Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Nietzsches Begriffdes Übermenschen
Einleitung
Der Übermensch bei Zarathustra
Platons Höhlengleichnis in Bezug auf den Übermenschen
Der Untergang bei Zarathustra
Von den dreiVerwandlungen
Die ewige Wiederkehr
Der Raum als Notwendigkeit des Menschen?
Phänomenologische Betrachtungsweise
Ist das Darwinismus?
Resümee
Literaturverzeichnis:
Einleitung
Also sprach Zarathustra (Untertitel: Ein Buch für Alle und Keinen“) ist ein Werk Friedrich Nietzsches, das zwischen 1883 und 1885 entstanden ist. Es setzt sich aus vier separaten Büchern zusammen, die zusammen die Phase des späten Nietzsches einläuten. Der „Übermensch“ wird in Nietzsches Zarathustra erstmals entworfen, woraus er die Neubewertung der Moral in seinen späteren Werken Jenseits von Gut undBöse (1886) und Zur Genealogie derMoral (1887) entwickelt.
In dieser Arbeit wird es um Nietzsches Übermenschen in seinem Werkü/so sprach Zarathustra gehen. Es soll der Frage nachgegangen werden: Was meint Nietzsche mit dem Begriff des Übermenschen? Außerdem soll darüber hinaus in verschiedene Bereiche geschaut werden, die mit dem Verständnis des Übermenschen Zusammenhängen und verbunden sind. Als erstes in dem Kapitel „Der Übermensch bei Zarathustra“ wird betrachtet, wie Nietzsche seine Gedanken zum Übermenschen in seinem Werk Also sprach Zarathustra bearbeitet. Hierbei wird stark mit dem Originaltext gearbeitet.
Im darauffolgenden Kapitel „Platons Höhlengleichnis in Bezug auf den Übermenschen“ wird eine Parallele zwischen Zarathustras Auf- bzw. Abstieg gemacht und dem Aufstieg bei Platon aus der Höhle. Hier scheint es dann sinnvoll den Untergang Zarathustras genauer zu betrachten, da es das zentrale Thema ist. Während Platons Höhlengleichnis sich mit dem Aufstieg hin zur Erkenntnis beschäftigt, ist dieser Teil im Zarathustra nur einleitend dargestellt. Der Hauptteil befasst sich damit, wo das Höhlengleichnis aufhört - mit dem Abstieg zu den Menschen, die die Sonne außerhalb der Höhle noch nicht gesichtet haben und die sich auch noch nicht auf den Weg nach oben begeben haben. In dem nächsten Kapitel werden die „drei Verwandlungen“ nach Nietzsche betrachtet, die ebenfalls ein Kapitel in seinem Werk Zarathustra erhielten. „Die ewige Wiederkehr“ wird im drauffolgenden Kapitel betrachtet - dies ist für das Konzept des Übermenschen ein zentrales Thema, da erst der Übermensch sich der ewigen Wiederkunft bewusst ist und sich damit abgefunden hat und sie akzeptiert hat. Diese Kapitel beinhaltet zwei weitere Unterkapitel: „Der Raum als Notwendigkeit des Menschen“ und „Phänomenologische Betrachtungsweise“. Dies scheint etwas verwirrend zu sein, doch macht in Betrachtung der ewigen Wiederkehr durchaus Sinn. Es soll analysiert werden, ob im Kontext der ewigen Wiederkehr der Mensch überhaupt leben kann. Ist es nicht geradezu menschlich sich zeitlich und räumlich so zu begrenzen, dass die ewige Wiederkehr gar nicht möglich ist? Der Tod allein bietet diesen Raum und das
Leben wird erst lebenswert, wenn wir uns dessen bewusst sind. Es wird versucht, die ewige Wiederkehr mit dem menschlichen zu vereinen und zu zeigen, dass es dem Menschen, dem Übermenschen, durchaus möglich sein kann, sich der ewigen Wiederkehr bewusst zu werden, ohne den Raum, den der Mensch braucht, zu verlassen. Im letzten inhaltlichen Kapitel soll ein kurzer Abschnitt dem gewidmet sein, dem Nietzsche des Öfteren gegenübergestellt wird - dem Darwinismus. Der letzte Teil soll abschließend dieser Arbeit ein kurzes Resumée geben.
