Trendsport Beach Soccer

Eine Analyse der Sportberichterstattung ausgewählter Schweizer Tageszeitungen über die Trendsportart Beach Soccer 2006 und 2007


Lizentiatsarbeit, 2008

161 Seiten, Note: 5.5/6


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

A. Einleitung
1. Problemstellung und Ziele
1.1 Aufbau
1.2 Empirische Erhebung

B. Theoretische Grundlagen und Forschungsstand Einleitung
2. Nachrichtenauswahl
2.1 Massenmedien und Wirklichkeitskonstruktion
2.2 Nachrichtenselektion
2.3 Nachrichtenwert und Nachrichtenfaktoren
2.4 Nachrichtenfaktoren in der Sportberichterstattung
2.5 Nachrichtenfaktoren in der alltäglichen Sportberichterstattung der Zeitung
3. Sport-Medien-Wirtschaft
3.1 Das magische Dreieck
3.2 Aktuelle Sportberichterstattung
3.3 Aktuelle Sportberichterstattung in der Deutschschweizer Presse
4. Trendsport
4.1 Trendsport allgemein
4.2 Begriffsbestimmung und Definition von Trendsportarten
4.3 Merkmale von Trendsportarten
4.3.1 Stilisierung der Bewegungspraxis
4.3.2 Extremisierung des Sports
4.3.3 Beschleunigung des Sich-Bewegens
4.3.4 Betonung der Virtuosität
4.3.5 Eventorientierung
4.3.6 Sportbezogenes-Sampling
4.4 Entwicklungsschritte von Trendsportarten
4.5 Entwicklungsschritte von Beach Soccer allgemein und in der Schweiz
4.6 Sportberichterstattung über Trendsportarten
5. Fazit

C. Empirischer Teil
6. Konzeption und Methode
6.1 Konzeption der Inhaltsanalyse
6.2 Forschungsfragen
6.3 Präzisierung der Methodenwahl
6.4 Stichprobe und Untersuchungszeitraum
6.5 Kategoriensystem und Codierung
6.5.1 Formale Kategorie
6.5.2 Inhaltliche Kategorie
6.5.2.1 Themendimension
6.5.2.2 Nachrichtenfaktoren
6.6 Reliabilitätstest
7. Ergebnisse
7.1 Formale Struktur der Sportberichterstattung über Beach Soccer
7.2 Themendimension Merkmale der Trendsportart Beach Soccer
7.3 Nachrichtenfaktoren in der Sportberichterstattung über Beach Soccer
7.3.1 Zeitstruktur
7.3.2 Identifikation und Räumliche Nähe
7.3.3 Dynamik
7.3.4 Negativismus
7.3.5 Komplexität
7.4 Intensitäten und Mittelwerte der Nachrichtenfaktoren

D. Schlussbetrachtung
8. Zusammenfassung und Diskussion
8.1 Zusammenfassung
8.2 Diskussion und Ausblick

E. Literaturverzeichnis

F. Anhang
9. Codeplan
10. Tabellen zur quantitativen Datenerhebung

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Das Entwicklungsmuster von neuen Produkten und Trendsportarten

Abb. 2: Anteil der Zeitungstitel in der Sportberichterstattung über Beach Soccer 2006

Abb. 3: Anteil der Zeitungstitel in der Sportberichterstattung über Beach Soccer 2007

Abb. 4: Anteil der Zeitungstitel in der Sportberichterstattung über Beach Soccer 2006 und 2007

Abb. 5: Anteil der Zeitungsgruppen in der Sportberichterstattung über Beach Soccer 2006 und 2007

Abb. 6: Anteil des Umfangs in der Sportberichterstattung über Beach Soccer 2006 und 2007

Abb. 7: Anteile der vorkommenden Merkmale der Trendsportart Beach Soccer 2006 und 2007

Abb. 8: Anteile der Ausprägungen des Nachrichtenfaktors >Dauer 2006 und 2007

Abb. 9: Anteile der Ausprägung des Nachrichtenfaktors Zeitform 2006 und 2007

Abb. 10: Anteile der Ausprägung des Nachrichtenfaktors Personalisierung 2006 und 2007

Abb. 11: Anteile der Ausprägungen des Nachrichtenfaktors Personalisierung/Hintergrund 2006 und 2007

Abb. 12: Anteile der Ausprägung des Nachrichtenfaktors Ethnozentrismus 2006 und 2007

Abb. 13: Anteile der Ausprägung des Nachrichtenfaktors Räumliche Nähe 2006 und 2007

Abb. 14: Anteile der Ausprägungen des Nachrichtenfaktors Elite 2006 und 2007

Abb. 15: Anteile der Ausprägungen des Nachrichtenfaktors Persönlicher Einfluss 2006 und 2007

Abb. 16: Anteile der Ausprägungen des Nachrichtenfaktors Überraschung 2006 und 2007

Abb. 17: Anteile der Ausprägungen des Nachrichtenfaktors Ungewissheit 2006 und 2007

Abb. 18: Anteile der Ausprägungen des Nachrichtenfaktors Kontroverse 2006 und 2007

Abb. 19: Anteile der Ausprägungen des Nachrichtenfaktors Erfolg/Misserfolg 2006 und 2007

Abb. 20: Anteile der Ausprägungen des Nachrichtenfaktors Schaden 2006 und 2007

Abb. 21: Anteile der Ausprägung des Nachrichtenfaktors Regelwidrigkeit 2006 und 2007

Abb. 22: Anteile der Ausprägung des Nachrichtenfaktors Eindeutigkeit 2006 und 2007

Abb. 23: Anteile der Ausprägung des Nachrichtenfaktors Faktizität 2006 und 2007

Abb. 24: Mittelwerte der Nachrichtenfaktoren 2006 und 2007

Abb. 25: Mittelwerte (Median) der Nachrichtenfaktoren mit den Mittelwerten der Ausprägungen 2006 und 2007

Abb. 26: Mittelwerte der Nachrichtenfaktoren nach Zeitungsgruppe 2006 und 2007

Abb. 27: Mittelwerte der harten Nachrichtenfaktoren nach Zeitungstitel 2006 und 2007

Abb. 28: Mittelwerte der Nachrichtenfaktoren nach Zeitungstitel 2006 und 2007

Abb. 29: Mittelwerte der Nachrichtenfaktoren nach Umfang 2006 und 2007

Abb. 30: Mittelwerte der harten Nachrichtenfaktoren in der Sportberichterstattung über Beach Soccer 2006 und 2007

Abb. 31: Mittelwerte der Nachrichtenfaktoren in der Sportberichterstattung über Beach Soccer 2006 und 2007

Abb. 32: Mittelwerte der harten Nachrichtenfaktoren nach Zeitungsgruppe in der Sportberichterstattung über Beach Soccer 2006 und 2007

Abb. 33: Mittelwerte der Nachrichtenfaktoren nach Zeitungsgruppe in der Sportberichterstattung über Beach Soccer 2006 und 2007

A Einleitung

1. Problemstellung und Ziele

Grossanlässe wie die Olympischen Spiele, die Fussball-WM, die Champions League und natürlich die kommende Fussball-Europameisterschaft 2008 sind Zuschauer- magneten, deren Übertragungsrechte exorbitante Summen kosten und die ein riesiges Publikum erreichen. Solche Grossereignisse kommen der Produktionslogik der Medien entgegen, denn sie sorgen regelmässig für neue Nachrichten und folgen zeitlich festen Abläufen (vgl. Loosen 2004: 10).

Da dem Sport eine hohe Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zukommt und eine umfassende Information erwartet wird, können die Medien diesem Thema grossen Raum widmen. Dementsprechend hat sich auch die Sportberichterstattung verändert und ist in den letzten zwanzig Jahren als Bindeglied im Dreieck Sport – Medien – Wirtschaft einerseits zu einem zentralen Faktor und andererseits zur Unterhaltung geworden. Die Sportberichterstattung muss deshalb vielen Anforderungen auf einmal genügen: den Medien, den Sponsoren, den Sportvereinen, -teams, -verbänden und Athleten sowie dem Publikum (vgl. Schauerte 2004: 39-44; Beck 2006: 44-50).

So kommt dem Sport und seiner medialen Darstellung in der Gesellschaft ein immer höherer Stellenwert zu. Dieses Phänomen ist nur schwer zu beschreiben. Auf der einen Seite verliert der Sport seine Einheitlichkeit durch neue Sportarten, Formen von Körperinszenierung und Organisationsstrukturen, worin der klassische Kern der olympischen Sportarten und der Spitzensport eine immer kleinere Rolle spielen. Auf der anderen Seite steht die wachsende Tendenz, dass immer mehr über die gleichen Themen im Sport berichtet wird (vgl. Horky 2001: 14).

So konzentriert sich die Berichterstattung über Sport in den Medien vor allem auf Publikumssportarten wie Fussball, Tennis und Formel 1 (vgl. Gleich 2000: 511).

