Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
1. Ziel der Untersuchung
II. Hinweisgeber
III. Richtlinie (EU) 2019/ 1937
1. Anwendungsbereich der Richtlinie
2. Meldewege: dreigliedriges Meldesystem
a) Wahl und Hierarchie der Meldekanale
b) Externe Meldekanale
3. Auswirkungen fur Unternehmen
a) Anonymitat der Meldewege
IV. Herausforderungen und Losungsansatze der EU-Richtlinie
1. Aktuelle Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland
a) Systematische Eingliederung der Richtlinie in das deutsche Rechtssystem
b) Offenlegung von Geschaftsgeheimnissen nach § 5 Nr. 2 GeschGehG
V. Fazit
1. Rechtspolitischer Ausblick
Literaturverzeichnis
Endnoten
I. Einleitung
1. Ziel der Untersuchung
Wer symbolisch in die Trillerpfeife blast (engl. whistleblowing), erregt Aufmerksam- keit, prangert einen Missstand an oder schlagt eventuell sogar Alarm.
Whistleblower haben sowohl in jungster als auch in zuruckliegender Vergangenheit bei der Aufde-ckung aller Arten von Missstanden in Unternehmen eine grofte Rolle gespielt. Bei-spielhaft sind die schlagzeilentrachtigen Themen wie dem Umgang der Trump-Ad-ministration mit internen Warnungen vor der Corona-Pandemie, dem Skandalfall der Wirecard AG oder der Berliner Altenpflegerin, welche Missstande in ihrem Pflege-heim offentlich machte und zu unrecht eine fristlose Kundigung erhielt.1
Es sind Falle wie diese, die zeigen, dass Whistleblower nicht ausreichend geschutzt sind. Hierbei haben Hinweisgeber nach Medienberichten fruhzeitig auf Handlungs- bedarf hingewiesen, ohne dass angemessene Maftnahmen zeitnah umgesetzt wur- den. Die Folgen fur potenzielle Hinweisgeber sind unterschiedlich, jedoch nur selten positiv. Blickt man auf andere Rechtsordnungen wie dem GeschGehG, sind die rechtlichen Gegebenheiten zum Schutz oder gar der Forderung von Whistleblowern vielgestaltig und in verschiedenen Reifephasen. Zur Gewahrleistung eines Mindest- schutzes im Europaischen Wirtschaftsraum hat die europaische Gesetzgebung durch die Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstofte gegen das Unionsrecht melden (Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europaischen Parlaments und Rates vom 23. Oktober 2019; „Whistleblower-Richtlinie“) die Mitgliedstaaten zu entsprechenden legislativen Maftnahmen verpflichtet, die am 16. Dezember 2019 in Kraft getreten ist.2 Die Mitgliedsstaaten haben nunmehr bis zum 17. Dezember 2021 Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.3 Die Richtlinie dient vor allem dem Schutz der Hinweisgeber, um jene vor Vergeltungsmaftnahmen zu schutzen.
„Deutschland hat bereits einen Entwurf fur ein „Hinweisgeberschutzgesetz“ fertigge- stellt und zur Abstimmung an die anderen Ressorts versandt.“4
In welchem Ausmaft Whistleblowern auch in Hinblick auf die deutsche Gesetzge- bung Schutz genieften, ist Teil dieser wissenschaftlichen Arbeit, welche anhand einzelner gesetzlicher Bestandteile veranschaulicht und hinterfragt wird. Diese Arbeit bietet zudem einen umfassenden Einblick in die Art und Weise der einzurich-tenden Meldekanale und stellt analog zur Thematik, die Herausforderungen und Losungsansatze, welche mit der Richtlinie einhergehen, gegenuber.
II. Hinweisgeber
Korruptes Verhalten in Unternehmen ist von auften kaum erkennbar. Um solche Korruptionsdelikte aufzuklaren, sind gezielte Hinweise von Insidern, sogenannten Hinweisgebern von Noten, die als Vertrauensperson propagieren oder eine Nahe- beziehung zum Tater pflegen. Laut einer wissenschaftlichen Studie aus dem Jahr 2019 haben Mitarbeiter nebst Kunden dabei nachweislich den hochsten Anteil, um als Hinweisgeber zu fungieren.5
Geht ein Whistleblower gegen den Arbeitgeber oder Missstanden im Unternehmen vor, so kann dies seinen Arbeitsplatz kosten. Zudem plagt die emotionale Belastung, denn Teile des sozialen Umfelds oder des Kollegiums konnten diesen als Verrater oder Denunzianten abstempeln. Auf der anderen Seite unterstutzen fremde Menschen im Sinne der Gerechtigkeit den Whistleblower in seinem Handeln. Inso- fern stehen Hinweisgeber haufig im Zwiespalt zwischen Moral einerseits und gesetzlichem Handeln andererseits.
