Der Iphigenie-Mythos wurde durch die gesamte Kulturgeschichte hindurch immer wieder zum Gegenstand von Kunst und Literatur. Das Goethesche Drama „Iphigenie auf Tauris“ erlangte besondere Berühmtheit und bildet in seiner 1786 erschienenen, finalen Versfassung die explizite Textgrundlage für diese Arbeit.
Eine Zäsur in dieser Auffassung stellt der Aufsatz von Arthur Henkel dar, in dem er von der Darstellung Iphigenies als Figuration reiner Menschlichkeit abrückt und betont, dass es sich bei der Postulierung dieses Ideals um eine einseitige Betrachtung handele. Infolgedessen betrachtete die Forschung das Stück verstärkt von einem dekonstruktivistischen Standpunkt aus, demzufolge das Abgewertete im Humanitätsbegriff bestimmend bleibe. Es wurde herausgestellt, dass das Drama von Inkonsistenzen und Widersprüchlichkeiten durchzogen ist, die das Drama dem Anspruch eines vollendeten Humanitätsideals nicht gerecht werden lassen.
In dieser Arbeit soll der Versuch unternommen werden, die beiden diametral entgegengesetzten Richtungen zu synthetisieren. Das Humanitätskonzept soll nicht demontiert, sondern vielmehr um das Verständnis erweitert werden, dass das Widersprüchliche und Tadelnswürdige eine Facette des Menschlichen darstellt und der Begriff der Humanität erst in der Anerkennung seiner „Brüchigkeit“ seine volle Bedeutung erhält.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Humanität - Versuch einer begrifflichen Annäherung
- Der historische Hintergrund des Humanitätsbegriffs
- Der Humanitätsbegriff bei Goethe
- Die Widersprüche des Humanitätskonzepts in Goethes Iphigenie
- Autonomie und Bindung
- Die unerhörte Tat als List der Vernunft
- Die Brüchigkeit des Dramenendes
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert den Humanitätsbegriff in Goethes Drama „Iphigenie auf Tauris“. Sie setzt sich zum Ziel, das komplexe und widersprüchliche Konzept der Humanität in Goethes Werk zu untersuchen und dabei die Spannung zwischen den Idealen der Humanität und den realen menschlichen Schwächen und Widersprüchen zu beleuchten.
- Der historische Hintergrund des Humanitätsbegriffs
- Goethes Verständnis von Humanität
- Die Darstellung der Widersprüche des Humanitätskonzepts in „Iphigenie auf Tauris“
- Die Rolle von Autonomie, Aufrichtigkeit und Versöhnung in Goethes Werk
- Die Begrenztheit und Brüchigkeit des Humanitätskonzepts
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt den Iphigenie-Mythos in einen kulturhistorischen Kontext und führt in Goethes Drama „Iphigenie auf Tauris“ ein. Sie beleuchtet den Wandel in der Rezeption des Dramas und fokussiert auf die Diskrepanz zwischen der traditionellen Interpretation als Ikone der Humanität und einer dekonstruktivistischen Sichtweise, die Widersprüche im Werk hervorhebt.
Humanität - Versuch einer begrifflichen Annäherung
Der historische Hintergrund des Humanitätsbegriffs
Dieser Abschnitt beleuchtet die antiken Wurzeln des Humanitätsbegriffs, insbesondere im Werk von Cicero. Er untersucht Ciceros Konzept von „humanitas“ als Reaktion auf die kriegerische und barbarische Realität seiner Zeit und seine Betonung von Tugenden wie Barmherzigkeit, Sanftmut und Wohlwollen.
Der Humanitätsbegriff bei Goethe
Dieser Abschnitt analysiert Goethes Verständnis von Humanität im Kontext der Weimarer Klassik. Er befasst sich mit Goethes Vermittlung des Humanitätsbegriffs in seinem Werk und beleuchtet die Verbindung zwischen Humanität und Bildung.
Die Widersprüche des Humanitätskonzepts in Goethes Iphigenie
Autonomie und Bindung
Dieser Abschnitt untersucht die Spannung zwischen Autonomie und Bindung im Drama, die sich in der Figur der Iphigenie zeigt. Er beleuchtet die Frage, inwieweit Iphigenies Handeln autonom ist oder durch ihre Bindung an die Familie und ihre Pflicht beeinflusst wird.
Die unerhörte Tat als List der Vernunft
Dieser Abschnitt analysiert die „unerhörte Tat“ der Iphigenie, die ihre Brüder vor dem sicheren Tod rettet. Er untersucht, ob diese Tat als Ausdruck einer uneingeschränkten Humanität zu verstehen ist oder ob sie strategischen und rationalen Motiven folgt.
Die Brüchigkeit des Dramenendes
Dieser Abschnitt analysiert das Ende des Dramas und hinterfragt die Vollkommenheit des „glücklichen“ Ausgangs. Er untersucht die Frage, ob das Drama tatsächlich eine Lösung der Widersprüche im Humanitätskonzepts anbietet oder ob es die Brüchigkeit dieses Ideals offenlegt.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter dieser Hausarbeit sind: Humanität, Humanitätsbegriff, Goethes „Iphigenie auf Tauris“, Autonomie, Bindung, Widersprüche, Vernunft, „unerhörte Tat“, Versöhnung, Brüchigkeit.
- Arbeit zitieren
- Anonym (Autor:in), 2022, Mensch sein ohne Ideal? Eine Betrachtung des Humanitätsbegriffs in Goethes Schauspiel "Iphigenie auf Tauris", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1236457