Der Übermensch bei Zarathustra
Zarathustra ist ein Einsiedler, der durch seine Einsamkeit erst zu seiner Erkenntnis und dann zu seiner Philosophie kommt. Um diese Philosophie zu verbreiten, begibt sich Zarathustra auf den Weg zu den Menschen. Als er auf einem Markplatz von seinem Übermenschen berichtet, lachen ihn die Menschen aus: „Da lachen sie: sie verstehen mich nicht, ich bin nicht der Mund für diese Ohren“ (Nietzsche: Also sprach Zarathustra I, KSA IV, S. 18). Von da an suchte er sich nur noch Einzelne, die ihn auch verstanden: „Ein Licht gieng mir auf: Gefährten brauche ich und lebendige [...], die mir folgen, weil sie sich selber folgen wollen - und dorthin, wo ich will“ (Nietzsche: Also sprach Zarathustra I, KSA IV, S. 25).
Die erste Definition des Übermenschen erfolgt, wenn Zarathustra auf dem Marktplatz zu den Zuschauern redet:
„Ich lehre euch den Übermenschen. Der Mensch ist Etwas, das überwunden werden soll. Was habt ihr gethan, ihn zu überwinden? Was ist der Affe für den Menschen? Ein Gelächter oder eine schmerzliche Scham. Und ebendas soll der Mensch für den Übermenschen sein: ein Gelächter oder eine schmerzliche Scham. Ihr habt den Weg vom Wurme zum Menschen gemacht, und Vieles ist in euch noch Wurm. Eins wart ihr Affen, und auch jetzt ist der Mensch mehr Affe als irgend ein Affe“ (Nietzsche: Also sprach Zarathustra I, KSA IV, S. 14).
In diesem Zitat wird die „Entstehungsgeschichte“jedes Menschen beschrieben. Begonnen mit dem Tierischen, das gipfelt im Übermenschen. Der Mensch bildet also eine Brücke zwischen Affe und Übermensch - er ist also nur eine Zwischenstufe, die es zu überwinden gilt.
Doch auch die Zwischenstufe Mensch ist für Zarathustra etwas Minderwertiges und ähnelt zu stark dem Tier - der Mensch zeigt sich geradezu als etwas zu verachtendes und schmutziges:
„Wahrlich, ein schmutziger Strom ist der Mensch. Man muss schon ein Meer sein, um einen schmutzigen Strom aufnehmen zu können, ohne unrein zu werden. Seht, ich lehre euch den Übermenschen: der ist diess Meer, in ihm kann eure grosse Verachtung untergehn (Nietzsche: Also sprach Zarathustra I, KSA IV, S. 15).
Diese Wortwahl Zarathustras könnte sogar zu einer Interpretation führe, die den Menschen mehr dem Tier zuordnet und nicht mittig zum Übermenschen. Der Mensch bliebe zwar eine Zwischenstufe hin zum Übermenschen, die Mitte bildet er allerdings nicht und findet sich tendenziell mehr auf der Seite des Tierischen. Des Weiteren tritt in diesem Zitat hervor, dass im Übermenschen der Mensch enthalten sein muss - also wie oben beschrieben die nächste Stufe des Menschen ist und auf ihm aufbaut. Oder in Nietzsches Worten: „Der Mensch ist ein Seil, geknüpft zwischen Thier und Übermensch, - ein Seil über einem Abgrunde“ (Nietzsche: Also sprach Zarathustra I, KSA IV, S. 16). Der Mensch befindet sich also auf der Stufe, sich seiner Herkunft, dem Tier, zu besinnen, aber zum Übermenschen, der höheren Stufe, zu streben.
