Das Ziel dieser Arbeit ist es, zur Entwicklung der Kenntnisse bezüglich des Themas „Bekämpfung der mafiösen Kriminalität“ in einer europäischen Perspektive beizutragen. Das Thema „Mafia“ ist weltweit bekannt. Viele Menschen kennen diesen Begriff durch Fernsehen, Kinos oder Verbrechens- und Unfallmeldungen. Aber diese Vorstellungen sind meistens oberflächlich, stereotypisch und nicht akkurat.
In dieser Arbeit wird versucht, das Phänomen der mafiösen Kriminalität durch eine interdisziplinäre Perspektive zu beschreiben und konkrete Fragen zu beantworten. Was ist die Mafia? Warum ist es wichtig, dass auch in Europa dieses Thema analysiert wird? Was kann die italienische Erfahrung in diese Diskussion einbringen? Was hat die Europäische Union dagegen gemacht und was nicht? Was sind die Wege, um eine konkrete und effiziente Bekämpfung dieses Phänomen zu praktizieren?
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
2 Die mafiose Kriminalität: ein Überblick des Phänomens
2.1 Kleine Geschichte der Mafia
2.2 Definitionen und Erklärungen
3 DieitalienischeErfahrung derBekämpfungdermafiösenKriminalität
3.1 Was ist die Mafia? Studien über die mafiose Kriminalität in Italien
3.2 Dieparlamentarische Kommission Antimafia
3.3 DieGesetzesentwicklung
4 Die Ausbreitung dermafiösen Kriminalitätin Europa
4.1 Analyse der Ausbreitung mafioser Kriminalität am Beispiel der 'Ndrangheta
4.2 DieRolle dereuropäischenlntegration: ein Überblick
5 Die internationale Bekämpfung der Mafia und die heutige Rolle der Europäischen Union
5.1 Der erste konkrete Schritt der EU: die CRIM Kommission
5.2 Die heutige Diskussion im Europäischen Parlament
6 Schlussfolgerung
Bibliographie
1 Einführung
Eines der heute wichtigsten und schwierigsten Themen für die Europäische Union ist die Gründung der sogenannten „Area of freedom, security and justice“ (AFSJ). Während laut Lavenex (2015) die ökonomische Integration schon am Anfang des europäischen Projekts ein zentrales Thema war, sind die „Justice and Home Affairs“ (JHA) seitjeher problematisch gesehen worden, weil es spezifische nationale Interessen, wie zum Beispiel die Sicherheit und die Souveränität, betroffen hat. Bis 1999 wurde dieses Thema nur als eine „Zusammenarbeit“ gesehen (Monar, 2012; Kaunert, 2005). Nach vielen verschiedenen historischen Ereignissen, wie dem Berliner Mauerfall oder den terroristischen islamistischen Anschläge in New York sowie in verschiedenen europäischen Städten, wurde aber auch dieses Thema zentral für die europäische Integration.
Manche der dringenden Angelegenheiten für das Thema Sicherheit sind seit zwanzig Jahren die folgende Phänomene: 1) Migrationen, 2) Terrorismus und 3) organisiertes Verbrechen. Diese Themen wurden in verschiedenen Verträgen der Europäischen Union behandelt, zum Beispiel: Maastricht (1992), Amsterdam (1999) und Lissabon (2009). Besonders wichtig waren auch die Schlussforderungen des Tampere Summit des Europäischen Rats (1999), in denen Ziele für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität definiert worden sind1.
Während hinsichtlich der Migrationen und des Terrorismus viel gemacht wurde, existiert in Bezug auf das Phänomen „organisiertes Verbrechen“ ein Paradox. Laut Carrapico (2014:601) gab es seit dreißig Jahren eine imponierende Entwicklung des Verständnisses des Phänomens „organisiertes Verbrechen“ als eine der wichtigsten Bedrohungen für die Sicherheit der Europäischen Union. Trotzdem wurde wenig gemacht, weder vonseiten der Wissenschaft, noch vonseiten der Politik.
Aus diesem Grund wird diese Hausarbeit über das Phänomen „organisiertes Verbrechen“ geschrieben, mit einem besonderen Schwerpunkt auf die sogenannte „mafiose Kriminalität“ als Bedrohung für die Europäische Union.
Das Ziel dieser Arbeit ist es, zur Entwicklung der Kenntnisse bezüglich des Themas „Bekämpfung der mafiosen Kriminalität“ in einer europäischen Perspektive beizutragen. Das Thema „Mafia“ ist weltweit bekannt. Viele Menschen kennen diesen Begriff durch Fernsehen, Kinos oder Verbrechens- und Unfallmeldungen. Aber diese Vorstellungen sind meistens oberflächlich, stereotypisch und nicht akkurat (Dalla Chiesa, 2014). Zum Beispiel: dass die Mafia und die mafiose Kriminalität nur mit Italien zu tun haben würden. Oder dass die Mafia und die mafiose Kriminalität ein kulturelles Problem seien, das nur mit Armut oder Entwicklungsrückstand zu tun habe. Mit mehr als 110 Milliarden Euro Kapital pro Jahr2 stellt die mafiose Kriminalität eine Machtinstanz dar, die aus verschiedenen Bereichen ihre Ressourcen bezieht: Rauschgifthandel, Erpressung, Wucher, Glücksspiele, Prostitution und Menschenhandel3. Die mafiose Kriminalität profitiert von all diesen Situationen und ist auch angesichts potentieller Verbindungen zum Terrorismus eine konkrete Bedrohung für unser Zusammenleben. Deswegen ist es mehr dennje nötig, darüber zu diskutieren.
In dieser Hausarbeit wird versucht, das Phänomen der mafiosen Kriminalität durch eine interdisziplinäre Perspektive zu beschreiben und konkrete Fragen zu beantworten. Was ist die Mafia? Warum ist es wichtig, dass auch in Europa dieses Thema analysiert wird? Was kann die italienische Erfahrung in diese Diskussion einbringen? Was hat die Europäische Union dagegen gemacht und was nicht? Was sind die Wege, um eine konkrete und effiziente Bekämpfung dieses Phänomen zu praktizieren?
Der erste Absatz wird einer kurzen Geschichte des Phänomens der seiner Entwicklung gewidmet, um die sozialen und politischen Dynamiken besser zu verstehen.
Der zweite Absatz hingegen wird der italienischen Erfahrung gewidmet, mit einer Beschreibung der Verknüpfung zwischen Kultur, Politik und Gesellschaft sowie der Entwicklung des Gesetzessystems gegen die organisierte Kriminalität und der Gründung eines spezifischen Ausschusses im italienischen Parlament.
Im dritten Absatz wird die Ausbreitung der mafiosen Gruppen am Beispiel der 'Ndrangheta beschrieben. Dabei soll beantwortet werden, was diese Ausbreitung verursacht hat und welche Rolle der Integrationsprozess Europas dabei einnimmt.
Mit dem vierten Absatz wird die politische Antwort der Europäischen Union präsentiert. Was hat die EU konkret dagegen gemacht? Welche konkreten Initiativen gab es seitens der EU? Was sind die möglichen Wege, um die organisierte Kriminalität effizient zu bekämpfen?
2 Die mafiose Kriminalität: ein Überblick des Phänomens
Nicht alles, was kriminell ist, kann als „Mafia“ bezeichnet werden. Der Antimafia-Richter Giovanni Falcone sagte diesbezüglich:
Mentre prima si aveva ritegno a pronunciare la parola "mafia", adesso si è persino abusato di questo termine. Non mi va più bene che si continui a parlare di mafia in termini descrittivi e onnicomprensivi perché si affastellano fenomeni che sono sì di criminalità organizzata ma che non la mafia hanno poco o nulla da spartire (Falcone G., 1990, op. cit. Lupo, 2004:12)4
Mit dem Begriff „Mafia“ definiert man nämlich nur einen Teil des weitgefächerten Phänomens der „organisierten Kriminalität“. Deswegen spricht man heute nicht nur generalisierend über die Mafia, sondern über die „mafiose Kriminalität5 “ oder über die „Mafia und andere organisierte kriminelle Organisationen“, wie z.B. die Camorra, die in Campania sehr aktiv ist, die Sacra Corona Unita in Apulien und die 'Ndrangheta, die aus Kalabrien kommt und heute die verbreitetste und stärkste organisierte kriminelle Gruppe in Italien sowie in Europa ist.
