Mitte der 90er Jahre beginnt eine Flut von Kriminalromanen aus dem skandinavischen Sprachraum den deutschen Krimimarkt zu überfluten. Angeführt wird diese neue Riege von Krimiautoren durch Henning Mankell, der in kurzer Zeit eine große Fangemeinde in Deutschland findet. Europa befindet sich nach dem Fall der Mauer im Wandel und auch die nördlichsten Länder Europas sind davon betroffen. Henning Mankell nennt diese Zeit in dem Vorwort von „Wallanders erster Fall“ (erschienen 1999) die europäische Unruhe. In diesem Vorwort fragt Mankell nach den Chancen für das Überleben der Demokratie, wenn das Fundament des Rechtsstaates nicht mehr intakt ist. Europa befindet sich in einem neuen Bewusstsein für Verbrechen und Gewalt, die es umgeben. Terrorismus, Rassismus, Gewaltorgien, Soziopathie, Massenmord, Serienverbrechen erfassen alle Länder und drängen sich in die Wahrnehmung der Menschen. Damit verbunden wächst die Unsicherheit und die Wut dem Rechtsstaat gegenüber, der zusehends das Nachsehen Kriminellen gegenüber hat. Gewalt und Verbrechen sind zum Alltag geworden, die Nachrichten strahlen immer grausamere Verbrechen aus und Fiktionen aus Kinothrillern sind wirklich geworden. Keine pervertierten Darstellungen von Gewaltverbrechen sind mehr undenkbar.
„Serienkiller sind kein Phänomen der USA“, hat Henning Mankell einmal in einem Interview gesagt. In seinen Büchern beschreibt er die Verbrechen, die in seinem Land geschehen könnten. Geschehen könnten, weil der Rechtsstaat seiner Meinung nach nicht mehr ausreichend Schutz bietet. Sein Protagonist Kurt Wallander dient dabei als Sprachrohr für seine Kritik und der Erfolg seiner Bücher spricht dafür, dass seine Kritik nachvollzogen wird. Aber warum ist Kurt Wallander so glaubwürdig als Kritikübermittler? Warum der durchschlagende Erfolg seiner Fälle sowohl beim heimischen Publikum als auch in Deutschland? Ist seine Botschaft universal verständlich? Ist die Kritik am schwedischen Rechtssystem neu?
Um diese Fragen beantworten zu können, müssen unterschiedliche Aspekte beleuchtet werden. Die folgende Untersuchung gliedert sich in vier Teilbereiche, die subsummiert einen Erklärungsansatz liefern sollen.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Schweden im Brennpunkt
- 2.1 Aspekte der sozialen und geografischen Umwelt
- 2.1.1 Land und Klima
- 2.1.2 Soziodemografie
- 2.1.3 Wohlfahrtsstaat
- 2.1.4 Arbeitslosigkeit
- 2.2 Kriminalität in Schweden
- 2.2.1 Evaluierung im skandinavischen Vergleich
- 2.2.2 Auswertung
- 2.2.2.1 Erklärungsversuch
- 2.2.2.2 Kriminalstatistiken
- 2.2.3 Trends
- 2.2.4 Kriminalprävention in Schweden
- 2.2.5 Deutungsansatz
- 2.3 Die schwedische Polizei
- 2.3.1 Struktur und Fakten
- 2.3.1.1 Die Nationale Polizeibehörde
- 2.3.1.2 Die zentrale Verwaltungsbehörde
- 2.3.1.3 Nationale Abteilung für die Verbrechensaufklärung
- 2.3.1.4 Das zentrale forensische Labor
- 2.3.1.5 Die Sicherheitspolizei
- 2.3.1.6 Die lokalen Polizeibehörden
- 2.3.1.7 Die Nationale Polizeihochschule
- 2.3.2 Qualifikation und Standard
- 2.3.3 Kontrolle und Verantwortung
- 2.3.1 Struktur und Fakten
- 2.4 Der Fall Olof Palme
- 2.4.1 Die Tatsachen
- 2.4.2 Das Versagen der Polizei und die Folgen
- 2.4.3 Der Mythos und die Verschwörungstheorien
- 2.5 Der Fall Anna Lindh
- 2.5.1 Der Verlauf der Ermittlung
- 2.5.2 Das Versagen der Polizei im Fall Anna Lindh
- 2.5.3 Die Folgen
- 2.1 Aspekte der sozialen und geografischen Umwelt
- 3 Der Kriminalroman als Mittel zur Gesellschaftskritik
- 3.1 Historie der Gattung nach Ira Dschimmel
- 3.2 Der realistisch ambitionierte Kriminalroman
- 3.2.1 George Simenons Kommissar Maigret
- 3.2.2 Friedrich Dürrenmatts Kommissar Hans Bärlach
- 3.2.3 Truman Capote
- 3.3 Maj Sjöwall und Per Wahlöö
- 3.3.1 Die moderne schwedische Gesellschaft
- 3.3.1.1 Die Modernisierung
- 3.3.1.2 Bestandsaufnahme, Auswertung und Kritik
- 3.3.2 Wer ist Martin Beck?
