„Schluß mit der Neuen Sachlichkeit!“ Diesem Aufruf Joseph Roths aus dem Jahr 1930 folgten nur wenige Autoren. Um jedoch die komplexe Diskussion über die Neue Sachlichkeit vollständig erfassen zu können, scheint es geboten, auch die gegnerischen Stimmen in die literaturwissenschaftliche Untersuchung mit einzubeziehen.
Die hier vorliegende Ausarbeitung zu meinem Referat vom 10. Mai 2006, gehalten im Rahmen des Seminars „Geschlechterdiskurse in der Literatur der Neuen Sachlichkeit“ an der Universität Kassel, soll diesem Gebot ansatzweise Rechnung tragen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich dabei im Wesentlichen auf die Untersuchung von Sabina Becker: Neue Sachlichkeit. Band 1: Die Ästhetik der neusachlichen Literatur (1920-1933) , in welcher Becker nicht nur die Dimensionen neusachlicher Ästhetik näher beleuchtet, sondern vor allem auch deren Kritik in das Blickfeld rückt. Laut Becker handelt es sich dabei weniger um eine Kritik der neusachlichen Ideologie (so wie von vielen Literaturwissenschaftlern angenommen); vielmehr gehe es um die Beurteilung der neusachlichen Ästhetik, die von ökonomischen Gegebenheiten und Lebensbedingungen unabhängig sei.
Bevor es allerdings um die kritische Auseinandersetzung mit der Literatur der Neuen Sachlichkeit gehen kann, sollen einleitend zu dieser Ausarbeitung die ästhetischen Parameter dargestellt werden, welche für die neusachlichen Autoren konstitutiv gewesen sind, und auf die in der kritischen Debatte immer wieder Bezug genommen wird.
Ein Schwerpunkt dieser Arbeit liegt in der bisher wenig beachteten binnenkritischen sowie in der marxistischen Auseinandersetzung mit der Neuen Sachlichkeit, wobei vor allem der marxistische Kritiker Georg Lukács sowie der ungarische Kritiker, Schriftsteller und Filmtheoretiker Béla Balázs in den Mittelpunkt der Untersuchungen treten, die sich beide sehr intensiv mit der Literatur der Neuen Sachlichkeit auseinandergesetzt haben.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Dimensionen neusachlicher Ästhetik
- Die Kritik an der Neuen Sachlichkeit
- Die neusachliche Kritik an der Neuen Sachlichkeit
- Die marxistische Kritik an der Neuen Sachlichkeit
- Die Kritik Georg Lukács’
- Die Kritik Béla Balázs’
- Dokumentarismus
- Reportagestil
- Entpoetisierung / Entsentimentalisierung
- Antiindividualismus
- Gebrauchsliteratur
- Die rechtskonservative und völkisch-nationale Kritik an der Neuen Sachlichkeit
- Abschließende Bemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Ausarbeitung untersucht die Kritik an der Neuen Sachlichkeit, fokussiert auf die binnenkritische und marxistische Auseinandersetzung. Sie analysiert die ästhetischen Parameter der Neuen Sachlichkeit und beleuchtet verschiedene Kritikpunkte, ohne jedoch die Schlussfolgerungen vorwegzunehmen.
- Ästhetische Parameter der Neuen Sachlichkeit (z.B. Objektivität, Realitätsnähe, Reportagestil)
- Binnenkritik an der Neuen Sachlichkeit (Inkonsistenzen zwischen Anspruch und Praxis)
- Marxistische Kritik (Lukács, Balázs): Stilkritik und ideologische Einordnung
- Rechtskonservative und völkisch-nationale Kritik
- Die unterschiedlichen Positionen zur Rolle von Subjektivität und Emotion in der Literatur
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 (Einleitung): Einführung in das Thema und die Methodik der Arbeit, mit Bezug auf Sabina Beckers Studie zur Neuen Sachlichkeit.
Kapitel 2 (Dimensionen neusachlicher Ästhetik): Kurze Darstellung der zentralen ästhetischen Merkmale der Neuen Sachlichkeit, als Grundlage für die anschließende Kritik. Diese Merkmale umfassen Antiexpressionismus, Neonaturalismus, Objektivität und Präzisionsästhetik, Reportagestil und Dokumentarismus sowie die Entwicklung einer Gebrauchsliteratur.
Kapitel 3 (Die Kritik an der Neuen Sachlichkeit): Überblick über die verschiedenen Strömungen der Kritik, einschließlich der Binnenkritik, der marxistischen Kritik (Lukács und Balázs im Detail) und der rechtskonservativen Kritik. Dieses Kapitel analysiert die jeweiligen Kritikpunkte an einzelnen Aspekten der Neuen Sachlichkeit wie Dokumentarismus, Reportagestil, Entpoetisierung/Entsentimentalisierung, Antiindividualismus und Gebrauchsliteratur.
Schlüsselwörter
Neue Sachlichkeit, Ästhetik, Kritik, Georg Lukács, Béla Balázs, Marxismus, Rechtskonservatismus, Dokumentarismus, Reportagestil, Entpoetisierung, Entsentimentalisierung, Antiindividualismus, Gebrauchsliteratur, Binnenkritik, Realismus, Objektivität, Subjektivität.
- Arbeit zitieren
- Tino Wiesinger (Autor:in), 2006, "Und das wäre männlich?" (Béla Balázs): Zur Kritik an der Neuen Sachlichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122103