Manipulation der Meinungsbildung durch soziale Medien. Facebook, Algorithmen und Fake News


Essay, 2022

18 Seiten

Anonym


Leseprobe


‘‘Facebook zerreißt unsere Gesellschaft‘‘ (vgl. Wilhelm 2021). Ein klares Statement, das die ehemalige Mitarbeiterin Frances Haugen in einem US-TV zum Facebook Skandal setzte. Ihre Vorwürfe sind eindeutig: ,,Facebook spalte die Gesellschaft und verursache Gewalt‘‘ (ebd.). Grund dafür ist ein Algorithmus, der Menschen zu Wut anstatt zu Emotionen inspiriert. Würde Facebook ihren Algorithmus ändern, würde der Konzern Geld verlieren. Ihre Vorwürfe belegt Haugen mit Dokumenten, die sie sammelt, kopiert und in der Zeitung ,Wall Street Journal‘ veröffentlicht. Facebook allerdings weist die Vorwürfe zurück und betont, dass das Netzwerk versuche, eine Balance zwischen dem Recht von Milliarden Menschen auf freie Meinungsäußerung und einer sicheren Umgebung für alle Nutzer1 zu finden.

Anschuldigungen von Hass, Gewalt, Wut, Antisemitismus und ein US-Kongress: 2021 bot ein sehr turbulentes Jahr für die Online-Plattform Facebook. Während sich die Nachrichten förmlich über die harte Kritik an Facebook überschlagen, entsteht eine Informationsflut, die jeder für sich zunächst nach bestimmten Kriterien selektieren muss. Spätestens seit die sozialen Medien den Informationsfluss in Reichweite und Geschwindigkeit beeinflussen, spielt dabei die Bildung der eigenen Meinung eine immer größer werdende Rolle.

Deutlich wird, dass in solch einer digitalen und vernetzten Welt es nicht immer leicht ist, die eigene Meinung zu bilden und zu äußern. Insbesondere durch die Erfindung und die rasante Verbreitung des Internets, sorgen soziale Medien wie Facebook und Instagram täglich mit unzähligen Beiträgen für neue Inhalte und Meinungsbilder. Oftmals werden soziale Medien sogar als ,,vierte Gewalt‘‘ (Hösl 2015: 3) im Staat bezeichnet. Die Gewalt dieser Medien zeigt sich darin, dass sie nicht ein einfaches Abbild des weltlichen Geschehens darstellen, sondern vielmehr darüber entscheiden, welchen Ereignissen Aufmerksamkeit zugeteilt wird und welchen nicht. Sie erstellen somit keine eigenen Inhalte, aber ihre technische Gestalt hat großen Einfluss darauf, wie uns Informationen erreichen und wie wir uns darauf aufbauend eine individuelle Meinung bilden (vgl. Schmidt 2017: 61).

Doch wie manipulativ und einflussreich sind die sozialen Medien wirklich? Welche Auswirkungen haben Algorithmen in sozialen Medien auf unser individuelles Meinungsbild?

Im Folgenden sollen diese Fragen diskutiert und mit Argumenten soll an der Social Media Plattform Facebook veranschaulicht werden, welche Auswirkungen Algorithmen in sozialen Medien haben und wie diese unser Meinungsbild beeinflussen.

Die Rolle der Medien für die Meinungsbildung

Vorab ist zu klären, welche Funktionen die sozialen Medien für die Meinungsbildung der Menschen haben. Die grundsätzliche Rolle ist leicht zu definieren: Medien vermitteln Wissen, indem sie Informationen zu bestimmten Sachverhalten bereithalten (vgl. Schmidt: 63 f.). Darüber hinaus besitzen Medien aber noch eine weitere und entscheidendere Rolle - sie bewerten. Medien bewerten bestimmte Themen und Ereignisse in dreierlei Weise. Erstens setzen sie bestimmte Themen auf die Tagesordnung und vermitteln der Gesellschaft so, welche Ereignisse derzeit von gesellschaftlicher Relevanz sind. Zweitens präsentieren die Medien Informationen in einem bestimmten Kontext, der ihnen eine positive oder negative Wertung verleiht. Meistens hat diese Art und Weise, wie eine Information präsentiert wird, einen entscheidenden Einfluss auf die Meinungsbildung der User. Nicht zuletzt helfen Medien dabei, ein Gespür für die Verbreitung unterschiedlicher Meinungen in der Gesellschaft zu entwickeln . Die User bekommen durch sie nicht nur einen Einblick in die Vielfalt möglicher Statements zu einer bestimmten Fragestellung, sondern lassen sie vielmehr das gesellschaftliche Meinungsklima wahrnehmen. Stimmt meine Meinung mit der Mehrheit überein oder schließe ich mich damit der Minderheit an Aussagen an?

