Parteienfinanzierung in Deutschland

Eine Analyse der Parteispendengesetzgebung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

35 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die historische Entwicklung der Parteienfinanzierung mit besonderer Beachtung der Spendenproblematik
2.1 Die Zeit der Gesetzlosigkeit: 1949 – 1967
2.2 Das erste Parteiengesetz im Jahre 1967
2.3 Die ersten Spendenaffären und Bewältigungsversuche
2.4 Die Entstehung des Parteiengesetzes in der heutigen Form
2.5 Zwischenfazit: Ein zweckmäßiges Finanzierungsmodell

3. Bestehende Probleme im Parteiengesetz im Bereich der Spendengesetzgebung
3.1 Der Spendenskandal der CDU
3.2 Weitere notwendige Korrekturen
3.3 Spendenverbote für juristische Personen?
3.4 Transparenz und Öffentlichkeit als Korrektiv

4. Fazit

Bibliographie

1. Einleitung

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer Rechtsstaat auf der Basis eines Mehrparteien-Systems. Am Prozess der politischen Willensbildung sind die Bürger auf zweierlei Art beteiligt: Sie stärken einerseits die sie vertretenden Parteien durch Abgabe ihrer Stimme bei der Wahl, sie lassen aber andererseits der jeweils favorisierten Partei in Form von Geld und Sachleistungen sowie Freiwilligenarbeit auch eine andere Art der Unterstützung zukommen. Soll nun nach dem demokratischen Grundsatz „ein Bürger – eine Stimme“ jedes Mitglied der Gesellschaft einen ähnlichen Anteil am Prozess der politischen Willensbildung innehaben, so muss sowohl das Wahlrecht wie auch das Parteiengesetz zur Finanzierung der Parteien mit besonderer Sensibilität entworfen sein. Nur wenige Gesetze haben im Laufe der Geschichte der BRD einen derart regelmäßigen Wandlungsprozess erlebt wie das Parteiengesetz. Während die Frage nach dem Wahl- recht mittlerweile konsensual zu den Akten gelegt werden konnte, sorgt der Modus der Parteienfinanzierung stetig für Kontroversen, nicht nur in Zeiten sich häufender Finanz- skandale der Parteien. Obwohl Deutschland im internationalen Vergleich eine Vorrei- terrolle bei der Kontrolle der Finanzierung von Parteien einnimmt, bricht die Kritik ge- rade an der gesetzlichen Regelung von Spenden an Parteien nicht ab. Vor diesem Hin- tergrund geht die vorliegende Arbeit der Frage nach, warum bezüglich des Parteienge- setzes auch nach einer Reformgeschichte von über 60 Jahren noch immer Änderungs- bedarf herrscht. Darauf aufbauend soll in Hinblick auf die Regelungen des äußerst deli- katen Bereiches der Parteispenden analysiert werden, welche konkreten Änderungen nötig wären, um zu zufrieden stellenden Regelungen zu gelangen.

Dazu wird in einem ersten Schritt die Historie des Parteiengesetzes skizzenhaft darge- stellt, um die grundlegenden Spannungsfelder der deutschen Parteienfinanzierung her- auszuarbeiten und den Prozess der ständigen Auseinandersetzungen von Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu analysieren. Anschließend wird eine Be- wertung der bisherigen Gesetzeslage als Ergebnis dieses Reformprozesses vorgenom- men. Es kann festgehalten werden, dass die Regelungen des Parteiengesetzes nach einer wechselhaften Geschichte heutzutage strukturell angemessen und in ihrer inhärenten Logik sinnvoll austariert erscheinen. Am Beispiel des CDU-Spendenskandals der späten 90er Jahre wird in einem zweiten Teil der Arbeit allerdings festgestellt, dass die Detail- regelungen zur Spendenfinanzierung der Parteien Lücken aufweisen, die teilweise auch in der Historie der Gesetzgebung begründet liegen. Im Einzelnen wird auf die besonders fragwürdigen Regelungen zur Transparenz und Rechenschaftslegung der Partei bezüg- lich der (industriellen) Großspenden eingegangen. Es stellt sich heraus, dass sowohl ein generelles Verbot, als auch eine Stärkung der gesetzlichen Transparenzvorschriften geeignet wären, die vorliegenden Probleme zu beheben. Im Ergebnis muss ein allgemeines Verbot von Spenden juristischer Personen unter Bezugnahme auf den Grundsatz der Chancengleichheit und der Staatsfreiheit allerdings abgelehnt werden. Daher sollten die vorhandenen gesetzlichen Vorschriften verschärft werden. Im letzten Schritt der Arbeit werden die hierfür entscheidenden Merkmale der bestehenden Geset- zeslage identifiziert und vorsichtige Vorschläge zur Verbesserung unterbreitet.

