Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach

Die Institutionalisierung von Religionsunterricht im Grundgesetz - Zur Geschichte von Artikel 7 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz


Bachelorarbeit, 2009

42 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Aufbau der Arbeit und methodisches Vorgehen

3. Vom Elternrecht zum Religionsunterricht
3.1. Die Verbindung von Elternrecht und Religionsunterricht
3.2. Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee
3.3. Wissenswertes und Relevantes zum Aufbau und Funktion des Parlamentarischen Rates
3.4. Die beteiligten Akteure
3.4.1. Die Fraktionen
3.4.1.1. Die CDU/CSU Fraktion
3.4.1.2. Die FDP Fraktion
3.4.1.3. Die SPD Fraktion
3.4.1.4. Die Fraktionen von DP, KPD und Zentrum
3.4.2. Die Kirchen
3.4.2.1. Die Kirchen im Allgemeinen
3.4.2.2. Die Römisch Katholische Kirche
3.4.2.3. Die Evangelische Kirche
3.4.3. Die Öffentlichkeit
3.4.4. Die Besatzungsmächte
3.5. Der Verlauf der Debatte und die darin verwendeten Argumente
3.5.1. Die Abkopplung des Religionsunterrichts vom Elternrecht
3.5.1.1. Die Forderungen der Kirchen
3.5.1.2. Fraktionsgespräche der Unionsparteien
3.5.1.3. Ausschuss für Grundsatzfragen
3.5.1.4. Hauptausschuss
3.5.2. Probleme bis zur endgültigen Annahme des
Art. 7 Abs. 3 Satz 1
3.5.2.1. Die Formulierung
3.5.2.2. Das Föderalproblem
3.5.2.3. Das Alliiertenmemorandum
3.5.2.4. Die endgültige Annahme des Artikels
3.5.3. Fazit der einzelnen Akteure
3.5.4. Auswertung der Argumente

4. Nachwort

5. Literatur und Quellenverzeichnis

1. Einleitung

„Ein Vorhaben, daß sich nach dem herkömmlichen Verständnis der Staatsräson zum Widerspruch zum nationalen Interesse der Deutschen befand, konnte Aussicht auf Realisierung nur dann haben, wenn hierüber – über alle divergierenden Interessen und politischen Zielvorstellungen hinweg – ein breiter Konsensus zwischen den maßgeblichen politischen Kräften bestand oder hergestellt werden konnte.“[1] – Das Vorhaben, welches Sörgel hier beschreibt, ist die Schaffung des Grundgesetzes für die sich im Begriff zu gründende Bundesrepublik Deutschland. Ein spannender Prozess mit vielen Hürden. Eine davon war die Institutionalisierung des Religionsunterrichts in öffentlichen Schulen.

„Art. 7 Abs. 3 garantiert den Religionsunterricht zunächst als institutionelle Gewährleistung. Er ist die einzige Norm des Grundgesetzes, die ein bestimmtes Unterrichtsfach an den Schulen verbindlich vorschreibt. Dadurch wird der Religionsunterricht gegenüber anderen Fächern zwar nicht besonders privilegiert, jedoch hervorgehoben und gesichert.“[2] – Mit diesen Worten beschreibt Starck in den Kommentaren zum Grundgesetz die Besonderheit dieses Artikels. Es ist das einzige Lehrfach, welches vom Grundgesetz garantiert wird.

„Es stünde nichts im Wege, daß man die Jugend, falls die Eltern so wollen, in derselben Schule Religion lehrte, wo man sie über alle Dinge belehrt.“[3] – stellte John Stuart Mill, der liberale Staatsphilosoph, in seinem Essay „Über die Freiheit“ fest. Doch welche Gründe existierten für die Einführung von Religionsunterricht im schulischen Bereich? Immerhin widerspricht dies der traditionellen Trennung von Kirche und Staat.[4]

„So wäre dieses Verfassungswerk [...] beinah an der für das Gesamtwerk an sich nebensächlichen Frage des Schulwesens gescheitert.“[5] – beschreibt Deuschle zusammenfassend die Diskussion um den Religionsunterricht. Demnach war es eine kontroverse Entscheidung, um die im Parlamentarischen Rat gerungen wurde.