Es ist offensichtlich, dass Sport in den Medien und die alltägliche Realität des Sports wenig miteinander zu tun haben (vgl. Scherer 2004: 215). Da Sportmedienrealität nicht die Sportrealität wiedergibt und eine von den Medien konstruierte Realität ist, stellt sich nach Weischenberg die Frage: „Was sind die Kriterien der Selektion, Interpretation und Sinngebung von Wirklichkeit, an denen sich die Journalisten orientieren? Und warum werden bestimmte Vorgänge von den Medien sichtbar gemacht und andere nicht?“ (Weischenberg 1995: 172)

So ignorierte die breite Masse der Schweizer Medien und die sportinteressierte Bevölkerung die Tatsache, dass sich die Schweiz den Titel in der Fussball- Europameisterschaft geholt hatte: jedoch nicht auf dem Rasen und nicht 2008, sondern auf Sand in Moskau 2005. An dieser Europameisterschaft gelang der Schweizer Beach Soccer Nationalmannschaft der Titelgewinn. In der FIFA-Europagruppe besetzt sie aktuell den sechsten Platz und zeichnet sich durch Siege über Italien, Frankreich, Spanien und Portugal besonders aus. Trotz grosser internationaler Erfolge stösst Beach Soccer bei vielen Schweizer Sportjournalisten noch auf wenig Interesse. Dies zeigte sich während meiner Tätigkeit als Presse- und Medienverantwortlicher des Schweizerischen Beach Soccer Verbandes oft.

Deshalb wird in dieser Arbeit nicht die Sportberichterstattung einer bereits etablierten und dominierenden Sportart wie Fussball oder Tennis untersucht. Der Fokus liegt auf der Trendsportart Beach Soccer, die in der Sportberichterstattung und somit in die Sportmedienrealität nur selten Eingang findet.

Beach Soccer ist ein Trendsport und in der Schweiz eine relativ junge Sportart. Erst seit 2001 steht Beach Soccer auch ein professionell geführter Verband (Schweizerischer Beach Soccer Verband) zur Seite.

Trendsportarten zeichnen sich durch bestimmte Merkmale wie z.B Eventorientierung, Sportbezogenes-Sampling, Extremisierung und Virtuosität aus. Sie verstehen sich am Anfang ihrer Entwicklung als Gegenbewegung zur etablierten Sportwelt. Trendsportarten propagieren ein Sportverständnis, das konventionelle Sieges- und Wettkampfcodes zu überwinden versucht (vgl. Schwier 2004: 13-21). Alle Eigenheiten des Trendsports werden in dieser Arbeit herausgearbeitet und es soll hinreichend geklärt werden, wo Beach Soccer in diesem Feld zu verorten ist.

Trendsportarten gehören zu den von den Medien meist vernachlässigten Sportarten (vgl. Schauerte 2002: 326). Der wissenschaftliche Kenntnisstand über die Vielfalt der massenmedialen Inszenierung des Trendsports muss als fragmentarisch bezeichnet werden (vgl. Schwier 2004: 25). Die Präsenz von Trendsportarten in konventionellen Printmedien (z.B. Tageszeitung) ist bis heute von der Forschung meist übergangen worden (vgl. Schwier 2004: 24-25).

Eine kleine Lücke soll nun mit der Untersuchung der Struktur der Sportberichterstattung über die Trendportart Beach Soccer in ausgewählten Schweizer Tageszeitungen geschlossen werden. Die Untersuchung setzt sich im empirischen Teil mit der Analyse der Nachrichtenfaktoren in den Beiträgen über Beach Soccer auseinander.

Analysiert wird die gesamte Sportberichterstattung über Beach Soocer in den Jahren 2006 und 2007. Dieser Zeitraum wurde gewählt, weil der Titelgewinn 2005 die Medien zum ersten Mal auf diesen Trendsport aufmerksam gemacht hatten.

Untersucht werden folgende Tageszeitungen: Berner Zeitung, Basler Zeitung,

Tagesanzeiger, Aargauer Zeitung, Basellandschaftliche Zeitung und Winterthurer Tagblatt. Weiter werden die Gratiszeitungen 20Minuten, heute und Baslerstab untersucht. Zudem wird noch ein Vergleich mit den Studien von Loosen (1998) und Loosen/Ravenstein (2000) angestellt, die beide die alltägliche Sportberichterstattung mithilfe der Nachrichtenfaktoren untersucht haben. Auf diese Weise soll geklärt werden, ob sich die Nachrichtenfaktorenstruktur der alltäglichen Sportberichterstattung von der Nachrichtenfaktorenstruktur der Sportberichterstattung über die Trendsportart Beach Soccer unterscheidet. Hauptziel der vorliegenden Studie ist die Untersuchung der Sportberichterstattung über die Trendsportart Beach Soccer in der Schweiz mithilfe eines einheitlichen Analyserasters.

So lautet also die übergeordnete Forschungsfrage wie folgt:

Wie sieht die Struktur der Sportberichterstattung über den Trendsport Beach Soccer aus?

1.1 Aufbau

Die Kapitel zwei, drei und vier präsentieren den Forschungsstand und den theoretischen Hintergrund. Kapitel zwei gibt einen Überblick über die Bedeutung von Realität, Medienrealität und Sportmedienrealität. Ansätze zur Nachrichtenauswahl und Nachrichtenselektion werden aufgezeigt, der Schwerpunkt liegt auf der Nachrichtenwerttheorie und den Nachrichtenfaktoren. Diese kommunikations- wissenschaftlichen Theorien werden auf die Sportberichterstattung angewendet. Dieses Kapitel ist thematisch geordnet und berücksichtigt Studien zu den wichtigsten Forschungsgebieten. Zu den Nachrichtenfaktoren in der Sportberichterstattung existieren bereits mehrere wegleitende Untersuchungen aus dem deutschsprachigen Raum. In Kapitel drei wird auf das Dreieck Medien-Sport-Wirtschaft eingegangen. Wirtschaftliche Aspekte des Sports, das Verhältnis zwischen Medien und Sport und die Sportberichterstattung an sich werden genauer beleuchtet. Zudem werden verschiedene Aspekte der Sportberichterstattung und deren Wandel erhellt. In Kapitel vier wird das Gebiet des Trendsports betrachtet: seine gesellschaftlichen, ökonomischen und medialen Besonderheiten sowie definitorische Aspekte, Entwicklungsschritte und Merkmale. Weiter wird die Trendsportart Beach Soccer vorgestellt. Die Untersuchungsanlage der Inhaltsanalyse wird in Kapitel sechs aufgezeigt. Weiter werden die Ausformulierung und Begründung der Forschungsfragen, die Datenbasis und der Untersuchungszeitraum der Inhaltsanalyse präzisiert. In Kapitel sieben werden die Ergebnisse der Untersuchung aufgelistet und kommentiert. Zum Schluss wird in Kapitel acht ein Überblick der Ergebnisse präsentiert und die weitere mögliche Entwicklung diskutiert.

1.2 Empirische Erhebung

Weil es in dieser Arbeit um eine Untersuchung der Berichterstattung geht, bietet sich die Medieninhaltsanalyse an. Die Frage, welchen empirischen Gehalt Nachrichtenfaktoren für die Berichterstattung über die Trendsportart Beach Soccer haben, wird mit einer empirischen Analyse der Sportberichterstattung tagesaktueller Printmedien untersucht. Der Nachrichtenwertforschung wird in der empirischen Kommunikationsforschung hohe Gültigkeit attestiert, um die Struktur der Berichterstattung zu beschreiben (vgl. Loosen/Ravenstein 2000: 193).

Dabei wird quantitativ und systematisch vorgegangen und es werden in einer Messung und nach einem Codebuch die interessierenden Merkmale untersucht (vgl. Rössler 2005: 18). Dafür eignet sich die Inhaltsanalyse, weil diese eine empirische Methode zur systematischen, intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale von Mitteilungen ist (vgl. Früh 1991: 24).

Da Nachrichtenfaktoren in der Sportberichterstattung auf der theoretischen Ebene im kognitiven System der Sportjournalisten angesiedelt sind, beschreiben sie vom inhaltsanalytisch-empirischen Zugang her Beitragsmerkmale (vgl. Loosen/Ravenstein 2000: 192).

B Theoretischer Teil und Forschungsstand

2. Nachrichtenauswahl

„Ein sportliches Ereignis, über das nicht berichtet wird, hat für die Öffentlichkeit gar nicht stattgefunden.“ (Binnewies 1983: 121)

Dieses Zitat von Binnewies veranschaulicht den Gegensatz zwischen Wirklichkeit und Medienwirklichkeit.

Für Scherer ist es offensichtlich, dass Sport in den Medien und die alltägliche Realität des Sports wenig miteinander zu tun haben. Von vielem, was sportlich stattfindet, wird man nie etwas erfahren, weil es in den Medien nicht auftaucht. Einigkeit herrscht also darüber, dass die Sportberichterstattung in den Medien nicht einfach als Abbild des Sports in der Realität verstanden werden darf, sondern dass die Medien eine eigene Sportmedienrealität konstruieren (vgl. Scherer 2004: 215).