2. Die historische Entwicklung der Parteienfinanzierung mit besonderer Beach- tung der Spendenproblematik

Eine genauere Betrachtung der historischen Entwicklung der deutschen Parteienfinan- zierung ist aus drei Gründen lehrreich: Zum einen kommen die inhärenten Spannungs- verhältnisse von Bundesverfassungsgericht und dem Bundestag als Gesetzgeber in quasi eigener Sache sowie von parteipolitischen Machtkämpfen um Finanzierungsformen deutlich zum Vorschein. Zum anderen kann belegt werden, dass eine Entwicklung in annähernd dialektischer Natur zu einem grundsätzlich tragfähigen System geführt hat, welches den internationalen Vergleich nicht scheuen muss. Widmet man der Problema- tik der Parteispenden allerdings zusätzlich einen genaueren Blick, so wird deutlich, dass sich besonders dieser sensible Bereich historisch als die Kernfrage der Parteienfinanzie- rung entpuppt und auch heutzutage einer gesellschaftlich akzeptablen Regelung immer noch entbehrt.

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland trifft zwar bezüglich der politischen Willensbildung des Volkes über ein Mehrparteien-System eine eindeutige Aussage (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG), zur Finanzierung der Parteien dieses Systems aber eröffnet sich ein intepretativer Spielraum für den Gesetzgeber und das Bundesverfassungsgericht. Die juristische Diskussion um eine aus dem Grundgesetz abgeleitete staatliche Pflicht zur Finanzierung der Parteien hält ebenso lange an, wie die politische Diskussion um die mögliche Ausgestaltung einer solchen Finanzierung1. Die dabei bedeutsamsten Grundsätze in der deutschen Parteienfinanzierung sind die derChancengleichheiters- tens der verschiedenen Parteien im politischen Wettbewerb und zweitens der einzelnen Bürger, sowie der grundsätzlichenStaatsfreiheitder Parteien als gesellschaftliche Ak- teure – im Vergleich zu den Fraktionen im Parlament als staatlichen Institutionen. Durch diese Grundsätze wurde seit der Gründung der BRD das Verhältnis von Parteien und Staat und mithin die Finanzierung der Parteien geprägt.

Da Parteienrecht Wettbewerbsrecht ist, muss der Staat sicherstellen, dass gesetzliche Regulierungen bezüglich der Parteien in keiner Weise bevorzugend oder benachteili- gend gegenüber spezifischen Parteien wirken. Alle Parteien müssen zumindest poten- ziell die gleichenChancenzur Verwirklichung ihrer politischen Programmatik besitzen, gleichzeitig bedeutet dies aber keinesfalls eine Nivellierung der unterschiedlichen Po- tenziale zu deren Umsetzung (Muthers 2004: 61). Neben der Frage des Wahlrechts ist besonders die Parteienfinanzierung ein Spannungsfeld im Lichte dieses Grundsatzes (Jülich 1967)2. Hinzu kommt, dass durch die Finanzierung der Parteien auch dem de- mokratischen Grundsatz „ein Bürger – eine Stimme“ gerecht werden muss. Die Rege- lungen dürfen daher die absolute Gleichheit aller Bürger in ihrem Einfluss auf den Pro- zess der politischen Willensbildung nicht unterlaufen.

Ebenso wie der obige Grundsatz sorgt auch das Verbot der Einbindung von Parteien in die organisierte Staatlichkeit für verfassungsrechtliche Schwierigkeiten bei der Finan- zierung von Parteien. Da in der demokratischen Grundordnung Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen hin vollzogen wird und diese erstdurchden Prozess der Willensbildung hervorgebracht werden, dürfen sie am Prozess selbst nicht teilhaben. Daher verbietet sich eine staatliche Einbindung von Parteien als Übermittler und Reprä- sentanten des Volkswillens (Muthers 2004: 64)3. Auch der Bereich der Staatsfreiheit unterlag in seiner Interpretation und damit der Auswirkung auf die Finanzierung der Parteien einem stetigen Wandel in der Rechtsprechung durch das BVerfG.