Die vorangegangenen vier Zitate zeigen die Spannweite, welche der Artikel 7 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz beinhaltet. Als Artikel des neu auszuarbeitenden Grundgesetzes stellt er eine Einzigartigkeit dar und die Diskussion darum hätte beinah das ganze Grundgesetz scheitern lassen.

In dieser Arbeit ist der Fokus auf die einzelnen Akteure und ihre Argumentationen für oder wider den Religionsunterricht gelenkt. Wo lagen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der einzelnen Beteiligten? Mit welchen Argumenten wurde gearbeitet? Ist der Religionsunterricht, so wie er heute im Grundgesetz festgeschrieben ist, ein Kompromiss oder Konsens gewesen? Welche Argumente führten zu diesem Ergebnis?

Um die Übersicht nicht zu verlieren und die Qualität dieser Arbeit zu wahren, ist bei der Bearbeitung nur Rücksicht genommen worden auf die Debatten im Parlamentarischen Rat (1948 – 1949) und die Akteure, welche sich mit diesem Thema auseinandersetzten. Keine Beachtung konnte dagegen die Entwicklungen vor 1948 bzw. vor dem Herrenchiemseekonvent finden, sowie die einzelnen parteiinternen Entwürfe zum Grundgesetz. Des Weiteren kann nicht die aktuelle Diskussion zu diesem Artikel bearbeitet werden. Außerdem will diese Arbeit nicht untersuchen, inwieweit sich die Kirchen Rechte im neuen Staat sichern wollten.

2. Aufbau der Arbeit und methodisches Vorgehen

Diese Arbeit ist in zwei große Abschnitte unterteilbar. Zunächst (Punkt 3.4) sind die Akteure näher beleuchtet, denn nur wenn Hintergrundinformationen zu den handelnden Interessengruppen vorliegen, kann auch die Argumentationsweise richtig verstanden werden. Neben den vertretenen Fraktionen im Parlamentarischen Rat werden Informationen zu den Kirchen, der Öffentlichkeit und den Besatzungsmächten gegeben. Nicht jeder Akteur hatte gleichviel Einfluss auf die Verhandlungen gehabt. Aus diesem Grund sind Fraktionen, welche das Problem stärker tangierte und die größeren Einfluss auf die Verhandlungen hatten (z.B. CDU/CSU Fraktion) näher und ausführlicher beschrieben als kleinere Fraktionen (z.B. KPD Fraktion). Im Hinblick auf die außerparlamentarischen Akteure sind die Kirchen von großer und wichtiger Bedeutung.

Im zweiten Teil (Punkt 3.5) sind die Debatten über den Artikel 7 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz näher behandelt. Hier rückt vor allem der Ausschuss für Grundsatzfragen vorrangig in den Fokus der Bearbeitung, da sich in jenem Ausschuss ein Großteil der damaligen Debatten abspielte. Anhand von Akten, Protokollen und Sekundärliteratur sind die wichtigsten Argumente der einzelnen Akteure zusammengefasst und zeichnen so den Weg von der Einbringung des Gedankens von einem Religionsunterricht an Schulen bis hin zum Artikel 7 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz nach. Es kann nicht der vollständige Argumentationsverlauf wiedergegeben werden, sondern nur einzelne ausgewählte Darlegungen für bzw. wider die Einführung des Religionsunterrichts. Methodisch ist dies durch eine qualitative Inhaltsanalyse bewerkstelligt worden. In dieser sind die Argumente klassifiziert. Somit kann am Ende besser festgestellt werden, welcher Akteur mit welchen Argumenten arbeitete, ob diese sich im Verlauf der Debatten wandelten bzw. ergänzt wurden und inwieweit zwischen den Argumenten ein Kompromiss bzw. Konsens lag.

Zur Klassifizierung führe ich an dieser Stelle kurz in die von mir verwendeten Argumentationsformen ein. Ich unterscheide in dieser Arbeit zwischen funktionalistischen[6], genetischen[7], historischen[8], und wirtschaftlichen Argument.

