Das Bild des Unsichtbaren – Das unsichtbare Selbstbild

JLG/JLG von Jean-Luc Godard


Hausarbeit, 2005

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Filmische Daten

2. Einleitung

3. Godard, das Bild und der Film – eine Analyse
3.1 Zur Funktion des Zwischentitels in JLG/JLG
3.2 Das Bild im Bild – die Ikonographie eines Selbstportraits
3.3 Ich ist ein Anderer – das Selbst und das Selbstbild – Selbstreflexivität und Selbstkonstruktion in JLG/JLG

4. Das Zeichen der Zeit: Kulturelle Erinnerung in JLG/JLG

5. Fazit

Literatur / Internetquellen / Filme

1. Filmische Daten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[1]

2. Einleitung

In dieser Arbeit möchte ich mich mit Jean Luc Godards JLG/JLG Autoportrait de Décembre[2] näher beschäftigen. Einer Analyse, die sich speziell mit signifikanten Elementen und Verfahren des Films auseinandersetzt, sollen Überlegungen zu filmimmanenten Diskursen, betreffend der Historizität des Daseins und der Kultur, folgen. Die Verflechtungen von Reflexionen und die fragmentarisierte Struktur in der offenen Form charakterisieren JLG/JLG als ein filmisches Gedankenexperiment – als Essayfilm. Eine Beschreibung dessen soll Konstante der folgenden Kapitel sein. Zunächst erscheint es mir jedoch hilfreich, eine kurze Einführung in die Person Jean Luc Godards als Filmemacher vorn anzustellen:

Bereits in seinem frühen und einzigen kommerziell erfolgreichem Film À bout de souffle (1959) zeigte Godard die Bedeutung der Form in der Filmrezeption auf. Dem Realismusmodell André Bazins folgend, dem zur Folge der Realismus nicht in den Bildern, sondern im Wahrnehmungsmuster der Bilder liegt.

Man muß sich vorsehen, das ästhetische Raffinement einer wie auch immer beschaffenen Roheit der unmittelbaren Wirkung eines Realismus gegenüberzustellen, der doch nur die Wirklichkeit zeigen will. Nach meiner Meinung ist es das Verdienst des italienischen Films, noch einmal daran erinnert zu haben, daß es keinen ‚Realismus’ in der Kunst geben kann, der nicht zuallererst und zutiefst ‚ästhetisch’ ist. […] Das Reale und das Imaginäre in der Kunst hängen ausschließlich vom jeweiligen Künstler ab; das Fleisch und Blut der Realität werden sich in den Netzen von Literatur oder Film nicht leichter verfangen als die ausschweifendsten Fantasien der Imagination. Mit anderen Worten: Wenn Erfindung und Komplexität der Formen nichts mehr über den eigentlichen Inhalt des Werkes vermitteln, so üben sie ihren Einfluß auf die Effektivität der Mittel dennoch weiter aus.[3]

In seinen frühen Filmen drückt Godard genau dieses Verfahren durch beinah schon subversive Montagen und Referenzen in seinen Filmbildern aus, über Form und Ästhetik weist er seine Filme als das aus, was sie sind: Filme. Dieser selbstreferenzielle Stil kennzeichnet sein filmisches Werk im Zeitraum der 60er Jahre. In geradezu brechtscher Manier reflektiert das Medium sich selbst und exponiert sich als etwas Geschaffenes. Die gewohnten narrativen Muster und die Illusionsmächtigkeit der Filme Hollywoods werden so dekonstruiert, der Zuschauer einer erweiteten Wahrnehmungperspektive überführt. Für den Kampf um die eigene Ausdrucksform steht dabei die ‚ Politique des auteurs ’, die die subjektiven Äußerungen des Filmautors den objektiven ökonomischen Zwängen der Filmproduktion entgegengesetzt hat. Als wegweisend für sein Konzept des Films sei an dieser Stelle auf Loin du Vietnam (1967) verwiesen, auf den ich im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch einmal eingehen werde, Godard vermittelt hier, dass es beim Filmen nicht auf den gezeigten Inhalt ankäme sondern auf die ästhetische Haltung mit welcher Filme gemacht werden[4]. Während es in der Phase des frühen Godard in der ‚ Nouvelle Vague ’ – als deren radikalster Vertreter er gilt – vorwiegend um die Reflexion des Mediums Film, eingebunden in eine Geschichte ging, zeigen seine jüngeren Filme neben dieser Ebene auch wie Film selbst eingebunden ist in ein System von Arbeit, Kapital und Kultur, wobei sein Sujets sich um den Themenkreis der jeweiligen Verhältnisse zwischen Liebe, Arbeit und Kunst konzentriert.