Doch bevor die Sportmedienrealität im Speziellen betrachtet werden soll, wird auf die Konstruktion von Wirklichkeit in den Medien im Allgemeinen eingegangen.

2.1 Massenmedien und Wirklichkeitskonstruktion

Mit der Fragestellung, wie sich Medien und Realität zueinander verhalten, tangiert man ein Forschungsfeld, das die Massenkommunikationsforschung seit ihren Anfängen beschäftigt. Der amerikanische Journalist Lippmann gilt als „Vater“ des Konzeptes von Wirklichkeitskonstruktion durch Massenkommunikation. Er formulierte bereits 1922 diesen Ansatz der Kommunikationsforschung in seinem Werk Public Opinion. Für die Berichterstattung der Massenmedien folgerte Lippmann, dass sie die Komplexität der Wirklichkeit auf einfachere Modelle reduzieren müsse, um überhaupt damit umgehen zu können. Diesen Vorgang bezeichnete er als Stereotypisierung und die dadurch erzielten Bilder von der Wirklichkeit als Stereotypen (vgl. Lippmann 1922; zit. n. Schulz 1990: 9).

Schulz zitiert zum Anfang seines Aufsatzes Massenmedien und Realität Speed aus dem Jahre 1893: „Our newspapers do not record the really serious happenings, but only the sensations, the catastrophes of history.“ (Speed 1893: 710; zit. n. Schulz 1989: 135)

Winfried Schulzes Ausführungen liefern für den weiteren Verlauf dieses Themas die Grundlage. Aufgezeigt wird, wie die Kommunikationsforschung der Frage nachgeht, ob Medien die Realität angemessen wiedergeben oder ob es sich um eine unzutreffende Verzerrung handelt. So soll durch die geraffte Darstellung von Schulzes Werk der theoretische Boden bereitet werden, der auch die Basis für die Darstellung der Entwicklung der Nachrichtenselektionsforschung bildet (vgl. Schulz 1989: 134-140).

Schulz bringt seine Ausführungen folgendermassen auf den Punkt:

„Allgemeines Resümee der Forschungsliteratur ist die Feststellung, dass die Massenmedien in der Regel Wirklichkeit nicht repräsentieren. Die Berichte der Medien sind oft ungenau und verzerrt, sie bieten manchmal eine ausgesprochene tendenziöse und ideologisch eingefärbte Weltsicht. Die in den Medien dargebotene Wirklichkeit repräsentiert in erster Linie die Stereotype und Vorurteile der Journalisten, ihre professionellen Regeln und politischen Einstellungen, die Zwänge der Nachrichtenproduktion und die Erfordernisse medialer Darstellungen. Sie lässt nur bedingt Rückschlüsse zu auf die physikalischen Eigenschaften der Welt, die Strukturierung der Gesellschaft, den Ablauf von Ereignissen, die Verteilung der öffentlichen Meinung.“ (Schulz 1989: 139)

Weiterführend werden von Schulz zwei gegensätzliche Modelle zum Verhältnis zwischen Medien und Realität aufgeführt:

- Die ptolemäische Perspektive versteht die Medien als Spiegel der Wirklichkeit. Die Aufgabe der Medien ist es somit, ein möglichst genaues Spiegelbild der Welt herzustellen, also Realität widerzuspiegeln (vgl. Schulz 1989: 140).

- Die kopernikanische Perspektive definiert die Medien als Instanzen der Sinngebung und Selektion, die so eine eigene Realität konstruieren (vgl. Schulz 1989: 142).

„Die Realität, die in der ‘ ptolemäischen’ Auffassung als Gegenstand und Voraussetzung von Kommunikation angesehen wird, ist in der ‘ kopernikanischen’ Sichtweise deren Ergebnis. Genauer müsste man sagen, dass sich das Realitätskonstrukt aus zwei Quellen speist, einmal aus der externen Information, d.h. aus den Stimuli und den Ereignissen in der überschaubaren Umgebung des informationsverarbeitenden Subjekts oder Systems, zum anderen aus der internen Information, d.h. aus den im informationsverarbeitenden System angelegten Erfahrungen und Verarbeitungsregeln.“ (Schulz 1989: 142)

Bei der Untersuchung von Medienwirklichkeit muss also von externen und internen

Informationen als Quellen ausgegangen werden:

„Das bedeutet,[...], dass die Medienrealität zwei verschiedene Quellen hat, nämlich einmal die ‘objektiv’ vorfindbaren Ereignisse und ihre Merkmale, zum anderen die im Mediensystem angelegten Erfahrungen und Verarbeitungsregeln, die ‘Schemata’ deren Anwendung zu [...] Selektion und Strukturierung führt. Aus der Interaktion von externer und interner Information resultiert die von den Medien konstruierte Wirklichkeit.“ (Schulz 1989: 142)

Massenmediale Berichterstattung ist somit nie ein Abbild der Realität. Sondern die Medien konstruieren eine eigene Medienrealität (vgl. Weischenberg 1995: 172).

Diese Tatsache bewegt Weischenberg zu der Frage:

„Was sind die Kriterien der Selektion, Interpretation und Sinngebung von Wirklichkeit, an denen sich die Journalisten orientieren? Und warum werden bestimmte Vorgänge von den Medien sichtbar gemacht und andere nicht?“ (Weischenberg 1995: 172)

Eine der zentralen Aufgaben von Journalisten besteht darin zu entscheiden, welche Aspekte der Realität Eingang in die Medien finden. Für die Forschung stellt sich die Frage, aufgrund welcher Kriterien Journalisten Nachrichten selektionieren und welche Einflussfaktoren eine Rolle spielen?

Donsbach systematisierte verschiedene Faktoren, die einen Einfluss auf Journalisten und somit auch auf die Medieninhalte hatten. Sein Modell der Einflussfaktoren unterscheidet vier verschiedene Sphären (vgl. Donsbach 1987: 111-139):

- Subjektsphäre: Merkmale der Journalisten als Individuen.
- Professionssphäre: Journalisten als soziale Gruppe.
- Institutionssphäre: Merkmale der Medienbetriebe, in denen Journalisten tätig sind.
- Gesellschaftssphäre: Gesellschaftliche Faktoren, die das gesellschaftliche Umfeld von Journalisten betreffen.

Dieses Modell von Donsbach ist vergleichbar mit dem Zwiebelmodell von Weischenberg. Weischenberg vergleicht das journalistische System mit einer Zwiebel, deren verschiedenen Schichten die Einflusssphären verdeutlichen (vgl. Weischenberg 1998: 67-71). Weiterentwickelt wurden die beiden Modelle zu den Einflussfaktoren im Journalismus von Esser. Dieser unterscheidet zwischen (vgl. Esser 1998: 25-28):

- Subjektsphäre (Individualebene): Subjektive Werte und Einstellungen, Berufsmotive und Rollenselbstverständnis, Professionalisierung etc.
- Institutionssphäre (Organisationsebene): Berufsbilder und Tätigkeitsprofile, redaktionelle Linie etc.
- Medienstruktursphäre (rechtlich-normativ und ökonomische Ebene): Ökonomische Bedingungen des Medienmarktes, Presserecht, Presseselbstkontrolle etc.
- Gesellschaftssphäre (historisch-kulturelle Rahmenebene): Gesellschaftliche Rahmenbedingungen, politische Kultur, journalistische Tradition, Pressefreiheit etc.

Im Modell von Esser wird die Tatsache berücksichtigt, dass sich die verschiedenen Faktoren in den unterschiedlichen Sphären gegenseitig beeinflussen. Esser schreibt dazu: „Die verschiedenen Ebenen stehen in einem engen Interaktionsverhältnis, sie beeinflussen sich gegenseitig, kein Einzelfaktor wirkt isoliert, sondern entwickelt seinen Einfluss erst im Verbund mit anderen Kräften.“ (Esser 1998: 26)

Die Frage nach den Einflussfaktoren wurde geklärt, offen ist nun die Frage nach den Prinzipien und Prozessen der Selektion.

Mit dieser Frage haben sich in der Kommunikationsforschung verschiedene Forschungstraditionen befasst. In den folgenden Kapiteln wird auf diese Traditionen der Nachrichtenselektionsforschung eingegangen.

2.2 Nachrichtenselektion

Zu Kommunikation und Selektion schreibt Luhmann: „Kommunikation ist ein Prozess, der auf Selektion selektiv reagiert, also Selektivität verstärkt.“ (Luhmann 1975: 21) Aber, so fügt Luhmann an, nicht dass dies geschehe, sei das Beachtenswerte, sondern wie dies geschehe (vgl. Luhmann 1975: 21).

Um also genaueren Aufschluss zu erhalten, auf welche Weise die Informationsfunktion von Massenmedien wahrgenommen wird, muss man die Kriterien, nach denen Nachrichten ausgewählt werden, untersuchen (vgl. Schulz 1990: 9).