Das funktionalistische Argument baut darauf auf, dass ein Sachverhalt – z.B. Religionsunterricht – einen bestimmten, ihm angedachten Auftrag erfüllt. Es kann darüber hinaus aber auch sein, dass ein und derselbe Sachverhalt gleichzeitig unterschiedliche Funktionen wahrnimmt und sich aus diesem Grund funktionalistische Argumente in einer Debatte gegenüber stehen können.

Indessen beschreibt das genetische Argument eine Sache, die dem Ursprungsgedanken entspricht. In der vorliegenden Arbeit ist der Ursprungsgedanke die Anweisung, welche durch die alliierten Besatzungsmächte in Form der Frankfurter Dokumente vorgegeben wurde (Punkt 3.3).

Das historische Argument stützt sich auf Tatsachen, welche sich aus dem Verlauf historischer Geschehnisse ableiten lassen bzw. die in der Vergangenheit schon immer so vorlagen. Darüber hinaus zähle ich das Naturrecht zu einer Möglichkeit der historischen Begründung. Sicherlich könnte in diesem Fall auch eine andere Klassifizierung benutzt werden, zumal Naturrecht nicht geschichtlich belegt werden kann, jedoch wird sich zeigen, dass das Naturrecht oftmals im historischen Kontext verwendet und verstanden wurde. Aus diesem Grund wird es in der Klassifizierung dieser Arbeit zu dem historischem Argument gezählt.

Mit Hilfe des wirtschaftlichen Arguments wird begründet, ob etwas aus ökonomischer Sicht sinnvoll oder sinnlos ist.

3. Vom Elternrecht zum Religionsunterricht

3.1 Die Verbindung von Elternrecht und Religionsunterricht

In den ersten Beratungen im Parlamentarischen Rat, bei denen es um die Einführung von Religionsunterricht in Schulen ging, wurde im gleichen Atemzug auch das Wort Elternrecht genannt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass „der Streit um die Garantie des „Elternrechts“ [...] sich über weite Strecken der Verhandlungen mit Auseinandersetzungen über Art und Umfang einer grundsätzlichen Gewährleistung des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen [verschränkte].“[9] Erst im späteren Verlauf der Verhandlungen wurde diese Verschränkung aufgebrochen und getrennt voneinander debattiert.

In den Auseinandersetzungen zum Elternrecht ging es hauptsächlich darum, dass die Eltern – und nicht der Staat – über den Schultyp bestimmen können, in welchem ihre Kinder lernen sollen.[10] Des Weiteren umfasste das Elternrecht auch die Einführung von Religionsunterricht an den Schulen.

Grundsätzlich standen in den Auseinandersetzungen drei Schularten zur Debatte. Die Bekenntnis- bzw. Konfessionsschulen (alle Schüler und Lehrer gehören der gleichen Konfession an), die Gemeinschafts- bzw. Simultanschulen (die Kinder aller Konfessionen werden zusammen unterrichtet und nur zum Religionsunterricht getrennt) und die weltlichen bzw. bekenntnisfreien Schulen (die Schule unterrichtet ohne religiösen Bezug).[11]

Des Weiteren ist zu erwähnen, dass das Elternrecht bereits in den Verfassungsverhandlungen der Weimarer Republik eine zentrale Rolle spielte. Teilweise wurde das Elternrecht in die damalige Verfassung aufgenommen.[12] An dieser Stelle der Hinweis, dass auch der Religionsunterricht bereits in der Weimarer Reichsverfassung festgeschrieben war.[13]

