"Data Colonialism" und die neoliberale Ideologie des Silicon Valley

Das digitale Proletariat und wie Big Tech die Demokratie gefährdet


Hausarbeit, 2021

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung: Die Techmonopolisten im digitalen Zeitalter

2. Historischer Kolonialismus und data colonialism

3. Die neoliberale Ideologie des Silicon Valley und wie sie die Demokratie gefahrdet

4. Autonomie im Uberwachungskapitalismus und Moglichkeiten des Widerstands

5. Fazit: Die Gefahr einer Verewigung des Kapitalismus

1. Einleitung: Die Techmonopolisten im digitalen Zeitalter

Karl Marx hat, so Lenin in seiner Schrift Der Imperialismus als hochstes Stadium des Kapitalismus aus dem Jahre 1916, durch seine theoretische und geschichtliche Analyse des Kapitalismus bewiesen, „daft die freie Konkurrenz die Konzentration der Produktion erzeugt, diese Konzentration aber auf einer bestimmten Stufe ihrer Entwicklung zum Monopol fuhrt."1 Dieses Stadium des Monopols ist, stellt Lenin fest, Anfang des 20. Jahrhunderts „zur Tatsache"2 und der „Kapitalismus [...] zum Imperialismus geworden.“3 Lenin betont daruber hinaus, dass die „Verwandlung der Konkurrenz in das Monopol [.] eine der wichtigsten Erscheinungen — wenn nicht die wichtigste — in der Okonomik des modernen Kapitalismus" sei.4 Diese Tendenz zum Monopol lasst sich auch ein gutes Jahrhundert spater in den Spahren des Internets beobachten. Einige wenige Groftkonzerne wie Facebook oder die Holding- Gesellschaft Alphabet haben innerhalb weniger Jahre eine Markmacht erreicht, die dem kapitalistischen Ideal der freien Konkurrenz als Triebkraft fur Innovation und Sicherung eines fairen Wettbewerbs diametral entgegengesetzt scheint. Die Macht der Techmonopolisten lautet jedoch keineswegs ein baldiges Ende des kapitalistischen Systems ein, sondern kann viel mehr als Weiterentwicklung, ein hoheres Stadium verstanden werden, das den Kapitalismus eher verewigen als uberwinden wird. Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden diskutiert werden, was fur eine Ideologie den groften Tech Konzernen und ihrem Geschaftsmodell zugrunde liegt und was fur Gefahren ihr stetiger Machtzuwachs mit sich bringt.

2. Historischer Kolonialismus und data colonialism

In ihrem Buch The Costs of Connection. How Data Is Colonizing Human Life and Appropriating It for Capitalism schlagen die Autor*innen Nick Couldry und Ulises A. Mejias den Begriff data colonialism vor, um die profitorientierte „appropriation of human life in the form of data“5 zu beschreiben. „Human experience, potentially every layer and aspect of it“, stellen die Autor*innen fest, „is becoming the target of profitable extraction."6 Die koloniale Ausbeutung, die historisch von europaischen Imperialmachten ausging und sich vor allem auf den asiatischen Kontinent und den globalen Suden konzentrierte, macht die im Digitalzeitalter auszubeutenden Subjekte auf allen Teilen der Erdkugel, auch im Westen, aus. Der Begriff „Kolonialismus“ ist in diesem Zusammenhang, so die Autor*innen, nicht lediglich metaphorisch, sondern als „a new form of colonialism distinctive of the twenty-first century zu verstehen.7 Couldry und Mejias betonen einerseits die Unterschiede zwischen historischem Kolonialismus und data colonialism und weisen gleichzeitig darauf hin, dass „although the modes, intensities, scales, and contexts of today's dispossession are distinctive, the underlying function remains the same as under historical colonialism: to acquire large-scale resources from which economic value can be extracted.“8 Beiden Ausbeutungsverhaltnissen liegt also eine kapitalistische Dynamik zugrunde, die auf die Aneignung von Ressourcen und eine groBtmogliche Profitrate ausgelegt ist.

