Traditionelle balinesische Tänze und Maskentanzspiele

Gelebter Mythos oder Schauspiel?


Hausarbeit, 2004

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Mythos, Kult und ihr Zusammenhang- theoretische Überlegungen

3. Ritual versus Theater

4. Das Beispiel Bali
Religiöse Hintergründe
Tanz und Maskentanzspiel
Barong und Rangda

5. Tanz und Maskentanzspiel auf Bali als Wiederholung mythischen Geschehens? Ein Fazit

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Beziehung von Ritual und Theater nach Schechner

Abb. 2: Barong kèt – Maske

Abb. 3: Barong kèt

Abb. 4: Rangda

Abb. 5: Rangda- Maske

Abb. 6: Das Auftreten der Rangda

Abb. 7: Rangda wird von den Anhängern des Barong gejagt

Abb. 8: Rangda und Anhänger Barongs in Trance

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Ausgangspunkt für meine Arbeit ist die Frage, ob und inwiefern dramaturgische Tanz- und Maskentanzspielaufführungen auf Bali als rituelle Wiederholung von mythischem Urzeitgeschehen oder eher als Schauspiele mit Theatercharakter aufzufassen sind.

Hierzu werde ich zunächst die theoretischen Grundlagen, die mich zu dieser Frage geführt haben, beleuchten, bzw. näher auf die Begriffe Mythos, Kult und Ritual eingehen und die für meine Analyse zentralen Aspekte dieser Begriffe herausarbeiten. Um Aussagen über den Ritual- bzw. Schauspielcharakter der auf Bali aufgeführten Dramen machen zu können, werde ich im Anschluss daran Theater und Ritual generell gegenüber stellen und deren Unterschiede beschreiben. Bevor ich im vierten Teil der Arbeit das Drama von Barong und Rangda exemplarisch für balinesische Maskentanzspiele beschreibe, werde ich im dritten Teil das Genre des religiös eingebetteten Tanzes und der Dramen im Allgemeinen vorstellen, um dann abschließend in einem Fazit zu versuchen, die von mir gestellte Frage zu beantworten.

2. Mythos, Kult und ihr Zusammenhang- theoretische Überlegungen

Um das traditionelle balinesische Theater in Verbindung zum Mythos und zum Kult zu setzen, ist es unerlässlich, sich zunächst die Frage zu stellen, was man unter ,Mythos’ bzw. unter ,Kult’ zu verstehen hat. Befragt man die Literatur hierzu, so liefert sie mannigfaltige Antworten, welche jeweils auf dem jeweiligen wissenschaftshistorischen Hintergrund beruhen.

Baumann[1] z.B. beschreibt Mythos 1959 als eine Gattung von Oralliteratur, er sieht Mythos als etwas Gesprochenes, Erzähltes, das für als wahr angenommen wird. Er sieht Mythos als “eine beglaubigende oder beglaubigte Aussage von etwas Geschehenem“ und ebenfalls als Ausdruck der Weltanschauung einer Gemeinschaft.

Jensen trifft in seinem Werk ’Mythos und Kult bei Naturvölkern’[2] die Unterscheidung zwischen ,echten’ und ,ätiologischen’ Mythen. Während es sich bei ersteren um den Ursprungs alles Lebens, bzw. aller Dinge erklärende, als wahr angesehene Schöpfungsmythen handelt, liefern letztere Erklärungen zur Entstehung bestimmter Eigenschaften von Menschen, Tieren oder Teilen der Natur und werden nicht als wahr erachtet, sondern eher wegen ihres unterhaltsamen Wertes geschätzt.

Im Allgemeinen werden diese von Jensen als ,wahr’ benannten Mythen als ,Kosmogonien’ bezeichnet. Sie handeln in einer Art Urzeit und berichten von der Schöpfung und vom Ursprung der Welt, vom Anfang allen Geschehens und somit unter anderem auch von der Herkunft der Menschen und aller Dinge. Im Gegensatz dazu beziehen sich ,Kosmologien’ auf den Erhalt und die Entwicklung der Dinge, bzw. darauf, wie diese sich zusammenfügen und liefern Deutungen und Erklärungen. Bei ,Eschatologien’ handelt es sich um Deutungen der letzten Dinge, um Erwartungen bzw. Lehren vom Ende der Welt.