Dieses bewusste Streben hin zum Übermenschen möchte Zarathustra den Menschen deutlich machen und sieht es als seine Aufgabe, nach seiner Erkenntnis den Menschen davon zu berichten: „Wo ist doch der Blitz, der euch mit seiner Zunge lecke? Wo ist der Wahnsinn, mit dem ihr geimpft werden müsstet? Seht, ich lehre euch den Übermenschen: der ist dieser Blitz, der ist dieser Wahnsinn!“ (Nietzsche: Also sprach Zarathustra I, KSA IV, S. 16). Weiter später definiert er diesen „Blitz“ genauer: „Seht, ich bin ein Verkündiger des Blitzes und ein schwerer Tropfen aus der Wolke, dieser Blitz aber heisst Übermensch“ (Nietzsche: Also sprach Zarathustra I, KSA IV, S. 18), ebenso wie: „Ich will die Menschen den Sinn ihres Seins lehren: welcher ist der Übermensch, der Blitz aus der dunklen Wolke Mensch (Nietzsche: Also sprach Zarathustra I, KSA IV, S. 23). Zarathustra sieht sich demnach als Überbringer der Weisheit und als Navigator hin zum Übermenschen. Es ist sein gezielter „Wille“, den Menschen über seine Erkenntnis zu berichten und erhofft durch das Bild des „Blitzes“ der, wie uns durch Erfahrung bekannt ist, schnell und schlagartig einschlägt. Der Blitz ist hier wohl ein sehr kräftiges Bild, das auf verschiedenste Arten interpretiert werden kann. Ein Blitz enthält eine Fülle an Energie. Diese Energie ist, wie in den obigen Zitaten hervortritt, Zarathustra selbst. Ein Blitz ist hell, was mit der Erkenntnis in Verbindung gebracht werden kann. Diese Erkenntnis geht von Zarathustra aus und soll nach Möglichkeit zujedem Menschen gelangen, sodass er den Weg zum Übermenschen findet. Nun aber auch die negative Seite des Blitzes: er kann sowohl zerstören als auch töten. Ein Baum, der getroffen wird, ist danach hinüber. Ein Mensch, der schlagartig von einem Blitz getroffen wird, überlebt diesen ebenfalls nicht. Dieser Blitz der Erkenntnis kann also ebenso zerstörerisch sein, wie erhellend. Zarathustra als Personifikation des Blitzes bringt zwar den Blitz auf die Erde, was für manche voraussichtlich schlagartig und erhellend ist, bringt damit aber auch Gefahr mit sich. Er wirkt beängstigend und lächerlich - dieses Auslachen der Menschen auf dem Marktplatz kann somit als das Donnern nach einem Blitz interpretiert werden - und da das Lachen direkt nach dem Blitz, der Rede Zarathustras, erfolgt, wird darauf hingewiesen, dass der Blitz, bzw. das Gewitter, schon am eigentlichen Ort ist und nicht entfernt ist - dennje später der Donner nach einem Blitz ertönt, desto weiter ist das Gewitter noch entfernt.
Ein weiteres naturnahes Bild, das diesen Aufstieg hin zum Übermenschen darstellt, macht Nietzsche weiter hinten in seinem Zarathustra. „Woher kommen die höchsten Berge? So fragte ich einst. Da lernte ich, dass sie aus dem Meere kommen. Diess Zeugnis ist in ihr Gestein geschrieben und in die Wände ihrer Gipfel. Aus dem Tiefsten muss das Höchste zu seiner Höhe kommen“ (kurz vor „Vom Gesicht un Räthsel).
Man muss demnach von unten den Berg besteigen, was durchaus mühsam sein kann. Auch der Blitz hat es, wenn man oben ist nicht so weit. Erst oben kann dann ein Blitz hinab gelangen.
Ein Einwand sei hier, dass in dieser Metaphorik das Bergsteigen vom Individuum aus kommt. Jeder muss diesen Berg selber erklimmen. Zarathustra sollte hier dringendst als Wegweiser und nicht als „Träger“ verstanden werden. Er ist die Person, die Richtungspfeile hin zum Gipfel des Berges setzen möchte. Dieser emporstrebende Aufstieg erinnert an Platons Höhlengleichnis, das im Folgenden kurz beschrieben werden soll.
