Die neue EU-Verfassung

Eine synoptische Untersuchung im Vergleich zum ursprünglichen Verfassungsentwurf


Hausarbeit, 2008

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung und Vorbemerkungen

2 Entstehung des Reformvertrags und seiner Vorläufer

3 Innovationen – was Europa voranbringen soll
3.1 Europäisches Parlament
3.2 Europäischer Rat
3.3 Hauptamtlicher Präsident
3.4 Ministerrat und Vorsitz
3.5 Europäische Kommission
3.6 Außenminister der Union
3.7 Europäischer Gerichtshof
3.8 Europäische Zentralbank
3.9 Ausschuss der Regionen

4 Schlussfolgerungen

5 Synopse

6 Literaturnachweis

1 Einführung und Vorbemerkungen

"Täglich verschwinden mehr und mehr die törichten Nationalvorurteile, alle schroffen Besonderheiten gehen unter in der Allgemeinheit der europäischen Zivilisation, es gibt jetzt in Europa keine Nationen mehr, sondern nur Parteien". Heinrich Heine (1797-1856)

„Die Einheit Europas war ein Traum weniger. Sie wurde eine Hoffnung für viele. Sie ist heute eine Notwendigkeit für alle“. Konrad Adenauer (1954)

Die „Verfassung für Europa“, auf die sich die Länder der EU 2004 einigten, ist von vielen Beobachtern als das bislang anspruchsvollste Reformprojekt bezeichnet worden1. Es geht um nicht weniger, als die künftige Handlungsfähigkeit dieser Organisation angesichts weitreichender Herausforderungen wie etwa der Ost-Erweiterung, der viel beschworenen Globalisierung und dem langsamen, aber kontinuierlichen Abstiegs der USA als Schutzmacht der Länder des alten Kontinents. Den beteiligten Nationen wurde klar, dass diese und andere Probleme sich nicht mit „weniger Europa“ lösen lassen, wie das protektionistische Stimmen Heinrich Heine zum Trotz immer schon gefordert haben, gegenwärtig fordern, und nach allen Gesetzen der Wahrscheinlichkeit und der menschlichen Psyche auch künftig immer fordern werden.

Gleichwohl scheiterte die Reform dann bekanntlich an Volksreferenden, zunächst in der französischen Republik, später in den Niederlanden2. In dem Ausmaß, in welchem jedem ernsthaften politischen Beobachter augenblicklich klar wurde, dass die Bürger nicht tatsächlich den Verfassungsentwurf ablehnten – dazu hätten sie ihn zumindest lesen müssen, und viele Zeitungsartikel ließen vermuten das sich nicht mal Journalisten diese Mühe gemacht haben – so groß war andererseits die Ratlosigkeit, wie es nun weitergehen sollte. Denn der Weg bis dahin war bereits beschwerlich und nun sollten noch weitere Länder hinzutreten.

Dennoch – vor wenigen Wochen, am 23. Juni 2007 wurde im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft eine Vereinbarung zur Erstellung eines Reformvertrages verabschiedet3. Dieser Vertrag – wiewohl von Diplomaten als „kaum lesbar“ und „bewußt häßlich“ tituliert – wurde von Kommissionspräsident José Durao Barroso1 dafür gelobt, dass es gelungen sei, „die wesentlichen Neuerungen des Verfassungsvertrags und damit seine inhaltliche Substanz zu erhalten“.

Vom ursprünglich verabschiedeten Verfassungsentwurf wurde vielfach angenommen, er bringe die europäische Idee voran, getragen von dem Motto der EU: In Vielfalt geeint. Insbesondere wurde angenommen, dass die Institutionen der EU selbst gestärkt würden. Die spannende Frage lautet deshalb: Was ist davon noch übrig geblieben?

Das Dilemma eines jeden ambitionierten Hausarbeitsthemas besteht zweifellos im gezwungenermaßen geringen Seitenumfang der Arbeit selbst, ein wenig tröstlich ist die alte Journalistenweisheit „In der Kürze liegt die Würze“. Die vorliegende Hausarbeit kann deshalb nur kurz auf die historischen Entwicklungen eingehen, die letztlich zum gegenwärtigen Stand der Dinge führten. Anschließend werden die einzelnen Aspekte, die einen Fortschritt für die Unions-Institutionen bedeutet hätten und haben, untersucht. Dabei geht es um drei Blickwinkel: Was ist in der jeweiligen Sache der Stand der Dinge, was hätte ferner die Verfassung von 2004 bewirkt und schließlich: Wie wirkt sich nun der Reformvertrag vermutlich aus. Was folgt, ist eine kurze Bilanz und ein synoptischer Überblick.

