Umweltbewusstsein und Konsumverhalten. Sind Kunden, die auf Kunststofftragetaschen verzichten, umweltbewusster?


Mémoire (de fin d'études), 2019

112 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Wohlfahrtsökonomische Grundlagen
2.1 Theoretische Erklärungsansätze: Technologischer externer Effekt
2.2 Politikmaßnahmen zur Internalisierung der negativen exter- nen Effekte
2.3 Empirische Analysen zu angewandten Politikmaßnahmen

3 Grundlagen des Umweltbewusstseins und des Konsumverhaltens
3.1 Umweltbewusstsein und Konsumverhalten
3.1.1 Definitorische Grundlagen
3.1.2 Untersuchungen zum Umweltbewusstsein in Deutschland
3.2 Verhaltensökonomische Grundlagen
3.3 Soziale Normen

4 Datengrundlage und methodisches Design der empirischen Unter-suchung
4.1 Der Fragebogen
4.1.1 Allgemeine Rahmenbedingungen des Fragebogens
4.1.2 Konzeption der Fragen und der Antwortmöglich- keiten
4.2 Definition der Hauptvariablen
4.2.1 Die abhängige Variable: Das Umweltbewusstsein der Konsumenten
4.2.2 Die unabhängige Variable: Das Konsumverhalten in Bezug auf Kunststofftragetaschen
4.2.3 Die Instrumentenvariable: Der Preis von Kunst- stofftragetaschen in Supermärkten

5 Empirische Analyse
5.1 Deskriptive Statistiken
5.2 Regressionsanalyse
5.3 Robustheitsanalyse

6 Diskussion und Grenzen der Analyse

7 Zusammenfassung und Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang
A Literatur
A1 Zusammenfassung der Literatur zu Politikmaßnahmen in Bezug auf Kunststofftragetaschen
B Informationen zur Datenerhebung
B1 Anschreiben zum Fragebogen
B2 Fragebogen
B3 Liste von genannten Supermärkten und den dazu ermittelten XXVII Preisen für Kunststofftragetaschen in €
C Weitere Datenbeschreibung
C1 Codebuch
C2 Übersicht Kreise, Raumordnungsregionen und Haushaltsein-kommen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Mögliche Variablen, die das Umweltbewusstsein und Um-weltverhalten von Individuen beeinflussen

Tabelle 2 Deskriptive Statistik der Variablen des Basismodells

Tabelle 3 OLS-Schätzung

Tabelle 4 IV-Schätzung

Tabelle 5 IV-Schätzung ohne das Bundesland Nordrhein-Westfalen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Histogramm des Konsumverhaltens der Befragten in Bezug auf Kunststofftragetaschen basierend auf den Ant­worten auf die Fragen 1, 2 und 4

Abbildung 2 Histogramm des Konsumverhaltens der Befragten in Bezug auf Papiertragetaschen basierend auf den Antworten auf die Fragen 5, 6 und 8

Abbildung 3 Kognitives Umweltbewusstsein der Befragten

Abbildung 4 Konatives Umweltbewusstsein der Befragten

Abbildung 5 Affektives Umweltbewusstsein der Befragten

Abbildung 6 Histogramm des Umweltbewusstseins der Befragten

Abbildung 7 Histogramm der IV preis.

Abbildung 8 Schulabschluss der Befragten

Abbildung 9 Monatliches Bruttoeinkommen der Befragten

Abbildung 10 Monatliches Haushaltsnettoeinkommen der Befragten

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Schon im Jahr 1972 bemängelte der Club of Rome in seinem wissenschaftlichen Be­richt zur Lage der Menschheit die zunehmende weltweite Umweltverschmutzung durch den Menschen und deren Auswirkungen (vgl. Meadows et al. 1972: 57). Dreißig Jahre später unterstrich dasselbe Forscherteam, welches den Bericht von 1972 verfasst hatte, diese Umstände erneut in ihrem Bericht zu den Grenzen des Wachstums. Sie betonten dabei besonders den zu hohen ökologischen Fußabdruck der Menschheit im Vergleich zur ökologischen Tragfähigkeit der Erde aufgrund des zu hohen Ressour­cenverbrauchs und den daraus resultierenden Umweltbelastungen (vgl. Meadows, Randers & Meadows 2016: XVII).

Auch heute, im Jahr 2019, sind die Gesellschaften der Weltgemeinschaft täglich mit Themen wie Umweltverschmutzung, Ressourcenkonsum und Klimawandel konfron­tiert und sich den damit einhergehenden Problematiken durchaus bewusst. Dazu gehö­ren auch sogenannte Wegwerfgesellschaften, die Güter im Überfluss konsumieren und entsorgen, anstatt Ressourcen nachhaltig und mit Bedacht zu nutzen. Den größten An­teil am Bruttoinlandsprodukt hat der private Konsum (vgl. Stern 1999: 461), welcher durch Tage mit besonders günstigen Angeboten, wie dem Black Friday, noch künstlich gesteigert wird. Doch alles, was konsumiert wird, hat nur eine bestimmte Lebensdauer, und muss danach als Müll entsorgt werden. Dieses konsumbedingte Müllaufkommen hat gravierende Folgen für die Umwelt und damit auch die Lebensumstände zukünfti­ger Generationen.

Ziel dieser Arbeit ist es, sich mit einem Teilaspekt der beschriebenen Problematik aus ökonomischer Perspektive auseinander zu setzen und somit einen qualitativen For­schungsbeitrag zur Thematik zu leisten. Im Folgenden soll nun der Weg zur For­schungsidee genauer beschrieben werden, um dann detailliert auf ihre Umsetzung in den einzelnen Kapiteln einzugehen.

