Atomzerfall - Gesellschaftsverfall. Zivilisationskritik in P. Leukefelds "Im Zeichen des Kreuzes"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2022

18 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Zivilisationskritik – eine Begriffsbestimmung

3 Atomkraft als Folgeerscheinung der Zivilisation

4 Umweltromane in den 70er- und 80er-Jahren

5 Zivilisationskritik in Peter Leukefelds „Im Zeichen des Kreuzes“ (1983)
5.1 Die Ausgangssituation für das Unglück
5.2 Das materialistische Wohlstandsstrebend der Bevölkerung
5.3 Das Versagen der Behörden

6 Schlussbetrachtungen

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Das Wachstum einer Industriegesellschaft benötigt eine kontinuierliche Steigerung des Produktionsniveaus und letztlich die schnelle und kostengünstige Verfügbarkeit von Energie. Diese Energie kann aus fossilen Energieträgern gewonnen werden, doch deren Verfügbarkeit ist endlich. Obwohl immer weniger Ressourcen zur Verfügung stehen, steigt der Energiebedarf der Industrie und Bevölkerung. Zudem entsteht bei dieser Form der Energiegewinnung CO2, das den Klimawandel vorantreibt und der Natur einen großen Schaden zufügt. Auch die erneuerbaren Energien wie zum Beispiel Energie aus der Sonne oder aus dem Wind haben einen großen Nachteil. Sie müssen gespeichert werden, da nachts beispielsweise die Sonne nicht scheint und an manchen Tagen kein Wind weht, der Windkrafträder antreiben kann. Die Entdeckung der Kernspaltung eröffnete dem Menschen einen völlig neuen Horizont der Energienutzung. Zunächst wird in dieser Art der Energiegewinnung nicht nur die kostengünstigste, sondern auch eine umweltfreundliche Variante gesehen.

Doch leider bleibt es nicht bei einer versorgungstechnischen Verwendung. Im zweiten Weltkrieg wurden die Städte Hiroshima und Nagasaki durch Atombomben angegriffen und zerstört. Es folgte ein Wettrüsten der Großmächte. Und dennoch ist die Bedrohung durch Atomkraft nie so groß gewesen wie heute. Durch die kriegerischen Angriffe Russlands in der Ukraine spürt der Westen die nukleare Bedrohung. Damit ist der Roman „Im Zeichen des Kreuzes“ von Peter Leukefeld nach dem Originaldrehbuch von Hans-Rüdiger Minow so aktuell wie zuletzt zur Zeit seiner Veröffentlichung.

In dieser Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern der Roman Kritik an den Folgeerscheinungen der Zivilisation in Bezug auf die zivile Nutzung der atomaren Kernenergie übt. Damit gliedert sich diese Arbeit in die Untersuchungen von Julia von DallʼArmi ein, die mit ihrer Monografie und Dissertation den ersten Versuch einer Zusammentragung der Thematisierung von Kernenergie in der deutschen Literatur im Zeitraum von 1906 bis 2011 gewagt hat. Allerdings erfolgt in dieser Arbeit eine textnahe Analyse eines einzelnen Werkes und kein Vergleich mehrerer Atomromane. Insgesamt hat der Roman Leukefelds keine Fülle an Publikationen hervorgerufen, obwohl sich eine Betrachtung aufgrund der gesellschaftlichen Wirksamkeit des Romans durchaus lohnt. Um die zentrale Frage dieser Arbeit zu beantworten, erfolgt zunächst eine Begriffsbestimmung der Zivilisationskritik. In diesem Kapitel werden auch die Folgeerscheinungen der Zivilisation aufgeführt. In einem weiteren Kapitel dieser Arbeit soll ein genauerer Blick auf die Atomkraft als Folgeerscheinung der Zivilisation geworfen werden. Die interdisziplinären Betrachtungen widmen sich in Kapitel vier dieser Arbeit den problemorientierten Umweltromanen der 70er- und 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts, um den Roman, der den Betrachtungen dieser Arbeit zugrunde liegt, literaturgeschichtlich zu verorten. In Kapitel fünf schließt sich die Analyse der Zivilisationskritik in Peter Leukefelds „Im Zeichen des Kreuzes“ an. Zunächst werden die Ausgangssituationen für das Unglück in Hinblick auf den Umgang der dargestellten Bevölkerung mit der Natur und die familiären Konstellationen aufgegliedert. Die Untersuchungen erfolgen textnah und orientieren sich vorwiegend am Primärtext. In einem weiteren Analysekapitel wird das materielle Wohlstandsstreben der Bevölkerung genauer beleuchtet. Auch das Versagen der Behörden im Katastrophenfall wird näher untersucht. Den Abschluss dieser Arbeit bilden resümierende Schlussbetrachtungen, die einen Interpretationsversuch in Hinblick auf die Forschungsfrage wagen.