Eliade[3] erstellt eine Typologisierung der Kosmogonien aufgrund inhaltlich in allen Mythen sich wiederholender Elemente, wie z.B. der Zerstückelung von Urwesen oder sakrifizieller Gewalt im Allgemeineren.

Unter dem Begriff Kult werden in der Regel die Verehrung bzw. die Anbetung von numinosen Wesen wie zum Beispiel Gottheiten, aber auch von Heiligen oder anderen speziellen Personen wie Stars oder charismatischen politischen Führern verstanden. Im Bereich des Kultes eingebettet sind Riten. Als solche werden im Allgemeinen an das Numinose gerichtete Handlungsabläufe oder Ausübungen bezeichnet, welche sich vom Alltag abheben und das Ziel verfolgen, sich das Heilige gemeinschaftlich anzueignen. Mehrere Riten, welche in einer bestimmten, festgelegten Abfolge stattfinden, werden als Rituale bezeichnet. Sie sind unabhängig von Zeit und Raum und können jederzeit identisch wiederholt werden. In der Regel ist ihre Durchführung aber an bestimmte heilige Orte und festgelegte heilige Zeiten gebunden, welche sich zum Beispiel durch bestimmte Zeitabstände zwischen ihrer Durchführung herleiten. Oft erfordern sie bestimmte Vorbereitungen wie eine Reinigung oder Isolierung der Ausübenden. Die Abhebung der Riten bzw. der Rituale vom Alttag, also eine Sakralisierung des Profanen, erfolgt zum Beispiel durch den Einsatz von Symbolen oder einer bestimmten Gestik oder Sprache. Das Gros der Religionswissenschaftler und Religionsethnologen geht davon aus, dass Kult im Mythos begründet ist und sich aus diesem ableitet. Die Kultpraxis ist vielfältig, es finden sich zum Beispiel Kultspiele, Prozessionen oder Bilderkult.

Das Interesse an, bzw. die Erforschung von Mythen und Kult geht zurück bis in die Renaissance, in der das Augenmerk des Interesses auf den Mythen der alten Griechen und Römer lag und hält bis heute an. Mit der Etablierung der Ethnologie als eigener Wissenschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts weitete sich der Blick auch auf die Mythen und Rituale nichteuropäischer Kulturen. Das 19. und das 20. Jahrhundert brachten mit dem Durchlaufen der verschiedenen bekannten theoretischen Strömungen auch eine Vielzahl theoretische verschieden geprägter Untersuchungen über Mythos und Kult hervor, welche von Fraziers stark evolutionistischen Ausführungen ,The Golden Bough’ über die strukturalistischen Werke Levi-Strauss zu Betrachtungen der Neuzeit reichen. Weitere wichtige Beiträge zur Mythenforschung lieferten unter anderem G. van der Leeuw, W. R. Smith, R. Girard, C. G. Jung, K. Kerényi oder R. Pettazoni. Abgesehen von der Betrachtung von Mythos und Kult auf dem Hintergrund verschiedener theoretischer Strömungen wurden diese ebenfalls aus verschiedenen wissenschaftlichen Blickrichtungen betrachtet. Neben ethnologischen oder religionswissenschaftsgeschichtlichen Abhandlungen des Themas finden sich ebenfalls psychologische oder linguistische Ansätze. Eine detaillierte Beschreibung der Geschichte der Mythen- und Kultforschung würde zum einen den Rahmen dieser Arbeit sprengen und ist zum anderen für die untersuchte Fragestellung nur von nebensächlicher Bedeutung, so dass ich nur kurz auf die Ideen einiger Autoren näher eingehen werde, welche sich mit einem für meine Analyse zentralen Punkt der Mythenforschung beschäftigen, nämlich dem der Wiederholung von Urzeitgeschehen bei der Erzählung der Mythen und im Kult, was bereits impliziert, dass ich mich auf in Jensens Sinne ,wahre’ Kosmogonien bzw. Kosmologien beziehen werde, während die Eschatologien in meiner Arbeit keine Rolle spielen werden. Einen guten Überblick über die genauen Inhalte und Entwicklung der Mythenforschung im 19. und 20. Jahrhundert liefert das Werk ,Die Eröffnung des Zugangs zum Mythos’ von K. Kerényi in Zusammenhang mit den Publikationen ,The Myth and Ritual Theory’[4] und ,Theorizing about Myth’[5] von R. A. Segal.