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der daran anschließenden Entwicklung der westlichen Konsumgesellschaften, ist auch eine neue Materialgruppe entwickelt wor­den und heute aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken: die Kunststoffe. Die weltweite Produktion von Kunststoffen stieg von zwei Metertonnen (mt) im Jahr 1950 auf 380 mt im Jahr 2015 (vgl. Geyer, Lambeck & Law 2017: 1). Neben den Vorteilen dieser Materialien werden aktuell in den Medien und zunehmend in der Politik ihre Nachteile in Bezug auf ihre Entsorgung und ihren Umwelteinfluss diskutiert und kritisch hinter­fragt (mehr dazu siehe Kapitel 2). Diese Diskussionen tangieren dabei auch ökonomi­sche Thematiken wie beispielsweise die Internalisierung externer Effekte durch Kunst­stoffmüll. Aus diesen Gründen entstand schnell das Interesse, sich im Rahmen dieser Arbeit mit Kunststoffen zu befassen und eine Fragestellung im Zusammenhang mit dieser Stoffgruppe ökonomisch zu untersuchen.

Da produzierte Kunststoffe allgemein schwer greifbare und in Zahlen kaum messbare Güter sind, war es notwendig, den Untersuchungsgegenstand für die Analyse einzu­grenzen. Schließlich fiel die Wahl auf ein Gut, was den schnelllebigen Konsum der Wegwerfgesellschaft symbolisch verkörpern kann: die Kunststofftragetasche (vgl. Hawkins 2001: 6; Muthu et al. 2011: 470). Sie wird aus nicht erneuerbaren Ressourcen hergestellt, weltweit meist zum Transport von Lebensmitteln, aber auch anderen Gü­tern benutzt und häufig nach der ersten Verwendung entsorgt (vgl. Adane & Muleta 2011: 234).

Auf Basis des Studiums der bisherigen ökonomischen Forschungsarbeiten zu Kunst­stofftragetaschen (mehr dazu siehe Kapitel 3) sowie der 2016 in Deutschland verab­schiedeten Vereinbarung zur Verringerung des Verbrauchs von Kunststofftrageta­schen (vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) & Handelsverband Deutschland (HDE) 2016) konnte schließlich eine Frage­stellung entwickelt werden. In Kapitel 3 wird herausgearbeitet, dass die genannte Ver­einbarung als soziale Norm betrachtet werden kann, mit Hilfe derer die deutsche Bun­desregierung nicht allein das Ziel einer Reduktion des Kunststofftragetaschenver­brauchs verfolgt, sondern dadurch weiterführend auch das Umweltbewusstsein der Be­völkerung stärken und zum nachhaltigen Konsum anregen möchte (vgl. Bundesminis­terium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU)1 2018a).

Anlehnend an dieses Ziel der deutschen Bundesregierung soll im Rahmen dieser Ar­beit untersucht werden, ob ein positiver Zusammenhang zwischen dem Konsumver­halten in Bezug auf Kunststofftragetaschen der Verbraucher2 und ihrem Umweltbe- wusstsein besteht. Dabei wird vermutet, dass dieser positive Zusammenhang zu be­obachten ist, und Konsumenten desto umweltbewusster sind, je besser ihr Konsum­verhalten in Bezug auf Kunststofftragetaschen ist. Ziel ist es dabei, nach Untersuchung dieser Hypothese eine Aussage darüber treffen zu können, ob die Absicht der Bundes­regierung, durch die Reduktion des Kunststofftragetaschenverbrauchs auf das Um­weltbewusstsein der Bevölkerung einzuwirken, in der Realität zu beobachten ist. Diese Hypothese soll mit Hilfe einer Regressionsanalyse untersucht werden. Als Daten­grundlage für die Analyse dienen durch einen eigens konzipierten Fragebogen erho­bene Individualdaten. Die inhaltlichen Schwerpunkte der Kapitel sind wie folgt:

Als Basis für die Analyse soll zunächst in Kapitel 2 der theoretische Hintergrund zu den ökonomisch relevanten Effekten von Kunststofftragetaschen, ihnen entgegenwir­kende Politikmaßnahmen sowie der aktuelle Forschungsstand zu dieser Thematik er­läutert werden. In diesem Zusammenhang werden die Maßnahmen und der For­schungsstand in Deutschland explizit beleuchtet.

In Kapitel 3 werden anschließend die theoretischen Grundlagen und bisherige empiri­sche Erkenntnisse zu den Analysegegenständen Umweltbewusstsein und Konsumver­halten umrissen, die in diesem Rahmen mit den Resultaten aus Kapitel 2 verknüpft werden sollen. Außerdem werden verhaltensökonomische Grundlagen dargestellt, die für die Einordnung des Konsum- und Umweltverhaltens der Konsumenten im Rahmen dieser Arbeit relevant sind. Weiterhin wird speziell auf soziale Normen als Mittel zur Lösung von Umweltproblematiken eingegangen.

Anschließend werden in Kapitel 4 die Erhebung der Datengrundlage beschrieben und das methodische Design der Untersuchung dargestellt. Dabei wird zunächst näher auf die Konzeption des Fragebogens eingegangen, um dann die drei Hauptvariablen näher zu definieren und herauszustellen, warum sie als Variablen für die empirische Analyse ausgewählt wurden.

Kapitel 5 beginnt zunächst mit der Darstellung der deskriptiven Statistiken der Daten, um einen Überblick über die einzelnen Variablen zu bekommen und anhand der Aus­wertungen erste analytische Aussagen treffen zu können. Anschließend folgt der Hauptteil der empirischen Arbeit, die Regressionsanalyse. Dabei wird neben einer OLS-Schätzung eine Instrumentenvariablenschätzung (IV-Schätzung) mit Hilfe der zweistufigen Methode der kleinsten Quadrate durchgeführt. Zum Abschluss des Kapi­tels wird die Robustheit der Ergebnisse durch eine erneute IV-Schätzung überprüft.

Die Ergebnisse der Analyse werden darauffolgend in Kapitel 6 diskutiert und mögliche Implikationen für die Politik abgeleitet. Dabei sollen auch etwaige Grenzen der Ana­lyse und Potentiale für zukünftige Forschungsarbeiten aufgezeigt werden, um in Ka­pitel 7 ein abschließendes Fazit zu ziehen.