2 Entstehung des Reformvertrags und seiner Vorläufer

Zunächst sei kurz erläutert, wie es zu der Reform kam. Das Projekt des Verfassungsvertrages ist von besonderer historischer Tragweite, soviel Pathos sei erlaubt2. Sicher – auch heute haben bestimmte Entscheidungen des Staatenbundes die Kraft, nationale Verfassungen, geschweige denn einfache Gesetze zu übertönen, ja obsolet zu machen3. Auch heute spricht man zwar im erweiterten Sinne von einer „Verfasstheit der EG“4. Diese speist sich jedoch aus mehr als einer Quelle und weist systematisch wie ästhetisch keinerlei Ähnlichkeit zu nationalen Verfassungen, etwa dem deutschen Grundgesetz auf, sicher entfaltet sie auch nicht die symbolische Kraft einer „Bill of Rhights“ oder einer „Constitution française“.

Erst im vierten Versuch gelang es den Ländern der Union, eine Verfassung auszuarbeiten, die alle Elemente des politischen und ökonomischen Zusammenwachsens umfasste und fernerhin sein Verhältnis zu den Bürgern des alten Kontinents definierte1.

Nach den Reformverträgen von Maastricht im Jahre 1992, Amsterdam 1997 und Nizza 2001 wurde Ende 2001 die Einsetzung eines europäischen Konvents beschlossen, der von Februar 2002 bis Juni 2003 tagte und anschließend einen entsprechenden Verfassungsvertragsentwurf präsentierte2. Dieser wurde neun Monate lang auf verschiedenen Ebenen beraten – ein Disput über das künftige Abstimmungsverfahren bzw. die Stimmverteilung bremste die Runde3 – bis sich die Regierungen der damals 25 Nationen schließlich am 18. Juni 2004 auf einen Verfassungsvertrag einigten und dies am 29. Oktober 2004 feierlich an jenem Ort unterzeichneten, an dem bereits 1957 die ersten sechs Mitglieder den damaligen EWG-Vertrag signierten – in Rom4.

Nach der Unterzeichnung des Vertrags stand freilich allen Mitgliedstaaten die Ratifizierung des Vertrages bevor. Während das deutsche Verfahren eine Abstimmung durch das Parlament vorsah, waren in einigen anderen Ländern Volksreferenden notwendig. Am 29. Mai 2005 wurde das Vertragswerk dem französischen Volk vorgelegt. Ähnlich wie die Niederländer am 1. Juni 2005, lehnten die Franzosen jedoch ab5.

Seitdem herrschte ausgesprochene Ratlosigkeit. Der europäische Rat, der am 16. Juni tagte, kam beispielsweise zu dem äußerst euphemistischen Schluss, dass die Termine für eine „Bestandsaufnahme“ im November 2006 nicht gehalten werden könnten. Dabei war für diesen Zeitpunkt keineswegs eine harmlose „Bestandsaufnahme“ geplant, sondern vielmehr das Inkrafttreten der Konstitution selbst6.

Viel Hoffnung wurde dann in die Möglichkeiten der Deutschen Ratspräsidentschaft zum Jahresbeginn 2007 gelegt. Die Deutschen legten einen neuen, ausgesprochen technisch anmutenden Vertragsentwurf vor, einen „Reformvertrag“. Ganz pragmatisch sollten wichtige Innovationen aus dem alten Verfassungs-Entwurf von 2004 übernommen werden, alles was andererseits nach Verfassung auch nur klang, wurde herausgestrichen, so etwa die Erwähnung von Hymne, Fahne und Motto7. Am 23. Juni wurde dieses Konzept, der Vertrag zur Verbschiedung eines „Reformvertrag“, dann auch nach heftigem Ringen und einigen Zugeständnissen – z.B. in Richtung Polen – beschlossen.

Der Verfassungscharakter wurde also zurückgedrängt, indem jegliche Symbolik entfernt wurde. Wie es in den „allgemeinen Bemerkungen“ im Anhang zum Mandat für die Regierungskonferenz heißt, sollten „die Effizienz und die demokratische Legitimitat ̈ der erweiterten Union sowie die Koharenz ̈ ihres ̈ auswartigen Handelns erhoht ̈ werden“, jedoch wurde das „Verfassungskonzept, das darin bestand, alle bestehenden Vertrage ̈ aufzuheben und durch einen einheitlichen Text mit der Bezeichnung Verfassung zu ersetzen“ aufgegeben. Alle bestehenden Verträge werden demnach in Kraft bleiben, die Neuerungen werden schlicht in diese eingearbeitet. Der Vertrag ̈uber die Europaische ̈ Union (EUV) wird seine Bezeichnung behalten. Der Vertrag zur ̈ Grundung der ̈ Europaischen Gemeinschaft (EGV) wird umbenannt werden, in „Vertrag ̈uber die Arbeitsweise der Union“2.

