Die Arbeitswanderungen der tiroler, vorarlberger und graubündener Schwabenkinder ist ein dunkles Kapitel der deutschen Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Während sich im Zuge der Verbürgerlichung in der Gesellschaft weit reichende humane und soziale Wertemaßstäbe und damit verbunden eine gesetzliche Eindämmung von Kinderarbeit und anderer sozialer Missstände durchsetzen, wandern alljährlich tausende von Kindern ab sieben Jahren über die Berge in den südwestdeutschen Raum nördlich des Bodensees, um sich auf Kindermärkten von Bauern zur Saisonarbeit verdingen zu lassen. Die sich aus heutiger Sicht unmittelbar aufdrängende Frage nach den Ursachen dieses Phänomens ohne gleichen bildet einen Kernpunkt vorliegender Betrachtung. Überdies kommen die Gefahren und Strapazen ihrer Reise, die Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Fremde sowie die kontroversen öffentlichen Reaktionen zur Sprache.
Bis heute existiert kein Beitrag zur Thematik der Schwabenkinder, dessen sozialhistorisch-geografischer Betrachtungsrahmen über die kontextuelle Bezugnahme auf Herkunfts- und Zielgebiete der kindlichen Arbeitswanderungen hinausgeht. Deshalb unternimmt diese Vergleichstudie den Versuch, einen Bezug zu parallel ablaufenden Spielarten ausländischer Migration innerhalb der deutschen Landwirtschaft zu schaffen und somit das Sozialphänomen der Schwabenkinder aus seiner isolierten historischen Betrachtung herauszunehmen und so zu erweitern. Als Vergleichsgegenstand ist mit der am Ende des 19. Jahrhunderts zur Massenerscheinung avancierten „Preußengängerei“ in die vornehmlich östlich gelegenen Agrargebiete die wohl bekannteste Spielart ausländischer Wanderarbeit nach Deutschland im 19. Jahrhundert gewählt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung: Gegenstand und Vorgehensweise
- 2. Eckdaten der alpinen Kinderwanderungen nach Oberschwaben
- 2.1. Die Wanderungen im Kontext gesamtalpiner Migration
- 2.2. Zeitlicher Rahmen
- 2.3. Herkunftsorte und Zielgebiete
- 2.4. Anzahl, Alter und Geschlecht
- 3. „Noth bricht Eisen“. Die Ursachen eines Sozialphänomens
- 4. Ausländische Saisonarbeiter in der deutschen Landwirtschaft im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert
- 5. Der Zug der Schwabenkinder. Reise und Verdingung im Vergleich zum ostpreußischen Ablauf
- 5.1. Reisezeit und Wege
- 5.2. Führer und Agenten
- 5.3. Der Kindermarkt: exzeptionelles Phänomen oder Ausdruck von Normalität?
- 6. Die Arbeitswelt der Migranten
- 6.1. Arbeitsfelder und Arbeitsbedingungen der Schwabenkinder
- 6.2. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den Ostarbeitern
- 6.3. Der Lohn. Formen und Entwicklung
- 7. Die Lebensverhältnisse. Hütekinder und Ostarbeiter im Vergleich
- 8. Kritik und Kontroverse. Reichweiten eines öffentlichen Diskurses
- 8.1. Streitpunkt Schulpflicht
- 8.2. Sklavenhandel am Bodensee?
- 8.3. Kritik aus Übersee und diplomatische Folgen
- 9. Polonisierung des deutschen Ostens? Nationalkulturelle Phobien und die Frage nach der Ersetzbarkeit der Ostarbeiter
- 10. Politische Folgen: Behördliche Maßnahmen zur Eindämmung und Regulierung der Wanderarbeit
- 10.1. Legitimation und Karenzzeit für Ostarbeiter
- 10.2. Der lange Weg zum Verbot der alpinen Kinderwanderungen
- 10.2.1. Vor dem Ersten Weltkrieg
- 10.2.2. Nach dem Krieg
- 10.2.3. Die Rolle der Kirche
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit untersucht das Phänomen der „Schwabenkinder“, der saisonalen Kinderwanderung aus den Alpen nach Oberschwaben im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Ziel ist eine sozialhistorische Analyse, die dieses Phänomen im Vergleich zur Wanderarbeit osteuropäischer Landarbeiter in die deutsche Landwirtschaft einordnet. Die Arbeit beleuchtet die Besonderheiten der Schwabenkinder und betrachtet Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu anderen Formen saisonaler Migration.
