Die aufgeklärten Uruguayer wissen dass ihr Parteiensystem eins der Antiksten der Welt ist. Dies ist in vielerlei Hinsicht spürbar. Zu aller erst durch die im System vertretenen Traditionsparteien die Partido Colorado und die Partido Nacional(Blancos). An zweiter Stelle sieht man die Langlebigkeit des Parteiensystems an der Akzeptanz dieser Traditionsparteien und den damit verbundenen Wahlverhalten. Seit ihrer Gründung sind 170 Jahre vergangen und bis vor zwölf Jahren erlangten beide Parteien zusammen stets mehr als 50% aller abgegeben Stimmen. Sie können sich deshalb als die meist gewählten Parteien des Parteiensystems betrachten. Außerdem überstanden diese Parteien, welche sich in den demokratischen Staat als ordnungspolitische Kraft stets einfügten, zwei Unterbrechungen dieser demokratischen Tradition. Die erste friedliche von 1933 und eine zweite durch das Militär herbeigeführte Diktatur 1973. Diese Langlebigkeit verwundert doch im Vergleich mit Parteien andere Länder etwas, so dass man sich die Frage stellen könnte, was das besondere an diesen Parteien sein kann. Bei näherer Betrachtung stellt man dann auch relativ schnell fest, dass diese Parteien seit langer Zeit und vielen Dekaden nicht als wirkliche, „verdaderos partidos“ angesehen werden können, sondern ein einfacher Zusammenschluss von mehreren politischen Gruppen darstellen, welche ihre Heterogenität etwa durch gleiche Symbolik oder gemeinsame Rhetorik erreichen.
Die damit verbundene Diskussion hat eine lange Tradition in Uruguay, wenngleich es in letzter Zeit weniger interessant erscheinen mag, warum diese beiden Parteien schon so lange existieren. Stattdessen rückt in den Blickpunkt der neueren Generationen ein Ereignis was dieses Parteiensystem von Grund auf verändert hat. Die Entstehung einer neuen politischen Kraft aus einer gesellschaftlichen Initiative heraus. Nicht ein „Caudillo“ hat sich den Mantel einer neuen Partei umgelegt, wie es vielfach im lateinamerikanischen Kontext geschehen konnte, sondern gesellschaftliche Umbrüche haben aus einer Krise heraus eine neue dritte starke Kraft etablieren können, welche seit den Wahlen 2004 den Präsidenten des Landes stellt.
Das Anliegen der Arbeit steht nun nach den Ursachen für diesen Wandel im Parteiensystem zu suchen.[...]
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- I. Der Analyserahmen
- 2. Theoretische Diskussion über Transformationen im Parteiensystem
- 2.1. Die Generationen Uruguays
- II. Das politische System
- 3. Besonderheiten des politischen Umgangs und historische Grundlage
- 3.1. Traditionsparteien und „Caudillismo“
- 3.2. Presidencialismo und co-participación
- 3.3. Batllismo
- 4. Wahlrecht und Wahlsystem
- 4.1. Das Wahlsystem vor 1996
- 4.2. Die Wahlrechtsreform von 1996
- 5. Merkmale und Strukturen des Parteiensystems Uruguays
- 5.1. Die Nationalen (Blancos)
- 5.2. Die Colorados
- 5.3. Kleinere Parteien
- 5.3.1. Die Entstehung der Linksparteien Uruguays
- 5.4. Zusammenfassung der politischen Situation
- 5.5. Die Richtungswahlen von 1971
- 5.5.1. Frente Amplio
- 6. Wirtschaftsstruktur
- 6.1. Allgemeine Wirtschaftsgrunddaten
- 6.2. Das uruguayische Wirtschaftsmodell
- 6.3. Die wirtschaftliche Krisensituationen bis zur Installierung der Militärdiktatur 1973
- 7. Merkmale der uruguayischen Gesellschaft
- 8. Soziale Gruppen
- 8.1. Die Gewerkschaften
- 8.1.1. Die Entwicklung der Gewerkschaften bis 1966
- 8.1.2. Das Auftreten in den Krisenjahren
- 8.2. Die Studentenbewegung
- 8.3. Die Emigranten
- 8.4. Die MLN-T
- 8.1. Die Gewerkschaften
- 9. Die wirtschaftliche Entwicklung nach der Diktatur
- 10. Die Linksparteien nach der Militärdiktatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Transformation des uruguayischen Parteiensystems. Ziel ist es, die Entwicklung des Systems von einem klassischen Zweiparteiensystem hin zu einer multipolaren Struktur zu analysieren und die dafür relevanten Faktoren zu identifizieren.
- Entwicklung des uruguayischen Zweiparteiensystems
- Einfluss von Wirtschaftskrisen auf das Parteiensystem
- Rolle von sozialen Bewegungen und Gewerkschaften
- Die Bedeutung des Wahlrechts und Wahlsystems
- Aufstieg der Linksparteien
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 dient als Einleitung. Kapitel 2 und 3 liefern den theoretischen Rahmen und die historischen Grundlagen. Kapitel 4 beschreibt das uruguayische Wahlsystem. Kapitel 5 analysiert die Struktur des Parteiensystems, mit Fokus auf die traditionellen Parteien (Blancos und Colorados) und den Aufstieg kleinerer Parteien, insbesondere der Linksparteien. Kapitel 6 beleuchtet die Wirtschaftsstruktur Uruguays. Kapitel 7 und 8 befassen sich mit Merkmalen der uruguayischen Gesellschaft und wichtigen sozialen Gruppen wie Gewerkschaften und Studentenbewegungen. Kapitel 9 und 10 behandeln die wirtschaftliche und politische Entwicklung nach der Militärdiktatur, mit Fokus auf die Linksparteien.
Schlüsselwörter
Uruguay, Parteiensystem, Transformation, Zweiparteiensystem, Wahlsystem, Wirtschaftskrisen, soziale Bewegungen, Gewerkschaften, Linksparteien, Caudillismo, Batllismo, Frente Amplio.
- Arbeit zitieren
- Jan Richter (Autor:in), 2007, Die Transformation des Parteiensystems in Uruguay - Zerfall des klassischen Zweiparteiensystems, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123141