Suizidforen im Internet - Gefährdung oder professionelles Hilfeangebot


Studienarbeit, 2009

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsangabe

1. Einleitung

2. Jugendliche und Suizid – passt das zusammen?
2.1. Die Jugend – eine Lebensphase mit besonderen Aspekten
2.2. Einblick in die Suizidalität
2.3. Jugendliche und die Suizidalität

3. Neue Medien – Faszination?
3.1. Foren, e-Mail, Chat – Die Besonderheiten der Kommunikation im Internet
3.2. Suizidforen im Internet
3.3. Suizidforen im Internet – Gefährdung oder Chance?

4. Suizidforen im Kontext der Sozialen Arbeit – kann hier eine wirksame Krisenintervention stattfinden?
4.1. Besonderheiten einer Krise
4.2. Professionelle Krisenintervention in Suizidforen
4.3. Professionelle Krisenintervention im Internet

5. Fazit

Literaturangabe

1. Einleitung

Gedanken daran, seinem Leben ein Ende zu setzen und dadurch allen momentan existenten Problemen zu entkommen ist in allen Lebenslagen und Generationen gegeben.[1] Seit dem gemeinsamen Suizid einer jungen Österreicherin und eines Norwegers im Jahr 2000 ist das Medium ‚Internet’ besonders in das Blickfeld des Interesses gerückt, da die beiden jungen Menschen sich über ein so genanntes Suizidforum zum Suizid verabredet hatten.[2] Die Medien nutzten die Möglichkeit, ein gesellschaftlich totgeschwiegenes Thema populistisch darzustellen. Die Folge war, dass „ durch die überwiegend dramatisierende Berichterstattung […] die Suizid-Foren bekannter geworden sind als die mittels neuer Medien gleichermaßen verfügbaren Hilfsangebote.[3] Seither wird die Bedeutung der Suizidforen auch in Fachkreisen widersprüchlich debattiert.

In der vorliegenden Arbeit möchte ich Suizidforen unter dem Blickwinkel ‚Chance oder Gefährdung’ betrachten. Zu Beginn stellt sich die Frage wie Jugendphase und Suizidalität zusammenpassen. Dazu wird zuerst die Jugendphase als besondere Lebensphase betrachtet, dann die Grundzüge der Suizidalität erarbeitet und zuletzt werden beide Aspekte zusammengeführt. Anschließend lege ich den Blickwinkel auf die neuen Medien mit ihrer Faszination auf Jugendliche. Bevor ich die Suizidforen als Gefahr oder Chance diskutiere, erörtere ich die Besonderheiten der Kommunikation im Internet und betrachte die Suizidforen selbst, unter einem einführenden Blickwinkel.

Nachfolgend kommt der Aspekt der Krisenintervention in der Sozialen Arbeit hinzu. Zu Beginn lege ich kurz die Besonderheiten einer Krise dar, um daraufhin Möglichkeiten einer professionellen Krisenintervention in Suizidforen zu betrachten und zuletzt mögliche professionelle Kriseninterventionen im Internet darzulegen. Abschließend folgt ein persönliches Fazit.

2. Jugendliche und Suizid – passt das zusammen?

2.1. Die Jugend – eine Lebensphase mit besonderen Aspekten

Die Jugend gilt als eine besondere Phase in der Biografie eines Menschen. Es ist der Lebensabschnitt zwischen Kindheit und Erwachsenenalter – eine Zeit der Umstellung und Veränderung. Eine einheitliche Einteilung bezüglich des Jugendalters ist in Fachkreisen nicht gegeben. Je nach fachlichem Standpunkt gibt es verschiedene Sichtweisen. Gemeinsam haben alle Blickwinkel, dass die Altersangaben als Orientierungshilfen zu verstehen sind und nicht als starre Größen angesehen werden dürfen.