2 Wohlfahrtsökonomische Grundlagen

2.1 Theoretische Erklärungsansätze: Technologischer externer Effekt

Seit der Erfindung der Kunststofftragetasche, im Volksmund auch Plastiktüte genannt, in den 1960er-Jahren (vgl. Madara, Namango & Wetaka 2016: 12), wurde sie in den 1970er-Jahren weltweit nach und nach als Ergänzung zu herkömmlichen Tragetaschen auf den Markt gebracht (vgl. Ansari, Chavan & Husain 2011: 598).

Diese Arbeit beschäftigt sich mit Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke von 0,015 bis 0,05 Millimetern, die vor allem für den Transport von Lebensmitteln und Einkäufen gebraucht werden. Tragetaschen mit einer geringeren sowie höheren Wand­stärke werden nicht betrachtet.

Kunststofftragetaschen werden aus Polyethylen, einem Syntheseprodukt in der orga­nischen Chemie, hergestellt, welches in verschiedenen Formen auftritt. Für die Her­stellung von Tragetaschen werden hauptsächlich Hart-Polyethylen (HDPE) und Weich-Polyethylen (LDPE) verwendet (vgl. Muthu et al. 2011: 470). Das Material hat viele Vorteile, denn es sorgt für eine hohe Stabilität sowie Resistenz gegen Umwelt­einflüsse wie beispielsweise Nässe. Es ist zudem sehr leicht und hygienisch (vgl. Uni­ted Nations Environmental Program (UNEP) 2005: 23).

Aufgrund der geringen Produktionskosten werden Kunststofftragetaschen häufig kos­tenlos an Konsumenten abgegeben (vgl. Adane & Muleta 2011: 236; UNEP 2018: 2). Ihre geringen Wiederbeschaffungskosten sorgen häufig für einen Einmalgebrauch, auf den die Entsorgung folgt (vgl. Adane & Muleta 2011: 234). Weltweit werden geschätzt 500 Milliarden Kunststofftragetaschen pro Jahr verbraucht (vgl. Routley 2018), was 66,23 Tragetaschen pro Person und Jahr entspricht (vgl. United Nations (UN) 2017: 1; eigene Berechnungen). Allein in Deutschland waren es im Jahr 2015 5,6 Milliarden. Dies entspricht durchschnittlich 68,14 Tragetaschen pro Person und Jahr (vgl. Gesell­schaft für Verpackungsmarktforschung mbh (GVM) 2018: 4; Statistisches Bundesamt 2018a; eigene Berechnungen).

Neben den Vorteilen der Kunststofftragetaschen sind in den letzten Jahren vor allem die durch ihre Entsorgung hervorgerufenen negativen Auswirkungen auf die Umwelt Gegenstand kontroverser politischer (vgl. BMUB 2016) und medialer (vgl. Krohn 2018) Debatten in Deutschland, die auch beim Bürger selbst zunehmend präsenter werden (vgl. Europäische Kommission 2018: 1). Es wurde bereits erkannt, dass so­wohl Politikmaßnahmen der politisch Verantwortlichen als auch das eigene Konsum­verhalten die Entsorgung von Tragetaschen beeinflussen (vgl. Muthu et al. 2011: 470). Kunststofftragetaschen werden außerdem als symbolisches Objekt des weltweiten Müllproblems betrachtet (vgl. Hawkins 2001: 6; Muthu et al. 2011: 470).

In diesem Zusammenhang wird auch die Ökobilanz von Kunststofftragetaschen im Vergleich zu den Bilanzen alternativer Transporttragetaschen wie Papiertragetaschen oder Stofftragetaschen wissenschaftlich untersucht und diskutiert (vgl. Edwards & Meyhoff Fry 2011). Letzteres soll jedoch nur der Vollständigkeit halber am Rande in dieser Arbeit thematisiert werden und allein die Kunststofftragetasche im Fokus ste­hen.

Zunächst werden nun also die negativen Auswirkungen von Kunststofftragetaschen genauer spezifiziert und dann in den theoretischen ökonomischen Kontext eingeord­net.

Unter dem breit gefassten Begriff Umwelt können engere Bereiche definiert werden, die durch die Entsorgung der Kunststofftragetaschen nachhaltig geschädigt werden: dazu zählen die Luft, Meere und Gewässer, Landschaften, Tiere sowie der Mensch (vgl. Ansari, Chavan & Husain 2017: 597f.). Die Schädigung des Menschen kann da­bei noch in gesundheitliche, soziale und ökonomische Einflüsse untergliedert werden (vgl. Adane & Muleta 2011: 235; Ansari, Chavan & Husain 2017: 598; UNEP 2018: 14ff.). Die Schädigungen der einzelnen Bereiche sollen im Folgenden genauer be­trachtet werden.

Die Verschmutzung der Luft durch die schädigenden Effekte von Kunststofftrageta­schen beginnt bei ihrer Produktion und endet bei ihrer Entsorgung. Das Material der Taschen, Polyethylen, wird aus Erdöl hergestellt. Dies ist eine nicht erneuerbare Res­source, deren aufwendige Förderung an Land und im Meer Umweltschäden wie die Schädigung von Ökosystemen verursacht (vgl. Jalil, Mian & Rahman 2013: 2). 4 % des gesamten Erdölverbrauchs sind durch die Produktion von Kunststofftragetaschen bedingt (vgl. Budianto & Lippelt 2010: 41). Das gewonnene Erdöl wird schließlich hauptsächlich per Schiff zu den Produktionsstätten transportiert, wodurch Kohlen­stoffdioxid (CO2) emittiert wird. Bei der anschließenden Herstellung von Kunst­stofftragetaschen werden toxische Chemikalien sowie erneut CO2 freigesetzt, die zu saurem Regen und Smog führen (vgl. Ansari, Chavan & Husain 2017: 597). Auch beim Transport der Tragetaschen mit dem Schiff von der Produktionsregion, meist Nord-Ost-Asien (vgl. UNEP 2018: 4), in die Regionen mit der größten Nachfrage, Westeuropa und Nordamerika, wird CO2 emittiert (vgl. Ansari, Chavan & Husain 2017: 597). Werden Kunststofftragetaschen, die mit dem normalen Hausmüll entsorgt werden, dann schließlich verbrannt, entstehen ebenfalls luftverschmutzende Emissio­nen, die als Treibhausgase wirken (vgl. Zhu 2011: 2516).