Jeder Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhaltnis kann als Whistleblower agieren, sofern ihm Delikte wie Betrug, Korruption, illegale Preisabsprachen oder Diskrimi- nierung am Arbeitsplatz auffallen. Dabei sollte allerdings stets darauf geachtet wer- den, ob und wie der Vorfall kommuniziert wird. Denn nicht jede Bagatelle ist es wert, unangemessene Risiken auf sich zu nehmen. Beispielsweise ist es nicht gerade forderlich ein Vergehen wie die Mitnahme eines Kugelschreibers zu melden. Whistleblowern stehen zum Teil hohe juristische Hurden im Weg, Missstande extern zu melden oder Betriebsgeheimnisse an die Offentlichkeit zu tragen. Nachfolgend werden die juristischen Gegebenheiten fur Hinweisgeber weitgehend evaluiert.
III. Richtlinie (EU) 2019/ 1937
1. Anwendungsbereich der Richtlinie
EU-Richtlinien sind Bestandteil des Sekundarrechts der Europaischen Union. Art. 288 AEUV besagt, dass Richtlinien fur jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet werden, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich sind. Die Wahl der Form und der Mittel bleibt den innerstaatlichen Stellen indes selbst uberlassen.6 Richtlini- en sind im Gegensatz zu Verordnungen nicht sofort gultig. Die Mitgliedstaaten mus- sen verabschiedete Richtlinien daher zunachst in nationales Recht umsetzen, um die Anwendbarkeit jedes EU-Landes zu gewahrleisten. Die EU-Lander werden ermutigt, die Umsetzung auf weitere Bereiche zu erstrecken. Die nationale Aus- dehnung fur die Umsetzung der Richtlinie, sollte auch in Anspruch genommen werden, um unter anderem nach § 5 GeschGehG die Meldungen uber sonstiges Fehlverhalten, die im allgemeinen offentlichen Interesse liegen, zu schutzen. Die Einheitlichkeit nationaler Rechtsgebiete ist wichtig um einen effektiven Schutz fur Whistleblower zu gewahrleisten. Bislang stellte dies ein wesentliches Hindernis dar, welches mit Eingliederung der Richtlinie zermurbt werden soll und fur samtliche Beteiligten demnach eine sinnvolle Begleiterscheinung einhergeht. Forschungen haben mitunter nachweislich bewiesen, dass ein einheitlicher Anwendungsbereich und die dadurch erzeugte Rechtssicherheit, ein zentrales Kriterium fur den rechts- praktischen Erfolg von Whistleblowern Gesetzen sind.
Die Whistleblower-Richtlinie setzt gemeinsame Mindeststandards, um ein hohes Schutzniveau fur potenzielle Hinweisgeber zu forcieren. Sie umfasst Meldungen von Verstoften gegen bestimmtes Unionsrecht, insbesondere in den Bereichen des offentlichen Auftragswesens, der Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte und Finanzmarkte sowie Verhinderung von Geldwasche und Terrorismusfinanzierung, der Produktsicherheit, der Verkehrssicherheit, des Umweltschutzes, der Lebensmit- tel- und Futtermittelsicherheit, dem Tierschutz, der offentlichen Gesundheit, dem Verbraucherschutz, dem Schutz der Privatsphare und personenbezogener Daten sowie der Sicherheit von Netz- und Informationssystemen, Verstofte gegen finanzi- elle Interessen der Union und Verstofte gegen die Binnenmarktvorschriften.
Fallt der vermeintliche Verstoft in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie und entspricht der hinreichende Grund zur Annahme der Wahrheit, greifen die Schutzvorschriften, die den Hinweisgeber vor einer Reihe denkbarerer Repressalien schutzen sollen, ein. Hingegen fallen Meldungen sonstigen Fehlverhaltens, insbe- sondere rein „unethisches“ Fehlverhalten, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Der personliche Anwendungsbereich fasst mitunter die mit dem Hinweis- gebern in Verbindung stehenden Personen wie Mittler und Dritte mit ein. Durch die Ausweitung der Richtlinie, werden nun auch Kollegen oder Verwandte, wie auch juristische Personen mit dem der Hinweisgeber in einem beruflichen Kontext oder anderweitig in Verbindung steht, geschutzt.
2. Meldewege: dreigliedriges Meldesystem
Ab Dezember 2021 gelten die neuen gesetzlichen Anforderungen der in Kraft tretenden EU-Richtlinie 2019/1937.
1 Vgl. Weniger/Eikelmann/Teuscher 2016, S.14 ff.
2 Vgl. Preising/Rief/Vogt 2021, S. 6.
3 Vgl. ebd. S. 14 f.
4 Vgl. Weniger/Eikelmann/Teuscher 2016, S. 140.
5 Vgl. Preising/Rief/Vogt 2021, S. 5.
6 Vgl. ebd. S. 5 f.
- Arbeit zitieren
- Oliver Buxbaum (Autor:in), 2021, Whistleblowing-Systeme. Herausforderungen und Lösungsansätze nach der EU-Richtlinie 2019/1937, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1221195
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