Rolf Oerter und Eva Dreher haben das Jugendalter vom psychologischen Standpunkt aus betrachtet. Folgende Skalierung legen sie zugrunde: Die Adoleszenz beinhaltet das Alter von 11 bis 21 Jahren. Das Jugendalter ist angesiedelt vom 11. bis zum vollendeten 17. Lebensjahr. Die gesamte Zeit der Adoleszenz wiederum wird getrennt in die frühe Adoleszenz (14. – 18. Lebensjahr) und die späte Adoleszenz (18. – 21. Lebensjahr). Nach dieser Phase beginnt das frühe Erwachsenenalter – vom 21. – 25. Lebensjahr.[4]

Eine sozialpädagogisch orientierte Einteilung erfolgt zum Beispiel durch Achim Schröder. Er sieht den Beginn des Jugendalters mit Einsetzen der Pubertät zwischen 9 und 13 Jahren.[5] Das Ende „[…] lässt sich nicht mehr allgemeingültig bestimmen, es ist möglicherweise schon mit 18 Jahren erreicht oder erst mit über 30.[6]

Der soziologische Blickwinkel nach Klaus Feldmann stellt sich wie folgt dar: Soziologisch ist die Jugendphase zwischen dem 13. und 25. Lebensjahr zu verorten. Sie gilt als abgeschlossen, „[…] wenn die soziale und personale Identität ausgeprägt und stabilisiert ist […][7]

Die Jugendphase ist charakterisiert durch ein Nebeneinander von noch unselbständigen, kindlich geprägten und schon selbständigen, erwachsenengemäßen Handlungsabläufen.[8] Die Erkenntnis folgt, dass die Jugendlichen sich nicht mehr mit der Kindheit identifizieren können und noch nicht mit dem Erwachsensein. Hinzu kommt, dass während der Adoleszenz in annähernd allen körperlichen und seelischen Bereichen der Jugendlichen deutliche Veränderungen stattfinden. Die körperliche Reifung beginnt, die Abnabelung vom Elternhaus tritt ein, pubertäre Jugendliche zeigen eine gesteigerte Emotionalität, das Sozialverhalten ändert sich. Zu einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung jedoch, gehören solche Entwicklungs- und Reifungskrisen von Jugendlichen.[9] Das Jugendalter an sich kann somit als „ Lebensphase innerer Spannungen[10] angesehen werden. In dieser Phase wird deutlich erlebt, „anders“ als die anderen zu sein. Die bisherige Welt gerät ins Wanken – bisher akzeptiertes wird hinterfragt. Die individuellen und gesellschaftlichen Herausforderungen müssen in Einklang gebracht werden. Dadurch ergibt sich ein Spannungsverhältnis von Individuation und Integration, welches die Jugendlichen miteinander vereinbaren müssen.[11] Inwieweit dies in der Adoleszenz gelingen kann, hängt auch vom Verhalten nahe stehender Personen ab.[12]

2.2. Einblick in die Suizidalität

In Deutschland starben 2006 laut Statistischem Bundesamt 9765 Menschen durch Suizid.[13] In der Altersgruppe der 15 – 25 jährigen waren daran anteilig 18 % männliche und 11,2 % weibliche Suizidanten.[14] Der relativ hohe Anteil Jugendlicher und junger Erwachsener die durch eine Selbsttötung aus dem Leben scheiden, ist europaweit zu beobachten.[15]

Der Begriff der Suizidalität beinhaltet alle Gedanken, Gefühle und Handlungen, die einen selbstzerstörerischen Charakter haben und den eigenen Tod anstreben oder denselben als reelle Möglichkeit in Betracht ziehen.[16] Die Suizidalität an sich umfasst ein breites Spektrum an Ausdrucksformen, angefangen von einem dringlichen Wunsch nach Ruhe, über eine Todessehnsucht, hin zu konkreten Suizidgedanken, Suizidabsichten oder der tatsächlichen Suizidhandlung.

Christian Reimer legt in einer Suiziddynamik gewisse Stadien einer suizidalen Entwicklung fest: Im ersten Stadium kommt es zu einer Erwägung eines Suizids. Suizidgedanken tauchen auf – man ist aber in der Lage, sich auch wieder von ihnen zu distanzieren. Hier werden direkte oder indirekte Appelle und Hinweise an das soziale Umfeld gegeben. Im zweiten Stadium – dem Stadium der Ambivalenz – werden die Suizidgedanken weiter ausgearbeitet und drängender. Mit der Folge, dass betroffene Personen sich nicht mehr ohne weiteres von ihnen distanzieren können. Hier werden konkrete Hilferufe und Ankündigungen zum Suizid ausgesprochen.[17] Fiedler und Jung merken ebenfalls an, dass die Haltung zum Suizid oftmals unbewusst ambivalent ist:[18]Es geht nicht unbedingt darum zu sterben, sondern darum, nicht wie bisher weiterleben zu können.[19] Im dritten Stadium einer suizidalen Dynamik ist – laut Reimer – der Entschluss zum Suizid gefasst. In dieser Phase gibt es keine Distanzierungsfähigkeit und keine an die Umwelt gerichteten Appelle mehr. Der Suizidant hat resigniert und erscheint ruhig – oftmals ist eine Suizidalität für Außenstehende nicht mehr erkennbar. Im letzten Stadium der suizidalen Entwicklung steht dann die Suizidhandlung selbst.[20]