Nach vielen Jahrzehnten wurde ein breites und komplexes System der Erkenntnisse in Italien produziert, trotzdem muss noch viel mehr getan werden. Viele Menschen kennen diesen Begriff durch Fernsehen, Kinofilme und journalistische Diskurse, wenige aber wissen wirklich, was dieses Phänomen ist und warum es eine konkrete Bedrohung für unsere Sicherheit und Freiheit ist. Nicht nur in Italien, sondern überall in Europa.
Im nächsten Absatz wird der Begriff Mafia präsentiert und eine kurze Geschichte des Phänomens, um ihn besser zu definieren und zu verstehen.
2.1 Kleine Geschichte der Mafia
Die Mafia ist ein altes und komplexes Phänomen, das heute nur ein Teil der „organisierten Kriminalität“ ist. Laut Lupo (2004) wurden mit dem Begriff „Mafia“ bereits verschiedene Umstände beschrieben, da es ein polysemantisches Konzept verschiedener ineinander verflochtener Dimensionen ist, wie z.B. die ökonomische, politische, kulturelle und soziale.
Es ist sehr schwierig, eine bestimmte Ursache für das Phänomen Mafia zu finden. Die Geschichtswissenschaft kollokiert die erste Benutzung dieses Namens im Jahr 1862-63 in Sizilien, um das Banditentum zu beschreiben. Laut Marino (2000) wurden jedoch unterschiedliche „Ursachen“ von verschiedenen Wissenschaftlern beschrieben.
Die erste Erläuterung des Konzeptes „Mafia“ wurde aber von einem sizilianische Anthropologen mit den folgenden Worten vorgeschlagen:
la mafia non è setta né associazione, non ha regolamenti né statuti, il mafioso non è un ladro, non è un malandrino; la mafia è la coscienza del proprio essere, l'esagerato concetto della propria forza individuale, donde la insofferenza della superiorità e, peggio ancora, della prepotenza altrui. (Pitré, 1889, op.cit. Lupo 2004:17)6
Mit dieser Definition wurde das Konzept „Mafia“ für Jahrzehnte als ein anthropologischer „Fakt“ interpretiert. Aber wie es weiter unten in Absatz 3.1. erklärt wird, ist das eine „falsche“ Perspektive: Während für manche die Mafia nur ein „kulturelles“ Problem war, wurde die Mafia immer strukturierter und gefährlicher. Ein Begriff, der Assoziationen zu Brutalität und Gewalt vergegenwärtigt und eine giftige Verknüpfung mit der Politik begründet hat.
2.2 Definitionen und Erklärungen
Die Mafia ist als ein regionales Phänomen entstanden (Marino, 2000), und das ist heute klar. Kurz vor der Vereinigung Italiens hatten die sizilianischen Edelleute ihre Ländereien verlassen. Aus diesem Grund wurden die ansässigen Untertanen allein gelassen.
Die lokalen Gutsherren sahen die Möglichkeit, ihre Herrschaft durch die Rhetorik des Schutzes der Untertanen der Arroganz der Edelleute zu geltend zu machen7. Dank dieser Rhetorik und ihrer sozialen Anerkennung bekamen sie Ressourcen, Geld und Respekt, meistens aus Angst vor Gewalt und Retorsionen, und selbstverständlich auch Macht.
Die Mafia diente am Anfang als ein Ersatz von lokaler Autorität und danach immer mehr zu einer Art Gegenmacht (Hesse, 1970), die auf vielfältige Art die staatliche Autorität mit Gewalt, Todschlägen und politischen Eindringen, herausgefordert hat. Laut Lupo (2004) wurde die Mafia als „kriminelle Organisation“ schon im Jahr 1865 von dem Präfekten von Palermo Filippo Gualtiero so definiert.
Diese Entwicklung wurde nur unter dem Faschismus mit Schlagkraft kontrastiert: Es gab keinen Platz für eine Gegenmacht in einer Diktatur. Die Mafia wurde auf politischer Ebene damals erstmals als eine Herausforderung für den Staat erkannt. Mit den Worten „Tutto nello Stato, niente contro lo Stato, nulla al di fuori dello Stato”8 meinte Benito Mussolini, dass der Staat ihm zufolge eine klare Zentralität zu haben hatte. Ein Staat, der autoritär war. 1927 sagte er in seiner Rede im Parlament etwas über die Bekämpfung der Mafia:
(...) Vengo alla mafia. Signori deputati! (...) Signori è tempo che vi riveli la mafia. Ma prima di tutto voglio spogliare questa associazione brigantesca da tutta quella specie di fascino, di poesia, che non merita minimamente. Non si parli di nobilità e di cavallerina della mafia, se non si vuole veramente insultare tutta la Sicilia! (Mussolini, 1927)9
Für Mussolini war die Mafia eine “Vereinigung10 ”, schon etwas anders als was Pitré (1889) geschrieben hatte. Das ist ein wichtiger Punkt, weil die Mafia nur Jahre danach als eine “Organisation” von Wissenschaftler beschrieben wurde. Was Mussolini klar verstanden hatte, war, dass die Mafia so stark werden und sich als eine „Gegenmacht“ präsentieren konnte, weil sie eine Unterstützung der Bevölkerung hatte. Aus diesem Grund sagte er, dass zuerst der falsche positive Eindruck der Mafia abgebaut werden solle: Es gebe keinen „Faszination“ oder „Poesie“ sondern nur „Kriminalität“.
Der Faschismus kämpfte stark gegen die Mafia in Sizilien: mit Gewalt und Folter wurden hunderte „Padrini“ und „Picciotti“ verhaftet und getötet11. Was ist aber danach passiert? Laut verschiedenen Sozialwissenschaftlern wie Lupo (2004), Dalla Chiesa (2014, 2015) und Marino (2000) wurde die Mafia im Zweiten Weltkrieg von den Amerikanern unterstützt, um die italienische Diktatur zu besiegen (Liberti, 2007). Nach dieser Erfahrung konnte die Mafia ihre Position nur verstärken und die bekannteste Mafia-Gruppe „Cosa Nostra“ regierte mit außerordentlicher Effizienz bis Ende der Achtzigerjahre, als die Berliner Mauer fiel.
Laut Dalla Chiesa (2015:54) ist das keine Überraschung, es erklärt im Gegenteil eine interessante Geschichte: die Mafia wurde nach dem Krieg immer zentraler in der Politik, mit vielen Verbindungen zu der ehemaligen italienischen Partei „Democrazia Cristiana“ (DC). Cosa Nostra war wie ein Verbündter gegen den Kommunismus in Italien.
Als es diese internationale Gefahr nicht mehr gab, war die versteckte Kooperation mit Cosa Nostra nicht mehr nötig und alle die Verknüpfungen mit der Politik wurden von der Justiz aufgedeckt und viele Politiker sowie Mafiosi wurden verhaftet (Dalla Chiesa, 2012:203).
Ab 1990 hat in Italien ein starker Kampf gegen Korruption und Mafia angefangen, der sogenannte „Tangentopoli12 “. Die sizilianische Mafia ist heute nicht mehr so wichtig wie früher. Die anderen Gruppen haben davon profitiert, um ihre kriminellen Netze zu verbreiten.
