Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Darstellung des Capability-Approaches anhand der Kriterien nach Fussenhauser (2018)
2.1 Gegenstand
2.2 Wissenschaftscharakter
2.3 Theorie-Praxis-Verhaltnis
2.4 Gesellschaftliche und soziale Rahmenbedingungen der Theorie
2.5 Lebenslagen und Lebensweisen der Adressat*innen
2.6 Organisationen und Institutionen
2.7 Professionelle Handlungsmuster
2.8 Ethik
3. Diskussion der Theorie
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In dieser Arbeit beschaftige ich mich mit dem Capability Approach und dessen Bezugen zur Sozialen Arbeit. Dieser stellt sich den Fragen, was ein gutes Leben ausmacht und welche personlichen und institutionellen Voraussetzungen dafur erfullt werden mussen. Zum ande- ren geht er der Frage nach, welche externen Umstande das Leben beeinflussen und welche positiven oder negativen Folgen dies haben wurde. Der Capability Approach setzt sein Ziel besonders auf die Moglichkeit der Selbstverwirklichung jedes Menschen und ob diese der Fuhrung eines „guten Lebens“ berechtigt sind. Dabei wird nicht festgelegt, wie ein gutes Le- ben aussieht, da dies eine subjektive Einschatzung des Individuums darstellt.
Der Capability Approach wurde in den 1980er Jahren von dem Wirtschaftswissenschaftler und Philosophen Armatya Sen und der Philosophin Martha Nussbaum entwickelt und konti- nuierlich weitergefuhrt. Sen und Nussbaum gelten somit als Begrunder des inzwischen weit verbreiteten Ansatzes und haben zu dessen internationaler Verbreitung und Bekanntma- chung beigetragen. Ich beziehe mich in dieser Arbeit hauptsachlich auf die Werke von Nussbaum. Diese Entscheidung habe ich aufgrund der verschiedenen Herangehensweisen von Sen und Nussbaum getroffen. Wahrend Sen die Entscheidungsfreiheit eines Menschen fur ein gutes Leben fokussiert, setzt Nussbaum auf die Theorie einer objektiven Liste an Grund- fahigkeiten, die zur Fuhrung eines guten Lebens berechtigt. So bietet sich jene Liste an, um Explikationen anhand von Beispielen anschaulich zu machen.
Da die Arbeiten von Nussbaum einer internationalen Bekanntheit angehoren und diese somit auf Englisch verfasst sind, hielt ich es fur unabdingbar deutschsprachige Literatur heranzu- ziehen, besonders auf Hinblick eines Bezuges zur Sozialen Arbeit. Dafur erwiesen sich die Arbeiten von Oelkers, Otto, Schrodter und Ziegler als besonders wertvoll. Um in dieser Hausarbeit den Ansatz adaquat zu analysieren werde ich die Kristallisationspunkte nach Fussenhauser verwenden, welche sie in ihrer Arbeit „Theoriekonstruktion und Positionen der Sozialen Arbeit“ (2018) hervorhebt. Aufgrund dessen werde ich mit der Darstellung der Krite- rien nach Fussenhauser beginnen und diese im Anschluss einzeln beleuchten. Bevor ich die Hausarbeit mit einem Fazit abschlieBen werde, mochte ich den Ansatz vorerst fachtheore- tisch diskutieren.
2. Darstellung des Capability-Approaches anhand der Kriterien nach Fussenhauser (2018)
Theorien und Ansatze sind in der Sozialen Arbeit unabdingbar. Dadurch stellt sich die Frage wozu wir diese benotigen. Theorien dienen als Instrumente und Werkzeug zur Erklarung und Darlegung unserer Wirklichkeit, sowie als Grundlage des sozialpadagogischen Handelns in der professionellen Praxis. Heutzutage ist der Gesellschaft bekannt, das Sozialarbeiter*innen in verschiedenen Praxisbereichen eingesetzt werden und doch wird diese Gultigkeit als ei- gene Wissenschaft des Ofteren weiterhin angezweifelt. Das Vorhandensein von Theorien und Ansatzen ist besonders bedeutsam fur die Festigung des Wissenschaftscharakters.
Nun ist zu klaren wie sich der Theorienpluralismus definieren lasst. Theoriepluralismus be- schreibt das Existieren mehrerer Theorien, welche den Sozialarbeiter*innen Zugang zu ver- schiedenen Perspektiven erlaubt. Die Theorien und Ansatze veranschaulichen fur Externe eine andere Sichtweise auf die gesellschaftliche Norm, den Umgang mit den Adressat*innen und auf die Ziele der Sozialen Arbeit. Zudem bieten die einzelnen Theorieansatze eine un- terschiedliche Zugangsweise auf jegliche Faktoren der Sozialen Arbeit. Somit wird der Wis- senschaftscharakter definitiv validiert. Um nun einen Zugang in eine Theorie zu erhalten und diese untersuchen zu konnen, mussen vorerst die zu betrachtenden Faktoren bestimmt wer- den. Eine Moglichkeit bieten die sogenannten „Kristallisationspunkte“ nach Fussenhauser. Diese bestehen aus:
1. der Bestimmung des Wissenschaftsgegenstandes der Sozialen Arbeit aus Sicht der jeweiligen Theo- rie: Was untersucht die Wissenschaft Soziale Arbeit und welche zentrale Problemperspektive wird dargestellt?