Die Suizidalität gilt somit als Ausdruck einer persönlichen Krise.[21] Sie kann als Kurzschlussreaktion auf ein bedrückendes Ereignis erfolgen oder sich langsam aufbauen und sich nach und nach verfestigen.[22] Suizidalität „ entsteht in Beziehungen und ist auf Beziehungen gerichtet.[23] Sie kann somit als Form einer Beziehungsstörung verstanden werden.[24] Suizidalität kreist in einer Spirale aus Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung und Ausweglosigkeit. Ein Gefühl mangelnder Eigenliebe und Wertlosigkeit breitet sich aus.[25] Während spontane suizidale Handlungen nur vereinzelt verhindert werden können, finden sich in einer länger entwickelnden oder chronischen Suizidalität oftmals Chancen für vorbeugende Schritte und Maßnahmen.[26] Die Suizidalität tritt einerseits in Verbindung mit psychischen Erkrankungen auf, ist jedoch nicht an diese gebunden.[27] Die Suizidalität stellt keinen linear verlaufenden Prozess im Sinne einer ‚wenn – dann’ Beziehung dar. Viele einzelne Komponenten tragen dazu bei, ob eine suizidale Krise mit einem Suizid endet oder vorher erkannt, bearbeitet und eventuell bewältigt werden kann.

[...]


[1] Statistisches Bundesamt 2007, S. 960ff

[2] Fiedler 2003 in: Etzersdorfer, Fiedler, Witte, S. 19

[3] Fiedler 2003 in: Etzersdorfer, Fiedler, Witte, S. 20f

[4] Oerter / Dreher 1998 in Oerter / Montada, S. 312

[5] Schröder 2005 in: Deinet / Sturzenhecker, S. 90

[6] Schröder 2005 in: Deinet / Sturzenhecker, S. 90

[7] Feldmann 2005, S. 160

[8] Hurrelmann 2005, S. 30

[9] Meurer 2004 in: Müller, Scheuermann, S. 197

[10] Hurrelmann 2005, S. 31

[11] Schwalm 2005, S. 59f

[12] Schwalm 2005, S. 60

[13] Statistisches Bundesamt 2007, S. 960

[14] Statistisches Bundesamt 2007, S. 966f

[15] Statistisches Bundesamt 2007, S. 969

[16] Eink, Haltenhof 2006, S. 20

[17] Reimer 2005 in: Wolfslast, Schmid, S. 30

[18] Fiedler 2003 in: Etzersdorfer, Fiedler, Witte, S. 35, und Jung 2003, S. 84f

[19] Fiedler 2003 in: Etzersdorfer, Fiedler, Witte, S. 35

[20] Reimer 2005 in: Wolfslast, Schmid, S. 30

[21] Fiedler 2003 in: Etzersdorfer, Fiedler, Witte, S. 34

[22] Eink, Haltenhof 2006, S. 20

[23] Fiedler 2003 in: Etzersdorfer, Fiedler, Witte, S. 34

[24] Meurer 2004 in: Müller, Scheuermann, S. 202

[25] Jung 2003, S.91

[26] Eink, Haltenhof 2006, S. 20

[27] Fiedler 2003 in: Etzersdorfer, Fiedler, Witte, S. 34

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Suizidforen im Internet - Gefährdung oder professionelles Hilfeangebot
Hochschule
Hochschule Koblenz (ehem. FH Koblenz)
Veranstaltung
basa online Modul O 10.1 - Konzepte kindlicher Entwicklung als Grundlagen Sozialpädagogischer Diagnostik und Krisenintervention
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
21
Katalognummer
V123754
ISBN (eBook)
9783640292288
ISBN (Buch)
9783640292417
Dateigröße
447 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Suizidforen, Internet, Gefährdung, Hilfeangebot, Modul, Konzepte, Entwicklung, Grundlagen, Sozialpädagogischer, Diagnostik, Krisenintervention
Arbeit zitieren
Nicole Milkau-Schaudt (Autor:in), 2009, Suizidforen im Internet - Gefährdung oder professionelles Hilfeangebot, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123754

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