3 Die italienische Erfahrung der Bekämpfung der mafiosen Kriminalität
Laut Carrapico (2014) ist eines der wichtigsten Probleme für eine europäische Bekämpfung organisierten Verbrechens die „Definition“ des Phänomens. Dies geht einher mit einer großen Zwiespältigkeit zwischen dem, was von Institutionen gesagt und dem was von ihnen getan wird13.
Nach vielen Jahrzehnten kann man sagen, dass Italien eine besondere Erfahrung mit dem Bekämpfung der Mafia und anderer mafioser Organisationen gesammelt hat, die auch für andere Länder und die Europäische Union selbst ein Vorbild sein kann.
Diese ungeheure Erfahrung kann hier nicht komplett beschrieben werden, aber es gibt drei wichtigste Punkte, über die hier geschrieben werden soll:
Erstens, die Erkenntnisse über das Phänomen durch viele Studien und konkrete, traurige Erfahrungen, die aus verschiedenen Perspektiven entstanden sind, von der Geschichtswissenschaft bis hin zur Soziologie und Kriminologie.
Zweitens, die Entwicklung des Gesetzesapparates und die Gründung der so genannten „Commissione Parlamentare Antimafia14 “. Drittens, das zivile Engagement gegen die Mafia und das Bewusstsein, dass die Mafia ein „Feind“ ist (Dalla Chiesa, 2014).
3.1 Was ist die Mafia? Studien über die mafiose Kriminalität in Italien
Wie bereits angedeutet wurde, ist die Mafia zuerst als ein „kulturelles Problem“ analysiert worden. Wissenschaftler wie Alongi (1886), Cutera (1900), Mosca (1900) und Pitré (1889) haben für Jahrzehnte die Diskussion über das Mafia-Phänomen aus einer „kulturellen“ Perspektive beeinflusst. Ihre Perspektiven wurde in einer systematischen Wissenschaftsarbeit erstmals 1970 von dem deutschen Anthropologen Henner Hess beschrieben, der die erste Theorie über die Mafia als „lokale sub-Kultur“ begründet hat. Hinter diesem Ansatz steht ein „anthropologisches Faktum“, oder besser gesagt ein Stereotyp: Alle Süditaliener bzw. Sizilianer würden de facto in sich diese spezifische forma mentis haben.
Laut Hess nämlich existiert keine Mafia als „organisierte Gruppe“ sondern ein Verhalten, das typisch für das soziokulturelle System Siziliens ist. Diese Perspektive, die als „kulturell“ bezeichnet werden kann, hat auch die politische Aktivität stark beeinflusst. Eine Politik, die für viele Jahre eine Kriminalisierung Süditaliens und seiner Einwohner praktiziert hat15. Heute ist die Theorie nicht mehr gültig, dank zahlreicher soziologischer undjuristischer Forschungen16.
Nando Dalla Chiesa, einer der berühmtesten italienischen Soziologen, hat nach jahrzehntelangen Studien eine „Soziologie der organisierten und mafiosen Kriminalität“ begründet. Laut Dalla Chiesa (2011; 2012; 2014) ist die Mafia eine Organisation, die eine Struktur, eine Hierarchie und Regeln, wie alle Organisationen, die wir kennen, hat. Dieses Phänomen kann nicht als „regional“ oder „anthropologisch“ bezeichnet werden.
Dass die Mafia eine bestimmte Herkunft hatte, die für einige Jahre kulturell und geographische zu umschreiben war, wie der Historiker Marino (2000) erklärt hat, ist klar. Aber schon nach dem Zweiten Weltkrieg konnte dieses Phänomen nicht mehr als lokales Problem analysiert werden. Es war schon transnational und nicht mehr eine sub-Kultur eines unterentwickelten Siziliens. Dank der „Zuwanderung“ aus Sizilien in die USA wurde die „Mafia“ bereits etwas anderes als das, was Pitré sowie Hess theoretisiert haben.
Das trifft so auch auf die 'Ndrangheta zu, die organisierte kriminelle Vereinigung aus Kalabrien, die seit dreißig Jahren ihre Herrschaft in Italien und in Europa etabliert hat. Auf Grundlage der obigen Beschreibungen sollte das Phänomen „mafiose Kriminalität“ von Wissenschaftlern aus verschiedenen Perspektiven analysiert werden: Dies impliziert die kulturelle Dimension (Santoro, 2007; 2015) sowie die ökonomische (Arlacchi, 1983; Centorrino, 1986; Gambetta, 1992) und die sozio-politische (Catanzaro, 1988; Lupani und Monzini, 1990; Santino, 1994; Pezzino, 1996).
Alle diese Dimensionen bleiben aber nur auf einer „abstrakten“ Ebene. Die italienische Erfahrung hat zudem eine konkrete „Praxis“ der Bekämpfung der mafiosen Kriminalität erprobt. Diese „Praxis“ ist charakterisiert durch die wissenschaftliche Arbeit, die hier präsentiert wurde, sowie durch Justizarbeit und das zivile Engagement.
3.2 Die parlamentarische Kommission Antimafia
Nur wenige Staaten haben einen spezifischen Gesetzesapparat über das Thema „mafiose Kriminalität“. Italien hat seit den sechziger Jahren ein eigenes System entwickelt.
Der erste wichtige Schritt wurde durch die Gründung der sogenannten parlamentarischen Antimafia-Kommission im Jahr 1962 gemacht. Diese Kommission existiert nur in Italien und konstituiert sich aus 25 Abgeordneten und 25 Senatoren aller parteilichen Gruppen, die nach der Wahl ins Parlament gezogen sind. Auf Italienisch ist der komplette Name dieser Kommission folgender: „Commissione parlamentare di inchiesta sul fenomeno delle mafie e sulle altre associazioni criminali, anche straniere”17.
Die Antimafia-Kommission Italiens hat die Verantwortung für die Entwicklung des Gesetzesapparates gegen die Mafia und andere organisierte kriminelle Organisation. Sie soll Experten konsultieren, zusammen mit der staatlichen Justiz und anderen staatlichen sowie supranationalen Institutionen kooperieren, um das Phänomen besser zu kennen und zu bekämpfen. Sie soll auch überwachen, dass die Mafia und andere mafiose Gruppen politische und demokratische Prozesse nicht beeinflussen. Zahlreich sind die Beispiele, in denen mafiose Gruppen Stimmen gekauft haben oder Menschen, die mit ihren Gruppen verbunden waren, unterstützt haben18.
Auch in der Bekämpfung der Korruption spielt die Antimafia-Kommission eine sehr wichtige Rolle. Wenn etwas besonders wichtig in der italienische Erfahrung bezüglich Mafiabekämpfung gibt, ist es dieses: Wie bereits angedeutet, kann nicht alles, was kriminell ist, als Mafia bezeichnet werden und die Korruption ist hierfür ein klares Beispiel. Korrupte Menschen sind nicht automatisch „Mafiosi“, aber sie sind ein wichtiges Element des mafiosen Phänomens. Aber alles was kriminell, unklar oder illegal ist, ist ein „sottobosco“ (Dalla Chiesa 2014), ein Nährboden für die mafiose Kriminalität.