3.2 Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee

Vom 10. bis zum 23. August 1948 versammelte sich auf der Insel Herrenchiemsee der Verfassungskonvent für die sich gründende Bundesrepublik Deutschland. Der Verfassungskonvent war eine Versammlung von Verfassungssachverständigen, welche zur Aufgabe hatten, die Grundsätze für eine Verfassung zu erarbeiten. Diese Grundsätze dienten einen Monat später als Basis für die Beratungen im Parlamentarischen Rat zum heutigen Grundgesetz. Es kann gesagt werden, dass diese Grundsätze eine hilfreiche Vorarbeit für die späteren Beratungen darstellten.[14] Auffallend ist, dass in diesem Verfassungsentwurf keinerlei Aussagen zum Religionsunterricht getroffen wurden. Der Entwurf war knapp gefasst und beschränkte sich auf die „wichtigsten“ Grundrechte. Zudem gingen die Konventsmitglieder zum damaligen Zeitpunkt davon aus, dass das Grundgesetz eine Übergangsbestimmung wird, weshalb die Mitglieder des Konvents von ausführlichen Inhalten absahen. Dies verdeutlicht auch ein Bericht der Verhandlungen auf Herrenchiemsee, in dem es heißt: „[Es] erschien [...] nicht notwendig, neben den grundlegenden Rechten der menschlichen Freiheiten alle irgendwie als Grundrechte bezeichneten Institutionen in einen umfassenden Katalog von Bundesgrundrechten aufzunehmen. Vielmehr muß es genügen und wird es zugleich eindrucksvoller sein, wenn die Zahl der Grundrechte beschränkt wird auf die wichtigsten Menschen- und Freiheitsrechte der einzelnen. Erwogen wurde, ob daneben auch Grundrechte der korporativen Ordnungen aufzunehmen seien. Dies wurde im Ergebnis verneint, insbesondere mit Rücksicht auf die vorläufige Natur des Grundgesetzes.“[15]

Die ausgearbeiteten Grundlagen von Herrenchiemsee wurden von allen Vertretern des Parlamentarischen Rates – unabhängig von der politischen Einstellung – bestätigt. Des Weiteren wurden diese Vorgaben in den ersten Monaten vom Parlamentarischen Rat nicht in Frage gestellt.[16]

3.3 Wissenswertes und Relevantes zum Aufbau und Funktion des Parlamentarischen Rates

Laut Görtemaker war die Überreichung der Frankfurter Dokumente am 1. Juli 1948 durch die westalliierten Besatzer an die Regierungschefs der einzelnen Länder die Grundlage für die Gründung des Parlamentarischen Rates. Unter anderem erhielten diese Dokumente Anweisungen, bis zum 1. September 1948 eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen. Diese sollte eine Staatsordnung nach föderalistischen Gesichtspunkten erarbeiten. Die Vorarbeit hierzu leistete, wie bereits schon erwähnt, der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee (siehe Punkt 3.2).[17]

Bei Feldkamp ist zu lesen, dass sich die Mitglieder des Parlamentarischen Rates aus den Verhältnissen der einzelnen, in den Landtagen vertreten Parteien zusammensetzten. Dabei ergab sich für den in Bonn tagenden Parlamentarischen Rat folgende Zusammensetzung: CDU/CSU (Christlich Demokratische Union/Christlich Soziale Union) Fraktion: 27 Abgeordnete, SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) Fraktion: 27 Abgeordnete, FDP (Freie Demokratische Partei) Fraktion: fünf Abgeordnete und DP (Deutsche Partei) -, KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) -, Zentrums Fraktion: jeweils zwei Abgeordnete. Hinzu kamen fünf Abgeordnete aus Berlin, die aber nur mit beratender Stimme an den Verhandlungen teilnahmen.[18] Ferner schildert Feldkamp, dass nach internen Absprachen Konrad Adenauer (CDU) zum Vorsitzenden des Parlamentarischen Rates gewählt wurde. Im Gegenzug erhielt die SPD den Vorsitz im Hauptausschuss und besetzte diesen mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Carlo Schmid.[19] Die Abgeordneten nahmen alle – wie schon die Mitglieder des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee – an, dass sie es mit einem vorläufigen Gesetzesentwurf zu tun hatten. Aus diesem Grund gab man sich den Namen Parlamentarischer Rat anstelle von Verfassungsgebende Versammlung. Des Weiteren beschreibt Görtemaker, dass die Delegierten den Begriff Grundgesetz anstelle von Verfassung verwendeten. Diese Bezeichnungen sollten den vorläufigen Charakter symbolisieren. Letztendlich existiert das Grundgesetz heute noch so, wie es damals beschlossen wurde.[20]

Schlink und Poscher schildern in ihrem Buch[21], dass der Parlamentarische Rat in ein Plenum und einen unmittelbar nachgeordneten Hauptausschuss gegliedert war, welcher Vorentscheidungen traf und Koordinierungsmaßnahmen wahrnahm. Dem Hauptausschuss nachgeordnet tagten sieben Fachausschüsse (von besonderer Relevanz für diese Arbeit ist der Ausschuss für Grundsatzfragen). Alle Entwürfe die in den Fachausschüssen beschlossen wurden, gingen anschließend über den Redaktionsausschuss dem Hauptausschuss zur Beratung zu. Mit Beginn des Jahres 1949 konstituierte sich der so genannte Fünferausschuss (zwei Abgeordnete der CDU/CSU Fraktion, zwei Abgeordnete der SPD Fraktion und ein Abgeordneter der FDP Fraktion). In ihm wurden interfraktionelle Gespräche geführt. Im März 1949 wurde der Ausschuss zum Siebenerausschuss erweitert (zusätzlich jeweils ein Vertreter von den Fraktionen DP und Zentrum).[22]

Das Grundgesetz wurde am 8. Mai 1949 in der dritten Lesung im Plenum mit 53 zu 12 Stimmen angenommen. Im Zeitraum vom 18. – 21. Mai 1949 wurde es von den einzelnen Landtagen ratifiziert (Nur Bayern lehnte das Grundgesetzt ab. Die bayrischen Abgeordneten entschieden sich jedoch, dass Grundgesetz trotzdem anzuerkennen, sofern zweidrittel der anderen Landtage für das Grundgesetz stimmten – dieses war zu diesem Zeitpunkt bereits geschehen.). Somit konnte am 23. Mai 1949 feierlich die neuen Bestimmungen für die Bundesrepublik unterzeichnet werden (Die zwei KPD Mitglieder verweigerten ihre Unterschriften.).[23]

3.4 Die beteiligten Akteure

3.4.1 Die Fraktionen

3.4.1.1 Die CDU/CSU Fraktion

Die CDU/CSU Fraktion mit ihren 27 Mitgliedern im Parlamentarischen Rat gehörte, bedingt durch ihre Stimmenanzahl, neben der SPD Fraktion, zu den politisch einflussreichsten Parteien.

Waren sich die Mitglieder der CDU/CSU auf Herrenchiemsee noch darüber einig, Religionsunterricht und andere kulturpolitische Forderungen außen vor zu lassen, gingen die Abgeordneten des Parlamentarischen Rates offensiver mit diesem Thema um. Laut Sörgel erhielt die CDU/CSU Rückhalt in dieser Frage insbesondere von den Fraktionen DP und Zentrum.[24] Zwar hatte man Angst, mit einer „Kulturpolitischen Überlastung“ wie in der Weimarer Reichsverfassung der FDP vor den Kopf zu stoßen, da ohne sie keine Mehrheit im Parlamentarischen Rat in Aussicht war, allerdings wusste man die Kirchen und die größtenteils christliche Bevölkerung auf seiner Seite.[25] Es war vor allem die CDU/CSU Fraktion, welche die kirchlichen Positionen im Parlamentarischen Rat vertrat.[26] Konrad Adenauer stellte am 7. Dezember 1948 in einer Sitzung der Unionsfraktion dazu fest: „Da wir eine christliche Partei sind und Beschlüsse der katholischen und evangelischen Kirche vorliegen, müssen wir versuchen, gewisse Sicherheiten im Grundgesetz aufzunehmen.“[27] Generell lag ein enges Verhältnis zwischen den Kirchen und Vertretern der CDU/CSU vor, insbesondere zu den Abgeordneten Adolf Süsterhenn, Helene Weber, Konrad Adenauer, Josef Wirmer und Johannes Pfeiffer.[28] Es waren vor allem auch die „prominenten Katholiken“[29] in der Fraktion, die sich für die Belange der Kirchen einsetzten.[30]

