Wien als Kommissionsplatz im 19. Jahrhundert unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmen­bedingungen


Hausarbeit, 2007

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Rechtliche Rahmenbedingungen des österreichischen Buchhandels im 19. Jahrhundert
2.1 Auswirkungen der Zensur
2.2 Organisation des Buchhandels anhand der Buchhändlerordnung von 1806

3 Entwicklung des Wiener Kommissionsplatzes
3.1 Der Kommissionsbuchhandel in Österreich zu Beginn des 19 Jahrhunderts
3.2 Moritz Friedrich Jasper als Initiator der Reformen im Kommissionsbuchhandel
3.3 Weitere Modernisierungsmaßnahmen
3.4 Auswirkungen der Modernisierung

4 Resümee

5 Literaturverzeichnis
5.1 Primärquellen
5.2 Sekundärliteratur

6 Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

Die Entwicklung des Kommissionsplatzes Wien im 19. Jahrhundert kann nicht ohne die Betrachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen beurteilt werden, denn sie hatten einen besonderen Einfluss auf den gesamten österreichischen Buchhandel.

Österreich gilt im 19. Jahrhundert, vor allem nach dem Wiener Kongress, als das Zentrum der konservativen Restauration.[1] Die Obrigkeit wollte einen wirtschaftlichen Strukturwandel, der immer gesellschaftliche Machtverschiebungen zur Folge hat, genauso verhindern, wie die Ausbreitung von liberalen Geisteserzeugnissen.[2] Wie konnte sich unter so denkbar schlechten Voraussetzungen der zweitgrößte Kommissionsplatz im deutschsprachigen Raum[3] entwickeln? Das ist die zentrale Frage in dieser Arbeit. Zuerst muss man aber den rechtlichen Rahmen für den gesamten österreichischen Buchhandel genauer betrachten. Dabei muss erwähnt werden, dass die umfangreiche Problematik des Büchernachdrucks in dieser Arbeit nicht berücksichtigt wird, obwohl diese ebenfalls vom Staat gefördert wurde.[4] Stattdessen will sich die Untersuchung auf folgende wesentliche Fragen beschränken: Welche Auswirkungen hatte die strenge Zensurpraxis auf die Branche und wie griff der Staat in die Organisation des Buchhandels ein? Zur Beantwortung soll vor allem die Buchhändlerordnung von 1806 als Quelle herangezogen werden.

Der zweite Teil der Arbeit hat die Entwicklung des Wiener Platzes zum Thema. Zu Beginn steht hier die Frage, inwieweit der österreichische Kommissionsbuchhandel am Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelt war. Welche Personen haben schließlich eine Modernisierung[5] angeregt? Wie sahen diese Modernisierungsmaßnahmen konkret aus und wie reagierten die Behörden und das Ausland auf sie? Als Quellen werden hierzu ein Zirkular des Lemberger Buchhändlers Millikowski und das „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel“ befragt. Am Schluss der Arbeit werden die Folgen der Modernisierungsarbeit dargelegt und untersucht, inwiefern sie die Bedeutung des Wiener Platzes veränderte.

Das Thema dieser Arbeit fand bisher in der Forschung nur wenig Beachtung. Mit der Entwicklung des Wiener Kommissionsplatzes befassen sich nur wenige Arbeiten. Ein sehr kurzer Aufsatz von Friedrich Schiller aus dem Jahr 1910 und die zwei ausführlichen Darstellungen von Thomas Keiderling. Wobei anzumerken ist, dass es sich bei dem Aufsatz von 2003, im größten Teil, um eine wortwörtliche Wiederholung der entsprechenden Kapitel aus Keiderlings Monografie „Die Modernisierung des Leipziger Kommissionsbuchhandels von 1830 bis 1888“ handelt. Es muss auch kritisch angemerkt werden, dass in der sonst sehr umfassenden Darstellung der „Geschichte des Buchhandels in Österreich“ der Kommissionsbuchhandel beinahe unbeachtet bleibt. Auch in den einschlägigen Monografien von Goldfriedrich und Wittmann finden der Kommissionssbuchhandel generell und der Wiener Kommissionsplatz im Besonderen nur wenig Beachtung. Dasselbe gilt auch für die Aufsätze von Carl Junker, der sich als Zeitgenosse von Goldfriedrich schon früh ausführlich mit dem österreichischen Buchhandel beschäftigt hat.

Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen für den Buchhandel in Österreich, insbesondere zur Zensurpolitik, findet man eine Fülle von Literatur, wobei die Problematik besonders in der „Geschichte des Buchhandels in Österreich“ ausführlich behandelt wird.

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass die „Gesellschaft für Buchforschung in Österreich“ eine neue mehrbändige Reihe zum Thema „Topographie des Buchwesens in der Habsburgermonarchie 1750–1850“ vorbereitet. Der erste Band über das „Buchwesen in Wien 1750–1850“ erscheint eventuell noch in diesem Jahr im Harrassowitz Verlag und wird hoffentlich den Wiener Kommissionsbuchhandel nicht unberücksichtigt lassen.[6]

2 Rechtliche Rahmenbedingungen des österreichischen Buchhandels im 19. Jahrhundert

2.1 Auswirkungen der Zensur

Wenn man sich mit dem österreichischen Buchhandel im 19. Jahrhundert beschäftigt, ist es unerlässlich auch das Zensursystem mit einzubeziehen. Seit 1814/15 der Wiener Kongress tagte, auf dem die Staatsoberhäupter aus Europa eine umfassende Restaurationspolitik in Gang setzten, entwickelte sich Österreich unter der Führung Metternichs zu einem repressiven Polizeistaat.[7] Das Ziel war, sämtliche liberalen und demokratischen Gedanken zu unterdrücken.[8] Ein Mittel zum Zweck war eine rigorose Kontrolle des Buchhandels. Seine Aufgaben wurden schon in der Buchhändlerordnung von 1806 klar definiert und er selbst zum „Instrument[...] des Staates degradiert“[9]. Auf diesen Aspekt wird im nächsten Kapitel noch ausführlicher eingegangen.

Eine andere Art der Kontrolle erfolgte in der Form einer strengen Präventivzensur.[10] Alle Manuskripte und die aus dem Ausland eingeführten Bücher wurden nach politischen, religiösen, aber auch sittlichen und literarischen Kriterien beurteilt.[11] Keiderling vertritt die, in der Literatur vorherrschende Meinung, dass, von allen Staaten des Deutschen Bundes, in Österreich, insbesondere in Wien, die Zensur am schlimmsten gewesen sei.[12] Er nennt exemplarisch die Regelung von 1849, in welcher die Buchhändler in Wien dazu verpflichtet wurden, die Bücherballen, die aus dem Ausland eintrafen, nur im Beisein eines Polizeikommissärs zu öffnen. So hätte man verbotene Ware sofort beschlagnahmen können. Die betroffenen Buchhändler hätten gegen diese Regelung sofort protestiert, allerdings ohne Ergebnis.[13]

In diesem Kapitel, sollen nun die wesentlichen Auswirkungen der Zensur, nä- her betrachtet werden.[14] Der Verlagsbuchhandel litt besonders unter den Folgen der Zensur. Die mit „transeat“[15] belegten Bücher durften weder angekündigt, noch beworben werden. Das hatte zur Folge, dass der Absatz deutlich gemindert wurde.

Viele Autoren, wie Anastasius Grün, ließen ihre Werke im Ausland verlegen, um so die Zensur und den mangelnden Urheberrechtsschutz[16] zu umgehen.[17] Die österreichischen Buchhändler verloren somit potentielle österreichische Verlagsprodukte.[18] Es gab in dieser Zeit auch keine bedeutenden belletristischen Verlage in Österreich. Stattdessen dominierten unverfänglichere wissenschaftliche Verlage, insbesondere für Medizin und Recht und Musikalienverlage.[19] Deren Verlagsprodukte genossen auch im Ausland großes Ansehen, was besondere Beachtung verdient, denn nach Bachleitner, Eybl und Fischer führte die bloße Existenz der Zensur, im Ausland zu Vorurteilen gegen in Österreich verlegte Bücher.[20]

Die Zensur erschwerte den Handel mit dem Ausland noch zusätzlich durch die hohen Einfuhrzölle.[21] Vor 1852 wurden fünf Gulden Einfuhrzoll pro Zentner erhoben, der Ausfuhrzoll betrug in dieser Zeit 12 ½ Kreuzer pro Zentner.[22] Dieser große Unterschied zwischen Einfuhrund Ausfuhrzoll[23] bestätigt die These von Bachleitner, Eybl und Fischer, dass die „Büchereinfuhr [von den Behörden] als Luxus und vom Zensurstandpunkt her als gefährlich“[24] eingestuft wurde.