3 Innovationen – was Europa voranbringen soll

„Die Verfassung ist ein Mittel, das sicherstellen soll, dass die Herrschenden ihre Macht nicht missbrauchen." - John Stuart Mill

Die Konstitution von 2004, aber auch der Reformvertrag von 2007 haben durchaus für Verbesserungen auf verschiedenen Ebenen gesorgt, und diese lassen sich leicht ausfindig machen. Für unsere Zwecke soll jedoch der Rahmen enger gezogen werden: Vorliegende Hausarbeit untersucht vergleichend die beiden Verträge sowie den Status Quo gezielt auf die Frage hin, inwieweit wesentliche Reformen im institutionellen Bereich beschlossen werden konnten, also Innovationen, welche geeignet sind, Effizienz und Effektivität der EU-Organe selbst zu verbessern. Methodisch wird jeweils zunächst ein Sachverhalt auf den Unterschied Verfassung 2004 / Status Quo hin untersucht, anschließend wird aufgezeigt, inwieweit eine Veränderung durch dem Reformvertrag erfolgte3.

[...]


1 Vgl. Markus Möstl: Verfassung für Europa, München, 2005, S. 11f vgl. ferner Rudolf Streinz, Christoph Ohler, Christoph Herrmann: Die neue Verfassung für Europa, München, 2005, S. 12.

2 Vgl. zur Notwendigkeit von Referenden: Thomas König, Stefanie Daimer, Daniel Finke: Plebiszit und Ratifikation. Eine vergleichende Untersuchung von Referenden zur Europäischen Verfassung, Speyer, 2006, S. 47 ff. und 81 ff.

3 Im einzelnen wird eine Regierungskonferenz mit der detaillierten Ausarbeitung beauftragt. Im weiteren Textverlauf wird darauf näher eingegangen.

1 Der Vertrag sei „eher Prosa als Gedicht“, so Barroso.

2 Vgl. Markus Möstl: a.a.O., S. 110.

3 Siehe „Solange I“ und „II“-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichtes.

4 Vgl. Michael Gehler: Neuordnungsversuche und Verfassungsvorschläge für Europa, in: Sonja Puntscher-Riekmann/Günter Herzig/Christian Dirninger (Hg.): Europa Res Publika. Europaeischer Konvent und Verfassungsgebung, Wien, 2006, S. 51.

1 Vgl. Klaus Hänsch: Jenseits der Artikel – europäische Grundentscheidungen de EU-Verfassung, in: Mathias Jopp/Saskia Matl (Hg.): Der Vertrag über eine Verfassung für Europa, Baden-Baden, 2005, S. 551-560

2 Vgl. Rudolf Streinz, Christoph Ohler, Christoph Herrmann: a.a.O., 2005, S. 15.

3 Vgl. Markus Möstl: a.a.O.,S. 21f.

4 Vgl. Andreas Maurer: Die Ratifikation des Verfassungsvertrages, in: Mathias Jopp/Saskia Matl (Hg.): Der Vertrag über eine Verfassung für Europa, Baden-Baden, 2005, S. 493.

5 Vgl. Thomas König, Stefanie Daimer, Daniel Finke: a.a.O., S. 47 ff. und 81 ff.

6 Vgl. Peter Knauer: Was wird aus dem Verfassungsvertrag? Berlin, 2007, S. 11

7 Dies kam aber auch dem Vereinigten Königreich sehr entgegen, welches einer Verfassung generell ablehnend

gegenübersteht. Auf diese Weise kann man sich auf der Insel weiterhin der Fehlannahme hingeben, das Landesrecht Europarecht bricht. Zur historischen Herleitung der Ablehnung: Neil MacCormick: Who's Afraid of a European Constitution, Exeter, 2005, S. 38 ff..

2 Vgl. Schlussfolgerungen des Vorsitzes der Rates zum Reformvertrag Dok. 11177/1/07 REV 1.

3 Bislang gibt es ja nur einen Vertrag zur Erstellung eines Reformvertrages, dokumentiert auf den EU-Internetseiten, vgl. „Dokumente der Europäischen Union“, in: http://europa.eu/index_de.htm, abgerufen am 10. August 2007. Dokumentiert sind die vereinbarten Änderungen durch die „Schlussfolgerungen des Vorsitzes der Rates zum Reformvertrag Dok. 11177/1/07 REV 1“, künftig verkürzt „Schlussfolgerungen des Vorsitzes“ genannt. Bei Nichtnennung ist vorgesehen, dass der Vertrag wie durch die Regierungskonferenz zum VVE gelten soll. Der Verfassungsvertrag wird demgegenüber mit „VVE“ abgekürzt, wie in der Literatur üblich.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die neue EU-Verfassung
Untertitel
Eine synoptische Untersuchung im Vergleich zum ursprünglichen Verfassungsentwurf
Hochschule
Universität Hamburg
Veranstaltung
Europäisches VerfassungsR
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V123969
ISBN (eBook)
9783640296057
ISBN (Buch)
9783640301829
Dateigröße
531 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
EU-Verfassung, Europäisches, VerfassungsR
Arbeit zitieren
Sarah von Leiden (Autor:in), 2008, Die neue EU-Verfassung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123969

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