Laut Dalla Chiesa (ibid.) nämlich „la forza della Mafia, sta fuori dalla Mafia“19 und dieses System kann nur dank drei „anthropologischer Kategorien“ existieren: 1) Complici (Komplizen), die mit Bewusstsein ihre Unterstützung für die mafiose Kriminalität anbieten und ohne die die mafiose Kriminalität ihre Zwecke nicht erreicht. 2) Codardi (Feiglinge), die für ihre persönliche Sicherheit oder Ruhe bereit sind, das Leben anderer Menschen zu opfern, ohne sich schuldig zu fühlen. Diese sind die „omertosi“ - diejenigen, die „Schweigepflicht“ praktizieren. Und 3) Cretini (Kretins), die etwas besonderes sind:
Uno dei miei colleghi romani, nel 1980 va a trovare Frank Coppola, appena arrestato, e lo provoca:
- Signor Coppola, che cosa è la Mafia? - Il vecchio, che non è nato ieri, ci pensa su e ribatte: - Signor giudice, tre magistrati vorrebbero oggi diventare procuratore della Repubblica. Uno è intelligentissimo, il secondo gode dell’appoggio dei partiti di governo, il terzo è un cretino, ma proprio lui otterrà il posto. Questa è la malia... (Falcone, 1991:50, op Cit. Dalla Chiesa, 2014:)20
Ein “Cretino”, schreibt Dalla Chiesa, “farà spontaneamente, spesso in buona fede, ciò di cui la Mafia ha bisogno. Di più: lo farà gratis”21. Um die Mafia zu bekämpfen und zu besiegen, braucht man nicht nur ein repressives Agieren gegen die Organisation und ihre Strukturen, sondern Aufklärung sowie einen echten gesellschaftlichen Bildungsprozess.
3.3 Die Gesetzesentwicklung
Die Gesetzesentwicklung im Bezug auf die Bekämpfung der Mafia hat in Italien, wie bereits erwähnt und erklärt, eine lange Geschichte. 1965 wurde das erste Gesetz zum Thema Mafia geschrieben, das eine Verschärfung der Disziplin gegen „gefährliche Menschen“ beinhaltet. Diese Gesetz wurde nach einem Blutbad in Ciaculli vorgestellt.
Das wichtigste Gesetz wurde aber im 1982 geschrieben, nach der Ermordung von Pio La Torre, einem ehemaligen Abgeordneten der Kommunistischen Partei Italiens (PCI) und des Präfekten von Palermo, General Carlo Alberto Dalla Chiesa22. Mit diesem Gesetz wurde eine „kopernikanische Revolution“ für die Bekämpfung der Mafia in Italien vollzogen (Turone, 2008) Zum ersten Mal wurde ein spezifische Sachverhalt in das Strafgesetzbuch eingeführt. Dieser Sachverhalt heißt „Associazione per delinquere di stampo mafioso23 “ (art.416 bis).
L’associazione è di tipo mafioso quando coloro che ne fanno parte si avvalgono della forza di intimidazione del vincolo associativo e della condizione di assoggettamento e di omertà che ne deriva per commettere delitti, per acquisire in modo diretto o indiretto la gestione o comunque il controllo di attività economiche, di concessioni, di autorizzazioni, appalti e servizi pubblici o per realizzare profitti o vantaggi ingiusti per sé o per altri, ovvero al fine di impedire od ostacolare il libero esercizio del voto o di procurare voti asé oad altri in occasione di consultazioni elettorali.24 (Art.416bis, italienisches Strafgesetzbuch)
Dieses Gesetz führte aber auch andere wichtige Werkzeug für die Polizisten und Richter ein: die Beschlagnahme von materiellen Gütern der Mafia - und heute auch gültig für andere mafiose Organisationen - oder von Menschen sowie Organisationen, die mit der Mafia kooperieren. Die fast dreißig Jahre nach diesem Gesetz zeigen, dass dieses Vorgehen eine effiziente Strategie gegen mafiose Kriminalität ist.
Diese spezifische Erfahrung kann eine Lösung für das „Problem der Definition“ sein, das Carrapico (2014) ermittelt hat. Der „Straftatbestand der Zugehörigkeit zu Mafia-Vereinigungen“ erklärt mit Klarheit was ein „mafioses Phänomen“ definiert und folglich, was genau dagegen gemacht werden kann.
Andere wichtige Gesetze kommen 1992 und 1994 nach dem Massaker von Via d'Amelio, wo der Richter Paolo Borsellino getötet wurde, und den Blutbädern in Florenz, Mailand und Rom. Mit dem Gesetzt 302/1992 wurde die Verhaftung der Mafiosi mit dem Artikel 41bis verschärft und mehrere Schutzinitiativen, auch für ehemalige Mafiosi, die gegen die Mafia oder andere kriminelle Organisationen kooperieren wollen, begründet. Mit dem Gesetz 399/1994 wurden weitere Initiativen gegen die Vermögen der mafiosen Kriminalität entwickelt.
Es gibt noch viele andere Gesetze, die darüber hinaus verabschiedet wurden. Aber das Phänomen bleibt aktuell und gefährlich. Mit den sozialen Veränderungen haben auch die Mafia und andere organisierte kriminelle Gruppen sich selbst modifiziert. Die Bekämpfung der mafiosen Kriminalität geht mit immer neuen Gesetzesentwicklungen weiter.
4 Die Ausbreitung der mafiosen Kriminalität in Europa
Wie schon geschrieben, ist das Mafia-Phänomen seit langer Zeit nicht mehr ein regionales Problem Italiens. In der Konstellation der organisierten Kriminalität sind die sizilianische Mafia und die 'Ndrangheta die zwei Gruppen, die expandiert sind (Dalla Chiesa, 2012; Lupo, 2004; Marino, 2000). Allgemein bekannt ist die Geschichte der Mafia in den USA, wenige kennen jedoch die Ausbreitung der 'Ndrangheta in Europa.
Aus diesem Grund ist die mafiose Kriminalität eine Bedrohung für die Sicherheit und Freiheit Europas und ist seit Jahren auch für die Europäische Union zentral geworden. Selten wurde geschrieben, dass dieses Phänomen auch von dem europäischen Integrationsprozess profitiert hat. Deswegen wird im folgenden Absatz die Ausbreitung der Mafia analysiert und die Rolle der europäischen Integration in dieser Entwicklung beschrieben.
4.1 Analyse der Ausbreitung mafioser Kriminalität am Beispiel der ’Ndrangheta
Die Ausbreitung der 'Ndrangheta in Europa hat sich nach dem Fall der Berliner Mauer verstärkt und als Cosa Nostra durch die so genannten „großen Untersuchungen“ (Maxi-processi) geschwächt wurde. Die organisierte kriminelle Gruppe der 'Ndrangheta beginnt ihren „piano di conquista25 “ (Dalla Chiesa e Panzarasa, 2012; Dalla Chiesa, 2014; 2015) zuerst in Norditalien und danach in anderen europäischen Ländern, besonders in Deutschland (Reski, 2009)26.
In „Manifesto dell'Antimafia“ wird vom Soziologen Nando dalla Chiesa eine Analyse durchgeführt, die einen Krieg beschreibt:
la prima condizione per vincere una guerra è combatterla. Ma per combatterla è necessario capire, prima ancora, che la guerra c’è, che si ha un nemico davanti. (Dalla Chiesa, 2014:3)27
Die mafiose Kriminalität ist der Feind, und um ihn zu besiegen, muss man zuerst erkennen und verstehen, dass dieser Krieg schon angefangen hat und längst nicht mehr auf die innere Sicherheit Italiens beschränkt ist, sondern Europa als Ganzes betrifft. Mehr Klarheit über die Definitionen ist sehr wichtig, um diesen Feind besser zu erkennen. Keineswegs ist dieses Phänomen regional, es ist heute zunehmend transnational und gefährtdet unser Zusammenleben.