„Ereignisse werden erst dadurch zur Nachricht, dass sie aus der Totalität und Komplexität des Geschehens ausgewählt werden. Nur durch die Unterbrechung und Reduktion der raum-zeitlichen Kontinuität und der Ganzheit des Weltgeschehens lässt sich Realität umsetzen in Nachricht. Das beginnt schon in einer sehr frühen Phase der Beobachtung: bereits die Definition eines diskreten Realitätsausschnitts als ‘Ereignis’ setzt Auswahl und Interpretation voraus.“ (Schulz 1989: 8-9)

Zwei Selektionsstufen sind also die Grundlage der Reduktion von Komplexität: Zum einen die Auswahl der Ereignisse, über die berichtet wird, zum anderen wie die Berichterstattung gestaltet und die inhaltliche Auswahl getroffen werden. Auf beiden Selektionsstufen stellt sich die Frage nach den Prinzipien und Prozessen der Selektion. Die Untersuchung der verschiedenen Kriterien der Nachrichtenauswahl der Massenmedien ist Inhalt der Nachrichtenselektionsforschung. Die Nachrichtenselektionsforschung hat seit den fünfziger Jahren zunehmende Relevanz. Schulz fasst diese unter drei Forschungstraditionen zusammen (vgl. Schulz 1989: 8- 10):

- Gatekeeper-Studien
- News-Bias-Studien
- Nachrichtenwert-Studien

Kunczik stellt den Ansätzen, welche die Nachrichtenauswahl zu erklären versuchen, noch einen vierten hinzu (vgl. Kunczik/Zipfel 2001: 241):

- Framing-Ansatz

Zu der Nachrichtenauswahl gibt Kepplinger kritisch zu bedenken, dass jede Theorie der Nachrichtenauswahl auch eine Theorie über das Verhältnis von Realität und Realitätsdarstellung impliziert (vgl. Kepplinger 1992: 46).

Gatekeeper: 1950 begann David M. White mit der Gatekeeperforschung und somit die systematische, empirische Untersuchung der journalistischen Selektionsregeln für Nachrichten zu analysieren. Zunächst war die Perspektive auf das individuelle Verhalten einzelner Journalisten begrenzt. Untersucht wurden die Arbeitsbedingungen und das soziale Umfeld. Zu diesem Zweck wurde das Selektionsverhalten eines Gatekeepers1 (Nachrichtenredakteur) untersucht. Diese Input-Output-Analyse zeigte als erste Analyse den Einfluss von subjektiven Dispositionen und Einstellungen auf die Selektionsentscheidungen auf. Inzwischen liegt eine grosse Anzahl ähnlicher und weiterführender Befunde vor (vgl. Robinson 1973: 344-355).

Wichtigste Prämisse dieser Denktradition ist die Annahme, dass Auswahlentscheidungen hauptsächlich durch die Persönlichkeit des Redakteurs und nicht durch die Inhalte der Nachricht bestimmt werden. Nur auf diese Weise ist die Konzentration auf die Person des Redakteurs als Gatekeeper zu erklären. Schenk verweist darauf, dass sich die Informationsgewohnheiten von Personen an Bezugsgruppen orientieren und neue Informationen zuerst zu so genannten Meinungsführern fliessen. Die Meinungsführer geben dann die Informationen an den Personenkreis weiter, dessen Aufmerksamkeit sie haben (vgl. Schenk 1978: 137). Somit wird Information durch Meinungsführer/Gatekeeper zuerst selektiert und dann weitergegeben.

Schulz fasst die wichtigsten Erkenntnisse folgendermassen zusammen (vgl. Schulz 1990: 12):

- Die Nachrichtenselektion ist teilweise abhängig von persönlichen Erfahrungen, Einstellungen und Erwartungen des Journalisten.
- Die Auswahl wird bestimmt durch organisatorische und technische Zwänge von Redaktion und Verlag.
- Die Auswahl ist häufig an der Bezugsgruppe, Kollegen und Vorgesetzten orientiert. Von den Bedürfnissen der Rezipienten haben die Journalisten in der Regel nur eine unvollkommene und kaum auf Tatsachen beruhende Vorstellung.
- Ein wichtiges Selektionskriterium ist die so genannte redaktionelle Linie, die entweder informell unter den Kollegen oder durch den Verleger bestimmt ist.
- Das Ergebnis von Nachrichtenauswahl und Nachrichtenverarbeitung in den Redaktionen ist bereits weitgehend vorgeformt, die Journalisten verhalten sich dem eingehenden Nachrichtenmaterial gegenüber meist passiv.

Damit richtet die Forschung das Augenmerk der Gatekeeperstudien stärker auf die institutionellen Bedingungen des Selektionsprozesses. Die von Schulz (1990) zusammengefassten Erkenntnisse lassen sich bis auf eine Ausnahme der Institutionssphäre von Esser (1998) zuordnen.

News-Bias: Eine weitere Forschungstradition kann man unter dem Stichwort News Bias zusammenfassen. Dabei geht es darum: „Unausgewogenheiten, Einseitigkeiten und politische Tendenzen in der Medienberichterstattung zu messen sowie Aufschluss über deren Ursachen zu erlangen.“ (Staab 1990: 27) Es wird danach gefragt, wie sich politische Einstellungen von Journalisten und ihre Nachrichtenauswahl zueinander verhalten oder wie politische Einstellungen sich auf die Selektion auswirken. Zu diesem Zweck wurden experimentelle Studien, Inhaltsanalysen und redaktionelle Befragungen durchgeführt. Diese zeigten, dass Journalisten sich bei der Selektion an subjektiven Einstellungen, der redaktionellen Linie und ihren eigenen politischen Einstellungen orientieren (vgl. Staab 1990: 27-40).

Für beide Ansätze (Gatekeeper und News Bias) präzisiert Weischenberg: „Normen, Strukturen, Funktionen und Rollen bestimmen in einem Mediensystem, was Journalismus ist, der dann nach diesen Bedingungen und Regeln Wirklichkeitsentwürfe liefert.“ (Weischenberg 1992: 67) Diese Bedingungen und Regeln werden von diesen Ansätzen verdeutlicht, jedoch geben sie keine Auskunft darüber, wie genau diese Wirklichkeitsentwürfe aussehen. Ähnlich verhält es sich auch mit dem nächsten Ansatz.

Framing: Ein weiterer Ansatz, der sich mit der journalistischen Nachrichtenauswahl befasst, ist der Framing-Ansatz. Ein Frame kann man als kognitive Struktur oder Interpretationsrahmen im Bewusstsein der Journalisten betrachten, welche die Selektion und Verarbeitung von Informationen erleichtern. Dieser Ansatz versucht auch, die Stabilität und Veränderungen des Frames zu erklären (vgl. Kunczik/Zipfel 2001: 271).

Brosius und Eps unterscheiden vier Ebenen, auf denen Frames in den Prozess der Nachrichtenauswahl eingreifen (vgl. Brosius/Eps 1995: 169):

- welche Geschehnisse ein Journalist als Ereignis begreift,
- welche Aspekte eines Ereignisses für die Berichterstattung ausgewählt werden,
- in welchen thematischen Kontext ein Ereignis gestellt wird und
- wie der Nachrichtenwert2 eines Ereignisses bestimmt wird.

Nicht nur auf die Nachrichtenauswahl (Journalisten richten ihre Aufmerksamkeit auf Ereignisse, die dem eigenen Bezugsrahmen entsprechen), sondern auch auf die Nachrichtenstrukturierung (Journalisten betonen die Aspekte von Ereignissen, die mit dem Frame in Einklang stehen) kann sich der Framing-Ansatz beziehen (vgl. Brosius/Eps 1995: 169).

Nachrichtenwerttheorie: Im Unterschied zur Gatekeeper -, New-Bias - und Frameforschung, die sich mit der Person des Redakteurs/Journalist, seinem Einfluss auf die Berichterstattung und seinen Einflüssen auf den Prozess der Selektion der Nachrichten befassen, geht dieser Ansatz vom Ereignis aus, über das berichtet wird. Fokussiert wird auf die Inhalte der Berichterstattung (vgl. Emmerich 1983: 23). Da in dieser Arbeit die Inhalte der Berichterstattung, die Medienrealität untersucht werden soll, bietet sich dieser Ansatz dafür an. Darum wird der Nachrichtenwerttheorie auch ein eigenes Kapitel gewidmet.

2.3 Nachrichtenwert und Nachrichtenfaktoren

Präzisere Antworten für die Fragestellung nach den Prinzipien der Konstruktion von Medienwirklichkeit gibt die Nachrichtenfaktorforschung. Diese geht in der Regel mittels Inhaltsanalysen der Nachrichtenberichterstattung auf das Resultat der Nachrichten- selektion ein. Die Funktion der Nachrichtenfaktoren ist es, eine Nachricht interessant zu machen. Sie sind also Kriterien der Selektion und Verarbeitung von Nachrichten (vgl. Horky 2001: 33).