Wie eingangs erwähnt, stand neben den Kirchen die breite Öffentlichkeit der damaligen, größtenteils christlichen Bevölkerung. Die CDU/CSU Fraktion sah sich für diese Gruppe in besonderer Pflicht, deren Interessen zu vertreten. Der Abgeordnete Pfeiffer brachte diese Pflicht für die Union mit folgenden Worten zum Ausdruck: „Das Echo aus weiten Kreisen unseres Volkes und aus allen Teilen Deutschlands beweist uns, daß eine befriedigende Regelung der in unseren Anträgen aufgerollten Fragen vom Parlamentarischen Rat nicht nur erwartet, sondern kategorisch gefordert wird. Wir würden das Vertrauen von Millionen von deutschen Männern und Frauen enttäuschen und der für uns bestehenden inneren Verpflichtung untreu werden, wenn wir nicht alles daransetzen würden, eine befriedigende Regelung für die Fragen (die Frage des Elternrechts) zu erreichen. [...]“[31]

Erste konkrete Anträge zu kulturpolitischen Angelegenheiten, welche unter anderem das Grundrecht auf Religionsunterricht enthielten, reichte die CDU/CSU Fraktion allerdings erst zur 24. Sitzung am 23. November 1948 im Ausschuss für Grundsatzfragen ein.[32] Weshalb dies erst so spät geschah, wird klar, wenn man die Evangelische und Römisch-Katholische Kirche genauer betrachtet (Punkt 3.4.2). Schewick beschreibt, dass bereits am 4. November 1948 die Unionsfraktion die Gründung einer speziellen Kommission beschloss mit den Abgeordneten Helene Weber, Robert Lehr und Adolf Süsterhenn, welche sich unter anderem um die Elternrechtsfrage kümmerte.[33] Diese Kommission wurde gegründet, weil es zunächst innerhalb der Unionsfraktion Unstimmigkeiten darüber gab, ob diese kulturpolitischen Angelegenheiten überhaupt in das Grundgesetz gehören. Vor allem die Mitglieder der CSU plädierten dagegen, solche Forderungen im Grundgesetz aufzunehmen. So äußerte sich der Abgeordnete Laforet (CSU) in einer Fraktionssitzung am 3. November 1948 bestürzt: „Auf dem ganzen Kulturgebiet waren wir uns einig, daß an der Eigenstaatlichkeit nicht gerüttelt wird.“[34]

Letztendlich verständigten sich CDU und CSU darauf, gemeinsam für die Aufnahme der kulturpolitischen Forderungen im Parlamentarischen Rat einzutreten.

3.4.1.2 Die FDP Fraktion

Zwar war die FDP Fraktion mit ihren fünf Mitgliedern nur drittstärkste Kraft im Parlamentarischen Rat und dennoch hatte sie eine entscheidende Rolle bei den Verhandlungen in Bonn gespielt. Bei der Auswertung der Debatten wird sich zeigen, dass die FDP die ausschlaggebenden Stimmen für oder wider die kulturpolitischen Fragen festhielt. Des Weiteren ist auffällig, dass sich vor allem Theodor Heuss – später erster Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland – am aktivsten an den Debatten rund um den Religionsunterricht beteiligte, was darauf zurückzuführen ist, dass er der einzige Abgeordnete der FDP im Ausschuss für Grundsatzfragen war.

3.4.1.3 Die SPD Fraktion

Die Fraktion der SPD bildete mit ihren 27 Mitgliedern das Gegengewicht zur CDU/CSU Fraktion. Schon frühzeitig bemerkten die Unionsparteien, dass es schwer wird, die SPD für das Anliegen des Religionsunterrichts zu gewinnen. Dies war auch Konrad Adenauer von der CDU/CSU Fraktion bewusst, als er am 3. September 1948 in einer der ersten Fraktionssitzungen feststellte: „Wir müssen die SPD in die Position bringen, daß sie diesen Dingen (Kulturpolitischen Forderungen) aus deutschem Interesse zustimmt.“[35]

3.4.1.4 Die Fraktionen von DP, KPD und Zentrum

Die drei kleinsten Fraktionen mit jeweils zwei Abgeordneten hatten nur bedingt Einfluss auf die Debatten um den Religionsunterricht. Dies lag insbesondere daran, dass sie nicht genügend Mitglieder hatten, um in jedem Ausschuss anwesend zu sein. Aus diesem Grund war auch nur Wilhelm Heile von der Deutschen Partei im Ausschuss für Grundsatzfragen vertreten. Auch im Hauptausschuss saß von jeder Fraktion jeweils nur ein Mitglied bei den Beratungen.[36]