Als Konstante im godardschen Schaffen kann zum einen die Intertextualität und Intermedialität angesehen werden, so zum Beispiel der filmische Vergleich der Ausdruckpotentiale der Malerei und des Films in Passion (1982). Ein solcher Verweis findet sich eben auch in der Bezeichnung von JLG/JLG als Selbstportrait. Zum anderen zeichnen sich die Filme Godards durch ein erhöhtes Maß an Reflexivität im Allgemeinen und Selbstreflexivität im Speziellen aus, sei es durch die Betonung des Autorensubjekts in der Nouvelle Vague oder wie im Falle von JLG/JLG durch das tatsächliche Vorhandensein Godards als Person und/oder als Off-Sprecher. Dieser Dimension des Selbst, welches sich im ästhetischen Produkt Film spiegelt, wird bei den folgenden Überlegungen ins besondere nachzugehen sein.

Als Schlusspunkt dieser Einführung sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Reflexionen Godards auch immer eine Reflexion über das Kino darstellen, die bis in eine Metaphysik des Filmbildes hinein reichen. In diesem Zusammenhang muss für die folgende Analyse voran gestellt werden: Godard ist ein Filmemacher, der in Bildern denkt. Die kleinste cinematographische Einheit – das Bild an sich – gelangt so bei ihm zur bedeutungstragenden Größe.

3. Godard, das Bild und der Film – Eine Analyse

Godard produzierte den Film – im Auftrag der Produktionsfirma Gaumont – quasi in seiner Wohnung und deren unmittelbarer Umgebung am Genfer See. Ich werde nun an dieser Stelle kurz zur Einführung den Film in seiner Gesamtheit vorstellen um anschließend signifikante Stellen und Verfahren näher zu analysieren.

JLG/JLG verfügt nur über ein rudimentäres Handlungskonzept, wenige Ansätze einer fiktiven Handlung finden sich etwa im Besuch von „Kontrolleuren“ des „Centre du cinéma“ oder in der Unterweisung einer blinden Cutterin. Godards Drehorte wechseln im Wesentlichen zwischen – in langsamen Kamerafahrten gehaltenen – Innenaufnahmen in einer (seiner) Privatwohnung (später auch seines Ateliers) und beinah unbewegten Außen-, bzw. Landschaftsaufnahmen. Stellenweise und unregelmäßig werden diese Sequenzen durch Aufnahmen der handschriftlich beschriebenen Seiten eines Schreibhefts unterbrochen.[5]

Der Film besteht so aus einem „Ineinanderweben von Reflexionen [und Handlungsfragmenten] , die von zahlreichen Text- und Bildzitaten durchsetzt sind[6]. Insgesamt ereignet sich auf der Tonebene, durch die Dialoge und eingesprochenen Zitate mehr als auf der Bildebene. Ich möchte mich nun folgenden Hauptgesichtspunkten zuwenden: Die Funktion des Zwischentitels, Godards Umgang mit Bildern und mit der Repräsentation der Filmfigur Godard durch den realen Godard.

3.1 Zur Funktion des Zwischentitels in JLG/JLG

In erster Linie übernehmen die Zwischentitel oder Textinserts bei diesem Film eine Art Gliederungsfunktion und erinnern in ihrer Präsentation an ein Tagebuch. Im Unterschied zu den Inserts seiner früheren Filme liegt hier eine zusätzliche Betonung auf dem Schreiben, welches wieder auf das Filmische verweist. Durch den Akt des Schreibens kann an dieser Stelle das Führen des ‚Tagebuchs’ als das Verfassen eines Drehbuchs angesehen werden. Es ist bekannt, dass Godard das klassische Drehbuchkonzept mit Dialogzeilen und Szenenfolgen stets abgelehnt hat. Bereits in seinen frühen Werken hat er stattdessen mit eigenen Notizen aus einem Heft gearbeitet, von daher unterstreichen die geschriebenen Inserts in JLG/JLG seine dramaturgische Verfahrensweise: Im Prozess des Schreibens denkend ein Thema zu umkreisen.[7] Dieses bewährte Stilelement Godards, eine Brechung seiner Filme durch Zwischentitel zu erreichen – „Die Titel, in denen sich ein ‚Bewusstsein über den Bildern` bzw. jenseits der Bilder artikuliert, brechen den präsentischen Charakter des Filmbildes und den Eindruck einer ‚objektiven’ Wirklichkeitsrepräsentation im Film[8] – verweist darüber hinaus allerdings auch auf den Stummfilm Godard schrieb dazu in „Einführung in eine wahre Geschichte des Kinos“ folgendes:

Langsam fange ich an, ein klein wenig, zu begreifen, was beim Übergang vom Stummfilm zum Tonfilm wirklich passiert ist, inwiefern man sehen kann – und das ist ganz entscheidend –, daß es wirklich etwas anderes ist. […] Ich glaube die Regisseure der Stummfilmzeit, selbst die eher mittelmäßigen, drückten sich besser aus, und zwar bloß, weil anders gesprochen wurde, weil es an bestimmten Stellen Zwischentitel gab und die Zwischentitel… Man betrachtete sie als Titel, aber gleichzeitig hatten sie den Wert einer Einstellung. Und danach fing die nächste Einstellung ganz neu für sich an.[9]

Diese früheren Überlegungen Godards zur Bedeutung des Zwischentitels finden ihre Entsprechung in JLG/JLG, tatsächlich übernehmen sie hier den Wert einer Einstellung, was durch die Bewegung im Umblättern der Seiten noch verstärkt wird.

