Freundschaft nimmt einen großen Teil gesellschaftlichen Lebens ein. Gern laden wir unsere
Freunde zum essen ein, ermahnen unsere Kinder stets freundlich gegenüber Fremden zu sein
und helfen unseren Freunden, wenn sie Probleme haben.
Es ist ein sehr abstraktes System von einander mögen bis hin zu Abhängigkeiten und
Hilfeleistungen. Wir bezeichnen viele Menschen in unserem Kreis als Freunde, der Nachbar
ist ein Freund, der kleine Junge hat davon besonders viele – jeder Bekannte ist Freund. Und
dennoch ist der Schwager Schwager und nicht Freund, der Vater ist Vater, die Cousine erst
recht nicht die Freundin eines jungen Mannes.
Die Abgrenzung ist schwierig und auch die Definition eines besten Freundes ist kaum
möglich. Brauchen wir denn Freunde; ist jemand besser, desto mehr Freunde er hat; was darf
ich von meinen Freunden erwarten?
Bei genauerer Betrachtung wird eine Einordnung des Begriffes und aller konnotativen Werte
schwierig.
Die Breite des Begriffes spiegelt sich auch in der Nikomachischen Ethik, in den Büchern VIII
bis IX, wider (hier die deutsche Übersetzung in der Reclam-Ausgabe von Franz Dirlmeier).
Im Folgenden sollen die Ausführungen Aristoteles’ konzentriert werden. Die verschiedenen
Arten der Freundschaft und deren Bedingungen sind noch greifbar, doch bereits bei der Frage,
was die Freundschaft (philia) ist, der Definition, oder gar die Frage ob sie als oberstes Gut
fungieren kann oder eben doch nicht autark ist, treten Schwierigkeiten auf.
Die nachfolgende hermeneutische Textinterpretation befolgt die Stringenz der Nikomachischen
Ethik (NE) und versucht einen kurzen Überblick des Begriffes darzustellen.
[...]
Inhaltsverzeichnis
- I. Definition und Weite des Wortes Freundschaft
- II. Die Arten der Freundschaft
- a) Die Nutzenfreundschaft
- b) Die Freundschaft der Lust wegen
- c) Die vollkommene Freundschaft
- III. Wer kann einander Freund werden?
- IV. Grenzen der Freundschaft, Proportionalität und Gerechtigkeit
- a) Satzungsfreundschaft
- b) Gesinnungsfreundschaft
- V. Das Strebenswerte/Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Aristoteles' Ausführungen zur Freundschaft (philia) in der Nikomachischen Ethik (Bücher VIII-IX). Ziel ist es, Aristoteles' Konzept der Freundschaft, einschließlich seiner verschiedenen Arten und Bedingungen, kurz und prägnant darzustellen.
- Definition und Weite des Begriffs "Freundschaft" bei Aristoteles
- Unterscheidung verschiedener Arten von Freundschaft (Nutzen, Lust, vollkommene Freundschaft)
- Bedingungen und Grenzen von Freundschaft: Gegenseitigkeit, Gleichheit, Gerechtigkeit
- Das Verhältnis von Freundschaft, Tugend und dem höchsten Gut (eudaimonia)
- Probleme und Spannungen im Konzept der Freundschaft bei Aristoteles
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel I: Dieses Kapitel definiert den weiten Begriff der Freundschaft (philia) bei Aristoteles und nennt zentrale Bedingungen wie Gegenseitigkeit, Lebendigkeit, Sichtbarkeit, Zielwertigkeit, Einheitlichkeit und Dauerhaftigkeit.
Kapitel II: Hier werden die verschiedenen Arten von Freundschaft nach Aristoteles vorgestellt: die Nutzenfreundschaft, die Lustfreundschaft und die vollkommene Freundschaft. Die ersten beiden werden als weniger vollwertig dargestellt, da sie auf instrumentellen Zielen beruhen.
Kapitel III: Dieses Kapitel befasst sich mit der Frage, wer einander Freund werden kann. Es betont die Bedeutung von Wesensgleichheit und Trefflichkeit, räumt aber auch die Möglichkeit von Freundschaften zwischen Ungleichen ein, die jedoch als weniger vollkommen gelten.
Kapitel IV: Hier werden die Grenzen der Freundschaft untersucht, insbesondere im Hinblick auf Proportionalität und Gerechtigkeit im Geben und Nehmen. Die Satzungs- und die Gesinnungsfreundschaft als zwei verschiedene Formen der Freundschaft werden vorgestellt. Die Auflösung von Freundschaften wird ebenfalls thematisiert.
Schlüsselwörter
Nikomachische Ethik, Aristoteles, Freundschaft (philia), Nutzenfreundschaft, Lustfreundschaft, vollkommene Freundschaft, Tugend (arete), höchstes Gut (agathon kai ariston), Gegenseitigkeit, Gerechtigkeit, Proportionalität, Gleichheit, eudaimonia, Grenzen der Freundschaft.
- Quote paper
- André Mandel (Author), 2008, Zur Nikomachischen Ethik VIII bis IX: Freundschaft (philia), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122224