Das Wendejahr 1959. