem psychologischen Aspekt liegt die Frage zugrunde, wie ein physisches System kausal für bestimmte rezeptive Ereignisse, Wirkungen, Verhaltensweisen etc. sein kann. Diese Frage ist heutzutage recht gut beantwortet, es bestehen nur noch wenige Unklarheiten, wie beispielweise neurologische Korrelate bei pathologischem Verhalten bei einer Borderline Persönlichkeitsstörung, aber auch hier ist die Wissenschaft auf einem guten Weg. Die psychologischen Vorgänge lassen sich objektiv aus der dritten Personenperspektive erfassen und Theorien für potentielle Lösungen können durch Experimente validiert werden.

Schwieriger ist es, eine Theorie für das harte Problem aufzustellen. Hier sind die Zusammenhänge noch immer unklar, laut David Chalmers „as baffling as it ever was“30, es muss aber vermutlich eine wechselseitige Beziehung geben und diese Beziehung ist entscheidend, um bewusste Erfahrung zu verstehen.31

2.1.2.c. Zwei Bewusstseins Konzepte

Aus diesen zwei Komponenten des Mentalen folgert David Chalmers, dass das Bewusstsein ebenfalls aus zwei Eigenschaften zusammengesetzt sein muss, dass es psychologische und phänomenale Eigenschaften des Bewusstseins gibt und dass viele, eventuell sogar alle Bewusstseinsereignisse mit diesem bewussten Erleben einhergehen. Psychologische Eigenschaften bewusster Zustände, wie u.a. Selbstbewusstsein, Aufmerksamkeit, Wille, Wissen oder Wachheit nennt Chalmers awareness, wobei consciousness immer von awareness begleitet wird, es jedoch awareness ohne Erlebnisqualitäten gibt.32 Das awareness vorhanden ist, ist somit eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für consciousness. Im Zustand von awareness können wir Informationen erfassen und nutzen und unser Verhalten entsprechend modulieren. Man kann also etwas wissen, das man gelernt hat, ohne dabei zu erfahren, wie es ist, Wissen zu haben. Dies sollte den Neurowissenschaftlern leicht zugänglich sein, jedenfalls sollten es diesen und auch den Philosophen keine allzu großen Probleme bereiten und es dürfte eine Frage der Zeit sein, bis Lösungen für noch bestehende Probleme gefunden werden. Das wirkliche Problem liegt in der phänomenalen Komponente des Bewusstseins.33

2.1.3. Supervenienz

Um Davis Chalmers Argumentation bezüglich der Reduzierbarkeit bzw. Irreduzibilität des Bewusstseins auf das Physikalische nachvollziehen zu können, benötigen wir den Begriff der Supervenienz, der im Folgenden eingeführt wird.

„The notion of supervenience formalizes the intuitive idea that one set of facts can fully determine another set of facts.“34

Supervenienz beschreibt die Beziehung zwischen Eigenschaften von Gegenständen oder Fakten in der Welt. B – Eigenschaften supervenieren über A-Eigenschaften, wenn es keine mögliche Situation gibt, wo die Gegenstände bezüglich Ihrer A Eigenschaften identisch sind, sich aber in Ihren B-Eigenschaften unterscheiden.35 Chalmers unterteilt diese allgemeine Definition in spezifischere Definitionen, indem er das was man unter „Situation“ oder „möglich“ versteht, variiert. Dazu nach zwei Beispielen zur Veranschaulichung mehr. Betrachtet man beispielsweise biologische Vorgänge im menschlichen Körper, wie den der Energiespeicherung durch Adenosintriphosphat (ATP) in der menschlichen Zelle, so wird dieser biologische Vorgang immer von einem chemischen Vorgang begleitet, die Biologie superveniert hier über der Chemie. Auf der anderen Seite erwähnt Chalmers beispielsweise den Wert einer Sache, wie der des Bildes der Mona Lisa von Leonardo da Vinci, hier superveniert der Wert des Bildes nicht lokal über dem Physikalischen, denn eine exakte Kopie der Mona Lisa hätte bei Weitem nicht den Wert des Originals. Die A- Eigenschaften bei der Supervenienz sind hierbei meist die Grundlegenden, wie z.B. die physikalischen Gesetze und die B-Eigenschaften die darauf aufbauenden Eigenschaften, wie z.B. die Qualia, wobei im Verlauf dieser Arbeit zu klären ist, inwieweit Qualia über dem Physikalischen supervenieren.36

Chalmers unterscheidet verfeinernd lokale und globale, sowie logische und natürliche Supervenienz.