Die DP und Zentrums Fraktion standen den beiden Großkirchen nah und plädierten an der Seite von CDU/CSU für die Einführung des Religionsunterrichts. Auch die zwei Abgeordneten von der KPD brachten einen Antrag[37], welcher die Einführung des Religionsunterrichts an Schulen forderte, im Parlamentarischen Rat ein und der Abgeordnete Renner sagte im Hauptausschuss zur Problematik: „Wir haben ausdrücklich in dem ersten Entwurf – auch ich habe dafür gestimmt – konzediert, daß in der Schule Religionsunterricht erteilt werden darf, sogar durch Organe der Kirche.“[38]

[...]


[1] Sörgel 1985: 12f.

[2] Starck 2005: 770.

[3] Mill 1860: 153.

[4] Vgl. Art 137 Absatz 1 Grundgesetz: Es besteht keine Staatskirche.

[5] Deuschle 1968: 21.

[6] Vgl. Brodocz 2003: 199.

[7] Vgl. Alexy 1991: 291 ff.

[8] Vgl. Ebd.: 294.

[9] Sörgel 1985: 188.

[10] Vgl. Ebd.: 188.

[11] Vgl. Felbick 2003: 113 ff.

[12] Vgl. „Artikel 146 WRV: [...] Innerhalb der Gemeinden sind indes auf Antrag von Erziehungsberechtigten Volksschulen ihres Bekenntnisses oder ihrer Weltanschauung einzurichten [...]. “ in: http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/verfassung/index.html (28.10.2008)

[13] Vgl. „Artikel 149 WRV: Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach der Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien (weltlichen) Schulen. [...]“ in: http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/verfassung/index.html (28.10.2008)

[14] Vgl. Görtemaker 2002: 40 ff.

[15] Wernicke/Boom 1981: 513.

[16] Vgl. Schlink/Poscher 2000: 17 ff.

[17] Vgl. Görtemaker 2002: 36 f.

[18] Vgl. Feldkamp 1998: 37 ff.

[19] Vgl. Ebd.: 47.

[20] Vgl. Görtemaker 2002: 36 f.

[21] Vgl. Schlink/Poscher 2000: 27.

[22] Vgl. http://www.parlamentarischerrat.de/organisation_898_organisation=51.html (30.10.2008)

[23] Vgl. Görtemaker 2002: 44.

[24] Vgl. Sörgel 1985: 191.

[25] Vgl. Lange 1993: 53.

[26] Vgl. Sörgel 1985: 168.

[27] Salzmann 1981: 266.

[28] Vgl. Gotto 1977: 95.

[29] Vgl. Sörgel 1985: 191.

[30] Vgl. Ebd.: 191.

[31] Ebd.: 194.

[32] Schlink/Poscher 2000: 27.

[33] Schewick 1980: 84.

[34] Salzmann 1981: 120.

[35] Salzmann 1981: 118.

[36] Vgl. http://www.parlamentarischerrat.de/organisation_898_organisation=52.html (01.11.2008)

[37] Vgl. Pikart/Wolfram 1993: 259. Eingabe der KPD-Fraktion zu den Grundrechten 12. Oktober 1948 Ausschuss für Grundsatzfragen. Im Artikel 28 unter der Überschrift „Erziehung und Bildung“ findet sich folgende Formulierung: „[...] Der Religionsunterricht ist Angelegenheit der Religionsgemeinschaften. [...]“

[38] zitiert nach: Hildebrandt 2000: 206.

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Details

Titel
Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach
Untertitel
Die Institutionalisierung von Religionsunterricht im Grundgesetz - Zur Geschichte von Artikel 7 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Abschlussarbeit
Note
2,5
Autor
Jahr
2009
Seiten
42
Katalognummer
V123797
ISBN (eBook)
9783640285570
ISBN (Buch)
9783640710409
Dateigröße
551 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Religionsunterricht, Schulen, Ausnahme, Schulen, Lehrfach, Abschlussarbeit
Arbeit zitieren
Johannes Richter (Autor:in), 2009, Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123797

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