2. dem Wissenschaftscharakter: Welche wissenschaftlichen Zugange und Grundlagen werden zur Theorie oder Ansatz dargelegt?
3. dem Verhaltnis von Theorie und Praxis: Wie ist das Verhaltnis von Theorie und Praxis, sowie Diszi- plin und Profession bestimmt?
4. den gesellschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen: Wie ordnen sich die Theoretiker selber ein? Wie lassen sich gesellschaftspolitische Aspekte mit disziplin- und/oder prozessionspolitischen Diskursen einordnen?
5. den Lebenslagen und Lebensweisen der Adressat*innen: Wie lassen sich soziale Probleme im Spannungsfeld von Normalitat und Abweichung identifizieren und wie lassen sich Unterstutzung, Hilfsangebote und Bildungsaufgaben bestimmen?
6. der Untersuchung der Organisationen und Institutionen: Welche Qualitatsstandards spiegelt die Theorie wieder und wie lasst sich das Verhaltnis zwischen administrativen und professionellen Han- deln bestimmen?
7. der Frage nach professionellen Handlungsmustern: Wie lasst sich das professionelle Profil der So- zialen Arbeit zu anderen padagogischen oder therapeutischen Handlungen und zum umprofessio- nellen Handeln bestimmen?
8. der zugrunde liegenden Ethik: Was wird als ethisch „gut“ und „richtig“ und was als „schlecht“ und „falsch“ angesehen?
(vgl. Fussenhauser, 2018, S. 1735f.).
In diesem Kapitel werde ich mich anhand der Kristallisationspunkte mit dem Capability Approach beschaftigen und ihn auf diese analysieren.
2.1 Gegenstand
Beginnen mochte ich mit der Frage nach dem Gegenstand des Ansatzes. Dabei ist zu kla- ren, was laut des Cability Approaches als bedeutend verstanden wird und zugleich welchen Problematiken einen Schwerpunkt gesetzt wird.
In Deutschland ist der Capability Approach unteranderem bei den Erziehungswissenschaft- lern Otto und Ziegler wiederzufinden. Diese beschaftigen sich mit den Effekten, die capabilities (ubersetzt ins Deutsche als Fahigkeiten, Befahigung, Moglichkeiten) und functionings (ubersetzt ins Deutsche als tatsachlich ausgeubte Fahigkeiten) in der Erziehungswissen- schaft haben und welche Bedeutung diese der Sozialen Arbeit zugeschrieben werden (vgl. Otto, Ziegler, 2010, S. 9f.). Wichtig zu betonen ist, dass Ziegler capabilities in seinen Wer- ken mit „ [,..]Verwirklichungschancen, Entfaltungsmoglichkeiten oder Befahigungsgerechtig- keit “ ubersetzt (vgl. Sedmak, 2011, S.127ff.). Functionings stehen im Fahigkeitenansatz fur alle realisierten Tatigkeiten und Zustande (vgl. Sen 1999, S.95). Dazu gehoren Zustande wie der Familienstand, Bildung, der Versicherungsstaus oder einzelne Fahigkeiten etc. An diesen Beispielen lasst sich erkennen, das sich die Liste an Funktionsweisen ins unendliche ziehen lasst (vgl. Neuhauser 2013, S. 64). Fahigkeiten , werden als noch nicht ausgefuhrte Funktio- nen beschrieben, die in Zukunft aber als realisierbar erscheinen. Hier dient das Lesen eines Buches als ein geeignetes Beispiel zur Veranschaulichung. Wenn jemand gerade fernschaut und neben sich ein Buch liegen hat, zudem noch eine hinreichende Bildung genossen hat, verfugt jene*r uber die Fahigkeit zu lesen. Fahigkeiten sind demnach ein Oberbegriff fur um- setzbare Funktionsweisen (vgl. Neuhauser, 2013 S. 65). Otto und Ziegler verstehen den Capability Approach als einen „gerechtigkeitstheoritischen[n] Ansatz, der die Frage nach einem guten Leben bzw. einer gelingenden praktischen Lebensfuhrung in den Mittelpunkt stellt“ (vgl. Otto, Ziegler, 2008, S.9).
Nun muss zunachst konkretisiert werden, was als ein gutes Leben gilt oder was dieses beinhaltet.
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