Der Kapitalismus dringt immer in weitere Lebensbereiche vor und zieht Aktivitaten, die bislang aufterhalb des Marktes und des Systems der Akkumulation standen, in seine Sphare hinein.9 Couldry und Mejias sehen im data colonialism eine weitere Dimension kapitalistischer Ausbeutungsmoglichkeiten. Wahrend die dem kapitalistischen System zugrundeliegende Ausbeutung von Natur und Lohnarbeiter*innen unverandert beibehalten wird, dehnt der Kapitalismus die Kommodifizierung weiter aus „by assimilating new or reconfigured human activities (whether regarded as labor or not) as its direct inputs.“10 Menschliches Leben wird in Form von data zu einer Ressource, die von privaten Tech Konzernen angehauft und gewinnbringend auf dem Markt verkauft werden kann. Dankbare Abnehmer sind nicht nur kommerzielle Unternehmen, die sich durch personalisierte Werbung und anderen Moglichkeiten des nudgings eine Absatzsteigerung ihrer Produkte und Dienstleistungen erhoffen, sondern auch politische Parteien und Wahlkampfmanager*innen, die mittels Daten Wahlverhalten vorhersagen und manipulieren konnen.11 Die Aneignung von Daten erfolgt, im Gegensatz zur direkten Ausbeutung von Arbeiter*innen in Form von Lohnarbeit, bei der die*der Kapitalist*in sich den Mehrwert der Arbeitskraft der Lohnarbeiter*innen zueigen macht, indirekt. Nur grofte Tech Unternehmen verfugen uber die notigen Produktionsmittel, um Daten zu sammeln und in Warenform umzuwandeln. Die euphemistisch als „user“ bezeichneten Menschen, die die entsprechenden Daten, haufig ohne ihr Wissen und ihre informierte Zustimmung produzieren, werden von den mit ihren Daten erwirtschafteten Profiten ausgeschlossen.12 Die „[i]nfrastructures of connection enable data colonialism to be more subtle than historical colonialism in how it appropriates resources“;13 der Produktionsprozess wird also verschleiert und data werden als vermeintliche Naturressource naturalisiert und mystifiziert, als waren sie „just there”, „freely available for extraction and the release of its potential for humankind.“14

Die Aneignung von Daten als „naturliche“ Ressource macht eine der Parallelen zum historischen Kolonialismus aus. Ein zweites Pendant findet sich in der „massively unequal global distribution of the benefits of resource appropriation“.15 Die Tatsache, dass „three out of the top four revenue-earning IT companies in the world were US based, and [...] four out of the top five “traditional” media companies were also US based“ macht die Hegemonialstellung der USA auf diesen Markten deutlich.16

[...]


1 Lenin, Wladimir: Der Imperialismus als hochstes Stadium des Kapitalismus (S.25).

2 Ebd.

3 Ebd. (S.27).

4 Ebd. (S.22).

5 Couldry, Nick; Mejias, Ulises A.: The Costs of Connection. How Data Is Colonizing Human Life and Appropriating It for Capitalism (S.xvii).

6 Ebd. (S.x).

7 Couldry, Nick; Mejias, Ulises A.: Rethinking Big Data's Relation to the Contemporary Subject (S.2).

8 Couldry, Nick; Mejias, Ulises A.: The Costs of Connection. How Data Is Colonizing Human Life and Appropriating It for Capitalism (S.xi).

9 Crouch, Colin: Postdemokratie (S.104).

10 Couldry, Nick; Mejias, Ulises A.: The Costs of Connection. How Data Is Colonizing Human Life and Appropriating It for Capitalism (S.xvii).

11 Vaidhyanathan, Siva: Antisocial Media: How Facebook Disconnects Us and Undermines Democracy (S.65). Auf die Auswirkungen dieses Geschaftsmodells auf die Demokratie wird weiter unten konkreter eingegangen.

12 Couldry, Nick; Mejias, Ulises A.: The Costs of Connection. How Data Is Colonizing Human Life and Appropriating It for Capitalism (S.102).

13 Ebd. (S.6).

14 Ebd. (S.9).

15 Ebd. (S.4).

16 Ebd. (S.104).

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
"Data Colonialism" und die neoliberale Ideologie des Silicon Valley
Untertitel
Das digitale Proletariat und wie Big Tech die Demokratie gefährdet
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
17
Katalognummer
V1236803
ISBN (eBook)
9783346656285
ISBN (Buch)
9783346656292
Sprache
Deutsch
Schlagworte
data, colonialism, ideologie, silicon, valley, proletariat, tech, demokratie
Arbeit zitieren
Leon Maack (Autor:in), 2021, "Data Colonialism" und die neoliberale Ideologie des Silicon Valley, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1236803

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