Angesichts immer knapper werdender Ressourcen und freier Marktwirtschaft wird die Frage, ob man Einzelne zugunsten einer größeren Zahl von Menschen opfern darf, zunehmend aktuell. In der Praxis wird diese Frage häufig aufgrund von Kosten-Nutzen-Erwägungen positiv entschieden. Dies geschieht – um nur einige Beispiele zu nennen – bei der Verteilung der knappen Ressourcen in der Medizin, bei Methoden in der Forschung (Versuche an Menschen) oder auch bei den Überlegungen zu einem Gesetz zur Terrorabwehr, nach dem ein vollbesetztes Passagierflugzeug abgeschossen werden darf, falls es von Terroristen als Waffe missbraucht wird.
Diese Entscheidungen stehen aber im Widerspruch zu unserem Grundgesetz, dass solche Kosten-Nutzen-Erwägungen als ein für im Umgang mit Menschenleben unangemessenes Kriterium ablehnt. Es stellt sich also die grundsätzliche Frage, ob die Anzahl der betroffenen Personen ein moralisch relevantes Entscheidungskriterium sein kann, nach dem in einer solchen Entscheidungssituation gehandelt werden soll.
Im Folgenden wird versucht, sich einer Antwort auf diese Frage zu nähern. Zunächst werden hierfür die unterschiedlichen Handlungsoptionen, die in einer solchen trade-off-Situation zur Wahl stehen, ermittelt. Im Anschluss daran werden unterschiedliche Argumentationsvarianten, die für oder gegen diese Optionen sprechen, kurz dargestellt und auf ihre Überzeugungskraft und Praktikabilität hin untersucht.
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Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Zählt die Anzahl?
- 1. Beides ist moralisch zulässig
- a) Hauptargument I - Vergleich mit einem Betroffenen
- b) Hauptargument II - Leiden ist nicht addierbar
- 2. Es ist geboten, die Mehrzahl zu retten
- a) Mehrere zählen mehr
- b) Hypothetische Einwilligung
- III. Fazit - Ein moralisches Dilemma
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die moralische Frage, ob die Anzahl betroffener Personen ein relevantes Entscheidungskriterium in Situationen darstellt, in denen die Rettung einzelner Personen auf Kosten anderer erfolgen muss. Ausgehend von einer konkreten Beispielsituation werden verschiedene Argumentationslinien analysiert und auf ihre Überzeugungskraft geprüft.
- Moralische Zulässigkeit unterschiedlicher Handlungsoptionen in Trade-off-Situationen
- Bewertung des Arguments der Anzahl als moralisch relevantes Kriterium
- Analyse verschiedener ethischer Positionen und ihrer Argumentationsmuster
- Untersuchung der Überzeugungskraft und Praktikabilität der vorgestellten Argumente
- Ethische Implikationen von Entscheidungen unter knappen Ressourcen
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die zentrale Forschungsfrage nach der moralischen Relevanz der Anzahl betroffener Personen in Entscheidungssituationen mit knappen Ressourcen. Sie nennt Beispiele aus Medizin, Forschung und Terrorabwehr, um die Aktualität des Themas zu verdeutlichen.
II. Zählt die Anzahl?: Dieses Kapitel beschreibt eine Beispielsituation nach John M. Taurek, in der die Entscheidung zwischen der Rettung einer Person und der Rettung mehrerer Personen steht. Es werden verschiedene Handlungsoptionen skizziert, wobei die Option, nur den Einzelnen zu retten, als unwahrscheinlich ausgeschlossen wird.
1. Beides ist moralisch zulässig: Hier wird Taureks Argumentation dargestellt, dass beide Entscheidungen (Rettung des Einzelnen oder der Mehrheit) moralisch zulässig sind. Das Kapitel skizziert seine Hauptargumente, ohne diese im Detail zu analysieren.
Schlüsselwörter
Moralische Entscheidungsfindung, Trade-off-Situationen, ethische Dilemmata, Anzahl betroffener Personen, Ressourcenallokation, Folgenorientierte Ethik, Kosten-Nutzen-Erwägungen, menschliches Leben, moralische Verpflichtung.
- Arbeit zitieren
- Lisanne Schuster (Autor:in), 2007, Zählt die Anzahl? Darf man Einzelne zugunsten einer größeren Zahl von Menschen opfern?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122597