Wendet man sich der Auffassung zu, dass ein wesentlicher Aspekt von Mythen darin liegt, dass in ihnen bzw. in ihrer Rezitation Urzeitgeschehen wiederholt wird, so finden sich zahlreiche Überlegungen hierzu in der Literatur.

So findet sich die folgenden Aussagen z.B. bei G. Van der Leeuw[6]:

„...Er (der Mythos) ist ein gesprochenes Wort, das entscheidende Macht besitzt, indem es wiederholt wird. Denn genauso, wie es zum Wesen der heiligen Handlung gehört, daß sie wiederholt wird, liegt es im Wesen des Mythus, daß er erzählt, immer wieder von neuem gesprochen wird. ... Der Mythus ist mithin keine Betrachtung, sondern eine Aktualität. Er ist die weiderholende Aussage eines mächtigen Geschehens; die Aussage aber ist so gut wie die Wiederholung. ...Was in der Natur jeden Tag geschieht, z.B. der Sonnenaufgang, wird im

Mythus etwas Einmaliges. Man soll es wiederholen, damit das Geschehnis lebendig bleibe. Das mythische Geschehen ist typisch und ewig; es liegt außerhalb aller Zeitlichkeit. Versucht man es dennoch zeitlich zu fixieren, so muß man es entweder an den Anfang oder an das Ende alles Geschehens stellen, in Urzeit oder Endzeit, d.h. vor oder nach der ,Zeit’.“

M. Eliade[7] sagt :

„ ... Selbst der kosmogonische Mythos ist eine Geschichte, denn er erzählt alles, was sich ab origine zugetragen hat. Es handelt sich dabei nicht um eine ,Geschichte’ im modernen Sinn des Wortes – um irreversible und unwiederholbare Ereignisse – sondern um eine exemplarische Geschichte, die sich (periodisch oder nichtperiodisch) wiederholen kann, deren Bedeutung und Sinn gerade in ihrer Wiederholung liegt. Die Geschichte, wie sie im Ursprung war, muß sich wiederholen, weil jede uranfängliche Epiphanie reich ist und sich nicht in einer einzigen Manifestation erschöpfen kann. ...“

Es findet sich ebenfalls die Auffassung, dass in Ritualen ebenfalls häufig Urzeitgeschehen wiederholt wird.

Van der Leeuw[8] zitiert Preuss:

„..Er (Der Ritus) weist in die Vergangenheit, wo die heilige Handlung zum erstenmal vorgenommen wurde, ja es lässt sich sogar nachweisen, daß der Primitive nicht etwa bloß den eingeführten Vorgang wiederholt, sondern bewusst die erstmalige Begehung als wirklicher Vorgang mit allen den damals teilnehmenden Wesen leibhaftig dargestellt wird.“

Auch Eliade[9] sieht Rituale als

„... re-enactment of this primal myth, bringing the past continuously into the present...“

Zusammenfassend ist noch einmal zu betonen, dass die von mir zitierten Autoren also einen unmittelbaren Zusammenhang von Mythos und Kult annehmen. Dieser bezieht sich darauf, dass in den Mythen vom wahrhaftigem Urzeitgeschehen berichtet wird, und dieses Geschehen zum einen durch die Rezitation der Mythen selber lebendig gehalten bzw. wiederholt wird, und zum anderen eben genau durch die Kulthandlungen. Die Abläufe haben sakralen Charakter, es wird das Urzeitgeschehen nicht nachgeahmt, um sich seiner zu erinnern, sondern es wird wieder zu Realität und findet erneut statt, es wird wiederholt.