Bezeichnend für dieses Spannungsverhältnis von Chancengleichheit, Staatsfreiheit und Parteienfinanzierung ist die Tatsache, dass im Jahre 2002 der Bundestag als eigentliches Legislativorgan erstmals ohne vorherige Aufforderung durch das Bundesverfassungsge- richt in Bezug auf die Parteienfinanzierung gesetzgeberisch tätig wurde (vgl. Pehle 2002). Der Verlauf der Rechtsprechung zur Finanzierung der Parteien in der BRD soll im Folgenden skizzenhaft dargestellt werden, um mit den verschiedenen Finanzierungs- arten und deren argumentativer Begründung vertraut zu machen sowie das die Parteien- finanzierung grundsätzlich kennzeichnende Spannungsverhältnis zwischen Bundestag und Bundesverfassungsgericht aufzuzeigen. Ein besonderes Augenmerk wird dabei der Finanzierung der Parteien durch Spenden gewidmet, um im zweiten Teil der Arbeit eine Bewertung der heutigen Regelungen vor diesem Hintergrund vornehmen zu können.

2.1 Die Zeit der Gesetzlosigkeit: 1949 – 1967

Während der Verhandlungen zum Grundgesetz hat sich der Parlamentarische Rat grundsätzlich dafür ausgesprochen, Aktivitäten der Parteien zur Sicherung ihrer finan- ziellen Grundlage zuzulassen. Es wurde allerdings im Zuge der Beratungen über Art. 21 GG deutlich, dass von staatlicher Seite lediglich eine Rechenschaftspflicht der Parteien, nicht jedoch eine Finanzierungspflicht dieser durch den Staat etabliert werden sollte (Boyken 1998: 41). Schon mit der Einführung einer Rechenschaftspflicht über die fi- nanziellen Ströme der Parteien im Art. 21 GG tritt zu Tage, dass Parteienfinanzierung auch immer Machtkampf unter den politischen Kräften bedeutet. Dass mit Wagner und Zinn zwei Mitglieder der SPD im Parlamentarischen Rat den Antrag über öffentliche Rechenschaft der Parteien stellten, verwundert insofern nicht. Eine Veröffentlichung der Finanzen der bürgerlichen Parteien sollte auf bestimmte Wähler- und Finacier-Gruppen abschreckend wirken (ebd.). Während sich die SPD als Mitgliederpartei4 weitestgehend über Beiträge finanzieren konnte, wurde die Spendensammlung bei CDU/CSU und FDP in den Gründerjahren zur überlebenswichtigen Aufgabe. „Die bürgerlichen Parteien, jung, noch ohne Parteiappart, verfügten kaum über eigene Einnahmen wie die SPD. Angewiesen auf Spenden, da kaum Mitgliedsbeiträge eingingen, forcierten und rationa- lisierten sie diese Einnahmeart schon in den ersten Monaten nach ihrer Gründung.“ (A- dams 2005: 61) Gerade finanzkräftige Unternehmen unterstützen die neoliberale Wirt- schaftspolitik Erhards. Da die zukünftige Wirtschaftsverfassung der BRD in Anbetracht einer sozialistischen SPD vor der Verkündung des Godesberger Programms im Jahre 1959 noch auf dem Spiel stand, spendeten Unternehmen über Fördergesellschaften an die bürgerlichen Parteien, wogegen die SPD heftig protestierte (Sell 1992: 95). Neben- her wurden durch die verschiedenen Landesregierungen im Jahre 1949 Kredite zur Be- wältigung der Währungsreform und der Durchführung der Bundestagswahl an Parteien ausgegeben, die 5 Pfennig je erreichter Stimme bei den vorhergehenden Landtagswah- len entsprachen, größtenteils aber nicht zurückgezahlt wurden (vgl. Adams 2005). Die heutzutage etablierte Trias aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und staatlicher Finanzie- rung findet man dem Prinzip nach schon in der Zeit vor dem Parteiengesetz in der BRD vor. Der eigentliche Grundsatz der Selbstfinanzierung wurde also ab 1949 nicht mehr durchgehalten.

