Der Sturz von Heinrich dem Löwen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

21 Seiten, Note: 1.6


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Vorwort

II. Grundlegendes
2.1. Der Forschungsstand
2.2. Die Quellenlage

III. Vorgeschichte
3.1. Der Aufstieg des Löwen
3.2. Der Bruch mit Barbarossa

IV. Der Prozess
4.1. Die Chronologie der Hoftage
4.2. Die Folgen für den Löwen

V. Fazit

VI. Literatur- und Quellenverzeichnis

I. Vorwort

Der Sturz von Heinrich dem Löwen ist unumgänglich mit der Geschichte der frühen Stauferzeit und ihrem mächtigen Herrscher Friedrich Barbarossa verbunden. Die bedeutende Zäsur, welche zur Entmachtung des umstrittenen Welfen führte, gehörte zu den folgenreichsten Ereignissen der damaligen Zeit, zumal damit ein maßgeblicher Wandel in der Reichsverfassung ausgelöst wurde.

Heinrich dem Löwen, der durch sein geschicktes Taktieren einer der mächtigsten damaligen Landesherren wurde, gelang es in verhältnismäßig kurzer Zeit, sein Machtpotential zu vermehren und auszubauen. Daher war es nur eine Frage der Zeit, wann es zu einer Intervention hinsichtlich seiner provokativen Bestrebungen kam, denn er stellte eine Bedrohung für die Machtverhältnisse im Reich dar. Die Fürsten, aber auch Barbarossa selbst, hatten demnach großes Interesse an einer Lösung dieses Problems, sodass es zu dem bekannten Prozess kam, der auch als ‚Sturz des Löwen’1 bezeichnet wurde.

So wird sich die vorliegende Arbeit mit den unterschiedlichen Umständen und dem Verlauf des Entmachtungsprozesses des Welfen beschäftigen. Dabei soll Grundlegendes zum Forschungsstand und der Quellenlage in II. dargestellt werden. Der Betrachtung dient hierbei die berühmte Gelnhäuser Urkunde von 1180, welche bekanntermaßen die Niederschrift und die Bestimmungen zur Neuvergabe der Reichslehen beinhaltet. Anschließend wird dann in III. die Vorgeschichte bzw. der Aufstieg von Heinrich dem Löwen verfolgt und in IV. der Prozess anhand der Hoftage geschildert. Die einzelnen Stationen mit ihrem z.T. unterschiedlichen Gewichtungen im Hinblick auf den Ausgang des Verfahrens schließen in 4.1. an, sodass neben den Folgen für Heinrich, sowie für das Reich und Barbarossa, das Fazit mit der Zusammenführung der Einzelergebnisse am Ende der Arbeit stehen kann.

Die Geschichtsforschung und die breite Öffentlichkeit haben sich in beträchtlichem Maße mit dem Wirken Friedrich I. und so auch mit der Entmachtung Heinrich des Löwen auseinandergesetzt. Die Geschehnisse und ihre Konsequenzen wurden so auch als ‚Markstein deutscher Geschichte’2aufgefasst. Ob die zitierten Ereignisse den vielen Interpretationen gerecht werden, versucht die Arbeit im Folgenden herauszustellen.

II. Grundlegendes

2.1. Der Forschungsstand

Im Zuge der 800jährigen Feiern anlässlich des folgenreichen Hoftages von Gelnhausen, wurde 1980 im gesamten Bundesgebiet durch Ausstellungen, Vorträge und Schriften den Staufern und ihrem Wirken gedacht. Durch die erneute Beschäftigung mit der Zeit Barbarossas und dem Prozess von Heinrich dem Löwen, entstanden eine Vielzahl von aktualisierten, als auch neu publizierten Ausgaben zu diesem Thema. So verfasste bereits 1979 Karl Jordan seine bekannte Biographie Heinrichs, in der er herausstellte, dass neben Friedrich auch die Fürsten einen hohen Anteil an der Entmachtung des Welfen innehatten3. Auch Wolf-Dieter Mohrmann trug mit seiner Herausgeberschrift4zur Aufarbeitung des Forschungsgegenstandes bei. Doch schon im 19. Jahrhundert widmeten sich die Wissenschaftler dem Hoftag von Gelnhausen, sowie seiner Vorgeschichte und den Folgen. So führten die damaligen Untersuchungen zu einer Kontroverse zwischen Historikern und Rechtshistorikern, die ihren Höhepunkt zwischen 1867 und 1871 erreichte5. Im Mittelpunkt dieser Kontroverse stand die Gelnhäuser Urkunde und die verschiedenartigen Meinungen hinsichtlich des genauen Prozesshergangs. Vor allem die Nachforschungen von Ludwig Weiland6, Julius Ficker7 und Georg Waitz8spielten hierbei eine wesentliche Rolle, sodass dann am Beginn des 20. Jahrhunderts eine umfangreiche Arbeit von Ferdinand Güterbock9 vorgelegt wurde. Darin kam er zu dem Ergebnis, dass Heinrich durch das selbst beanspruchte Faustrecht, einen nicht unerheblichen Anteil an seinem späteren Schicksal trug.