3. Ritual versus Theater

Wie bereits angesprochen, ist das Feld der kultischen Praxis sehr breit. Es liegt nun die Frage nahe, ob und inwieweit dramatische Aufführungen religiösen Kontexten Urzeitgeschehen wiederholen, also als kultische Handlungen bzw. als Rituale aufzufassen sind. Eben die Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung wird zu meiner These führen, dass es sich beim balinesischen Maskenspiel um eine rituelle Wiederholung von im Mythos belegtem Urzeitgeschehen handelt.

Um diese Frage zu beantworten, ist es vonnöten, sich zunächst Gedanken darüber zu machen, auf welche Weise sowohl Rituale und Theater als auch Rituale und Tanzaufführungen miteinander in Beziehung stehen. Fiona Bowen[10] sieht den Hauptunterschied zwischen Ritualen und Theater darin, dass es sich bei ersterem nicht um eine gespielte, einem Skript folgende Aufführung von Schauspielern, einem Spiel, handelt, sondern um ,wirkliche’ Handlungen, welche von ,wirklichen’ Personen, von direkten Mitgliedern der Gemeinschaft der Zuschauer durchgeführt werden. Schechner[11] trifft seine Unterscheidung, ob es sich bei einer Aufführung eher um ein Ritual oder eher um Theater handelt, anhand von Kontext und Funktion der Aufführung, wobei er sich an den Eigenschaften ,efficiency’ und ,entertainment’ orientiert. Hierbei definiert er efficacy als „ability to effect transformations“. Er sieht diese beiden Eigenschaften als an den Endpunkten eines Kontinuums stehend und ordnet das Ritual efficacy und das Theater entertainment zu und assoziiert beide Eigenschaften jeweils mit weiteren Facetten von Aufführungen wie in Abbildung 1 ersichtlich.

Abb. 1: Beziehung von Ritual und Theater nach Schechner

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Bowen, 2002, S.150

[...]


[1] Baumann, H.. Mythos in ethnologischer Sicht. Berlin. S. 80ff.

[2] Jensen, A. E.. Mythos und Kult bei Naturvölkern. Wiesbaden. 1951.S. 87 ff.

[3] Eliade, Mircea. Nach Vorlesung „Mythos und Kult“ Prof. B. Benzing. WS 2003/04. Georg- August-Universität Göttingen.

[4] Segal, R. A. , ,The Myth and Ritual Theory – An Anthology’, Malden und Oxford, 1998

[5] Segal, R. A., ,Theorizing about Myth’, Boston, 1999

[6] Van der Leeuw, Phänomenologie der Religion. 1933 § 60

[7] in: Schebesta, P.. Ursprung der Religionen. 1960. S. 81

[8] Van der Leeuw, Phänomenologie der Religion. 1933 § 65

[9] in: Schebesta, P.. Ursprung der Religionen. 1960. S. 82

[10] Bowen, Fiona. The Anthropology of Religion. 2002. S. 159

[11] in: Bowen, Fiona. The Anthropology of Religion. 2002. S. 159/160

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Traditionelle balinesische Tänze und Maskentanzspiele
Untertitel
Gelebter Mythos oder Schauspiel?
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Institut für Ethnologie)
Veranstaltung
Mythos und Kult
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
21
Katalognummer
V122368
ISBN (eBook)
9783640275847
ISBN (Buch)
9783640275830
Dateigröße
3323 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Traditionelle, Tänze, Maskentanzspiele, Mythos, Kult
Arbeit zitieren
Diplom-Volkswirtin Benedikta Tölke (Autor:in), 2004, Traditionelle balinesische Tänze und Maskentanzspiele, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122368

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