- Sozialhistorische Analyse der Schwabenkinder
- Vergleich mit der Wanderarbeit osteuropäischer Landarbeiter
- Ursachen und Beweggründe der Kinderwanderung
- Arbeits- und Lebensbedingungen der Schwabenkinder
- Öffentliche Reaktionen und politische Maßnahmen
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Gegenstand und Vorgehensweise: Die Einleitung beschreibt das Forschungsdesiderat bezüglich der Schwabenkinder und skizziert die Methodik der Arbeit. Es wird ein Vergleich mit der Wanderarbeit osteuropäischer Landarbeiter angesetzt, um die Besonderheiten des Phänomens der Schwabenkinder hervorzuheben. Die Einleitung betont die Notwendigkeit einer sozialhistorisch-geographischen Betrachtung, die über bisherige isolierte Studien hinausgeht.
2. Eckdaten der alpinen Kinderwanderungen nach Oberschwaben: Dieses Kapitel liefert einen Überblick über die geografischen, zeitlichen und demografischen Aspekte der Schwabenkinderwanderung. Es werden Herkunfts- und Zielgebiete benannt, der zeitliche Rahmen der Wanderungen abgesteckt und Informationen über Alter, Geschlecht und Anzahl der Kinder bereitgestellt. Der Kontext der gesamtalpinen Migration wird ebenfalls beleuchtet.
3. „Noth bricht Eisen“. Die Ursachen eines Sozialphänomens: Dieses Kapitel untersucht die sozioökonomischen Ursachen der Kinderwanderung. Es analysiert die Armut und die schwierigen Lebensbedingungen in den Herkunftsregionen, die die Familien dazu zwangen, ihre Kinder zur Arbeit auszusenden. Die Analyse beleuchtet die wirtschaftlichen und sozialen Faktoren, die die Wanderung prägten.
4. Ausländische Saisonarbeiter in der deutschen Landwirtschaft im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert: Dieses Kapitel beschreibt die Wanderarbeit osteuropäischer Landarbeiter in die deutsche Landwirtschaft als Vergleichsgegenstand. Es wird auf die zeitliche und räumliche Überlappung mit dem Phänomen der Schwabenkinder eingegangen. Der Fokus liegt hier auf den in Mittel- und Ostdeutschland beschäftigten Saisonarbeitern bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs.
5. Der Zug der Schwabenkinder. Reise und Verdingung im Vergleich zum ostpreußischen Ablauf: Dieses Kapitel fokussiert auf die Reise der Kinder, ihre Verdingung und den Vergleich mit dem Ablauf der Wanderarbeit aus Ostpreußen. Es werden Reisewege, -zeiten und die Rolle von Führern und Agenten untersucht. Der „Kindermarkt“ als besonderes Phänomen wird ebenfalls analysiert.
6. Die Arbeitswelt der Migranten: Das Kapitel behandelt die Arbeitsbedingungen und -felder der Schwabenkinder und vergleicht sie mit denen der Ostarbeiter. Die Analyse umfasst die Art der Arbeit, die Löhne und die Entwicklungen im Laufe der Zeit. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Gruppen werden herausgearbeitet.
7. Die Lebensverhältnisse. Hütekinder und Ostarbeiter im Vergleich: Dieses Kapitel befasst sich mit den Lebensumständen der Schwabenkinder und vergleicht diese mit den Lebensbedingungen der Ostarbeiter. Es werden Aspekte des Alltags, der sozialen Einbindung und der Auswirkungen der Wanderarbeit auf das Leben der Kinder untersucht.
8. Kritik und Kontroverse. Reichweiten eines öffentlichen Diskurses: Das Kapitel analysiert die öffentlichen Debatten und Kontroversen um die Schwabenkinderwanderung. Es werden verschiedene Kritikpunkte, wie die Frage der Schulpflicht oder der Vergleich mit Sklavenhandel, diskutiert und in ihren gesellschaftlichen Kontext eingeordnet. Die internationalen Reaktionen und diplomatischen Folgen werden ebenfalls beleuchtet.
9. Polonisierung des deutschen Ostens? Nationalkulturelle Phobien und die Frage nach der Ersetzbarkeit der Ostarbeiter: Dieses Kapitel befasst sich mit den nationalkulturellen Aspekten und den Befürchtungen einer „Polonisierung“ des deutschen Ostens im Kontext der Wanderarbeit. Es untersucht die Frage, inwieweit die Ostarbeiter durch andere Arbeitskräfte ersetzbar waren.