Medial ist die Verschmutzung der Meere und Gewässer durch Kunststofftragetaschen häufig sehr präsent, denn die Taschen zählen zu dem am häufigsten an Stränden ge­fundenen Müll (vgl. De Groot, Abrahamse & Jones 2013: 1830; UNEP 2018: 10). Die Tragetaschen werden in Flüssen entsorgt und gelangen so in großen Mengen in die Ozeane (vgl. Jalil, Mian & Rahman 2013: 2), von denen sie durch Strömungen wieder an Land gespült werden oder sich in großen Mengen sammeln (vgl. Europäische Kom­mission 2018: 4). Es wird geschätzt, dass 80 % aller sich im Meer befindlichen Abfälle aus Kunststoffen bestehen (vgl. ebd.). Allein in den Meeren im Gebiet der Europäi­schen Union (EU) werden schätzungsweise pro Jahr 150.000 bis 500.000 Tonnen Kunststoffabfälle entsorgt (vgl. ebd.: 5). Durch die geographische Lage an den Meeren Nord- und Ostsee wird somit auch Deutschland mit dieser Problematik konfrontiert.

Je nach Materialzusammensetzung der Kunststofftragetasche beträgt ihre Zersetzungs­zeit mehrere Jahrzehnte bis 1000 Jahre (vgl. Ansari, Chavan & Husain 2017: 598). Während des Zersetzungsprozesses der Tragetaschen entsteht sogenanntes Mikroplas­tik, welches das Meerwasser verunreinigt. Geschätzt treiben aktuell 5,25 Billionen Kunststoffpartikel in den Ozeanen (vgl. Xanthos & Walker 2017: 1), welche auch durch sich zersetzende Kunststofftragetaschen bedingt sind. Dies hat weitreichende Auswirkungen auf die Nährstoffaufnahme der im Meer lebenden Pflanzen, Tiere und damit durch die Nahrungskette auch auf den Menschen. Ganze Ökosysteme werden so langfristig verschmutzt (vgl. Xanthos & Walker 2017: 1).

Auch an Land entwickeln sich Probleme aufgrund der Verschmutzung durch Kunst­stofftragetaschen. Besonders auf landwirtschaftlich genutzten Flächen sind die Folgen gravierend, da die Tragetaschen und ihre Partikel das Pflanzenwachstum hemmen (vgl. Jalil, Mian & Rahman 2013: 4). Daraus resultieren:

„geringere Bodenfruchtbarkeit, reduzierte Stickstofffixierung im Boden, Bo­denabtrag und Nährstoffverlust, geringerer Ernteertrag [sowie ein] Ungleich­gewicht in der Bodenfauna und -flora.“ (ebd.: 5).

Landwirte erleiden also wirtschaftliche Einbußen, die sich auf ihre individuelle öko­nomische Situation auswirken, weil sie weniger Produkte verkaufen können. Da sich unter anderem dadurch das Angebot an landwirtschaftlichen Erzeugnissen verringert, steigt deren Preis an, weshalb die Verschmutzung weitreichende Auswirkungen auf die Situation aller hat.

Optisch wird die Landschaft durch das Wegwerfen der Tragetaschen zerstört. Das hat in stark verschmutzten Regionen einen Rückgang des Tourismus zur Folge und führt damit zu wirtschaftlichen Einbußen für die einheimische Bevölkerung (vgl. Madara, Namango & Wetaka 2016: 15). Daneben tragen auch das Vergraben der Taschen so­wie ihre Entsorgung auf Müllkippen, wo mehr als 90 % der Kunststofftragetaschen entsorgt werden (vgl. Budianto & Lippelt 2010: 41), zur Verschmutzung bei. In weni­ger entwickelten Ländern besteht aufgrund des Mangels an sanitären Anlagen zusätz­lich das Problem der Entsorgung von Fäkalien in Kunststofftragetaschen, die dann in die Landschaft geworfen werden (vgl. Adane & Muleta 2011: 241). Genau wie im Meer gelangen auch durch die Entsorgung der Kunststofftragetaschen auf Müllkippen in den Landschaften Mikroplastikpartikel in den Boden und verunreinigen diesen so­wie das Grundwasser (vgl. ebd.: 242).

Die größte negative Auswirkung von Kunststofftragetaschen auf Tiere besteht darin, dass sowohl Meeres- als auch Landtiere häufig Kunststofftragetaschen und ihre Parti­kel nicht von ihrer richtigen Nahrung unterscheiden können. So werden einzelne Kunststoffteilchen und sogar ganze Tragetaschen von ihnen bei der Nahrungsauf­nahme aufgenommen. Da der Kunststoff nicht von ihnen verdaut werden kann, sterben neben Meerestieren auch bis zu eine Milliarde Seevögel und Säugetiere jährlich daran (vgl. Adane & Muleta 2011: 234; De Groot, Abrahamse & Jones 2013: 1830; Ramas- wamy & Sharma 2011: 9f.). Auch in der Nord- und Ostsee ist diese Problematik all­gegenwärtig. Bei Untersuchungen unterschiedlicher Fischarten wurden Plastikpartikel in 69 % der Tiere festgestellt. Außerdem wurden in 94 % der verendeten Eissturmvö­gel Kunststoffteile gefunden (vgl. Umweltbundesamt (UBA) 2017a).

Auch der Mensch ist aufgrund der Umweltverschmutzung durch Kunststofftrageta­schen auf unterschiedlichen Ebenen betroffen. Die Auswirkungen auf den Menschen äußern sich auf gesundheitlicher, sozialer und ökonomischer Ebene.