Die 'Ndrangheta hat beispielsweise über viele Jahre ihre Ausbreitung geplant. Sie hat gelernt, von der Geschichte der sizilianischen Mafia und von den sozialen Transformationen, um ihre Kolonisierungspläne zu realisieren28. Sie ist eine sehr effiziente und sehr gut strukturierte, mit wissenschaftlicher Methode arbeitende Organisation (Dalla Chiesa und Panzarasa, 2012). Die Ausbreitung war dank ihrer eigenen Auswanderung möglich. Gruppen von Jungen aus kleinen Dörfern Kalabriens sind in verschiedenen Städten angekommen. Sie haben dort Kontakte geknüpft, Verbindungen mit der alten Heimat gegründet. Ein soziales Netz wurde aufgebaut. So konnte die 'Ndrangheta in Ruhe ohne auffällige Aktionen ihre Herrschaft etablieren. Dalla Chiesa unterstreicht, dass die mafiose Kriminalität ihre Ziele erreicht hat, obwohl die kulturellen und geographischen Kontexte, wie Norditalien oder Deutschland, keinen „traditionellen“ Habitus hatten und nicht auf Kultureme zurückzuführen seien. Die 'Ndrangheta hat verstanden, dass sie, um ihre Herrschaft zu etablieren und ihre Kontrolle auszuweiten, nicht nur in Süd-Italien bleiben konnte: Sie ging dorthin, wo es Geld gibt (Dalla Chiesa & Panzarasa, 2012; Dalla Chiesa 2014).
Dass die mafiose Kriminalität auch in Deutschland angekommen ist, wurde erst klar, als die Spannungen zwischen mafiosen Gruppen so hoch waren, dass die Gewalt explodiert ist (z.B. das Massaker von Duisburg, 2007). Wie konnte das passieren? Wie konnten mafiose Gruppe sich im Ausland ausbreiten, ohne dass es die Polizei in Deutschland anderen Ländern bemerken konnten? Die Antwort beruht auf mehreren Gründen. Erstens, die außergewöhnliche Fähigkeit der mafiosen Kriminalität, sich zu organisieren und ihre Ziele mit Geduld und Strategie zu erreichen. Zweitens, die Unfähigkeit lokaler Autoritäten und der Polizei, das Phänomen zu erkennen und anzuerkennen, aufgrund der Rhetorik, dass es die Mafia nur in Sizilien gebe. Drittens, die Europäische Integration und die Vergrößerung des Schengenraumes ohne eine äquivalente Ausweitung der Kontrolle und Kooperation zwischen den verschiedenen Justizsystemen.
4.2 Die Rolle der europäischen Integration: ein Überblick
Welche Rolle hat die europäische Integration in Bezug auf die Ausbreitung der mafiosen Kriminalität gespielt? Nach dem Mauerfall wurde der europäische Integrationsprozess stark weiterentwickelt und die Grenzen zwischen EU-Ländern geöffnet. 1990 wurde mit dem Schengen Acquis das Konzept der „free circulation“ entwicklet.
In dem italienischen, von RAI produzierten historischen Dokumentarfilm „La Mafia“, wird gesagt, dass die Mafia die Demokratie und alle Rechte und Freiheiten, die sie garantieren kann, brauchte, um zu gedeihen29. Aus dieser Perspektive versteht man besser, warum die mafiose Kriminalität von der europäischen Integration profitieren konnte: Erstens, ohne Kontrollen an den Grenzen fand die mafiose Kriminalität neue Wege in den Ländern, deren großer Optimismus ein integriertes und friedliches Europa gründen wollte. Zweitens, dank diesem Konzept der Freiheit für das Zirkulieren von Menschen, Arbeit und Kapital fand die mafiose Kriminalität die Möglichkeit, ihre Ambitionen in diesen Ländern ungehindert zu verwirklichen, weil sie unvorbereitet und unerfahren gegenüber diesem Phänomen waren.
Die Europäische Union als das Projekt eines wirklich vereinten Europas wurde noch nicht umgesetzt. Es gibt noch viel zu tun, um diesen „Raum der Freiheit und Sicherheit“ zu schaffen. Die Bekämpfung der mafiosen Kriminalität ist aktuell, wie Carrapico (2014) geschrieben hat, ein sehr wichtiger Punkt in der Politik der Europäischen Union: Weil die organisierte Kriminalität eine Bedrohung für die Sicherheit und Freiheit der Europäer ist.
Wo die Staaten nicht effizient sind, wo die Kontrolle schwach ist, wo die Politik und die Gesellschaften nicht wachsam sind, hat das organisierte Verbrechen eine konkrete Chance, die sie mit Intelligenz und Entschlossenheit nutzen kann, um ihre Interessen und Herrschaft zu verbreiten. In diesem Sinne ist der große Unterschied zwischen „Gesetzessystemen“ (Calderoni, 2010; Carrapico und Trauner, 2013) ein Nachteil, um eine effizientere und kooperative Bekämpfung der mafiosen Kriminalität zu schaffen.
5 Die internationale Bekämpfung der Mafia und die heutige Rolle der Europäischen Union
Wie Helena Carrapico (2014) geschrieben hat, das Thema des organisierten Verbrechens in den letzten dreißig Jahren immer mehr eine Rolle in dem öffentlichen politischen Diskurs gespielt. Die Bekämpfung der mafiosen Kriminalität in Europa ist aber noch sehr abstrakt. Die italienische Erfahrung kann ein Vorbild sein. Wie bereits angedeutet, sind der Gesetzesapparat und die Praxis breitgefächert. Die Europäische Union kann davon nur profitieren.
Man braucht aber mehr Kooperation zwischen hierfür verantwortlichen bereitsexistierenden und noch zu schaffenden Institutionen und den Organisationen, die gegen die Mafia und die andere organisierte kriminelle Gruppe kämpfen können.
Laut Carrapico (Ibid.) sind nach vielen Jahren viele kleine, aber wichtige Schritte gemacht geworden. Das Problem ist nun die Unterscheidung zwischen dem, was man sagt und dem, was man konkret macht:
There is little doubt that the EU’s understanding of OC has been accepted, as a very serious security threat by the actors in this field. From EU institutions to national governments, there seems to be a shared willingness and sense of urgency in tackling this issue, which is discursively expressed. However, if we look beyond the discursive dimension, we will notice that the implementation of measures at the local level does not always reflect this understanding. (Carrapico H., 2014:661)
Diese fehlende europäische Praxis der Bekämpfung des mafiosen Phänomens ist absurd, weil seit langer Zeit das Bewusstsein über die organisierte Kriminalität als europäische Bedrohung existiert. Obwohl eine Entwicklung der sogenannten ASFJ, und eine zunehmend aktiver Rolle der Kooperation zwischen Eurojustice und Europol zu erkennen ist (Monar, 2012), wurde konkret kaum etwas gemacht. Die erste Kommission in dem Europäischen Parlament, die über das Phänomen der mafiosen Kriminalität forschen sollte, wurde erst im Jahr 2011 gegründet und ein paar Jahre danach wieder aufgelöst.
5.1 Der erste konkrete Schritt der EU: die CRIM Kommission
Um das Thema mafiose Kriminalität konkret zu analysieren und ihm entgegenzutreten, wurde für erstmals eine Kommission im Europäischen Parlament gegründet. Diese Kommission hatte den Zweck, eine „Analyse“ der organisierten Kriminalität in Europa durchzuführen. Die Kommission wurde „CRIM“ (Committee on Organised Crime, Corruption and Money Laundering) genannt, ist aber seit Ende 2013 ist nicht mehr aktiv.
Als Vorsitzende dieses Komitees wurde die italienische Mafia-Bekämpferin Sonia Alfano gewählt. Laut Alfano hatte das Europäische Parlament zum ersten Mal eine breite Diskussion mit einem Spezialausschuss über das Phänomen Mafia durchgeführt und ein wichtiges Ergebnis produziert: Es wurde die Existenz von Mafia-Vereinigungen und organisierter Kriminalität in allen Mitgliedstaaten sowie die Notwendigkeit zu deren Bekämpfung anerkannt.
Die CRIM schrieb 2013 einen Bericht, der von Europäische Parlament diskutiert und validiert wurde30. Was ist danach passiert? Was waren die Grenzen dieser Erfahrung? Das Problem wurde von Sonia Alfano klar dargestellt: Diese Kommission sollte nicht eine zeitlich begrenzte „Spezialkommission“ sein, sondern eine dauerhafte Kommission werden. Das Modell sollte, laut Alfano, die italienische „Commissione Antimafia“ sein. Drei Jahre nach dem, was die Kommission erreicht hat, ist es auch dabei geblieben. Kaum wurde etwas konkret unternommen. Jedoch waren die Erwartungen sehr groß.