- 3.3.3 Das Interview mit Maj Sjöwall
- 3.3.1 Die moderne schwedische Gesellschaft
- 4 Henning Mankell
- 4.1 Zur Person Henning Mankell
- 4.2 Ausgewählte Ansichten
- 4.3 Mankell und der Fall Anna Lindh
- 4.3.2 Gewalt
- 4.3.3 Terrorismus
- 4.3.4 Lösungen?
- 4.4 Wer ist Kurt Wallander?
- 5 Kurt Wallander
- 5.1 Der Mord an Anna Lindh
- 5.2 Die Bücher, die Fälle
- 5.3 Die Figur Kurt Wallander
- 5.3.1 Charakter
- 5.3.2 Eigenschaften, Einstellungen, Gedanken
- 5.3.3 Krankheiten, schlechte Angewohnheiten und Träume
- 5.3.4 Normalitätsaspekte
- 5.3.5 Alkohol
- 5.4 Der Vater
- 5.5 Die Familie, die Freunde, die Frauen
- 5.6 Der Beruf
- 5.7 Wallanders Kollegen
- 5.8 Die schwedische Polizei nach Kurt Wallander
- 5.8.1 Wallanders Pflichtverletzungen
- 5.8.2 Ernste Momente
- 5.8.3 Verbrechensdarstellungen
- 5.9 Wallanders Kritik an Schweden
- 5.10 Die Gesellschaftsdarstellung und Kritik nach Kurt Wallander
- 5.10.1 Die Ausländerthematik
- 5.10.2 Rassismus
- 6 Erkenntnissammlung und Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Gesellschaftskritik im schwedischen Kriminalroman am Beispiel von Henning Mankell und dessen Figur Kurt Wallander. Ziel ist es, den Erfolg Mankells und die Glaubwürdigkeit seiner Kritik zu erklären. Dafür werden der Zustand der schwedischen Gesellschaft, das schwedische Rechtssystem und der Kriminalroman als Medium der Gesellschaftskritik beleuchtet.
- Die Darstellung der schwedischen Gesellschaft und ihrer Probleme
- Der Kriminalroman als Instrument der Gesellschaftskritik
- Henning Mankells Intention und die Wirkung seiner Romane
- Die Charakterisierung Kurt Wallanders und seine Rolle als Sprachrohr
- Analyse der Kriminalfälle und ihrer gesellschaftlichen Relevanz
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 führt in das Thema ein und stellt die Forschungsfrage nach dem Erfolg von Mankells Romanen und der Glaubwürdigkeit seiner Kritik. Kapitel 2 beschreibt die Situation in Schweden, einschließlich Kriminalität, Polizei und wichtige Fälle wie die Morde an Olof Palme und Anna Lindh. Kapitel 3 behandelt den Kriminalroman als Medium der Gesellschaftskritik, mit Fokus auf Vorläufern Mankells. Kapitel 4 präsentiert Henning Mankell und seine Sichtweisen, während Kapitel 5 die Figur Kurt Wallander detailliert beschreibt.
Schlüsselwörter
Henning Mankell, Kurt Wallander, schwedischer Kriminalroman, Gesellschaftskritik, Schweden, Kriminalität, Polizei, Rechtsstaat, Soziale Probleme, Gewalt, Terrorismus, Rassismus.
- Arbeit zitieren
- Magister Artium Kevin Kutani (Autor:in), 2004, Gesellschaftskritik im schwedischen Kriminalroman am Beispiel von Henning Mankell, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122310