Der Amerikaner Lippmann versteht unter dem Nachrichtenwert die Publikationswürdigkeit von Ereignissen, die aus dem Vorhandensein und der Kombination verschiedener Ereignisaspekte resultiert (vgl. Lippmann 1922, zit. nach Staab 1990: 41).

Einar Östgaard begründete die europäische Tradition dieser Forschungsrichtung. Er beschäftigte sich mit den Ursachen und Folgen von Verzerrung im internationalen Nachrichtenfluss. Nach Östgaard gibt es bei jeder Nachricht bestimmte Faktoren, die sie für die Selektionsinstanzen interessant und beachtenswert machen. Er nennt dazu drei Faktorenkomplexe (vgl. Östgaard 1965, zit. nach Burkart 2002: 279-280):

- Einfachheit: Einfache Nachrichten werden komplexeren vorgezogen, komplexe Sachverhalte werden von den Medienschaffenden auf möglichst einfache Strukturen reduziert.
- Identifikation: Journalisten versuchen, die Aufmerksamkeit ihrer Rezipienten zu gewinnen, indem sie zum Beispiel über bereits bekannte Themen (Sachverhalte, Ereignisse) berichten, prominente Akteure zu Wort kommen lassen oder solche Ereignisse auswählen, die eine räumliche, zeitliche und kulturelle Nähe zum Publikum aufweisen.
- Sensationalismus: Dramatische, emotional erregende Sachverhalte (Unglücksfälle, Verbrechen, Kuriositäten, Konflikte, Krisen und Ähnliches) werden besonders stark in den Vordergrund der Berichterstattung gerückt.

Der Ansatz von Östgaard wurde von Johan Galtung und Mari Holmboe Ruge weiter systematisiert und differenziert. Der von den beiden Forschern entwickelte Nachrichtenfaktorkatalog mit insgesamt zwölf Nachrichtenfaktoren bildet die Basis für alle nachfolgenden Studien. Darin wird zwischen kulturunabhängigen und kulturabhängigen Variablen unterschieden (vgl. Galtung/Ruge 1965, zit. nach Kunczik/Zipfel 2001: 249). Dieser Katalog wird im Verlauf des Kapitels in von Schulz (1990) modifizierter Form wiedergegeben. Galtung und Ruge entwarfen eine Wahrnehmungstheorie der Nachrichtenselektion. Die Grundannahme ist, dass die Verarbeitung und Aufnahme von Informationen durch das gesellschaftliche Nachrichtensystem im Prinzip ähnlichen Gesetzen unterliegt wie die der individuellen menschlichen Wahrnehmung (vgl. Galtung/Ruge 1965, zit. nach Schulz 1990: 15).

Das Selektionsproblem ist wieder Ausgangspunkt der Überlegungen von Galtung und Ruge. Schulz (1990) fasst diese folgendermassen zusammen:

„Es gibt eine unendliche Menge von Ereignissen auf der Welt, von denen jedoch nur ein Bruchteil den Charakter von Nachrichten annimmt. Die Frage ist, welche Ereignisse werden zu Nachrichten und welche nicht? Besteht ein systematischer Zusammenhang zwischen bestimmten Merkmalen, welche die Ereignisse aufweisen, und ihrem Nachrichtenwert?“(Schulz 1990: 15-16)

Zudem formulierten die beiden ein Zusammenwirken der Faktoren in fünf Hypothesen (vgl. Galtung/Ruge 1965, zit. nach Kunczik/Zipfel 2001: 249):

- Selektivitätshypothese: Je mehr ein Ereignis den genannten Kriterien entspricht, desto eher wird es zur Nachricht.
- Verzerrungshypothese: Nachdem ein Ereignis einmal zur Nachricht geworden ist, werden die Aspekte, die den Nachrichtenwert bestimmen, besonders herausgestellt.
- Replikationshypothese: Selektion und Verzerrung finden auf allen Stufen des Nachrichtenflusses statt (d.h. von der ersten Beobachtung bis zur Veröffentlichung) und verstärken sich mit jedem Übermittlungsstadium.
- Addivitätshypothese: Je mehr Nachrichtenfaktoren auf ein Ereignis zutreffen, desto wahrscheinlicher wird es zu Nachricht.
- Komplementaritätshypothese: Wenn ein Ereignis einen oder mehrere der Nachrichtenfaktoren nicht bzw. nur in geringem Masse besitzt, dann müssen die anderen Faktoren in umso stärkerem Masse vorhanden sein, damit das Ereignis zur Nachricht wird.

Weiter systematisiert wurde der Ansatz von Galtung und Ruge durch Winfried Schulz (1990).

Ein wichtiger Beitrag von Schulz ist, dass er die Nachrichtenfaktoren nicht mehr als objektive Eigenschaften oder Merkmale von Realität betrachtet; Er weist ihnen nun den Status von journalistischen Konventionen zu. Denn der kopernikanische Standpunkt schliesst den Nachweis aus, dass die von den Medien vermittelte Wirklichkeit mit der faktischen Realität nicht übereinstimme. Der Falsifikationsansatz, der auf dem Vergleich zwischen Medienrealität und faktischer Realitä t beruht, geht davon aus, dass es die wichtigste Funktion einer Nachricht sei, Realität abzubilden. Die Erforschung der Nachrichtenberichterstattung und Nachrichtenselektion müsste sich also folgerichtig der Frage widmen: Ist das Bild, welches die Medien von der Realität zeichnen, richtig oder das wahre Bild der Realität? Mit den Mitteln der Wissenschaft lässt sich eine solche Fragestellung nicht beantworten. Letztlich ist es eine metaphysische Frage, was das richtige Bild von Realität ist (vgl. Schulz 1990: 27).

So erscheint es plausibler davon auszugehen, dass Nachrichten eine Interpretation unserer Umwelt sind, eine Sinngebung des beobachtbaren und nicht beobachtbaren Geschehens. Man kann also annehmen, dass Nachrichten Realität eigentlich konstruieren (vgl. Schulz 1990: 28).

So betrachtet Schulz Nachrichtenfaktoren nicht als Ereignismerkmale, sondern als journalistische Hypothesen von Realität. Als relevantester Indikator dafür, welche Nachrichtenfaktoren den journalistischen Hypothesen von Realität entsprechen, dient der Nachrichtenwert eines Ereignisses. Nachrichtenwert also als journalistische Hilfskonstruktion zur Erleichterung der notwendigen Selektionsentscheidungen (vgl. Schulz 1990: 30). „Je mehr eine Meldung dem entspricht, was Journalisten für wichtige mithin beachtenswerte Eigenschaften der Realität halten, desto grösser ist ihr Nachrichtenwert.“(Schulz 1990: 30)

Staab (1990) ergänzte das Kausalmodell, das der Nachrichtenwerttheorie innewohnt, noch durch ein Finalmodell. Die Nachrichtenfaktoren werden in diesem Modell nicht als Ursachen, sondern als Folgen von Publikationsentscheidungen gesehen. Das Modell besagt, dass Journalisten einer Meldung absichtlich Nachrichtenfaktoren zuschreiben, um die prominente Platzierung eines Beitrags zu rechtfertigen (vgl. Staab 1990: 93).

Um zu überprüfen, wie oft bestimmte Nachrichtenfaktoren in einem Text vorkommen, wird weiter Schulz (1990) gefolgt. Er definiert Nachrichtenfaktoren, die verschiedene Intensitäten haben können und die den Nachrichtenwert beeinflussen. Die Wahrscheinlichkeit also, dass die Redaktion die entsprechenden Nachrichten weiterverbreitet. Schulz führt diese Faktoren unter sechs Faktorendimensionen auf (vgl. Schulz 1990: 32-34; Burkart 2002: 281-282):

- Dimension Zeit: Dauer (punktuelle, abgeschlossene Ereignisse haben einen höheren Nachrichtenwert als langfristige Prozesse), Thematisierung (langfristig etablierte Themen haben einen höheren Nachrichtenwert als noch nicht etablierte).

- Dimension Nähe: Räumliche Nähe (Distanz zwischen Redaktionssitz und Ereignisort), politische Nähe (Ausprägung der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zur Ereignisregion), kulturelle Nähe (Ausprägung der sprachlichen, religiösen, literarischen und wissenschaftlichen Beziehungen zur Ereignisregion), Relevanz (Grad der Betroffenheit und der existenziellen Bedeutung eines Ereignisses).