2.2 Organisation des Buchhandels anhand der Buchhändlerordnung von 1806

Der Staat regelte die Organisation des österreichischen Buchhandels anhand von verschiedenen Verordnungen und Hofdekreten.[25] Bis 1859 galt die von Kaiser Franz II. erlassene „Ordnung für Buchhändler und Antiquare vom 18. März 1806“.[26]

Murray G. Hall behauptet, dass schon die Präambel charakteristisch für den damals vorherrschenden Zeitgeist wäre, in der „das gedruckte Wort [...] synonym mit einer Gefahr für den Staat“[27] gewesen sei. Der Buchhandel wäre „somit a priori gefährlich, eine Eigenverantwortung sollte ihm nicht übertragen werden“[28]. Wenn man die Präambel daraufhin untersucht, muss man sich Halls These anschließen. Dort heißt es, dass der Buchhandel mit seinem großen Einfluss auf Bildung, Künste und Wissenschaften in „Unordnung“[29] geraten sei, und damit nicht mehr dem „Staatszwecke“[30] diene. Das sei die Schuld von Personen, die sich unbefugt in die Belange des Buchhandels einmischen würden.[31] Um diese Einmischung zu unterbinden, schreibt die Buchhändlerordnung eine strenge Konzessionierungspflicht vor. In § 9 ist daher ausdrücklich festgelegt:

In der Regel ist, außer den privilegierten Buchhändlern, Antiquaren, niemanden erlaubt mit Büchern, es sey alten oder neuen, gebundenen oder ungebundenen, zu handeln, sie für Andere aus dem Auslande kommen zu lassen, in Commission zu nehmen, oder darauf Subscription zu sammeln.[32]

„Privilegiert“ waren die alteingesessenen Buchhändler, die von der Landesstelle eine entsprechende Konzession bekommen hatten.[33] Die Zahl der Konzessionen sollte sich nach dem lokalen Bedarf richten und nicht unnötig vermehrt werden.[34] Überhaupt wurde bestimmt, dass Buchhandlungen nur in Provinzhauptstädten oder Städten, in denen ein Kreisamt saß, gegründet werden durften.[35] Damit reduzierte sich die Zahl, der infrage kommenden Standorte auf 75.[36]

Ausländische Buchhändler durften „die inländischen Märkte mit Büchern nicht beziehen“.[37] Dieser speziellen Regelung wird in Kapitel 3.2 dieser Arbeit noch besondere Bedeutung zukommen, da es ein ausländischer Buchhändler war, der die Umgestaltung des österreichischen Kommissionsbuchhandels anregen sollte.[38]

Der Kommissionsbuchhandel spielt in dieser Buchhändlerordnung eine untergeordnete Rolle. Für ihn wurde lediglich folgendes festgelegt: dass, wie oben vermerkt, nur privilegierte Buchhändler und Antiquare Bücher in Kommission nehmen dürfen. Buchdruckern und Buchbindern ist dieses nur in besonderen Ausnahmefällen gestattet.[39]

Weiterhin wurde der Kolportagehandel verboten[40] und es durfte selbstverständlich nur mit Büchern gehandelt werden, die von der Zensur erlaubt waren.[41]

In der zugehörigen „Ordnung für das Gremium der Buchhändler und Antiquare“ wurde die Bildung von lokalen Gremien in Städten beschlossen, „wo mehr als vier Buchund Antiquar-Buchhandlungen“[42] bestanden. Diese Gremien sollten nicht vorrangig der Interessenvertretung der Branche dienen, sondern den Personalstand der Buchhandlungen erfassen und die Einhaltung der Zensurvorschriften überwachen.[43]

Die Folgen, die die Buchhändlerordnung von 1806 mit sich brachte, waren weitreichend. Die strenge Konzessionierungspolitik wirkte sich besonders negativ auf die Zahl der Buchhandlungen in der Donaumonarchie aus. In Wien blieb die Anzahl zwischen 1840 und 1850 relativ konstant, während sie bei anderen Standorten außerhalb Österreichs kontinuierlich wuchs.[44] Laut Keiderling hatte Österreich „Von allen deutschen Staaten [...] die geringste Anzahl von Buchhandlungen pro Kopf der Bevölkerung“.[45]

[...]