Auch während der Zeit des Ersten Weltkrieges und der Weimarer Republik thematisierten diverse Schriften10das Wirken von Heinrich, aber erst im National- sozialismus kam es zu einer ideologischen Aufladung der Gesamtthematik, was exemplarisch an Hitlers Umbenennung des militärischen Unternehmens ‚Fritz’ in ‚Barbarossa’ offensichtlich wurde. Durch die Erinnerung an den Kreuzzug sollte die Vernichtung von Andersgläubigen und die Inbesitznahme der Länder des europäischen Ostens vorangetrieben werden. Während des 2. Weltkrieges veröffentlichten vor allem Johannes Bauermann11und Carl Erdmann12Schriften zum Prozess und der Gelnhäuser Urkunde.

In der neueren Zeit und nach den Veröffentlichungen des Jubiläumsjahrs von 1980, traten erst wieder in den 1990’er Jahren bedeutsamere Arbeiten in Erscheinung, wie z.B. die Beiträge von Werner Hechberger13und Joachim Ehlers14. Schließlich zählt heute der umfangreiche Katalog von Jochen Luckhardt und Franz Niehoff zu den aktuellsten Gesamtdarstellungen zu Heinrich dem Löwen15, welcher vielschichtige Informationen in Form von Aufsätzen, Bild- und Quellenmaterial beinhaltet. Stefan Weinfurter hat in diesem Zusammenhang über die Entmachtung Heinrich des Löwen geschrieben und stellte dabei heraus, dass an dem umfassenden „[…] Verfassungs- und Strukturwandel“, denn so schäle es sich heraus, „offensichtlich in hohem Maße die geistlichen Fürsten beteiligt gewesen sind, die sich dem intensiven Ausbau ihrer Landesherrschaft widmeten.“16

Da durch die Ausführungen die starke rechtliche Komponente und damit die Einzigartigkeit der Gelnhäuser Urkunde deutlich wird, soll im Folgenden diese Quelle näher beschrieben und ihre Geschichte aufgezeigt werden. Da alle Fürstenurteile mündlich herbeigeführt wurden, sei ihr naturgemäß knapper Text, so Odilo Engels, die einzig ergiebige Quelle und gebe heute noch Rätsel auf17.

2.2. Die Quellenlage

Der Rechtsinhalt der Gelnhäuser Urkunde lautet im Wesentlichen, dass Friedrich I. mit den Zustimmungen der Fürsten das Herzogtum Westfalen, welches er aus der Teilung des Herzogtums Sachsens geschaffen hatte, der Kölner Kirche bzw. ihrem Erzbischof Philipp übertragen hat und der übrige Teil an Herzog Bernhard von Anhalt entfällt. Zur Glaubhaftmachung des Ganzen wurde daher das Diplom „mit der goldenen Bulle Unserer Hoheit versehen“18. Des weiteren beinhaltet die Urkunde die Anklagepunkte und deren Begründungen: Heinrich der Löwe hat sich unrechtmäßig den Besitz der Kirchen angeeignet, ist deshalb vor das kaiserliche Gericht bestellt worden und ist nicht erschienen. Daher ist die Acht auf ihn verfallen19. Da er sich aber weiterhin gegen andere Fürsten vergangen hat und den Kaiser missachtet, indem er erneut fernblieb, wurde er in Abwesenheit verurteilt und ihm seine Reichslehen entzogen20.