- Dimension Status: Regionale/nationale Zentralität (politische und ökonomische Bedeutung der Ereignisregion), persönlicher Einfluss der beteiligten Personen, Prominenz (Bekanntheitsgrad der beteiligten Personen).
- Dimension Dynamik: Überraschung (Erwartbarkeit des Zeitpunkts, Verlaufs und Resultats eines Ereignisses), Struktur (Komplexität der Verlaufsform, Beteiligung und Überschaubarkeit eines Ereignisses).
- Dimension Valenz: Konflikt (Grad der Aggressivität politischer Ereignisse), Kriminalität (Ausmass der Regelwidrigkeit von Handlungen), Schaden (Personen-, Sach-, finanzielle Schäden, Misserfolge), Erfolg (der durch ein Ereignis bewirkte Fortschritt).
- Dimension Identifikation: Personalisierung (Grad des personellen Bezugs eines Ereignisses), Ethnozentrismus (Bezug zu Bevölkerung des Landes, in dem das Medium erscheint).

Wie schon am Anfang des Kapitels erwähnt, wird vor allem mit Inhaltsanalysen zur empirischen Überprüfung der Nachrichtenwerttheorie gearbeitet, was sich als nicht unproblematisch erweist. Denn, aus den in der Berichterstattung festzustellenden Nachrichtenfaktoren und dem Beobachtungsgrad des Ereignisses (in Form von Umfang und Platzierung), wird auf die Selektionswirkung dieser Faktoren geschlossen. Der eigentliche Selektionsvorgang wird auf diese Weise nicht erfasst (vgl. Kunczik/Zipfel 2001: 252).

Die Nachrichtenwerttheorie erweist sich folglich nicht als Theorie der Nachrichtenselektion, sondern vielmehr als Modell zur Beschreibung und Analyse von Strukturen in der Medienrealität (vgl. Staab 1990: 208).

Dies entspricht auch der übergeordneten Fragestellung dieser Arbeit: Wie sieht die Struktur der Berichterstattung zum spezifischen Thema Beach Soccer aus?

Trotz Einwänden und mangels Alternativen wird der Einsatz von Inhaltsanalysen zur Überprüfung von Nachrichtenfaktoren immer noch als üblich angesehen. Aufgrund empirischer Befunde wird der Nachrichtenwerttheorie immer noch eine insgesamt hohe Erklärungskraft bescheinigt (vgl. Burkart 2002: 282-283; Bonfadelli 2002: 53-58).

Zahlreiche empirische Studien haben sich auch schon mit den Nachrichtenfaktoren im Sport auseinandergesetzt.

2.4 Nachrichtenfaktoren in der Sportberichterstattung

Bei der Untersuchung der Sportberichterstattung kann von einer Begriffsbestimmung für Nachrichtenfaktoren ausgegangen werden, die sowohl für politische Berichterstattung, Lokalberichterstattung als auch Sportberichterstattung weitgehend identisch verwendet werden kann (vgl. Loosen/Ravenstein 2000: 192).

Die Grundlage zu den Nachrichtenfaktoren im Sport und der Sportwelt der Medien legt Becker:

„Die massenmedial vermittelte Sportmedienrealität ist eine Welt junger Männer in der Frauen und Kinder eine untergeordnete, alte Menschen so gut wie keine Rolle spielen. Unter räumlicher und zeitlicher Perspektive ist die mediale Sportwelt eine ‘Nahwelt’. [...] Nicht weiter als zwischen unmittelbarer Vergangenheit, Gegenwart (Aktualität) und überblickbarer Zukunft variiert der Zeithorizont des beschriebenen Geschehens. Dieses Geschehen ist in keine Struktur eingebettet, sondern es sind Individuen, die den Ablauf der Ereignisse bestimmen. Ihre Orientierungs- oder Weltmuster setzen sich vor allem aus Überbietung, Anstrengungsbereitschaft, Konkurrenz, Leistung, Erfolg, Härte, Kameradschaft, Karriere, Ansehen usw. zusammen. Einige Personen bestimmen das Geschehen stärker als andere und treten deshalb häufiger in Erscheinung. Diese erfolgreichen Sportler stammen in der Regel ‘aus einfachen Verhältnissen’ sind trainingsfleissig, geben nie auf, vollbringen grosse Taten, sind bescheiden und vor allem erfolgreich.“(Becker 1983: 33)

Daraus leitet Becker folgende Faktoren ab (vgl. Becker 1983: 34):

- Nähe: in kultureller, politischer und zeitlicher Hinsicht.
- Rekorde, Siege und Elite.
- Konflikt, Gewalt und Aktion.
- Human Interest: alltägliche und private Lebensumstände prominenter Sportler besitzen hohen Nachrichtenwert.

Den Faktor Nähe beschreibt Becker als den zentralen Nachrichtenfaktor in der Sportberichterstattung (vgl. Becker 1983: 34). Jedoch unterlässt er es, die Faktoren umfassend empirisch zu überprüfen (vgl. Loosen 1998: 55).

Hackforth benennt als wichtige Nachrichtenfaktoren für den Sport (vgl. Hackforth 1987: 28):

- Leistung
- Erfolg
- Nationalismus
- Identifikation
- Prominenz
- Konflikt

Loosen führt in ihrer eigenen empirischen Studie, in der sie 1922 Artikel auf den Sportseiten von elf Tageszeitungen analysiert, folgende Faktoren als besonders relevant für die Sportberichterstattung auf (vgl. Loosen 1998: 199; Beck 2006: 95):

- Räumliche und kulturelle Nähe (Ethnozentrismus): Je näher ein Ereignis vom Publikum entfernt stattfindet oder je bedeutender die Vertretung aus der eigenen Region/Nation am entsprechenden Ereignis ist, desto höher ist die Chance, dass eine Meldung über dieses Ereignis veröffentlicht wird.
- Prominenz: Durch die Beteiligung prominenter Akteure erhalten Nachrichten mehr Gewicht.
- Personalisierung: Artikel, die auf einzelne Personen bezogen sind, stossen nach Ansicht der Redaktion auf mehr Verständnis beim Publikum und damit auf höheres Interesse.
- Simplizität: Ebenso werden Themen mit geringer Komplexität der Beschreibung komplexer Sachverhalte vorgezogen.
- Dynamik und Negativismus: Kontroverse, Überraschung und Ungewissheit in einer Nachricht erhöhen die Publikationschancen ebenso wie das Vorkommen von negativen Neuigkeiten. Diese Merkmale sind aber in der Sportberichterstattung gemäss Loosens Untersuchung weit weniger bedeutend als in anderen Ressorts.

Sowohl Knobbe (2000) als auch Scherer (2004) kritisieren, dass in den herkömmlichen Arbeiten zu den Nachrichtenfaktoren in der Sportberichterstattung die Darstellung von Gefühlen, also der Nachrichtenfaktor Emotionalität, vernachlässigt wird (vgl. Knobbe 2000: 97-100; Scherer 2004: 214-239).

Den Boulevardmedien, also auch den Boulevardzeitungen, wird häufig eine besondere Neigung zur emotionalen Darstellung nachgesagt (vgl. Scherer 2004: 223).

Diese werden aber in der Untersuchung nicht berücksichtigt. Für die Untersuchung wird der Faktor Emotionalität wie bei Loosen (1998) in die Kategorie Human Interest eingehen. Bei der Operationalisierung von Personalisierung verweist Loosen ebenfalls auf diese Kategorie (vgl. Loosen 1998: 241-245).

2.5 Nachrichtenfaktoren in der alltäglichen Sportberichterstattung der Zeitung

Zum Stand der Forschung über Nachrichtenfaktoren im Zeitungssport bieten sich die Untersuchungen von Loosen (1998) und Loosen/Ravenstein (2000) an. Durch die Analyse der Nachrichtenfaktoren werden Konstruktionsprinzipien und Strukturen für die Sportberichterstattung ermittelt. In beiden Untersuchungen werden fünf Nachrichtenfaktordimensionen mit den jeweiligen Nachrichtenfaktoren in der alltäglichen Sportberichterstattung analysiert (vgl. Loosen 1998: 78-86; Loosen/Ravenstein 2000: 194): Die Nachrichtenfaktordimensionen sind Zeitstruktur, Identifikation und Räumliche Nähe, Dynamik, Negativismus und Komplexitä t.

Die Dimension Zeitstruktur setzt sich aus den Nachrichtenfaktoren Dauer und Zeitform zusammen. Der Nachrichtenfaktor Zeitform ist geeignet, um die Zeitstruktur der Beiträge innerhalb der Sportberichterstattung zu beschreiben. Er bildet eine Ergänzung zum Nachrichtenfaktor Dauer. Die Nachrichtenwerttheorie schreibt kurzen, punktuellen Ereignissen einen hohen Nachrichtenwert zu (vgl. Loosen 1998: 79).

Personalisierung, Ethnozentrismus, Räumliche Nähe, Personalisierung/Hintergrund, Prominenz und Persönlicher Einfluss gehören zur Nachrichtenfaktordimension Identifikation und Räumliche Nähe. Um neben sportspezifischen Aspekten auch Elemente hervorzuheben, die den Sportler als Privatperson beschreiben, wurde der Nachrichtenfaktor Personalisierung/Hintergrund (bei Becker (1983) als Human Interest) eingeführt (vgl. Loosen 1998: 80).