Der menschliche Organismus wird durch die Aufnahme von Mikroplastikpartikeln durch Wasser und Nahrung über die Nahrungskette beeinflusst. Die gesundheitlichen Folgen davon sind allerdings noch weitestgehend unerforscht (vgl. UNEP 2018: 15). Weiterhin führen die CO2-Emissionen, die bei der Produktion und Verbrennung der Kunststofftragetaschen entstehen, zu Erkrankungen (vgl. Zhu 2011: 2516). Besonders die Bevölkerung in Städten in Entwicklungsländern ist von der Verschmut­zung durch Kunststofftragetaschen betroffen. Denn oft gibt es in diesen Städten keine geregelte Abfallversorgung sowie oberirdisch verlaufende Abwassersysteme. Auf­grund dieser infrastrukturellen Mängel werden letztere durch die Tragetaschen ver­stopft und es kommt zu nicht gewollten Fehlleitungen des Abwassers. Folge davon sind unangenehme Gerüche und hygienisch bedrohlichen Lagen für die Menschen (vgl. Ansari, Chavan & Husain 2017: 598).

In regenreichen Gebieten wie Indien und Bangladesch kommt es durch mit Kunst­stofftragetaschen verstopfte Abwassersysteme außerdem zu Überschwemmungen, die schon Todesopfer forderten (UNEP 2018: 13). Das durch die Überflutungen stillste­hende Wasser bietet in der Folge lebensfreundliche Umgebungen für Mücken und an­dere Parasiten, die zum Beispiel Krankheiten wie das Dengue Fieber und Malaria aus­lösen (vgl. Adane & Muleta 2011: 235; Ansari, Chavan & Husain 2017: 598).

Bezüglich einiger giftiger Bestandteile von Kunststofftragetaschen besteht außerdem die Möglichkeit ihrer Verantwortung für Krebserkrankungen (vgl. Budianto & Lippelt 2010: 41).

Auch die sozialen und ökonomischen Folgen sollten beachtet werden. Aus sozialer Perspektive kommt es durch die optische Verschmutzung der Umwelt zu Wohlfahrts­verlusten für den Menschen, wodurch die sozialen Kosten durch die Verschmutzung steigen (vgl. UNEP 2018: 14). Ökonomisch wird der Mensch vor allem durch finan­zielle Einbußen in den Bereichen Tourismus, Fischereiindustrie und Schifffahrt (vgl. Werner et al. 2016: 39ff.) sowie in der Landwirtschaft (vgl. Madara, Namango & We- taka 2016: 15) geschädigt. Geschätzt beläuft sich allein die Höhe der Kosten der Fi­schereiindustrie in der EU durch Kunststoffabfälle auf 1 % ihres Ertrags (vgl. Werner et al. 2016: 40). Auch die Kosten für die Säuberung der Umwelt müssen die Individuen im Endeffekt durch Steuerzahlungen tragen (vgl. UNEP 2018: 15f.). Letztendlich wer­den sich auch die gesundheitlichen und sozialen Schädigungen durch Kunststofftrage­taschen negativ ökonomisch widerspiegeln, da die Kosten dafür ebenfalls von den In­dividuen selbst getragen werden müssen.

Wie sich zeigt, bestehen umfassende negative Auswirkungen des Konsums von Kunst­stofftragetaschen, die in Deutschland vor allem eine Relevanz für die Meere, Meeres­tiere und durch die Nahrungskette auch für den Menschen haben.

Die genannten negativen Auswirkungen sollen nun im Folgenden in die ökonomische Theorie eingeordnet werden:

Eine grundlegende Annahme der Wohlfahrtsökonomik besagt, dass der Markt für ein Gut im Gleichgewicht ist, wenn die Nachfrage nach dem Gut seinem Angebot ent­spricht (vgl. Pindyck & Rubinfeld 2018: 47). Ist der Markt im Gleichgewicht, ent­spricht der Preis eines Gutes also seinem sozialen Wert, das heißt der soziale Grenz­nutzen sollte gleich den sozialen Grenzkosten sein. Ist diese Bedingung nicht erfüllt, bedeutet dies eine Abweichung vom Optimum, die häufig durch zusätzliche externe Grenzkosten oder zusätzlichen Grenznutzen verursacht wird. Diese werden als Exter- nalität oder auch externer Effekt bezeichnet (vgl. Pindyck, Rubinfeld, & Schittko 1998: 785). Treten solche Effekte auf, ist der erste Hauptsatz der Wohlfahrtstheorie nicht mehr gültig (vgl. Sturm & Vogt 2011: 16).

Per Definition besteht ein externer Effekt genauer dann, wenn sich das ökonomische Handeln eines Individuums oder mehrerer Akteure auf die Wohlfahrt eines unbeteilig­ten Akteurs auswirkt (vgl. Mankiw & Taylor 2018: 324). In diesem Fall enthält die Nutzenfunktion (Uz) eines unbeteiligten Akteurs oder Unternehmens (Z) mindestens eine Variable, die durch ein anderes Individuum bestimmt wird (Y):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erzeugen externe Effekte einen Schaden, bezeichnet man sie als negativ, führen sie zu einer Verbesserung, werden sie als positiv bezeichnet (vgl. Mankiw & Taylor 2018: 324). Sie können außerdem sowohl durch Produktions- als auch durch Konsumaktivi­täten entstehen (vgl. Mankiw & Taylor 2018: 324). Sind nur Produzenten verantwort­lich für eine Externalität oder von ihr betroffen, nennt man dies Produktionsexternali- tät, tritt der gleiche Fall nur für Konsumenten auf, ist es eine Konsumexternalität (vgl. Sturm & Vogt 2011: 16). Die Externalitäten für den Markt von Kunststofftragetaschen werden hingegen, wie zu Beginn dieses Kapitels beschrieben, sowohl von Produzenten als auch Konsumenten verursacht und beide Gruppen sind auch von den Auswirkun­gen betroffen.