Platons Höhlengleichnis in Bezug auf den Übermenschen
Das Höhlengleichnis Platons stammt aus dessen siebten Teil des Werks Politeia. Platon versucht mit ihm die Ideenlehre zu veranschaulichen (Vgl. Perteck 2010, S. 42). Entscheidend in Platons Höhlengleichnis ist der Moment von der Unbildung zur Bildung (Vgl. Müller2013, S. 9).
Platon schreibt diese Entwicklung in der Form eines anschaulichen Bildes. Die Höhle als dunkle Umgebung - dem Nichtwissen der Menschen. Erst der Weg hin zum Licht bedeutet bei Platon der Weg zur Erkenntnis. Das Höhlengleichnis soll ich Folgenden kurz zusammengefasst darstellen, wie Platon diesen Weg beschreibt:
In einer Höhle befinden sich von Kindheit an gefesselte Menschen, die nur in eine Richtung schauen können - an eine Wand. Durch eine Lichtquelle ist es anderen Menschen möglich an diese Wand Schatten zu werfen, die die gefesselten Personen sehen können. Da die gefesselten Menschen zuvor nie etwas anderes gesehen hatten, halten sie diese Schatten für die „Wahrheit“. Was würde aber geschehen, wenn man einen der gefesselten Menschen entfesselt und ans Licht führt? Er würde vor Schmerzen des hellen Lichts wieder in die Höhle wollen. Nun aber zwänge man ihn oben zu bleiben und die Schmerzen zu überwinden, so würde er nach und nach die „wirkliche Welt“ erkennen. Käme dieser Mensch nun voller Erkenntnis zurück in die Höhle, würden die Gefesselten ihm glauben, ihn auslachen oder sogar töten wollen? (Rehn 2005, S. 49).
In dem Höhlengleichnis erfolgt die Richtung des Aufstiegs von unten, der Höhle, hoch Richtung Licht und Sonne. Diesen Weg sollen nach Zarathustra ebenfalls die Menschen gehen. Wie oben schon beschrieben soll der Mensch das tierische ablegen und der Übermensch das Menschliche - also immer hoch zur nächsten Stufe gelangen - so auch bei Platon. Wenn der Mensch zur Sonne emporstrebt, ist der Aufstieg zur Erkenntnis nur noch ein Akt des Willens. Diese Richtung von unten nach oben kann also sowohl in Platons Höhlengleichnis, als auch in Nietzsches Zarathustra beobachtet werden.
Zarathustra selbst hingegen macht das, was bei Platon bei Platon folgendermaßen zum Ende des Höhlengleichnisses beschrieben wird:
„Sokrates: Wenn er sich dann noch, (517.a) bevor sich seine Augen vom Flimmern [von der Sonne] beruhigt haben - bedarf es doch hierzu keiner geringen Zeit der Gewöhnung in der Erkenntnis jener Schattenbilder erneut mit denen messen müsste, die immer gefangen waren, erntete er dann nicht Gelächter und würde man nicht von ihm sagen, er sei mit verdorbenen Augen dort oben zurückgekehrt und es sei der Mühe nicht wert, den Versuch zu wagen, nach oben zu gelangen? Und würde man nicht sagen, dassjener, der darauf aus sei, sie zu befreien und hinaufzuführen, zu töten sei, wenn man ihn in die Hand bekommen und umbringen könne? Glaukom Sicherlich.“ (Rehn 2005, S. 49).
Auch Platon betont, dass derjenige, der den Weg zur Erkenntnis geschafft hat, lediglich von denjenigen, die diesen Weg noch nicht gegangen sind, möglicherweise ausgelacht werden würde. Hier zum Vergleich der entscheidende Punkt im Zarathustra: „Da lachen sie: sie verstehen mich nicht, ich bin nicht der Mund für diese Ohren“ (Nietzsche: Also sprach Zarathustra I, KSAIV, S. 18). Zarathustra hat den Weg nach oben bereits gemacht.