Laut Kaunert (2005) sollte nach den großen Herausforderungen, die die Europäische Union überwunden hat, eine „European Public Order“ kommen. Es wiederholt sich dieselbe optimistische Perspektive, die noch nicht realisiert ist:
the European constitutional Treaty has (...) firmly established the EU as a serious actor in the field of internal security. It can adopt laws in all its subfield, i.e. asylum, legal and illegal migration, criminal justice and police cooperation. Norms of decision-makers have changed significantly, which means a European Public Order's is in the making. (Kaunert, 2005:480).
Nach über zehn Jahren findet diese „European Public Order” konkret nicht statt. Trotz des Erstarkens des organisierten Verbrechens in Europa und trotz Studien, die immer mehr diese Thematik vertieft haben, hat die Politik auf der europäischen Ebene keinen erhofften Schritt weiter gemacht31. Die CRIM könnte es sein. Aber die Kommission wurde im neuen Europäischen Parlament nicht wieder gegründet. Trotzdem ist ein wichtiges Ergebnis sowieso erreicht worden: Das Phänomen der mafiosen Kriminalität wurde als europäisches Problem anerkannt und diskutiert32.
5.2 Die heutige Diskussion im Europäischen Parlament
Nach der Initiative von italienischen Europa-Abgeordneten wurden die Ergebnisse der CRIM Kommission wiederaufgenommen. Die LIBE Kommission33 hat Ende 2014 über dieses Thema eine neue Diskussion begonnen und im Folgejahr 2015 einen Entwurf präsentiert, in dem die Berichterstatterin Laura Ferrara eine kritische Analyse der Ergebnisse der CRIM und konkrete Vorschläge zu politischen Initiativen vorgestellt hat. Laut Ferrara ist die Berichterstattung der CRIM Kommission zu generell und bietet keine konkreten Hinweise. Besonders wichtig ist hierbei ein „mangelndes Bewusstsein“:
Obwohl die Bekämpfung des organisierten Verbrechens zu den Prioritäten der EU gehört, ist die Berichterstatterin der Ansicht, dass das Phänomen der kriminellen Vereinigung auch heute noch nicht in seiner ganzen Komplexität erfasst wird. Das zeigt sich daran, dass die Bekämpfung der sogenannten Haupttaten und nicht die Bindung an die Vereinigung im Vordergrund steht, wobei verkannt wird, welche Gefahr in der einschüchtemden Macht liegt, die sich allein schon aus der Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung ergibt. (LIBE, 2016)34
Die internationale Bekämpfung der mafiosen kriminellen Organisationen braucht, wie schon geschrieben, mehr Bewusstsein und Kooperation zwischen EU-Institutionen und Mitgliedstaaten. Besonders wichtig bleiben aber die „gemeinsamen Mindestnormen“ gegen die mafiose Kriminalität, die es noch nicht gibt.
Die Arbeit der LIBE Kommission geht in dieser Legislaturperiode weiter. Am 16.3.2016 wurde die Präsidentin der italienischen Antimafia-Kommission, Rosy Bindi, von der LIBE Kommission eingeladen, um einen Vortrag über die aktuelle Lage zu präsentieren und ihre Meinung über die genannten Entwürfe zu äußern35. Das ist bereits das zweite Meeting seit dem ersten von Ende 2014, was eine Bereitschaft seitens der LIBE-Kommission und der europäischen Institutionen zeitgt, endlich kooperieren zu wollen, obwohl es derzeit Schwierigkeiten gibt, diese Bereitschaft in konkreten politischen Aktionen zu realisieren.
Diese Anhörung traft wichtige Punkte, die schon seit 2014 wurden durch die LIBE Kommission entgegengetreten. Ein Punkt, der sehr interessant und wichtig in diesem offiziellen Entwurf von Laura Ferrara ist, sind die „Spezifischen Politikbereiche“, in denen konkrete Initiativen auf der europäischen Ebene unternommen werden können:
- Organisiertes Verbrechen und Zuwanderung
- Organisiertes Verbrechen und Umwelt
- Korruption und die Verwendung öffentlicher Mittel
Außerdem sind zwei weitere Punkte besonders wichtig:
- Schutz von Zeugen, Informanten und Personen, die mit der Justiz kooperieren
- Soziale Weiterverwendung eingezogener Güter
Diese konkreten Vorschläge gehen nicht nur einher mit einer breiten politischen Aktion der Europäischen Union, die nicht nur die LIBE Kommission betrifft, sondern auch andere eurpäische Agenturen wie Eurojust und Europol. Dies impliziert zum Beispiel die Errichtung einer sogenannte „Europäischen Staatsanwaltschaft“, verantwortlich für die Bekämpfung der Korruption und der mafiosen Kriminalität in Europa.
Die Vorschläge, wie sie in dieser Hausarbeit beschrieben wurden, kommen meistens aus der italienischen Erfahrung. Sehr interessant ist auch zu sehen, wie dieses Thema, heute wie im Jahr 2012, von Italienische Abgeordneten weiterentwickelt wurde und wird. Neben einer Rhetorik des Bewusstseins steht eine Praxis, die zeigt, dass auch heute noch dieses Thema nicht so „brennend“ für andere Abgeordnete oder andere Länder ist. Eine Bemerkung, die Laura Ferrara gemacht hat, während einer Sitzung der LIBE-Kommission, an denen nur wenige nicht-italienische Abgeordnete teilnahmen. Laut der Präsidentin der italienischen Antimafia-Kommission, Rosy Bindi, ist dieser „Entwurf[4] auf Initiative der Europaabgeordneten Laura Ferrara, „ein erster wichtiger Schritt“36. Sie unterstrich zum Beispiel, was sich die italienische AntimafiaKommission schon beim ersten Besuch bei der LIBE-Kommision im Jahr 2014 gewünscht hatte: die Einrichtung einer neuen CRIM-Kommission sowie der Einsatz einer Person für die permanente Berichterstattung.
Sie hat auch gesagt, dass die Rolle der Europäischen Union zentral werden muss, weil die mafiosen Aktivitäten immer komplexer und gefährlicher werden: Besonders unterschätzt für unsere Sicherheit werde die Rolle, die die mafiose Kriminalität hinsichtlich des internationalen Terrorismus spielt. Laut Bindi hat die mafiose Kriminalität, dank ihrer finanziellen Kapazitäten, terroristische Gruppe in der ganzen Welt unterstützt, um ihre Gewinne und kriminellen Kontaktnetzwerke zu vergrößern und ihre Herrschaft zu verstärken.37
Deswegen ist die Rolle der Bekämpfung der mafiosen Kriminalität zentrale für unsere Sicherheit und Freiheit. Die LIBE Kommission hat noch zwei Jahre vor sich, um eine konkrete Anti-Mafia Aktion zu realisieren. Das kann nur durch eine enge Kooperation mit allen anderen Mitgliedstaaten, besonders mit Italien, erreicht werden sowie durch ein besser integriertes System der Bekämpfung des organisierten Verbrechens durch Eurojust und Europol.
6 Schlussfolgerung
Mit dieser Hausarbeit wurde das Phänomen „mafiose Kiminalität“ aus einer interdisziplinären Perspektive beschrieben. Es wurde die Geschichte der Mafia und ihre Entwicklung vorgestellt, um die heutigen Probleme besser zu verstehen und wiederzuerkennen.
Dank der zahlreichen Studien, die seit Jahrzehnten in Italien geführt geworden sind, konnte das Phänomen auch soziologisch und juristisch definiert werden. Diese zwei Perspektiven verbinden mehrere Dimensionen des Phänomens: die sozio-kulturelle, die ökonomische und die politische.