Weiterhin wird zwischen technologischen, pekuniären und psychologischen externen Effekten unterschieden. Ein psychologischer externer Effekt liegt vor, wenn der Nut­zen eines Akteurs durch den Nutzen eines Unbeteiligten beeinflusst wird, aber kein direkter Zusammenhang besteht. Beispiele dafür können Altruismus oder Neid sein. Pekuniäre externe Effekte stellen dar, wie sich Knappheitsrelationen verändern und sind keine Ursache für Marktversagen (vgl. Fritsch 2018: 85). Wie deutlich wird, ist der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit keinem der beiden beschriebenen Effekte zuzuordnen.

Daher ist die Umweltverschmutzung durch Kunststofftragetaschen eindeutig den ne­gativen technologischen externen Effekten zuzuordnen, die wie folgt definiert werden:

„[...] [Es] liegen technologische externe Effekte dann vor, wenn zwischen den Produktions- bzw. Nutzenfunktionen verschiedener Akteure ein physischer Zu­sammenhang besteht, der sich nicht oder nicht vollständig in entsprechenden Marktbeziehungen widerspiegelt.“ (ebd.: 86).

Dies bedeutet, dass der Preismechanismus des Marktes bei vorhandenen externen Ef­fekten nicht reagiert (vgl. Sturm & Vogt 2011: 17). Das heißt für den Markt der Kunst­stofftragetasche: Es entstehen beispielsweise, neben dem privaten Nutzen des Konsu­menten durch Gebrauch der Kunststofftragetasche, externe Zusatzkosten durch die Umweltverschmutzung, verursacht durch die Entsorgung der Tasche. Diese externen Zusatzkosten sind der Höhe des negativen externen Effekts äquivalent und fließen schädigend in die Nutzenfunktion des unbeteiligten Akteurs ein (vgl. Fritsch 2018: 87). Folge dessen hat der geschädigte unbeteiligte Akteur Interesse daran, den Schaden vollständig zu beheben. Aus ökonomischer Perspektive ist jedoch lediglich eine Re­duktion des Schadens optimal:

Angenommen, die Kunststofftragetasche sei für den Verursacher des Schadens ent­geltfrei verfügbar, muss dieser nicht für den Schaden des unbeteiligten Akteurs auf­kommen. Wird nun in der Folge ein Preis auf die Kunststofftragetasche erhoben, wird der Schaden verkleinert. Gleichzeitig steigen die Grenzkosten der Schadenvermeidung mit jeder Kunststofftragetasche, die vermieden wird, während der Grenzschaden des unbeteiligten Akteurs mit jeder vermiedenen Tasche abnimmt. Dadurch nähern sich die Grenzkosten der Schadenvermeidung und der Grenzschaden immer weiter an, bis sie in einem optimalen Schädigungsniveau zusammentreffen, das gesamtwirtschaft­lich effizient ist (vgl. Fritsch 2018: 91).

Das optimale Schädigungsniveau durch einen technologischen externen Effekt kann in der Realität oft nicht allein durch die Mechanismen des Marktes erreicht werden. In diesen Fällen muss der externe Effekt mit Hilfe wirtschaftspolitischer Eingriffe inter­nalisiert werden. Die Ausgestaltung dieser Eingriffe ist vielfältig. Fritsch (2018) un­terscheidet zwischen zehn verschiedenen möglichen Maßnahmen:

„moralische Appelle, staatliche Bereitstellung, Fusion/kollektive Bereitstel­lung, Ge- und Verbote, Auflagen, Steuern bzw. Abgaben, Subventionen zu Re­duktion einer Schädigung, [.] Verhandlungen [.], Handelbare Rechte (Zer­tifikate) [sowie das] Haftungsrecht [.]“ (ebd.: 136).

Die Auswahl des Instruments erfolgt anhand von Beurteilungskriterien, die gegenei­nander abgewogen werden. Fritsch (2018) nennt dabei die Kosten-Nutzen-Analyse (statische Effizienz) sowie die Anreizwirkung (dynamische Effizienz) des Instruments und die Treffsicherheit, die beschreibt, ob das optimale Schädigungsniveau durch das Instrument erreicht werden kann. Weiterhin sollte berücksichtigt werden, ob die Maß­nahme politisch durchsetzbar ist und ob eventuelle Umgehungsmöglichkeiten beste­hen, die es zu vermeiden gilt (vgl. ebd.: 103f.)

Um die negativen externen Effekte durch Kunststofftragetaschen zu internalisieren, wurden weltweit bereits unterschiedliche Instrumente als Politikmaßnahmen gewählt. Auf ihre Ausgestaltung soll im folgenden Kapitel näher eingegangen werden.

2.2 Politikmaßnahmen zur Internalisierung der negativen externen Effekte

Wie in Kapitel 2.1 erläutert, sind die Schädigungen durch Kunststofftragetaschen ge­rade zu Beginn des 21. Jahrhunderts zunehmend medial und politisch präsent gewor­den (vgl. Jakovcevic et al. 2014: 2). Daher wurden besonders in diesem Zeitraum, aber auch schon Ende des 20. Jahrhunderts, verbreitet Politikmaßnahmen ergriffen, um die­sen Schädigungen entgegen zu wirken. Damit begannen bereits Ende der 1990er-Jahre Dänemark (1994) und Indien (1998) (vgl. UNEP 2018: 32, 37). Weitere Maßnahmen folgten zu Beginn der 2000er-Jahre beispielsweise in Südafrika und Bangladesch (vgl. ebd.: 24ff.).3 Die Tendenz, Maßnahmen gegen die negativen externen Effekte von Kunststofftragetaschen zu implementieren, ist weiter steigend (vgl. Xanthos & Walker 2017: 6) und hat besonders in den Jahren 2015 bis 2017 exponentiell zugenommen (vgl. UNEP 2018: 24). Im Folgenden sollen nun die weltweit gebräuchlichsten Maß­nahmen erläutert und dargestellt werden, um dann explizit auf die angewendete Poli­tikmaßnahme in Deutschland einzugehen.