[1] Vgl. Bachleitner / Eybl u.a. 2000, S. 159.

[2] Vgl. ebd.

[3] Vgl. Keiderling 2003, S. 26.

[4] Vgl. Bachleitner / Eybl u.a. 2000, S. 167.

[5] Die Definition des zentralen Begriffes „Modernisierung“ wird von Keiderling übernommen: „Modernisierung ist [...] als ein komplexer wirtschaftlicher Transformationsprozeß zu verstehen, der sich aus einer Vielzahl kleinerer Innovationen und Teilverbesserungen zusammensetzt“. Keiderling 2000, S. 33.

[6] Vgl. dazu den Internetauftritt des Verbandes: www.buchforschung.at.

[7] Allerdings blieben die Zensurverhältnisse auch nach der Vertreibung Metternichs und der niedergeschlagenen Revolution von 1848 dieselben. Erst das Preßgesetz von 1862 lockerte die Zensurvorschriften. Vgl. Bachleitner / Eybl u.a. 2000, S. 165 u. 202.

[8] Vgl. Kohlmaier 1997, S. 27.

[9] Hall 2000, S. 177.

[10] Vgl. Goldfriedrich 1913, S. 269.

[11] Vgl. ebd.

[12] Vgl. Keiderling 2000, S. 288.

[13] Vgl. ebd.

[14] Auf die generelle Organisation der Zensur in Österreich wird hier nicht weiter eingegangen. Zu diesem Themenbereich seien insbesondere folgende Arbeiten empfohlen: Bachleitner 2001u. Hall 2000.

[15] Zensurgrad, der es zwar gestattete Bücher zu verkaufen, allerdings durften sie weder beworben, noch gewerblich verliehen werden. Vgl. Bachleitner / Eybl 2000, S. 160.

[16] Zur Urheberrechtsfrage vgl. Bachleitner, Eybl u.a. 2000, S. 167–170.

[17] Vgl. ebd., S. 163.

[18] Vgl. ebd.

[19] Vgl. Paar 2000, S. 37.

[20] Vgl. Bachleitner / Eybl u.a. 2000, S. 163.

[21] Vgl. ebd., S. 191.

[22] Vgl. ebd.

[23] Ein Gulden entsprach dem Wert von 60 Kreuzern. Die Zölle für den Import waren folglich ca. 24mal so hoch, wie die Exportzölle.

[24] Ebd.

[25] Vgl. Hall 2000, S. 172.

[26] Vgl. Junker 2001b, S. 66.

[27] Hall 2000, S. 177.

[28] Ebd.

[29] Buchhändlerordnung 1806, S. 95.

[30] Ebd.

[31] Vgl. ebd. 32 Ebd., S. 97.

[32] Ebd., S. 97.

[33] Vgl. ebd. S. 96, § 1.

[34] Vgl. ebd., § 3.

[35] Vgl. ebd., § 2.

[36] Vgl. Bachleitner / Eybl u.a. 2000, S. 171.

[37] Buchhändlerordnung 1806, S. 98, § 15.

[38] Vgl. Keiderling 2003, S. 9–11.

[39] Vgl. Buchhändlerordnung 1806, S. 97, § 9.

[40] Vgl. ebd., § 16.

[41] Vgl. ebd., S. 96, § 4.

[42] Buchhändlergremiumordnung 1806, S. 99. §. 11.

[43] Vgl. ebd., S. 99f., § 12. und § 17.

[44] Siehe Tabelle 1.

[45] Keiderling 2003, S. 9.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Wien als Kommissionsplatz im 19. Jahrhundert unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmen­bedingungen
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für Buchwissenschaft)
Veranstaltung
Geschichte des Zwischenbuchhandels bis zum frühen 20. Jahrhundert
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
18
Katalognummer
V123278
ISBN (eBook)
9783640280445
Dateigröße
468 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wien, Kommissionsplatz, Jahrhundert, Berücksichtigung, Rahmenbedingungen, Geschichte, Zwischenbuchhandels, Jahrhundert, Buchhandel
Arbeit zitieren
Maja Hetmank (Autor:in), 2007, Wien als Kommissionsplatz im 19. Jahrhundert unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmen­bedingungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123278

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