Die Herausforderung dieser Hausarbeit war es, eine Verbindung zwischen der „Theorie“ und der „Praxis“ der Bekämpfung der Mafia zu präsentieren, die Erfahrungen aus Italien zusammenzufassen und zu erklären, warum dieser Erfahrungsreichtum auch für eine europäische Strategie nützlich und vorbildlich ist.
Das Phänomen „mafiose Kriminalität“ ist eine transnationale Bedrohung unserer Sicherheit und Freiheit. Aber die italienische Erfahrung zeigt, dass sie bekämpft werden kann und dass viele wichtige Aktionen auch in anderen Länder wiederholt werden können.
Die Europäische Union hat die ökonomische Integration verfolgt, aber wenig ist auf der Seite der politischen Integration gemacht worden. Die Bekämpfung der mafiosen Kriminalität ist ein besonders wichtiges Beispiel: Man braucht mehr Integration und Kooperation zwischen den lokalen und supranationalen Ebenen. Man braucht eine spezifische juristische Disziplin gegen das mafiose Phänomen und eine engagiertes und effizientes Agieren der Justiz, durch Europol und Eurojust, aber auch durch einen besseren Bildungsprozess in Bezug auf die Information der europäischen Bevölkerung.
Die mafiose Kriminalität braucht einen Kontext, in dem die sozialen Verbindungen im Sinne Dahrendorfs geschwächt sind, die Institutionen nicht gut funktionieren und in dem sie durch verschiedene Aktionen, von Korruption bis hin zu Gewalt, ihre Herrschaft etablieren können. Dort, wo es keine Kenntnisse gibt, ist es, wo die Mafia ein einfaches Spiel hat. Deswegen, trotz einer lauen Reaktion der Europäischen Union in den letzten Jahrzehnten, ist diese beginnende Diskussion in der LIBE-Kommission sehr wichtig, um diesen Raum der Sicherheit, Freiheit und Rechte auszubauen.
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[...]
1 Schlussfolgerungen des Vorsitzes, 1999. Quelle: http://www.europarl.europa.eu/summits/tam_de.htm (25.3.2016).
2 Für eine europäische Analyse des Phänomen vgl. OCP, From Illegal Markets to legitimate businesses: the portfolio of organised crime in Europe. Final Report. 2015.
3 Vgl. Billeri, Centorrino und David (2013); Centorrino und Davide (2013).
4 Während man sich früher zurückhielt, das Wort Mafia zu sagen, wird man nunmehr von diesem Begriff missbraucht. Ich finde es nicht mehr gut, wenn man weiter über die Mafia in deskriptiven und allumfassenden Termini spricht, weil hier Phänomene gebündelt werden, die zwar sicherlich organisierte Kriminalität sind, aber mit der Mafia wenig oder gar nichts zu tun haben. (Eigene Übersetzung) Quelle: Una nuova fase della lotta alla mafia. Intervista con Giovanni Falcone, in: "Segno", 1990, 116, p.10. Op. cit. Lupo (2004:12).
5 Auf Italienisch: „criminalità mafiosa“. Dies beschreibt ein komplexes und breites Phänomen, das nicht nur die sizilianische Mafia betrifft, sondern alle kriminellen Gruppen, die eine spezifische mafiose Charakteristik zeigen.
6 Die Mafia ist weder Sekte noch Verein, sie hat weder Ordnungen noch Statuten, der Mafioso ist kein Dieb, er ist kein Bösewicht; die Mafia ist das Gewissen des eigenen Wesens, das übertriebene Konzept ihrer individuellen Macht, aus dem die Unduldsamkeit der Überlegenheit kommt und, schlimmer noch, die Rücksichtslosigkeit anderen gegenüber. (Eigene Übersetzung) Quelle: Pitré, 1889. Op. eit. in Lupo (2004).
7 Das Wort „Mafia“ kommt aus dem Arabischen und bedeutet „schützen“. Vgl. Marino, 2000.
8 Alles im Staat, nichts gegen den Staat, nichts außerhalb des Staates. (Eigene Übersetzung) Quelle: Mussolini, B„ 1925.
9 Komme ich jetzt zur Mafia. Sehr geehrte Abgeordnete! (...) Meine Herren, es ist Zeit, dass ich Ihnen die Mafia vorstelle. Aber zuerst möchte ich diese kriminelle Vereinigung von jeder Art von Faszination, von Poesie, die sie überhaupt nicht verdienen, entkleiden. Man spreche nicht vom Adel oder von der Kavallerie der Mafia, wenn man nicht zugleich wirklich ganz Sizilien beleidigen möchte! (Eigene Übersetzung) Quelle: http://cronologia.leonardo.it/storia/al927v.htm (29.03.2016).
10 Auf Italienisch „Associazione”.
11 Diese Worte sind heutzutage sehr berühmt: Ein Padrino ist ein Mafia-Boss. Ein Picciotto ist ein “Junge”, der ein Mitglied der Mafia-Gruppe ist, entweder wegen einer Blutsverbindung oder weil er diese Vereinigung gesucht hat. Man kann auch mit der folgenden Metapher sprechen: Ein Padrino ist der Kopf, die Picciotti sind die Hände.
12 Auf Deutsch „Schmiergeldrepublik“. Es war der Name, den die Magistratur und derjoumalistische Diskurs benutzt haben, um die Korruption der Politik und der Gesellschaft zu beschreiben. Nach diesen Untersuchen wurden manche Parteien Italiens, wie die Democrazia Cristiana (DC) mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti, und die Sozialistische Partei Italiens (PSI) mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Bettino Craxi, neutralisiert.
13 Vgl. Gliederungspunkt 4 dieser Hausarbeit.
14 AufDeutsch: „parlamentarische Antimafia-Kommission“.
15 Besonders wichtig ist das politische Phänomen der Partei „Lega Nord“, eine Vereinigung der nördlichen Bevölkerung Italiens, die eine starke und rassistische Rhetorik gegen Leute aus Süd-Italien benutzt haben.
16 Vgl. Arlacchi, 1983; Ciconte und Macri, 2009; Forgione, 2009; Gambino, 1986; Grasso, 2011; Lupo, 2008; Smuraglia, 1994.
17 Eigene Übersetzung: parlamentarische Untersuchungskommission über das Phänomen der verschiedenen Mafia-Gruppen (auf Italienisch ist „Mafie“ der Plural von „Mafia“) und andere kriminelle Organisationen, auch ausländische. Auf Italienisch wird sie auch nur „ Commissione Antimafia” genannt.
18 Vgl. Dalla Chiesa, N„ Panzarasa, M„ (2012), Mattiello, D„ (2015).
19 Die Macht der Mafia liegt außerhalb der Mafia. (Eigene Übersetzung) Quelle: Dalla Chiesa, 2014:30.
20 Einer meiner römischen Kollegen besucht im Jahr 1980 den gerade arrestierten Frank Coppola und provoziert ihn: „Herr Coppola, was ist die Mafia?“ Der Alte, der nicht erst gestern geboren ist, denkt darüber nach und entgegnet: „Herr Richter, drei Justizbeamte würden heute gerne Staatsanwalt werden. Einer ist sehr intelligent, der Zweite wird von den Regierungsparteien unterstützt, der Dritte ist ein Kretin, doch dieser ist es, der diesen Posten bekommen wird. Das ist die Mafia... (Eigene Übersetzung) Quelle: Falcone, G„ 1991, Cose di CosaNostra.
21 Ein Kretin (...) wird sogleich, oft in guter Absicht, tun, was die Mafia braucht. Mehr noch: Er wird es gratis machen. (Eigene Übersetzung) Quelle: Dalla Chiesa, N„ (2014:34).
22 Carlo Alberto Dalla Chiesa, Vater des Soziologen Nando dalla Chiesa, war einer der wichtigsten Kämpfer der Mafia in Sizilien.