Auf nationalen Ebenen wurden bereits auf allen Kontinenten Handlungen zur Reduk­tion von Kunststofftragetaschen durchgeführt. Die meisten landesweiten Maßnahmen wurden in Afrika und Europa eingeführt, die wenigsten auf dem gesamten amerikani­schen Kontinent (vgl. UNEP 2018: 25; Xanthos & Walker 2017: 3). Dort wurden In­strumente eher auf regionaler Ebene implementiert (vgl. UNEP 2018: 26).

Politisch Verantwortliche wählten hauptsächlich regulatorische und ökonomische In­strumente sowie eine Kombination aus beiden, um den technologischen externen Ef­fekt durch den Kunststofftragetaschenkonsum zu internalisieren (vgl. ebd.: 23).

Als regulatorische Instrumente sind vollständige oder partielle Verbote zu nennen. Diese sind je nach Land oder Region unterschiedlich ausgestaltet. Die partiellen Ver­bote beziehen sich beispielsweise auf den Gebrauch von Tragetaschen mit speziellen Wandstärken, während die vollständigen Verbote die gesamte Produktion, den Import, den Verkauf sowie den Gebrauch einschließen (vgl. UNEP 2018: 29). Um das Verbot effektiv durchzusetzen, haben einige Länder hohe Strafen auf den Verstoß eingeführt. In Ruanda liegt die Höchststrafe bei zwölf Monaten Haft, während in Kenia bis zu 40.000 US-$ Strafzahlungen fällig werden (vgl. Krauß 2018). Diese Abschreckung hat bewirkt, dass die Länder deutlich sauberer wurden. Die Vereinten Nationen (VN) be­zeichnen die Hauptstadt Ruandas als eine der saubersten Städte des afrikanischen Kon­tinents (vgl. UNEP 2018: 50). Insgesamt mangelt es allerdings vor allem in Ländern des afrikanischen Kontinents an effektiven Kontrollen der Verbote (vgl. Budianto & Lippelt 2010: 42). Weitere Länder, die Verbote als regulatorisches Instrument einge­führt haben, sind unter anderem Bangladesch, Südafrika, Kolumbien, Italien, Kanada und Vanuatu (vgl. UNEP 2018: 30-43).

Populärstes ökonomisches Instrument ist die Erhebung einer Abgabe. Es wird ange­nommen, dass diese gegenüber partiellen oder kompletten Verboten die größere Um­weltwirkung hat und gleichzeitig zu den geringsten ökonomischen Verlusten führt (vgl. Saidan, Ansour & Saidan 2017: 153). Abgaben können vonseiten des Staates sowohl vom Produzenten, als auch vom Händler, als auch vom Konsumenten verlangt werden. Um eine Verhaltensänderung zu erzielen, kann es effektiv sein, wenn Produ­zenten und Händler die Abgabe auf die Konsumenten umlegen (vgl. UNEP 2018: 23). Daher werden Abgaben häufig direkt beim Konsumenten erhoben, indem sie auf den Preis der Kunststofftragetasche aufgeschlagen werden. Solche Abgaben werden als Lenkungssteuern bezeichnet. Eine Form dieser Steuerart, die für die Internalisierung negativer externer Effekte verwendet wird, ist die Pigou-Steuer (vgl. Homburg 2015: 182; Pigou 1920). Die Grundidee dieser Art von Steuern ist, das Verhalten der Indivi­duen durch Zahlung einer monetären Abgabe zu beeinflussen und im Falle der negati­ven Auswirkungen von Kunststofftragetaschen, die Schädigung auf einem optimalen Niveau zu halten (vgl. Homburg 2015: 5). Da die Höhe der externen Grenzkosten oft schwer zu bemessen ist, ist es in der Realität problematisch, den optimalen Pigou- Steuersatz zu finden. Dieser kann dann nur durch die Versuch-und-Irrtum-Methode näherungsweise ermittelt werden. Eingeführte Abgaben auf Kunststofftragetaschen sind daher meist keine Pigou-Steuern, sondern Lenkungssteuern (vgl. Convery, McDonnell & Ferreira 2007: 3).

Eine der bekanntesten Abgaben auf Kunststofftragetaschen wurde 2002 in Irland ein­geführt. Die sogenannte PlasTax betrug 0,15 € pro Tragetasche und überstieg die Zah­lungsbereitschaft der Konsumenten damit um das Sechsfache (vgl. Convery, McDonnell & Ferreira 2007: 3f.). Um eine Akzeptanz dieser Abgabe in der Bevölke­rung zu schaffen, wurde sie durch öffentliche Kampagnen über die negativen Auswir­kungen von Kunststofftragetaschen informiert und sensibilisiert. Durch die Abgabe konnte der Verbrauch von Kunststofftragetaschen in Irland um mehr als 90 % reduziert werden (vgl. ebd.: 9). Im Jahr 2007 wurde die Abgabe auf 0,22 € erhöht, wodurch ein erneuter Verbrauchsrückgang zu verzeichnen war. Seit 2011 darf die Abgabe jedes Jahr erhöht werden, wobei der Höchstbetrag auf 0,70 € festgelegt wurde (vgl. UNEP 2018: 47). Neben Irland sind Neuseeland und die Philippinen weitere Länder, die Ab­gaben als Politikinstrument gewählt haben (vgl. Cherrier 2006: 516).