Der Algorithmus in sozialen Medien - Ein Gewinn für unsere Gesellschaft?

Dass die kurz nach der Jahrhundertwende aufkommenden sozialen Medien keine Eintagsfliege, sondern ein Meilenstein der Mediengeschichte sind, hat sich spätestens im Laufe der letzten Jahre bestätigt. Marktführer und Spitzenreiter Facebook bewegt sich bei der Mitgliederzahl bereits seit einigen Jahren im Milliardenbereich. Tendenz nach wie vor leicht steigend. Für 2021 geht ein beachtliches Statistikportal von 2,91 Milliarden Nutzern weltweit aus, womit Facebook der hellste Stern am Horizont der sozialen Medien bleiben durfte (vgl. Statista 2021). Aus diesem Grund lohnt sich ein Blick auf die Funktionsweise dieses Social-Media-Giganten: Wer sich bei Facebook einloggt, gelangt unmittelbar zu seinem persönlichen ,Newsfeed‘, den neuesten Aktivitäten von Seiten, Gruppen oder Freunden (vgl. Siri/Melchner/Wolf 2012: 7). Diese laufend aktualisierte Mitteilungsliste ist rückwärts-chronologisch sortiert. Sie zeigt Inhalte und Beiträge, die von den jeweiligen Kontakten der Nutzer entweder selbst veröffentlicht oder aber zur Weiterverarbeitung ausgewählt, also geteilt wurden (vgl. Jungnickel/Maireder 2015: 303). Das Herzstück dieser in den Neuigkeiten aufgelisteten Statusmeldungen (vgl. Müller 2010: 73) stellt der Algorithmus dar, den Facebook zur Berechnung der Relevanz einzelner Beiträge auf den ,Newsfeed‘ der User anwendet. Die ausschlaggebenden Einflussfaktoren sind dabei die Interaktionsdichte zwischen den Nutzern, die Interaktion anderer Nutzer mit dem Beitrag wie etwa eine Anzahl von Kommentaren und ,Gefällt- mir‘ Angaben sowie das Alter des Beitrags (vgl. Kincaid 2010).

Nach welchen Inhalten gesucht oder welchen Personen auf Facebook ein ,Like‘ gegeben wird, ist jedem User mehr oder weniger selbst überlassen. Der erwähnte Algorithmus spielt natürlich eine entscheidende Rolle. Er kann wie eine eingebaute Denkzentrale angesehen werden, die bei der Selektion der Beiträge zur Hilfe kommt. Im besten Fall. Die Kehrseite ist ein immer weiter festgefahrenes Schema, in das User durch so einen Algorithmus geleitet werden, je umfangreicher der Datensatz durch eigene Interaktionen angereichert wird. Von den Anwendern selbst wird dieses Phänomen wohl gesonnen entgegengenommen, Vorschläge des Algorithmus decken sich mit der eigenen Lebenswelt, erleichtern Suchanfragen, vervollständigen Formulare ganz schnell und einfach - und: bestärken die eigene Auffassung und Ansicht. Man wird mit der eigenen Meinung nicht alleine gelassen. Eine scheinbare Wohlfühloase, die Facebook zum Zweck aller Nutzer entstehen lässt.

Aber so schön dieses Szenario des Algorithmus auf den ersten Blick auch scheinen mag, so mächtig und einflussreich ist es zugleich. Der Manipulation ist Tür und Tor geöffnet - ein zweiter, tieferer Blick verrät die Schattenseiten der Algorithmen.

Der Algorithmus in den sozialen Medien - Transparenz unerwünscht

Doch was ist Schattenseite der künstlichen Intelligenz des Algorithmus? Welche negativen Auswirkungen können Algorithmen in sozialen Medien auslösen?