2.1.3.a. Lokale Supervenienz

Lokale Supervenienz bezieht sich auf die Eigenschaften eines lokalen Gegenstandes oder einer lokalen Gegebenheit:

„B-properties supervene locally on A-properties if the A-properties of an individual determine the B-properties of that individual – if, that is, any two possible individuals that instantiate the same A-properties instantiate the same B-properties.”37

[...]


1 Goethe, Gedicht: Die Weisen und die Leute, S. 444

2 „Mind“ kann u.a. mit „Geist“, „Verstand“, „Psyche“, „Sinn“ oder auch „Meinung“ übersetzt werden, aus linguee.de (online)

3 Vgl. Chalmers (1996), S. XI

4 Vgl. Chamlers (1996), S. 62ff

5 Vgl. Chalmers (1996), S. 4

6 Vgl. Nagel (2012), S.231

7 Vgl. Chalmers (1996), S. 4

8 Chalmers (1996), S. 4.

9 Vgl. Chalmers (1996), S. 5

10 Descartes, S. 27

11 Chalmers (1996), S. 4

12 MRT: Magnetresonanztomographie; PET: Positronenemissionstomographie

13 Mit bestimmten physiologischen Handlungen, wie z.B. das Hören eines Tons, korrelierende Änderungen der Hirnströme im Elektroenzephalogramm (EEG)

14 Vgl. Chalmers (1996), S.8ff

15 Vgl. Chalmers (1996), S. 6

16 Chalmers (1996), S. 11

17 Vgl. Chalmers (1996), S. 12

18 Vgl. Chalmers (1996), S. 11ff

19 Chalmers (1996), S. 16

20 Chalmers (1996), S. 18

21 Vgl. Chalmers (1996), S. 22

22 Chalmers (1996), S: 21f

23 Vgl. Chalmer (1996), S. 16ff

24 Englisch: ineffable: Unaussprechlich, unbeschreiblich

25 Vgl. Chalmers (1996), S. 23

26 Vgl. Jackendorff (1987)

27 Vgl. Chalmers (1996), S. 25

28 The hard and the easy problem or the hard and easy part of the problem

29 Vgl. Chalmers (1996), S. 24f

30 Chalmers (1996), S. 25

31 Vgl. Chalmers (1996), S.24f

32 Vgl. Chalmers (1996), S. 28

33 Vgl. Chalmers (1996), S. 24ff

34 Chalmers (1996), S. 32

35 Vgl. Chalmers (1996), S. 33

36 Vgl. Chalmers (1996), S. 32ff

37 Chalmers (1996), S. 33f

Ende der Leseprobe aus 62 Seiten

Details

Titel
Irreduzibilität des Bewusstseins und dessen Implikationen bei David J. Chalmers und Daniel C. Dennett
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Fakultät für Philosophie)
Note
1,7
Autor
Jahr
2021
Seiten
62
Katalognummer
V1220753
ISBN (eBook)
9783346646798
ISBN (eBook)
9783346646798
ISBN (eBook)
9783346646798
ISBN (Buch)
9783346646804
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bewusstsein, David Chalmers, Daniel Dennett, Irreduzibilität, Panpsychismus, Nahtoderfahrungen, Dualismus, Leib Seele Problem, Eigenschaftsdualismus, Body Mind Problem, Philosophie des Geistes, Supervenienz, Phänomenologie, Zombieargument, Philosophischer Zombie, hard problem, easy problem
Arbeit zitieren
Marc-Oliver Rauch (Autor:in), 2021, Irreduzibilität des Bewusstseins und dessen Implikationen bei David J. Chalmers und Daniel C. Dennett, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1220753

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