Bei der äußeren Form der Urkunde fällt die gradlinige Schrift der Titelzeile und ihr Zierwerk auf, welche, auf Pergamentpapier geschrieben, die einleitenden Bemerk- ungen vom übrigen Rechtstext sichtlich abheben. Die Feierlichkeit und die Beurkundung des Dokumentes wird durch die kaiserliche Goldbulle abgerundet, was den hochoffiziellen Charakter des Schriftstückes belegt. So ist sie ein Erzeugnis des Rechtslebens und nicht ein Produkt einer Geschichtsschreibung oder eines sonstigen menschlichen Dokumentationswillens21. Der Verfasser der Urkunde war der Kanzler Barbarossas Gottfried von Straßburg, der diese im Zuge des Hoftages am 13. April 1180 verfasste. Er wird auch im Anhang bei der Nennung der Anwesenden aufgeführt22. Gemäß der kaiserlichen Bestimmungen war es daher schlüssig, dass die Urkunde im Anschluss in das Archiv des Kölner Erzbistums überging. Jedoch konnte dadurch nicht verhindert werden, dass sie schon im Mittelalter z.T. gravierende Verfallsspuren aufwies und die Schrift des Textes kaum noch zu entziffern war23. So wurde eine Kopie notwendig, die nunmehr seit dem Jahre 1306 in den Kölner Kopialbüchern aufbewahrt wurde. Dennoch bestanden orthographische, aber auch grammatikalische Ungereimtheiten, die nicht erschöpfend ausgeräumt werden konnten. Folglich wurde immer wieder über die Auslegung des Textes gestritten.

Am Beginn des 20. Jahrhunderts beschäftigte sich vor allem Ferdinand Güterbock aus paläographischer Sicht mit der Gelnhäuser Urkunde, die durch Verwässerungen, Vergilbungen und Ausreißungen schwer beschädigt war. Obwohl die Rekonstruktion sich schwierig gestaltete, konnten neben einigen Widersprüchen der Narratio, auch in der Dispositio Auffälligkeiten herausgearbeitet werden. Denn bei der Abschrift in der Kölner Kanzlei wurde offensichtlich das Diktat verändert und die Bezeichnung der Herzogtümer ‚Saxonia’ durch ‚Westfalia et Angaria’ ersetzt24. Das heißt, dass sich die Territorialansprüche der Kölner in der Niederschrift, als auch in der Differenzierung der übertragenden Herrschaftsgebiete widerspiegeln und somit von einer bewussten Einflussnahme auszugehen ist. So führte auch, so Odilo Engels, der Herzog Bernhard von Anhalt bis ins Spätjahr 1181 den Titel eines ‚dux Westfaliae et Angariae’ und erst dann wieder den eines ‚dux Saxoniae’, denn im Titel ‚Saxoniae’ verkörperte sich die reichsrechtlich nicht fundierte sächsische Herzogsherrschaft25. Dennoch wurde darauf hingewiesen, dass die Kernaussagen, nämlich Einzug und Neuvergabe der Reichslehen Westfalen, Engern und Bayern, nicht verändert worden seien.

Das Original ging im Laufe der Geschichte verloren, wobei die Abschrift nach dem Ende des Kurfürstentums Köln und diversen Auslagerungen nach Bonn, Hamburg, Münster und Arnsberg, am Beginn des 19. Jahrhunderts in das Preußische Geheime Staatsarchiv nach Berlin überging. Von dort wurde das Diplom im Jahre 1902 dem Staatsarchiv Düsseldorf übergeben und zu Beginn des 2. Weltkrieges wiederum nach Magdeburg ausgelagert, um es von der Vernichtung durch Bombenangriffe zu schützen. Das Diplom kehrte jedoch nach dem Ende des Krieges nicht mehr zurück und ist seitdem verschollen26.

Die Gelnhäuser Urkunde ist die einzige und wichtigste Quelle, die in Form einer Kopie über den Prozess gegen Heinrich den Löwen existiert. So werden in den folgenden Darlegungen immer wieder Versatzstücke aus ihr zitiert und beleuchtet. Ergänzend sei hervorgehoben, dass die aus der Gelnhäuser Urkunde intendierenden landes- und lehnrechtlichen Konsequenzen und Verfahrensbestandteile, erst in der Beschreibung und Deutung des Entmachtungsprozesses zum Tragen kommen. Daher wird sich der Text unter 4.1. damit näher befassen.