Verbote und Abgaben können auch kombiniert werden. Dabei werden beispielsweise die Produktion, der Import und der Verkauf von Tragetaschen mit einer bestimmten Wandstärke vollständig untersagt, während die Konsumenten für die erlaubten Trage­taschen eine Abgabe zahlen müssen. Diese Maßnahme wurde von Südafrika im Jahr 2003 angewendet (vgl. UNEP 2018: 50). Nach einem anfänglichen Rückgang der Nachfrage nach Kunststofftragetaschen, stieg diese langfristig wieder, sodass durch die Politikmaßnahme nicht der gewünschte Erfolg erzielt werden konnte (vgl. Dik- gang, Leiman & Visser 2012: 64). Als Grund für diese Entwicklung kann das geringe Bewusstsein der Bevölkerung über die Ursachen der Politikmaßnahmen gelten. Dadurch haben sie die Preise akzeptiert, ohne ihr Konsumverhalten zu ändern (vgl. UNEP 2018: 51). Weitere Länder, die eine Kombination aus Verbot und Abgabe ein­geführt haben sind unter anderem Tunesien, Simbabwe, Israel und China (vgl. ebd.: 30f.).

Eine weitere wirksame Methode, von der politisch Verantwortliche Gebrauch machen können, sind moralischen Appelle. Diese führen zu sozialem Druck und der Schaffung eines öffentlichen Bewusstseins für die Problematik (vgl. ebd.: 66). Moralische Ap­pelle können beispielsweise in Form von Kampagnen an die Konsumenten adressiert werden. Eine solche Kampagne wurde 2011 in Malaysia gestartet, die von der Regie­rung über elektronische Medien, Supermärkte und Einzelhändler verbreitet wurde. Am No Plastic Ban Campaign Day, der landesweit jeden Samstag stattfand, kostete jede Kunststofftragetasche in Supermärkten und großen Einkaufszentren 0,6 US-$, anstatt dass sie kostenlos abgegeben wurde. Traditionelle Wochenmärkte waren davon aller­dings ausgenommen (vgl. Safitri Zen, Ahmad & Omar 2013: 1260f.). Von den Ver­brauchern wurde die Kampagne akzeptiert und unterstützt (vgl. ebd.: 1263). Dadurch ging der Verbrauch von Kunststofftragetaschen zurück. Die Konsumenten wurden also durch die Kampagne für die Problematik sensibilisiert. Jedoch stieg gleichzeitig der Verbrauch von Müllbeuteln, da die vorher für die Müllentsorgung verwendeten Tragetaschen nicht mehr zur Verfügung standen. Damit wurde das Ziel der Regierung, Kunststoff zu reduzieren, verfehlt. Weiterhin entstanden höhere Kosten für die Kon­sumenten durch den Kauf der Müllbeutel (vgl. ebd.: 1264).

Weiterhin werden nicht nur durch öffentliche Behörden, sondern auch durch private Initiativen oder eine Kooperation von öffentlichen und privaten Institutionen Interven­tionen zur Kunststofftragetaschenreduktion durchgeführt, die auf dem Prinzip der Freiwilligkeit basieren (vgl. UNEP 2018: 20).

In Schweden, Kanada und Australien führten große Supermarktketten als einflussrei­che private Interessenvertreter fakultative Preise auf die zuvor kostenlosen Trageta­schen ein. Im Gegensatz zu staatlich festgelegten Abgaben müssen die daraus gene­rierten Einnahmen nicht abgeführt, sondern können von den Supermärkten einbehalten werden (vgl. ebd.: 21).

Abkommen zwischen öffentlichen und privaten Institutionen wurden unter anderem in Österreich, Finnland und Deutschland geschlossen (vgl. ebd.). Da sich die in Kapitel 5 folgenden empirischen Analysen auf Deutschland konzentrieren, ist die Ausgestal­tung der Politikmaßnahmen zur Internalisierung externer Effekte durch Kunststofftra­getaschen in Deutschland für diese Arbeit von besonderer Bedeutung und soll daher im Folgenden ausführlich erläutert werden.

Am 29. April 2015 verabschiedeten das Europäische Parlament (EP) und der Rat der EU die Richtlinie (EU) 2015/720 [...] betreffend die Verringerung des Verbrauchs von leichten Kunststofftragetaschen (vgl. EP und Rat der EU 2015). Bis zum Jahr 2025 soll durch diese Richtlinie der Verbrauch von leichten Kunststofftragetaschen mit ei­ner Wandstärke von 15-50 Mikrometern4 in den Mitgliedsstaaten der EU von im Durchschnitt 198 (vgl. Europäische Kommission 2018: 11) auf 40 Stück pro Person und Jahr verringert werden (vgl. EP und Rat der EU 2015: L155/13). Die betreffenden Kunststofftragetaschen werden an die Konsumenten vorrangig beim Einkauf in Super­märkten oder im Einzelhandel abgegeben. Ziel der Richtlinie ist die Eindämmung der Umweltverschmutzung durch Kunststofftragetaschen (vgl. EP und Rat der EU 2015: L155/11), die in den vorherigen Kapiteln dieser Arbeit bereits ausführlich erörtert wurde.

[...]


1 Die Abkürzungen BMU und BMUB bezeichnen dasselbe Ministerium. Die Abkürzung BMUB galt von 2013 bis 2018. Seit 2018 wird das Ministerium als BMU bezeichnet.

2 In dieser Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit nur die männliche Form verwendet. Da­mit sind Personen beider Geschlechter gemeint.

3 Für eine genaue Analyse der eingeführten Politikmaßnahmen zur Reduktion von Kunststofftrageta­schen in den 2000er-Jahren vgl. Clapp & Swanston (2009).

4 Dies entspricht 0,015 bzw. 0,05 Millimeter.

Fin de l'extrait de 112 pages

Résumé des informations

Titre
Umweltbewusstsein und Konsumverhalten. Sind Kunden, die auf Kunststofftragetaschen verzichten, umweltbewusster?
Université
University of Münster
Note
1,7
Auteur
Année
2019
Pages
112
N° de catalogue
V1235838
ISBN (ebook)
9783346660329
ISBN (Livre)
9783346660336
Langue
allemand
Mots clés
umweltbewusstsein, konsumverhalten, sind, kunden, kunststofftragetaschen
Citation du texte
Julia Jänisch (Auteur), 2019, Umweltbewusstsein und Konsumverhalten. Sind Kunden, die auf Kunststofftragetaschen verzichten, umweltbewusster?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1235838

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