10. Politische Folgen: Behördliche Maßnahmen zur Eindämmung und Regulierung der Wanderarbeit: Das Kapitel beschreibt die politischen Maßnahmen zur Regulierung und Eindämmung der Wanderarbeit, sowohl für Ostarbeiter als auch für die Schwabenkinder. Es analysiert die Entwicklung von der Legitimation und Karenzzeit für Ostarbeiter hin zum Verbot der alpinen Kinderwanderungen, und die Rolle der Kirche dabei wird ebenfalls untersucht.
Schlüsselwörter
Schwabenkinder, Saisonwanderung, alpine Kinderwanderung, Ostarbeiter, ausländische Wanderarbeit, Sozialgeschichte, vergleichende Analyse, Landwirtschaft, Armut, Kinderarbeit, öffentlicher Diskurs, politische Maßnahmen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Magisterarbeit: "Die Schwabenkinder: Saisonale Kinderwanderung aus den Alpen nach Oberschwaben im Vergleich zur Wanderarbeit osteuropäischer Landarbeiter"
Was ist der Gegenstand dieser Magisterarbeit?
Die Arbeit untersucht das Phänomen der „Schwabenkinder“, der saisonalen Kinderwanderung aus den Alpen nach Oberschwaben im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Sie analysiert dieses Phänomen sozialhistorisch und vergleicht es mit der Wanderarbeit osteuropäischer Landarbeiter in der deutschen Landwirtschaft.
Welche Ziele verfolgt die Arbeit?
Ziel ist eine sozialhistorische Analyse der Schwabenkinder, die deren Besonderheiten herausarbeitet und Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede zu anderen Formen saisonaler Migration aufzeigt. Der Vergleich mit der Wanderarbeit osteuropäischer Landarbeiter dient dazu, das Phänomen der Schwabenkinder besser einzuordnen.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die sozioökonomischen Ursachen der Kinderwanderung, die Arbeits- und Lebensbedingungen der Schwabenkinder, die öffentlichen Reaktionen und politischen Maßnahmen sowie einen Vergleich mit den osteuropäischen Wanderarbeitern. Die geographischen, zeitlichen und demografischen Aspekte der Wanderung werden ebenfalls beleuchtet.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in zehn Kapitel: Einleitung, Eckdaten der Wanderung, Ursachen, ausländische Saisonarbeiter in der Landwirtschaft, Reise und Verdingung im Vergleich, Arbeitswelt der Migranten, Lebensverhältnisse, Kritik und Kontroverse, nationalkulturelle Aspekte und politische Folgen. Jedes Kapitel behandelt einen spezifischen Aspekt des Themas.
Welche Methoden werden angewendet?
Die Arbeit verwendet eine sozialhistorisch-geographische Methode. Sie analysiert historische Quellen und vergleicht die Schwabenkinder mit den osteuropäischen Wanderarbeitern, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuzeigen.
Welche Ursachen werden für die Schwabenkinderwanderung genannt?
Die Arbeit nennt sozioökonomische Ursachen wie Armut und schwierige Lebensbedingungen in den Herkunftsregionen der Kinder. Die Familien waren gezwungen, ihre Kinder zur Arbeit auszusenden, um das Überleben zu sichern.
Wie werden die Arbeits- und Lebensbedingungen der Schwabenkinder beschrieben?
Die Arbeit beschreibt die Arbeitsfelder, Arbeitsbedingungen und Löhne der Schwabenkinder und vergleicht diese mit denen der Ostarbeiter. Sie untersucht auch die Lebensumstände der Kinder, ihre soziale Einbindung und die Auswirkungen der Wanderarbeit auf ihr Leben.
Wie wurden die Schwabenkinder und die Wanderarbeit öffentlich diskutiert?
Die Arbeit analysiert die öffentlichen Debatten und Kontroversen um die Schwabenkinderwanderung, einschließlich Kritikpunkte wie die Frage der Schulpflicht oder der Vergleich mit Sklavenhandel. Internationale Reaktionen und diplomatische Folgen werden ebenfalls beleuchtet.
Welche politischen Maßnahmen wurden ergriffen?
Die Arbeit beschreibt die politischen Maßnahmen zur Regulierung und Eindämmung der Wanderarbeit, sowohl für Ostarbeiter als auch für die Schwabenkinder. Sie analysiert die Entwicklung vom Beginn der Wanderung bis hin zum Verbot der alpinen Kinderwanderungen.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Schwabenkinder, Saisonwanderung, alpine Kinderwanderung, Ostarbeiter, ausländische Wanderarbeit, Sozialgeschichte, vergleichende Analyse, Landwirtschaft, Armut, Kinderarbeit, öffentlicher Diskurs, politische Maßnahmen.
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- Christian Körber (Author), 2007, Die Schwabenkinder im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123186