Die Finanzierung der Parteien verlief vor 1967 – dem Jahr der Einführung des Parteien- gesetzes – in besonders opportunistischen Bahnen. So wurde durch die Politik Adenau- ers die Finanzbasis der bürgerlichen Parteien mit dem Beschluss einer ersten steuerli- chen Begünstigung von Parteispenden breitenwirksam gestärkt. Nach dem Wahlsieg der bürgerlichen Parteien in der zweiten Bundestagswahl sah die Wirtschaft Erhards soziale Marktwirtschaft als im Grundsatz nicht mehr gefährdet an und stellte besonders Groß- spenden in merklichem Umfang ein (Römmele 2000). Auf Grund der entstehenden fi- nanziellen Engpässen der bürgerlichen Parteien mussten neue Anreizstrukturen beson- ders für Unternehmen geschaffen werden. So privilegierten seit 1954 das Einkommens- und das Körperschaftssteuergesetz Spenden von natürlichen und juristischen Personen an politische Parteien – in einer Höhe von 10% des Einkommens bzw. 5% der Körper- schaftssteuer und 0,2% der Summe der Umsätze und der Löhne und Gehälter von Un- ternehmen – als von der Steuer absetzbar (Lovens 2000: 285).

Von erstaunlichem Weitblick ist der Kommentar des SPD-Abgeordneten Ehlers im Bundestag zur Ablehnung der Novelle zur steuerlichen Begünstigung. Die Parteien dürften sich nicht „in eine unmittelbare Abhängigkeit von dem Gegenstand begeben, den sie zu kontrollieren haben“, es müsse weiterhin dafür gesorgt sein, „dass jeder, der für seine politische Überzeugung Opfer bringt, das aus eigner Tasche tut“ (Landfried 1994: 33). Diese Aussage gewinnt weitere Brisanz durch die Tatsache, dass der zwar grundgesetzlich geforderten Transparenz der Finanzströme der Parteien aber nicht durch eine tatsächliche Rechenschaftslegung nachgekommen wurde. Großspender konnten sich in den meisten Fällen unerkannt wissen. In ähnlicher Weise konnte durch die etab- lierten „Fördergesellschaften“, wie etwa die „Staatsbürgerliche Vereinigung“, die Ano- nymität der Spender gewahrt werden, da in potentiellen Rechenschaftsberichten nur die Gesellschaften, nicht aber die eigentlichen Geldgeber als Spender auftreten würden (Stricker 1998: 41). Die bestehende Regelung zur Absetzbarkeit von Großspenden sollte nach Kalkül der bürgerlichen Parteien den Geldfluss wieder stabilisieren, demokratische Gleichheitsgedanken spielten hierbei nur eine untergeordnete Rolle (Naßmacher 2000). Allerdings wurde schon in diesen Anfangszeiten der Spendenfinanzierung deutlich, dass eine immer größer werdende Abhängigkeit von potenten Geldgebern gerade die bürger- lichen Parteien in Teilen lähmen konnte und ihren politischen Handlungsspielraum stark verengte (Adams 2005: 285).

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) verwarf in seinem ersten Urteil zur Parteienfi- nanzierung vom 24. Juni 1958 die Regelung der steuerlichen Begünstigung als verfas- sungswidrig, indes nicht im Hinblick auf mangelnde Transparenz, sondern mit Rekurs auf die formale Gleichheit der Bürger im demokratischen Prozess. Die Einflussnahme des Bürgers auf den politischen Prozess dürfe nicht von der Höhe seines Einkommens abhängen. Der Spendenanreiz sei auf Grund der progressiven Besteuerung umso größer, je höher das Einkommen respektive der Umsatz sei. Die Regelung des Jahres 1954 be- vorzuge Parteinen mit kapitalkräftiger Klientel verfassungswidrig. Gleichzeitig erkannte das BVerfG allerdings die Zulässigkeit einer allgemeinen Parteienfinanzierung nicht nur für die Wahlen, sondern auch für weitere Tätigkeiten der Parteien an (Lovens 2000: 287). Der weitreichenden Konsequenzen dieses Beisatzes im Urteil von 1958 war sich das BVerfG wohl nicht bewusst.