Echokammern

Klar ist, dass soziale Medien schon lange nicht mehr der reinen Kontaktpflege dienen, sondern sich inzwischen als Nachrichtenquellen etabliert haben. Fast jeder Vierte (24%) informiert sich mindestens einmal wöchentlich über das aktuelle Geschehen, innerhalb der jüngeren Altersgruppe ist der Anteil noch höher (vgl. Steiner et al. 2019: 19). Soziale Medien wie Facebook stellen eine zentrale Informationsquelle, ein politisches Diskussionsforum und ein zentraler Teil politischer Meinungsbildungsprozesse dar (vgl. Magin et al. 2019: 95). Facebook informiert über aktuelle Geschehnisse und stellt einen Raum für Diskussionen sowie der Bildung der eigenen Meinung, insbesondere zu politischen Geschehnissen zur Verfügung. Alles ohne Geld zu bezahlen, alles ohne viel Aufwand und nur mit einer einzigen Anmeldung - einem einzigen ,Klick‘. Am Ende dieser vermeintlichen Wohfühloase, die durch Algorithmen hervorgebracht wurde, stehen aber Probleme, die die User einseitig beeinflussen und andererseits manipulieren. Algorithmen informieren zwar über das aktuelle Geschehen, doch ist die Sorge viel größer, dass sie jedem Nutzer nur das anzeigen, was zu seiner eigenen Meinung und der seiner Freunde passt. Es bilden sich sogenannte Echokammern - einer Polarisierung gegensätzlicher Meinungslager, die einander nicht mehr wahrnehmen (vgl. ebd.). Das Verständnis für andere als die eigenen Ansichten geht verloren, wenn sich User ständig im Kreis der eigenen Datensätze drehen. Selbst wenn objektive Wahrheiten und Fakten ganz anders sind als sie in der eigenen Echokammer allgegenwärtig erscheinen, wird das mitunter nicht erkannt, weil die ganze Bestätigung jede Hellhörigkeit für neue Erkenntnisse verloren geht.

Schweigespiralprozesse

Neben der falsch interpretierten Wahrnehmung von Meinungen steht gleichzeitig im Raum, dass die oft emotionalen, hasserfüllten Diskussionen auf Facebook und die Berichterstattung der Nachrichtenmedien Schweigespiralprozesse in Gang setzen könnten, in deren Verlauf ein Meinungslager immer lauter wird, während das andere verstummt. Die Theorie der Schweigespieralprozesse besagt, dass Menschen nur dann ihre Meinung äußern, wenn sie sich auf der Seite der Mehrheit vermuten. Vermuten sie, dass sie mit ihrer Meinung in der Minderheit sind, so halten sie ihre Meinung zurück (vgl. Neubaum et al. 2019: 117). Ganz nach dem Motto: ,Wer schwimmt schon freiwillig gegen den Strom, wenn er mit dem Strom schwimmen kann.‘ Allerdings geht es nicht nur um die Tatsache, eine andere Meinung zu besitzen und die zu äußern, sondern vielmehr um die Angst, als Minderheit seiner Aussage von anderen Usern ausgegrenzt zu werden.

Schon hier zeigt sich, dass der Algorithmus, den Facebook einsetzt um den ,Newsfeed‘ zu filtern und Inhalte darin zu Gewichten, sich nicht nur positiv auf die Nutzer auswirkt. Beim tiefgründigeren Blick auf den Algorithmus in sozialen Medien verfällt vorzeitig das Bild der vermeintlichen Wohlfühloase. Trotz alledem sind diese negativ behafteten Auswirkungen von Echokammern und Schweigespiralprozessen zunächst noch harmlos. Andere Meinungen nicht wahrnehmen zu können und seine eigene Meinung aufgrund von Minderheit nicht äußern zu können, wirkt zunächst noch ungefährlich. Denkt man - wenigstens zum jetzigen Zeitpunkt noch.