Auch Zarathustra ist, wie der Höhlenmensch bei Platon, unten gestartet und hat sich aus seinen Fesseln, bei Nietzsche eher die Fesseln der Kindheit und Unwissenheit, befreit:
„Als Zarathustra dreissig Jahr alt war, verliess er seine Heimat und den See seiner Heimat und ging in das Gebirge. Hier genoss er seines Geistes und seiner Einsamkeit und wurde dessen zehn Jahr nicht müde“ (Nietzsche: Also sprach Zarathustra I, KSA IV,S. 11).
Zarathustra hat also mit dreißig Jahren die „Höhle“ verlassen und ist auf die nächste Stufe gestiegen, hin zur Einsamkeit, von der er zehn Jahre immer weiter emporstieg. Als er dann vollends aus der „Höhle“ trat, geschah folgendes:
„Endlich aber verwandelte sich sein Herz, - und eines Morgens stand er mit der Morgenröthe auf, trat vor die Sonne hin und sprach zu ihr also: „Du grosses Gestirn! Was wäre dein Glück, wenn du nicht die hättest, welchen du leutest!“ (Nietzsche: Also sprach Zarathustra I, KSA IV, S. 11).
Die Sonne hat nun also, wie im Höhlengleichnis, das Symbol der Erkenntnis.
Zarathustra hat diese Erkenntnis nun erreicht und kann das Licht und den Schein der Sonne nun erleben. Platons nächster Schritt im Höhlengleichnis führt nun die Überlegung auf, was geschehen würde, wenn der Höhlenmensch wieder zurück in die Höhle gehen würde und den anderen von seiner Erkenntnis berichten würde.
Auch Zarathustra stellt sich dieser Überlegung, ist sich aber seiner Entscheidung schnell sicher:
„Siehe! Ich bin meiner Weisheit überdrüssig, wie die Biene, die des Honigs zu viel gesammelt hat, ich bedarf der Hände, die sich ausstrecken. Ich möchte verschenken und austheilen, bis die Weisen unter den Menschen wieder einmal in ihrer Thorheit und die Armen einmal ihres Reichthums froh geworden sind. Dazu muss ich in die Tiefe steigen“ (Nietzsche: Also sprach Zarathustra I, KSAIV, S. 11).
Auf dem Weg der Erkenntnis oben angekommen beschließt Zarathustra also wieder nach unten in die Tiefe (Vergleiche mit Platons Höhle!) zu steigen, um dort den Unwissenden von seiner Erkenntnis (hier die Erkenntnis des Übermenschen) zu berichten. Wie oben schon beschrieben, benutzt Nietzsche für diesen Weg das Bild des Blitzes, das den Abstieg in die Höhle bei Platon gegenübergestellt werden kann. Und wie Platon schon vorausgesehen hat, erhält auch Zarathustra nichts als Gelächter.
Es ist wohl durchaus möglich, Nietzsches Zarathustra mit dem Höhlengleichnis Platons zu vergleichen. Die Parallelen sind unübersehbar und von der Kernaussage doch recht ähnlich. Schön ist hier, dass das Ende von Platons Höhlengleichnis, das die Frage stellt, was geschehen würde, wenn man zurück in die Höhle geht, auflöst und bearbeitet. Der Weg hoch - von der Höhle zum Licht - stellt bei Platon den Kern der Schrift. Zarathustras Weg raus aus der Höhle wird dagegen in einer kurzen Passage berichtet und der Weg zurück in die Höhle, um von der Erkenntnis zu berichten, stellt hier wiederrum den Kern des Werkes Zarathustra dar.