Da das Spendenaufkommen nach der Urteilsverkündung des BVerfG rapide zurück- ging, sahen sich vor allem die bürgerlichen Parteien gezwungen, drastische Einsparun- gen vorzunehmen. Die SPD, welche mehrfach gegen die steuerliche Bevorzugung von Spenden geklagt hatte, war der Gewinner des Urteils: Sie hatte keine Einbußen zu be- fürchten, konnte jedoch gezielt gegen die Finanzierung der bürgerlichen Parteien vorge- hen (Stricker 1998: 43). Von Seiten der CDU hieß es dazu: „Sie [die SPD] haben durch die steuerliche Nichtabzugsfähigkeit der Spenden die Finanzquellen der CDU/CSU und FDP treffen wollen und auch getroffen und wir müssen aus Respekt vor diesem höchst- richterlichen Urteil nun sehen, wo wir bleiben.“ (Adams 2005: 112). Da Spendenrück- gänge von über 30% vermerkt wurden, mussten neue Finanzierungsquellen erschlossen werden.

Die bürgerliche Koalition nahm das Urteil des BVerfG daher zum Anlass, eine direkte staatliche Parteienfinanzierung einzuführen. Eine so gestaltete finanzielle Absicherung sollte zudem die teils erdrückende Abhängigkeit der bürgerlichen Parteien von Geldge- bern aus der Wirtschaft mindern. Dies zeigt „die große Bedeutung des Spendenwesens, dessen Unwesen für die bürgerlichen Parteien unmittelbarer Anlass war, für eine Staats- finanzierung zu plädieren.“ (Adams 2005: 286) Als Globalzuschüsse für „politische Bildungsarbeit“ im Staatsauftrag sah der Haushaltsplan im Jahre 1959 erstmalig 5 Mio. DM für die im Parlament vertretenen Parteien vor. Eine Rechnungslegung der Parteien im Sinne der Art. 21 Abs. 1 GG über die Verwendung der Mittel und die Art der Ein- nahmen fand dabei nach wie vor nicht statt. Die CDU wünschte für die Mittel der „poli- tischen Bildungsarbeit“ sogar „eine Formulierung zu finden, die die Partei von jeder Nachprüfung so frei wie möglich hielt.“ (Adams 2005: 113)

Eine sukzessive Erhöhung der staatlichen Mittel von 5 Mio. DM bis auf etwa 38 Mio. DM aus dem Bundeshaushalt zur sich etablierenden allgemeinen und unmittelbaren Finanzierung der Parteien fand über einen Zeitraum von 1959 bis 1966 statt. Ein Aus- bau der staatlichen Zuschüsse um den Faktor acht in sieben Jahren, mittels Entschei- dungen in eigener Sache durch die Parteien, lässt den Verdacht aufkommen, der anfäng- liche Betrag könne bewusst niedrig gewählt worden sein, um die Bevölkerung an die neue Praxis „zu gewöhnen“ (Adams 2005: 124). Schließlich konnten durch die so be- reitstehenden Mittel die Finanzierungsengpässe der bürgerlichen Parteien ohne beson- dere Popularitätsverluste behoben werden. Auch ohne gesetzliche Regelung hatte die Finazierung durch den Staat bereits Ausmaße erreicht, die eine Etatisierung der bürger- lichen Parteien vermuten lassen. Der Staat finanzierte „für 1963 bei der CDU/CSU zu 72 Prozent, bei der FDP zu 100 Prozent und bei der SPD zu 63 Prozent ihre Gesamtaus- gaben.“ (Adams 2005: 125)

Das BVerfG indes beanstandete die Regelung der Globalzuschüsse mit mehreren Ent- scheidungen im Jahre 1966 und erklärte die Praxis als nichtig. Insofern verkehrte das BVerfG seine Entscheidung über Parteienfinanzierung aus dem Jahre 1958 ins Gegen- teil und schloss eine direkte Finanzierung mit Bezug auf die Grundsätze der Staatsfrei- heit und der Chancengleichheit in einem durch die SPD angeregten Normenkontrollver- fahren aus5. Eine angemessene Erstattung der Wahlkampfkosten, nicht jedoch der all- gemeinen Kosten der Parteiorganisation sei auf Grund des Verfassungsauftrages der Parteien allerdings zulässig, so das BVerfG6.