23 Auf Deutsch „Straftat für die Zugehörigkeit zu Mafia-Vereinigungen“. Das hat viel mit dem Begriff „Compiici“ zu tun (Dalla Chiesa, 2014:31). Vgl. Turone, G„ (2008): Romano, B„ (2015).
24 Die Vereinigung ist von mafiosem Typus, wenn diejenigen, die ihr angehören, sich in die Macht der Einschüchterung der Bindung an die Vereinigung und die Bedingung der Unterwerfung und der Schweigepflicht hüllen, die sich daraus ableitet, um Delikte zu begehen, um auf direkte oder indirekte Weise die Führung oder außerdem die Kontrolle über ökonomische Aktivitäten, Konzessionen, Autorisierungen, öffentliche Aufträge und Dienste zu erlangen, oder um rechtswidrige Profite oder Vorteile für sich oder andere zu realisieren, oder zu dem Zweck, das freie Ausüben der Wahl zu verhindern oder zu behindern oder sich oder anderen anlässlich von Wahlkonsultationen Stimmen zu beschaffen. (Eigene Übersetzung) Quelle: Art.416bis, Codice Penale, Italienisches Strafgesetzbuch.
25 Eroberungsplan (Eigene Übersetzung).
26 Blutbad von Duisburg: kalabrischer Mafiaboss festgenommen, in: Der Spiegel Online, Panorama, 21.09.2013. Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/iustiz/blutbad-von-duisburg-kalabrischer-mafiaboss- festgenommen-a-923676.html (29.03.2016).
27 Die erste Bedingung, um einen Krieg zu gewinnen, ist es, ihn zu kämpfen. Aber um diesen zu kämpfen, ist es notwendig zu verstehen, dass es diesen Krieg gibt, und dass ein Feind vor einem steht. (Eigene Übersetzung) vgl. Forgione F., (2009).
28 Vgl. Dalla Chiesa, N., (2011; 2012); Forgione, F., (2009) Sciarrone, R. (2009); Ciconte, E. (2010); Pignatone, G., Prestipino, M., (2012).
29 Vgl. Le origini della Mafia e gli ultimi Padrini. La grande Storia, Raitre & History Channel, 2013. Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=6NyhVnwTPRU, min51-54. (29.03.2016).
30 Vgl. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. Oktober 2013 zu organisiertem Verbrechen, Korruption und Geldwäsche: Empfohlene Maßnahmen und Initiativen Quelle: http://www.europarl.europa. eu/sides/getDoc.do?type=TA&reference=P7-TA-2013- 0444&language=EN (29.03.2016).
31 Vgl. Den Boer, 2014: Lavenex and Wagner, 2007.
32 Vgl. CRIM Kommission. Organised crime: “AEuropean challenge needs a European solution”, 19.09.2013. Quelle: http://www.europarl.europa.eu/news/en/news-room/20130913STO19815/Qrganised-crime- %E2%80%9CA-European-challenge-needs-a-European-solution%E2%80%9D (31.03.2016).
33 LIBE-Kommission: Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. Zuständigkeiten vgl. http://sylvia-yvonne-kaufmann.de/meine-arbeit-im-ep/libe/ (29.3.2016)
34 Arbeitsdokument, Laura Ferrara. LIBE Kommission. Quelle: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-%2f%2fEP%2f%2fNONSGML %2bCOMPARL%2bPE-571.740%2b01%2bDQC%2bPDF%2bV0%2f%2fDE (29.03.2016).
35 Gespräche der LIBE Kommission, Gespräch mit der Präsidentin der italienischen Antimafia-Kommission, 16.03.2016. Quelle: http://www.europarl.europa. eu/news/en/news-room/20160310IPR18764/Committee-on-Civil- Liberties-Justice-and-Home-Affairs-meeting- I6O32OI6-(PM). (29.03.2016) Zeit im Video: ab 02:24:00.
36 Ibid.
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Zweck dieses Dokuments?
Dieses Dokument ist eine umfassende Sprachvorschau, die den Titel, das Inhaltsverzeichnis, die Ziele und Schlüsselthemen, Kapitelzusammenfassungen und Schlüsselwörter enthält. Es analysiert das Thema der mafiösen Kriminalität aus einer akademischen Perspektive und untersucht Themen in einer strukturierten und professionellen Weise.
Was sind die Hauptthemen, die in diesem Dokument behandelt werden?
Die Hauptthemen umfassen eine Einführung in die mafiöse Kriminalität, einen Überblick über das Phänomen, die italienische Erfahrung in der Bekämpfung der mafiösen Kriminalität, die Ausbreitung der mafiösen Kriminalität in Europa und die internationale Bekämpfung der Mafia sowie die heutige Rolle der Europäischen Union.
Was wird im Abschnitt über die italienische Erfahrung der Bekämpfung der mafiösen Kriminalität behandelt?
Dieser Abschnitt beschreibt die Verknüpfung zwischen Kultur, Politik und Gesellschaft sowie die Entwicklung des Gesetzessystems gegen die organisierte Kriminalität und die Gründung eines spezifischen Ausschusses im italienischen Parlament, der "Commissione Parlamentare Antimafia".
Wie wird die Ausbreitung der mafiösen Kriminalität in Europa analysiert?
Die Ausbreitung der mafiosen Gruppen wird am Beispiel der 'Ndrangheta beschrieben. Dabei wird untersucht, was diese Ausbreitung verursacht hat und welche Rolle der Integrationsprozess Europas dabei spielt.
Welche Rolle spielt die Europäische Union bei der Bekämpfung der Mafia?
Das Dokument untersucht die politische Antwort der Europäischen Union, die konkreten Initiativen der EU und die möglichen Wege, um die organisierte Kriminalität effizient zu bekämpfen. Es werden die CRIM Kommission und die heutige Diskussion im Europäischen Parlament beleuchtet.
Was ist die CRIM Kommission?
Die CRIM (Committee on Organised Crime, Corruption and Money Laundering) Kommission war ein Ausschuss des Europäischen Parlaments, der gegründet wurde, um das Thema mafiöse Kriminalität konkret zu analysieren und ihm entgegenzutreten. Sie existiert aber seit Ende 2013 nicht mehr.
Was sind einige der wichtigsten Gesetze zur Bekämpfung der Mafia in Italien?
Das Gesetz 416 bis aus dem Jahr 1982, das den Straftatbestand der "Associazione per delinquere di stampo mafioso" (Vereinigung zur Begehung von Straftaten mafiosen Typs) einführte, und die Gesetze 302/1992 und 399/1994, die nach dem Massaker von Via d'Amelio und den Blutbädern in Florenz, Mailand und Rom verabschiedet wurden, sind besonders wichtig.
Welche Herausforderungen werden bei der europäischen Bekämpfung des organisierten Verbrechens hervorgehoben?
Eine der größten Herausforderungen ist die Definition des Phänomens und die Diskrepanz zwischen dem, was von Institutionen gesagt und dem, was von ihnen tatsächlich getan wird. Außerdem werden die mangelnde Kooperation zwischen den Mitgliedsstaaten und das fehlende Bewusstsein für die Komplexität des Phänomens hervorgehoben.
Welche Rolle spielt der europäische Integrationsprozess bei der Ausbreitung der mafiosen Kriminalität?
Das Dokument argumentiert, dass die mafiöse Kriminalität von der europäischen Integration profitieren konnte, insbesondere durch die Abschaffung von Grenzkontrollen und die freie Zirkulation von Menschen, Arbeit und Kapital, was es den mafiosen Gruppen ermöglichte, ihre Aktivitäten in anderen Ländern ungehindert auszuweiten.
- Arbeit zitieren
- Federico Quadrelli (Autor:in), 2016, Die Bekämpfung der mafiösen Kriminalität in Europa, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1236278