2 Zivilisationskritik – eine Begriffsbestimmung

Die Zivilisation ist die „Gesamtheit der durch den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt verbesserten sozialen und materiellen Lebensbedingungen“1. Damit meint Zivilisation einen allgemeinen Gesellschaftszustand, der einen hohen Grad an Zivilisation aufweist, umso besser die gesellschaftlichen und finanziellen Lebensumstände der Menschen im Allgemeinen sind. Zurückzuführen ist dieser Status wiederum auf eine wissenschaftliche, wirtschaftliche und technologische Weiterentwicklung. An dieser Stelle muss festgehalten werden, dass der Begriff Zivilisation in Europa und der westlichen Welt umgangssprachlich durchaus positiv konnotiert ist und Fortschritt als Errungenschaft unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens gilt. Dies beinhaltet auch eine Abgrenzung zu vermeintlich primitiveren Zivilisationen, deren Entwicklungsniveau nicht das der europäischen Länder erreicht. Im Gegensatz zur Kultur, die mehr auf das Innere, das Moralische und Geistige angelegt ist, meint Zivilisation das Äußerliche, Nützliche und Materielle.2 Auch Kultur ist in ihrer Bedeutung verknüpft mit einer menschlichen Höherentwicklung, die sich aber – im Gegensatz zur Zivilisation – mehr auf den geistigen, gestaltenden und künstlerischen Bereich bezieht.3

Wenn in dieser Arbeit demzufolge von Zivilisationskritik gesprochen wird, ist eine Kritik an den Folgeerscheinungen der modernen Zivilisation gemeint. Verbesserte materielle Lebensbedingungen führen dabei beispielsweise dazu, dass Teilhaberinnen und Teilhaber in einer hochgradig zivilisierten Gesellschaft Dinge schnell und einfach kaufen können. Bereits nach einem Tag Lieferzeit können sie beispielsweise per Sprachsteuerung den neuen Fernseher einschalten oder das neuste Smartphone besitzen. Die Beispiele verdeutlichen bereits eine weitere Nachwirkung der Zivilisation: ein gewisses mechanisches und elektrotechnisches Entwicklungsniveau. Hinzu kommt zudem ein wissenschaftlicher Erkenntnisgrad, der auch den medizinischen Bereich einschließt. Die moderne Zivilisation zeichnet sich außerdem durch eine arbeitsteilige Wirtschaft, eine Urbanisierung und eine institutionalisierte Rechtsprechung aus. Zudem sind die Verwaltungs- und Machtstrukturen hierarchisiert – um nur einige Beispiele für Folgeerscheinungen der Zivilisation zu nennen.

Im Roman, der in dieser Arbeit im Mittelpunkt steht, spielt vor allem der gewisse materielle Wohlstand, das technologische Entwicklungsniveau und die hierarchisch geordneten Macht- und Verwaltungsstrukturen als Ausgangspunkte für die Zivilisationskritik eine Rolle.

3 Atomkraft als Folgeerscheinung der Zivilisation

Die Atomkraft blickt auf eine Geschichte genialer Wissenschaftler, rasanten technischen Ausbaus und einen enormen Beitrag zum Wohlstand unserer Gesellschaft zurück.