Filterblasen

Im Laufe der Zeit bewegen sich die Nutzer in sozialen Netzwerken entgegengesetzt ihrer direkten Kontrolle, in immer stärker personalisierten Filterblasen (vgl. Schmidt 2017: 70). In diesen Filterblasen bekommen die Nutzer nicht mehr mit, dass es auch andere Themen oder Ansichten gibt, als die, die in der Vergangenheit schon in der eigenen Bezugsgruppe kursiert sind. Weiterhin sind sie durch die zuvor beschriebenen Echokammern so eingeschränkt, dass sie die Vielfalt von Meinungsäußerungen nicht wahrnehmen können. Anstatt zu einem produktiven Austausch von widerstreitenden Argumenten, kommt es vielmehr zu einer wechselseitigen Bestärkung bereits vorgefasster Meinungen und möglicherweise sogar zum Hochschaukeln von immer schriller und extremer werdenden Stimmen. Dieses scheint vorerst nicht weiter bedrohlich. Bedrohlich wird es allerdings, wenn sich bestimmte Weltansichten oder Ideologien vertreten und sich gegenüber widerstreitenden Informationen abschotten. Stichwort: Antisemitismus. Gerade auf Facebook existieren immer mehr antisemitische Hassbotschaften, die erstens durch Algorithmen hervorgerufen werden können und zweitens nicht von Plattformen gelöscht werden. Facebook & Co. stellen nicht nur einen Raum für Ausgrenzung zur Verfügung, sondern laden zu Hass, Wut, und Gewalt ein. Immer wieder bestätigen entsprechende Studien das Vorliegen von Anhänger der Verschwörungstheorien sowie von populistischen oder politisch extremen Gruppierungen (vgl. ebd.: 71). Besonders durch die Facebook-Seite der im Jahr 2015 entstandenen Pegidabewegung, entwickelten sich zahlreiche Ableger dieser Bewegung in weiteren Städten sowie thematisch verwandte Facebook-Gruppen, in denen Menschen unwidersprochene Falschmeldungen verbreiteten und sich zu Beleidigungen und Hetze gegenüber Flüchtlingen und Einwandern, der Bundesregierung und der Lügenpresse aufstachelten (vgl. ebd.). Um gegen diese Formen der ,Hate speech‘ vorzugehen, einigten sich im Sommer 2016 Facebook, YouTube, Twitter und Microsoft mit der EU zumindest bestimmte Formen der ,Hate Speech‘ stärker zu bekämpfen. Trotz dieser Bemühung kursieren bis heute noch zahlreiche solcher Beiträge und Inhalte in den sozialen Medien. Wer sich auf sozialen Plattformen anmeldet, bleibt diesen Beiträgen nicht verschont.

Fake News

Allerdings sind es nicht einzig die personalisierten Filterblasen, die indirekt die Kontrolle über die Gesellschaft haben und Hass und Wut in der Welt verteilen. Viel bedenklicher können die sogenannten Fake News sein. Durch die rasante Geschwindigkeit und die extreme Reichweite in sozialen Netzwerken, kursieren immer wieder falsche Nachrichten, Lügen und Gerüchte. Folglich spielt der Wahrheitsgehalt eine immer größer werdende Rolle. Grundsätzlich sind Fake News also, medial gestreute Informationen, die als Kommunikationsmaskeraden sowohl gezielt und bewusst irreführend als auch strategisch und unbewusst-irrtümlich bestimmten Rezipienten zum Zwecke der Meinungserzeugung Verlässlichkeit vortäuschen, dies aber aus unterschiedlichen Gründen und mit absehbaren wie unabsehbaren Folgen (vgl. Antos 2017: 9). Meist wird auch von einem ,,postfaktischen Zeitalter‘‘ (vgl. Kaeser 2016) gesprochen. Einem Zeitalter, in dem bewusst Unwahrheiten im politischen Feld verbreitet wurden und deshalb das Potenzial besitzen, der Demokratie und dem gesellschaftlichen Frieden zu gefährden.

[...]


1 Aufgrund der Lesbarkeit wird im Essay das generische Maskulinum verwendet. Gemeint sind jedoch immer alle Geschlechter.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Manipulation der Meinungsbildung durch soziale Medien. Facebook, Algorithmen und Fake News
Jahr
2022
Seiten
18
Katalognummer
V1239676
ISBN (eBook)
9783346664303
ISBN (Buch)
9783346664310
Sprache
Deutsch
Schlagworte
manipulation, meinungsbildung, medien, facebook, algorithmen, fake, news
Arbeit zitieren
Anonym, 2022, Manipulation der Meinungsbildung durch soziale Medien. Facebook, Algorithmen und Fake News, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1239676

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