Der Untergang bei Zarathustra
Zu Beginn beschließt Zarathustra, der seiner „Weisheit überdrüssig“ (Vgl. Nietzsche: Also sprach Zarathustra I, KSA IV, S. 11) geworden ist, seine Erkenntnisse den Menschen mitzuteilen:
„Dazu muss ich in die Tiefe steigen: wie du [d.i. die Sonne] des Abends thust, wenn du hinter das Meer gehst und noch der Unterwelt Licht bringst, du überreiches Gestirn! Ich muss, gleich dir, untergehen, wie die Menschen es nennen, zu denen ich hinab will“ (Nietzsche: Also sprach Zarathustra I, KSA IV, S. 11).
Mit dieser Passage, die schon zu Beginn des Werkes Zarathustra kommt, beginnt der „Höhlenabstieg“, wenn wir das Bild von Platons Höhlengleichnis illustrieren. Auch Zarathustra macht diesen Bezug zum Höhlengleichnis, indem er zu der Sonne, der Erkenntnis, blickt und zu ihr spricht. Bei Platon musste sich der Höhlenmensch erst an das Licht gewöhnen, was auch bei Nietzsches Zarathustra der Fall war. Doch nach zehn Jahren hat Zarathustra sich an das Licht gewöhnt und die Erkenntnis erhalten. Nun möchte er wieder zurück in die Höhle, bei Zarathustra zurück zum Volk, und seine Erkenntnis lehren. Platons Vermutung war, das dieser Mensch, wenn er zurück geht, ausgelacht und womöglich getötet werden würde. Kommt deshalb die Vorausdeutung auf das, was Zarathustra geschehen wird?
„Also begann Zarathustra’s Untergang“ (Nietzsche: Also sprach Zarathustra I, KSA IV, S. 12).
Doch wie ist dieser Untergang zu verstehen? Dieses Wort beinhaltet bei Nietzsche mehrere Deutungen - zum ersten meint er mit diesem Wort die Richtung, in welche sich Zarathustra begibt: er ist auf dem Berg mit voller Erkenntnis und möchte zu den Menschen gehen, die im Tal sind, um die Erkenntnis zu teilen. Somit ist der Untergang hier assoziiert mit der Richtung von oben nach unten - dem Hinabsteigen des Berges. Diese Deutung kommt auch weiter hinten nochmal, indem er nach einer Zeit der Einsamkeit erneut zu den Menschen gehen will: „die Stunde meines Niederganges, Unterganges: denn noch ein Mal will ich zu den Menschen gehn.“ (Nietzsche: Also sprach Zarathustra III, KSA IV, S. 247).
Doch die andere Deutung ist deutlich komplexer und sei im Folgenden mit einem Zitat aus dem Zarathustra eingeleitet:
„Was gross ist am Menschen, das ist, dass er eine Brücke und kein Zweck ist: was geliebt werden kann am Menschen, das ist, dass er ein Übergang und ein Untergang ist“ (Nietzsche: Also sprach Zarathustra I, KSA IV, S. 16f.). Hier wird auf die drei Verwandlungen verwiesen (siehe nächstes Kapitel), wo der Mensch bloß eine Brücke zwischen Tier und Übermensch darstellt. Somit ist der Mensch ein Übergang und mit dem Verlassen dieser Zwischenstufe geht der Mensch unter und der Übermensch lebt auf. Dieser Gedanke wird durch folgendes Zitat gestützt: „Ich liebe Die, welche nicht zu leben wissen, es sei denn als Untergehende, denn sie sind die Hinübergehenden“ (Nietzsche: Also sprach Zarathustra I, KSA IV, S. 17). Der Mensch muss demnach, um zum Übermenschen zu gelangen untergehen.
Wie ist es aber zu verstehen, wenn der Mensch emporsteigt, um zum Übermenschen zu gelangen und somit den Menschen zum Untergang bringt - Zarathustra selbst aber seinen Untergang einleitet, indem er zu den Menschen hinabsteigt („Also begann Zarathustra’s Untergang (Nietzsche: Also sprach Zarathustra I, KSA IV, S. 12)?
Es lässt sich nur erklären, indem man die zwei verschiedenen Deutungen von „Untergang“, wie oben erläutert, erkennt und diese Passagen so interpretiert.
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