Die Nachrichtenfaktoren Prominenz (Elite) und Persönlicher Einfluss ergeben für die Übertragung auf die Berichterstattung jedoch Probleme. Laut Schulz ergibt die Unterteilung in internationale, nationale und regionale Prominenz, basierend auf dem Bekanntheitsgrad, wenig Sinn. Denn es liegt kein trennscharfes Kriterium vor (vgl. Schulz 1990: 135). Gerade beim Prominenzbegriff muss berücksichtigt werden, wer nun wen als prominent beschreibt. Durch die massenmediale Öffentlichkeit wird Prominenz bestimmt. Letztlich sind es die Öffentlichkeit und die Sportjournalisten, die jemanden als prominent wahrnehmen und beschreiben (vgl. Peters 1994: 125). Der Nachrichtenfaktor Prominenz wird nun hier als (sportliche) Elite bezeichnet. Mit dem Nachrichtenfaktor Persönlicher Einfluss werden die Organisationsstrukturen des Sportsystems berücksichtigt (vgl. Loosen 1998: 81).

Die Nachrichtenfaktordimension Dynamik setzt sich aus den Nachrichtenfaktoren

Überraschung, Ungewissheit und Kontroverse zusammen (vgl. Loosen 1998: 82).

Erfolg/Misserfolg, Schaden und Regelwidrigkeiten gehören zur Nachrichten- faktordimension Negativismus und die Nachrichtenfaktordimension Komplexität besitzt die Nachrichtenfaktoren Eindeutigkeit und Faktizität. Schulz gesteht dem Nachrichtenfaktor Eindeutigkeit in Bezug auf seinen Nachrichtenfaktor Struktur (vgl. Kap. 2.3 ) eine andere Qualität von Nachrichtenfaktoren zu. Mehr als andere Nachrichtenfaktoren bezeichnet Schulz ihn als reinen Darstellungsfaktor (vgl. Schulz 1990: 78-79). Trotzdem wurde Eindeutigkeit in das Kategorieschema aufgenommen. Loosen integrierte mit Eindeutigkeit somit, eine dem Faktor Struktur entsprechende Variable, in das Kategoriesystem. Loosen attestiert diesem Nachrichtenfaktor eine hohe Tauglichkeit zur Beschreibung der Sportberichterstattung. Besonders einfache Nachrichten haben einen hohen Nachrichtenwert (vgl. Loosen 1998: 85). Schulz beschreibt Faktizität als System, das seiner Art nach zwischen den inhaltlichen und formalen Kategorien angesiedelt ist (vgl. Schulz 1990: 61-62).

Beim zentralen Teil der Untersuchung ermittelt Loosen die für die Sportberichterstattung relevanten Nachrichtenfaktoren. Loosen bestimmt zuerst die Anzahl und die Gesamtprozente und teilt in einem nächsten Schritt nach Zeitungstyp auf. Die Ergebnisse zu der Studie von Loosen ergeben folgendes Profil über die alltägliche Sportberichterstattung in der Zeitung (vgl. Loosen 1998: 143-144):

- Die Beiträge der Sportberichterstattung sind insgesamt als stark personalisiert zu bezeichnen.
- Räumliche Nähe ist in der Sportberichterstattung sehr oft vertreten, da Ereignisse aus Deutschland bevorzugt behandelt werden. Jedoch spielt Räumliche Nähe bei der Berichterstattung über Ereignisse im Ausland keine Rolle, es wird ebenfalls oft darüber berichtet (vgl. Loosen 1998: 124).
- Der Faktor Elite ist stark ausgeprägt. Dies deutet auf eine eindeutige Tendenz zur Berichterstattung über höhere Leistungsklassen hin. So wird vor allem Internationale Elite am meisten thematisiert (vgl. Loosen 1998: 127).
- Ethnozentrismus ist in der Sportberichterstattung stark vertreten.
- Personalisierung/Human Interest kommt nur peripher vor.
- Persönlicher Einfluss ( politische, wirtschaftliche Machtposition von Einzelpersonen, Gruppen, Institutionen etc.) wird selten dokumentiert. Vertreter Nationaler Vereine oder Verbände werden am häufigsten genannt.
- Der Faktor Schaden ( Personen-, Sach- oder finanzieller Schaden) und

Regelwidrigkeiten wird in der Sportberichterstattung selten thematisiert.

- Erfolg/Misserfolg als Nachrichtenfaktor in der Sportberichterstattung ist insgesamt sehr schwach ausgeprägt.
- Ungewissheit über weitere Entwicklungen wird zu einem Drittel in der Berichterstattung thematisiert.
- Kontroverse ist wie Überraschung bei der Berichterstattung über Sport schwach ausgeprägt (vgl. Loosen 1998: 129).
- Die Beiträge der Sportberichterstattung weisen eine hohe Faktizität auf (vgl. Loosen 1998: 138).
- Eindeutigkeit kommt je nach Zeitungstyp sehr unterschiedlich vor (vgl. Loosen: 135).

In der Folgestudie zur Nachrichtenwertforschung der Sportberichterstattung in den Printmedien knüpften Loosen und Ravenstein (2000) an die bisherigen Befunde an. Es wurde wieder die alltägliche Sportberichterstattung mit den gleichen Nachrichtenfaktordimensionen und Nachrichtenfaktoren untersucht (vgl. Loosen/Ravenstein 2000: 191-194).

Die Ergebnisse der Analyse zeigten wieder, dass einzelne Nachrichtenfaktoren für die alltägliche Sportberichterstattung von unterschiedlicher Relevanz sind. So spielen Nachrichtenfaktoren wie Personalisierung, Ethnozentrismus und Elite wieder eine wichtigere Rolle als Negativismusfaktoren (vgl. Loosen/Ravenstein 2000: 195).

Für die Untersuchung ist es notwendig, dass „[...] die Nachrichtenfaktoren als Teil einer spezifischen Nachrichtenfaktorenstruktur betrachtet werden. Deshalb ist es notwendig, solche Analysemethoden zu verwenden, welche die Komplexität der Nachrichtenfaktoren auf aussage- und interpretationsfähige Werte reduzieren und fokkusieren.“ (Loosen/Ravenstein 2000: 195)

Die Mittelwerte erlauben als Mass zur Komplexitätsreduktion einen Überblick über den Stellenwert einzelner Nachrichtenfaktoren in den Beiträgen der Sportberichterstattung. Hohe Intensitäten (drei und vier) beim Mittelwert werden mit grösserer Strukturleistung für die Sportberichterstattung interpretiert als niedrige Werte (eins und zwei) (vgl. Loosen/Ravenstein 2000: 196). So wird deutlich, dass acht Faktoren (Personalisierung, Elite, Räumliche Nähe, Faktizität, Ethnozentrismus, Dauer, Zeitform und Eindeutigkeit) mit hohen Intensitätsstufen den Charakter der alltäglichen Sportberichterstattung prägen und als harte Nachrichtenfaktoren für die Sportberichterstattung bezeichnet werden können (vgl. Loosen/Ravenstein 2000: 196-198). Beide Studien bestätigen, dass in der Sportberichterstattung auf den Nachrichtenfaktor Räumliche Nähe eher verzichtet werden kann. Wichtiger ist die Beteiligung von Sportlern aus dem jeweiligen Land des Mediums. Somit ist Ethnozentrismus wichtiger für die Sportberichterstattung (vgl. Loosen/Ravenstein 2000: 197).

Die Mittelwerte der Nachrichtenfaktoren in der Untersuchung ergeben folgende Stellenwerte der einzelnen Nachrichtenfaktoren (vgl. Loosen/Ravenstein 2000: 169): Nummer 1 hat die höchsten Intensitäten, Nummer 15 die tiefsten Intensitäten.

1. Personalisierung
2. Elite
3. Räumliche Nähe
4. Faktizität
5. Ethnozentrismus
6. Dauer
7. Eindeutigkeit
8. Erfolg/Misserfolg
9. Ungewissheit
10. Kontroverse
11. Persönlicher Einfluss
12. Schaden
13. Regelwidrigkeiten
14. Überraschung
15. Personalisierung/Hintergrund

Die Autoren lieferten ein Modell zur Beschreibung und Analyse der Strukturen der Sportmedienrealität, das ein Konglomerat von formalen und inhaltlichen Kriterien und Nachrichtenfaktoren als Konstruktionsmerkmalen bildet. In der Sportberichterstattung sind Nachrichtenfaktoren auf der theoretischen Ebene im kognitiven System der Sportjournalisten angesiedelt. Beim inhaltsanalytischen empirischen Zugang sind sie Beitragsmerkmale (vgl. Loosen/Ravenstein 2000: 192 ).