2.2 Das erste Parteiengesetz im Jahre 1967

Die im Verlauf der frühen 60er Jahre mehrfach ergebnislos abgebrochenen Verhand- lungen über ein Parteiengesetz, das dem Auftrag des Art. 21 Abs. 3 GG gerecht würde, konnten im Jahre 1967 erfolgreich abgeschlossen werden. Das Gesetz stellte die vorherad hocpraktizierte Parteienfinanzierung erstmalig auf eine allgemeine gesetzliche Grundlage nach Maßgabe der Entscheidungen des BVerfG aus dem Jahre 1966. Partei- en, die ein Mindestquorum von 2,5% der in einem Wahlgebiet abgegebenen Zweit- stimmen erzielten oder 10% der Erststimmen bei Einzelbewerbern7, wurden mit einer Pauschale von 2,50 DM proWahlberechtigtennach dem Verhältnis ihres Stimmenan- teils bezuschusst. Hiermit wurde dem Wunsch des BVerfG Rechnung getragen, die Er- stattung nicht nur auf Parteien zu beschränken, die die 5% Hürde zum Parlamentszu- gang überschritten haben, und so kleinere Parteien nicht über Gebühr zu benachteiligen (Lovens 2000: 289). Obwohl nur die Wahlkampfvorbereitung und Durchführung unter- stützt werden sollte, gestattete der Gesetzgeber regelmäßige Abschlagszahlungen des Gesamtbetrages verteilt auf die Legislaturperiode und leistete somit einer de facto kon- tinuierlichen Finanzierung auch außerhalb des Wahlkampfes Vorschub (Stricker 1998: 48). Gleichzeitig wurden Spendenbeträge von 600 DM (beziehungsweise 1200 DM bei Zusammenveranlagung) steuerlich abzugsfähig gesetzt. Dem Transparenzgebot sollte durch eine Offenlegung von Spenden natürlicher Personen ab 20000 DM, juristischer Personen ab 200000 DM genüge getan werden. Ebenso wurde ein allgemeiner jährli- cher Rechenschaftsbericht der Parteien an den Bundestag beschlossen. Da mithin staat- liche Gelder gesichert waren, erschien eine Selbstbegrenzung im Hinblick auf steuerli- che Begünstigung von Spendengeldern angebracht, auch um sich auf der misslichen Lage der Abhängigkeit von potenten Geldgebern zu befreien, die besonders den bürger- lichen Parteien als Hauptfinaciers politische Vorgaben machen konnten (Adams 2005: 121). Die SPD stellte im Bundestag sogar einen Antrag auf Streichung sämtlicher Begünstigungen mit dem Hinweis auf die absolute formelle Gleichheit des Bürgers im politischen Willensbildungsprozess, der aber abgelehnt wurde (Römmele 2000).

[...]


1 Während einige Autoren argumentieren, dass GG kenne keine Finanzierungspflicht (vgl. etwa von Ar- nim 1991), erkennen andere wiederum eine aus dem GG abgeleitete Pflicht zur finanziellen Sicherung des Parteiensystems (vgl. hierzu Stricker 1998).

2 Als rechtlicher Grundsatz durch das BVerfG hergeleitet aus Art. 38 GG, Art. 3 GG, Art. 21 GG und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (vgl. Jülich 1967).

3 Der rechtliche Grundsatz der Staatsfreiheit wird durch das BVerfG aus Art. 21 GG abgeleitet.

4 Im Jahre 1948 verfügte die SPD bereits über 896275 Mitglieder (Adams 2005).

5 Die Entscheidungen des BVerfG aus dem Jahre 1966 teilen sich auf in ein Normenkontrollverfahren gegen die Praxis der Globalzuschüsse, angestrengt von der hessischen SPD-Landesregierung, und ein Organstreitverfahren der Gesamtdeutschen Partei, der Bayernpartei und der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands, die nicht im Bundestag vertreten waren, daher keine Zuschüsse erhielten und somit ihre Chancengleichheit verletzt sahen (vgl. Stricker 1998: 45).

6 BVerGE 20, S. 134 ff.

7 Gesetzlich erst im Jahre 1969 verankert, der Einfachheit halber aber hier mit aufgenommen, da sich die grundsätzliche Regelung nicht änderte.

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Parteienfinanzierung in Deutschland
Untertitel
Eine Analyse der Parteispendengesetzgebung
Hochschule
Universität Münster  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Hauptseminar: Parteiensystem und Parteiendemokratie
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
35
Katalognummer
V122713
ISBN (eBook)
9783640269808
ISBN (Buch)
9783656722311
Dateigröße
486 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Parteienfinanzierung, Deutschland, Hauptseminar, Parteiensystem, Parteiendemokratie
Arbeit zitieren
BA Simon Oerding (Autor:in), 2008, Parteienfinanzierung in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122713

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