Der Mensch entdeckte vor über einer Millionen Jahren das Feuer, eine große Errungenschaft, die aber auch große Gefahren mit sich gebracht hat.4 Ähnlich verhält es sich mit der Entdeckung der Kernspaltung, die allerdings auf eine wesentlich kürzere Geschichte zurückblickt. Vor gerade einmal 84 Jahren wurde die Atomspaltung im Labor der deutschen Wissenschaftler Otto Hahn und Fritz Strassmann entdeckt.5 Damit wurde zum einen die Energienutzung von Atomkraft und zum anderen auch die Nutzung von Atombomben möglich. Der Beschuss von Atomkernen mit kleinen Teilchen mit Lichtgeschwindigkeit führt nicht nur zu einer großen Energiefreisetzung, sondern bringt auch ein enormes Zerstörungspotential mit sich.6 Die schädlichen Auswirkungen von Radioaktivität und Atomkraft zeigen sich insbesondere 1945 mit der Zündung der Atombomben in den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki.7 Nach den Atombombenabwürfen werden die schädlichen Auswirkungen der Radioaktivität, die schon früh bekannt waren, jedoch heruntergespielt wurden, endgültig publik.8 Es folgt ein Antizipieren der Auswirkungen für einen ‚Größten Anzunehmenden Unfall‘ (GAU) für die zivile Nutzung der Kernenergie.9 Insgesamt sorgt die Ambivalenz zwischen der kostengünstigen und auch zunächst umweltfreundlichen Energiebereitstellung sowie der enormen zerstörerischen Kraft der neuen Technologie für Mensch und Umwelt „für einen ausgeprägten medialen Nachhall“10. 1954 wird das erste Atomkraftwerk in Obinsk errichtet, womit es zu einer Neufunktionalisierung der Nutzung der Atomenergie in einem friedlichen Sinn kommt.11 Wenige Jahre später entstehen auch in Deutschland die ersten Kernkraftwerke und die Energiegewinnung aus Atomen wird zunehmend als Alternative für die Nutzung fossiler Energieträger zur Stromerzeugung gesehen.12 Doch es ergeben sich Probleme wie zum Beispiel die Frage der Endlagerung der atomaren Abfälle. Letztlich wird das kollektive Bewusstsein durch die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl (1986) und Fukushima (2011) zunehmend auf die Gefahren der atomaren Energiegewinnung gelenkt.13 Daraufhin wurde der Beschluss gefasst, dass bis Ende des Jahres 2022 endgültig alle Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden und damit vom Netz gehen.

4 Atomromane in den 70er- und 80er-Jahren

Die gesellschaftliche Diskussion bezüglich der ökologischen und atomaren Selbstzerstörung des Menschen mündete bereits in den Jahren zwischen 1975 und 1985 regelrecht in eine „Explosion der Angst- und Untergangsliteratur“14.

[...]


1 Dudenredaktion: Zivilisation [online], unter: https://www.duden.de/rechtschreibung/Zivilisation (zuletzt abgerufen am 02.10.2021).

2 Vgl. Barbara Beßlich: Wege in den ‚Kulturkrieg‘. Zivilisationskritik in Deutschland 1890–1914. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2000, S. 26.

3 Vgl. Dudenredaktion: Kultur [online], unter: https://www.duden.de/rechtschreibung/Kultur (zuletzt abgerufen am 04.10.2021).

4 Vgl. Hansruedi Völkle: Kernenergie. Chancen und Risiken. Berlin: Springer Nature 2000, S. VII.

5 Vgl. ebd., S. 1.

6 Vgl. Julia von DallʼArmi: Poetik der Spaltung. Kernenergie in der deutschen Literatur 1906–2011. Wies-baden: J. B. Metzler 2018, S. 3.

7 Hans Esselborn: Die Atomenergie in der Science Fiction – Unerschöpfliche Energiequellen oder implizite Katastrophe? In: Inklings. Jahrbuch für Literatur und Ästhetik 25 (2007), S. 212–239, hier: S. 216.

8 Catherina Caufield: Das strahlende Zeitalter. Von der Entdeckung der Röntgenstrahlen bis Tschernobyl. Aus dem Amerikanischen von Sebastian Scholz. München: C. H. Beck 1994, S. 18ff.

9 DallʼArmi 2018, S. 3.

10 Ebd.

11 Vgl. ebd.

12 Vgl. ebd.

13 Vgl. ebd.

14 Andreas Wirsching: Abschied vom Provisorium. 1982–1990. München: Deutsche Verlagsanstalt 2006 (= Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 6), S. 430.

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Details

Titel
Atomzerfall - Gesellschaftsverfall. Zivilisationskritik in P. Leukefelds "Im Zeichen des Kreuzes"
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Note
1,7
Jahr
2022
Seiten
18
Katalognummer
V1234607
ISBN (eBook)
9783346656650
ISBN (Buch)
9783346656667
Sprache
Deutsch
Schlagworte
atomzerfall, gesellschaftsverfall, zivilisationskritik, leukefelds, zeichen, kreuzes
Arbeit zitieren
Anonym, 2022, Atomzerfall - Gesellschaftsverfall. Zivilisationskritik in P. Leukefelds "Im Zeichen des Kreuzes", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1234607

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