Des Weiteren, zeigt sich das Heft als zeitstrukturierendes Element, Godard schreibt dazu: „Die Seite ist der Kader, und wenn man sie umwendet entsteht ein Gefühl von Zeit[10]. Überhaupt wird Zeitlichkeit nur dort manifest, wo sie sich durch das strukturierende Umblättern der Seiten mitteilt. Die Seiten sind dabei mit Monatsnamen des französischen Revolutionskalenders versehen, im Einzelnen Frimaire, Brumaire Vendémiaire, Ventôse, Nivôse und Pluviôse. Die Monatsnamen bezeichnen in umgekehrter Reihenfolge die drei Herbstmonate (FrimaireMitte November bis Mitte Dezember, BrumaireOktober/November, VendémiaireSeptember/Oktober) und später, ebenfalls rückwärts, die Wintermonate (s.o.), somit setzt die antichronologische Reihung der Monatsnamen die gewohnte Zeitorganisation außer Kraft[11]. Näheres zur Bedeutung der Monate werde ich weiter unten in Kapitel ‚3.3 […] Selbstreflexivität und Selbstkonstruktion’ ausführen.

Als letzten Punkt möchte ich hier auf den selbstreferenziellen Gehalt der Zwischentitel eingehen. Die zunächst leere Seite findet ihre Entsprechung in der Leinwand des Kinos. Dem entsprechend stellt das Schreiben Godards im übertragenen Sinne einen intermedialen Bezug zur Arbeit des Filmemachers im Kino dar. Die weiße Seite dient so als Fläche der Projektion, sie ist die bildliche Leerstelle in der es dem Rezipienten überlassen wird seine eigenen Reflexionen über die im Film geführten und angedeuteten Diskurse zu projizieren, ähnliches gilt für die zahlreichen Textzitate, nur das dort die Imagination, die Projektion ersetzt. Godard merkt in JLG/JLG dazu an: „Weisses Papier ist der wahre Spiegel des Menschen“.[12] Ein vergleichbares Verfahren findet sich bei Chris Markers „Sans Soleil“ (1983); der Film beginnt mit Schwarzbild, im Off erzählt eine Frauenstimme vom persönlichen Bild des Glücks eines Briefeschreibers, der dieses Bild des Glücks in einem Film nur als Schwarzfilm zeigen werde. Beide Filme verweisen in diesem Verfahren außerfilmisch betrachtet auf die Dekonstruktion und ein damit verbundenes neues Textverständnis so schrieb Roland Barthes:

[...]


[1] Quelle: www.imdb.com/title/tt0110173

[2] Wenn nicht anders lautend wird der Filmtitel im Fortlauf dieser Arbeit nur noch als JLG/JLG bezeichnet.

[3] Bazin, André: Was ist Kino?- Bausteine zur Theorie des Films; Köln, 1975; Seite 140 (Die Originalausgabe erschien unter dem Namen „Qu’est-ce que le cinéma?“ in vier Bänden 1958-1962 in Paris).

[4] Dieses Konzept findet sich in der Aussage Godards wieder, es käme nicht darauf an Filme mit politischem Inhalt zu machen, sondern Filme politisch zu machen.

[5] Vgl. Scherer, Christina: Ivens, Marker, Godard, JarmanErinnerung im Essayfilm; München, 2001; Seite 199.

[6] Ebd. Seite 199.

[7] Vgl. Scherer 2001. S. 202.

[8] Ebd. Seite 202.

[9] Godard, Jean-Luc: Einführung in eine wahre Geschichte des Kinos. Frankfurt, 1984. S. 106.

[10] Ebd. S. 305.

[11] Vgl. Scherer 2001. S. 204.

[12] Im Verlauf dieser Arbeit werde ich hauptsächlich nach den synchronisierten Untertiteln des Films zitieren.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Das Bild des Unsichtbaren – Das unsichtbare Selbstbild
Untertitel
JLG/JLG von Jean-Luc Godard
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Institut für Medienwissenschaft und neuere deutsche Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Hauptseminar: Jean Luc Godard
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V122688
ISBN (eBook)
9783640265251
Dateigröße
416 KB
Sprache
Deutsch
Arbeit zitieren
Magister Artium Philipp Blum (Autor:in), 2005, Das Bild des Unsichtbaren – Das unsichtbare Selbstbild, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122688

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