[...]


1 Jordan, Karl: Heinrich der Löwe – Eine Biographie. München 1979. , S. 187

2 Heinemeyer, Karl: Der Prozess Heinrichs des Löwen. In: BDLG (117). Göttingen 1981. , S. 1

3 Jordan, Karl: Heinrich der Löwe. , S. 212 ff.

4 Mohrmann, Wolf-Dieter (Hrsg.): Heinrich der Löwe. Göttingen 1980.

5 Heinemeyer, Karl: Ebd. , S. 1

6 Weiland, Ludwig: Die Reichsheerfahrt von Heinrich V. bis Heinrich VI. nach ihrer staatsrechtlichen Seite. In: ForschDtG (7) 1867.

7 Ficker, Julius: Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens. Innsbruck 1886.

8 Waitz, Georg: Über den Bericht der Gelnhäuser Urkunde von der Verurteilung Heinrich des Löwen

9 Güterbock, Ferdinand.: Der Prozess Heinrichs des Löwen – Kritische Untersuchungen. Berlin 1909.

10 Vgl. hierzu: Erben, Wilhelm: Die erzählenden Sätze der Gelnhäuser Urkunde. In: Brackmann, A. (Hrsg.): Papsttum und Kaisertum. Forschungen zur politischen Geschichte und Geisteskultur des Mittelalters. 1926.

11 Bauermann, Johannes: Grammatisches zum Prozessbericht der Gelnhäuser Urkunde. In: SachsAnh (17) 1943.

12 Erdmann, Carl: Der Prozess Heinrich des Löwen. In: Mayer, Th. / Heilig, K. / Erdmann, C. (Hrsg.): Kaisertum und Herzogsgewalt zur Zeit Friedrich I.. Studien zur politischen Verfassungsgeschichte des hohen Mittelalter. Stuttgart 1944.

13 Hechberger, Werner: Staufer und Welfen 1125-1190. Zur Verwendung von Theorien in der Geschichtswissenschaft. Köln / Weimar / Wien / Böhlau 1996.

14 Ehlers, Joachim: Heinrich der Löwe. Europäisches Fürstentum im Hochmittelalter. Göttingen / Zürich 1997.

15 Luckhardt, Jochen / Niehoff, Franz (Hrsg.): Heinrich der Löwe und seine Zeit. Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125-1235 (3 Bände). München / Braunschweig 1995.

16 Weinfurter, Stefan: Die Entmachtung Heinrich des Löwen. In: Luckhardt, Jochen / Niehoff, Franz (Hrsg.): Ebd. , S. 189

17 Engels, Odilo: Die Staufer. (7. verb. und erg. Auflage). Stuttgart / Berlin / Köln 1998. , S. 118

18 Güterbock, Ferdinand: Die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen. Neue diplomatische und quellenkritische Forschungen zur Rechtsgeschichte und politischen Geschichte der Stauferzeit. Hildesheim 1920. , S. 27

19 Güterbock, Ferdinand: Ebd. , S. 27

20 Güterbock, Ferdinand: Ebd. , S. 27

21 Brandt, Ahasver von: Werkzeug des Historikers. Eine Einführung in die historischen Hilfswissenschaften. (16. Aufl.). Stuttgart 2003. , S. 82

22 Güterbock, Ferdinand: Ebd. , S. 28

23 Heinemeyer, Karl: Ebd. , S. 5

24 Engels, Odilo: Ebd. , S. 120

25 Engels, Odilo: Ebd. , S. 120

26 Heinemeyer, Karl: Ebd. , S. 5

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Der Sturz von Heinrich dem Löwen
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Veranstaltung
Friedrich I. Barbarossa und die Epoche der Frühstaufer
Note
1.6
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V122521
ISBN (eBook)
9783640278817
Dateigröße
433 KB
Sprache
Deutsch
Arbeit zitieren
Christoph Hermes (Autor:in), 2005, Der Sturz von Heinrich dem Löwen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122521

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