Diese Studien von Loosen (1998) und Loosen/Ravenstein (2000) sind für die Thematik der Nachrichtenwerttheorie und für diese Arbeit von sehr grosser Bedeutung: Sie stellen die Grundlage der theoretischen Einbettung für die Strukturen der Berichterstattung über Beach Soccer in der Sportberichterstattung dar. Die Nachrichtenfaktorenstruktur der Sportberichterstattung über die Trendsportart Beach Soccer wird mit der Nachrichtenfaktorenstruktur zur alltäglichen Sportberichterstattung von Loosen (1998) und Loosen/Ravenstein (2000) verglichen. Obwohl die beiden Studien bereits acht bis zehn Jahre alt sind und sich die Sportberichterstattung weiterentwickelt hat, wird an einem Vergleich festgehalten. Es wird angenommen, dass die Entwicklungen der Sportberichterstattung minimal sind. Denn die Studie von Loosen/Ravenstein (2000) bestätigt die Resultate von Loosen (1998).

Loosen argumentiert, dass man den Sportjournalismus (genauere Beschreibung des Sportjournalismus Kap. 3), der natürlich die Sportberichterstattung und die Nachrichtenfaktoren im Sport beinhaltet, nicht isoliert betrachten darf, denn:

„Die Funktions- und Strukturzusammenhänge des Sportjournalismus sind wesentlich bedingt durch ökonomische Imperative, die durch die Verbindung Sport-Medien- Wirtschaft entstehen.“(Loosen 1998: 21)

Nachrichtenfaktoren im Zeitungssport werden sowohl von internen als auch von externen Einflüssen (wie z.B. kommerzielle Bedingungen und audiovisuelle Medien) beeinflusst (vgl. Wernecken 2000: 60).

Das Sphärenmodell von Esser (1998) besitzt zwei äussere Sphären: die Medienstruktursphäre (Rechtlich-normative und Ökonomische Ebene) und die Gesellschaftssphäre (Historisch-kulturelle Rahmenebene) (vgl. Kap. 2.1 und Kap. 2.2). Denn Medien, insbesondere Zeitungen, sind nach Meier/Trappel (2001) und Karmasin/Winter (2000) erfolgsrational operierende Organisationen, deren Produkte zwar gesellschaftliche, soziale und kulturelle Wirklichkeit konstruieren, die ihre Legitimität und Legitimation aber auch durch ökonomisches Handeln und wirtschaftlichen Erfolg erfahren (vgl. Meier/Trappel 2001: 163; Karmasin/Winter 2000: 13).

Die Wirtschaft, der Einfluss anderer Medien (vor allem des Fernsehens) und die Sportberichterstattung sollen nun mit der Betrachtung des Dreiecks von Sport-Medien- Wirtschaft genauer beleuchtet werden.

3. Sport-Medien-Wirtschaft

Sport hat sich zu einem wichtigen gesellschaftlichen Phänomen entwickelt. Dies vor allem durch seine enge Verzahnung mit den Medien. Grosse Sportereignisse haben die Entwicklung der Medien gefördert, indem die Berichterstattung immer grössere Reichweiten erzielte. Zudem wurde der Sport in den Medien durch zunehmende Publizität für die Wirtschaft immer interessanter, da sich dieser Bereich bestens als Werbefläche eignet. Sport, Medien und Wirtschaft bilden also eine Interessensgemeinschaft. Diese Dreiecksbeziehung hat sich unterdessen zu einem höchst komplexen und kommerziellen System entwickelt, welches von gegenseitigen Einflussnahmen und Abhängigkeiten gekennzeichnet ist (vgl. Gleich 2000: 511).

3.1 Das magische Dreieck

Zur Thematik des magischen Dreiecks sind bereits Beiträge in vielen Werken erschienen, die sich mit Medien, Sport und Wirtschaft auseinandergesetzt haben: Weischenberg (1995), Loosen (1998) und (2004), Roters/Klinger/Gerhards (2001), Wernecken (2000), Schauerte/Schwier (2004), Hagenah (2004), Beck (2006), Schierl (2007).

Wie bereits in Kap. 2.5 angesprochen, versteht man unter dem magischen Dreieck die strukturelle Kopplung dieser drei Bereiche. Der Sport braucht die Berichterstattung in den Medien, denn nur so wird er für die Sponsoren interessant (vgl. Loosen 1998: 21). Ohne die Zuwendung von Sponsoren wären viele Sportereignisse nicht durchführbar. Weiter sind die Massenmedien, vor allem das Fernsehen, von der Wirtschaft abhängig, um die Produktionskosten und die teuren Übertragungsrechte (Champions League, Olympische Spiele etc.) zu refinanzieren (vgl. Beck 2006: 44).

Die Beziehungen innerhalb dieser drei Teilsysteme, mit ihren Zielen und Funktionen, lassen sich nun folgendermassen zusammenfassen (vgl. Hagenah 2004: 17-22; Beck 2006: 45-46):

Sport: Dieses Teilsystem setzt sich aus Sportaktivitäten, die von Vereinen und Verbänden (z.B. Schweizer Beach Soccer Verband) veranstaltet werden, zusammen. Ziel der Akteure ist es, so viele Mitglieder wie möglich zu gewinnen. Dies soll durch ein attraktives Sportangebot erreicht werden. Weiter wird eine hohe Medienpräsenz angestrebt, um den Bekanntheitsgrad eines Sportangebots (z.B. Beach Soccer), einer Sportveranstaltung (Aktivitäten von Beach Soccer in der Schweiz) oder eines Sportteams (z.B. Beach Soccer Nationalmannschaft) zu steigern. Die Zuwendung aus der Wirtschaft dient der Finanzierung des sportlichen Geschehens (vgl. Wernecken 2000: 28).

Wirtschaft: In diesem Teilsystem treten Unternehmen (z.B. GE Money Bank) als Sponsoren und als Werbetreibende auf, die den Sport finanziell unterstützen. So wird der Bekanntheitsgrad des Unternehmens gesteigert. „Zudem profitieren sie vom positiven Image des Sports, das als jung, dynamisch und leistungsfähig gilt.“ (Beck 2006: 45) Sportanlässe bieten sich in dreifacher Hinsicht als gute Werbeplattform an: durch Werbung/Sponsoring im Umfeld eines sportlichen Events, durch die Bandenwerbung bei der Wettkampfstätte sowie am Sportler selbst (vgl. Beck 2006: 45).

Medien: Dieses Teilsystem berichtet aus mehreren Gründen über den Sport: Zum einen, um dem Sport eine mediale Präsenz zu ermöglichen, die der Bedeutung für die Gesellschaft gerecht wird. Zum anderen spielt der Sport vor allem im Fernsehen für Werbung und Sponsoring eine grosse Rolle (vgl. Beck 2006: 45). Des Weiteren ist der Sport ein Themenbereich, in dem regelmässig Neues anfällt und der so einen festen Platz in der Berichterstattung erhält. Da Sportevents oft festen zeitlichen Abläufen folgen, wird der Sport als Berichtungsgegenstand zu einem langfristig etablierten Thema, welches für kontinuierliche Thematisierung und Kontextualisierung sorgt (vgl. Loosen 2004: 10).

Vor über hundert Jahren begann die Instrumentalisierung des Sports in den Medien. Mit der Einführung des dualen Rundfunksystems hat diese Instrumentalisierung eine noch stärkere Dynamisierung und Differenzierung erfahren, deren Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist. Gleichzeitig fand auch die professionelle und systematisch geplante Einbindung des Sports in die Kommunikation von Unternehmen der werbetreibenden Wirtschaft statt. Der Sport erweist sich als äusserst geeignet für den interkulturellen Transport von Botschaften und als Gegenstand emotionaler Partizipation. Diesen Vorteil erkannten sowohl die Medienschaffenden, die werbetreibende Wirtschaft als auch Sportorganisationen und Veranstalter. Alle versuchten, dies zu ihrem individuellen Vorteil zu nutzen. In einer unterdessen beinah ökonomisierten Medienlandschaft stehen Wirtschaft, Medien und Sport in einem symbiotischen Verhältnis. Als handlunglsleitenden Intentionen sind ihnen eine positive externe Wahrnehmung und möglichst breite Publizität gemein (vgl. Schauerte 2004: 40).

[...]


1 Der Gatekeeper (Pförtner, Schleusenwärter) entscheidet beim Prozess der Nachrichtenübermittlung welche Nachrichten weitergeleitet werden und welche nicht (vgl. Kunczik/Zipfel 2001: 276-277).

2 Der Begriff Nachrichtenwert wird im folgenden Kapitel erklärt.

Ende der Leseprobe aus 161 Seiten

Details

Titel
Trendsport Beach Soccer
Untertitel
Eine Analyse der Sportberichterstattung ausgewählter Schweizer Tageszeitungen über die Trendsportart Beach Soccer 2006 und 2007
Hochschule
Université de Fribourg - Universität Freiburg (Schweiz)
Note
5.5/6
Autor
Jahr
2008
Seiten
161
Katalognummer
V123715
ISBN (eBook)
9783640281695
ISBN (Buch)
9783640284573
Dateigröße
1648 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Trendsport, Beach, Soccer
Arbeit zitieren
Liz. rer. soz. Philipp Schad (Autor:in), 2008, Trendsport Beach Soccer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123715

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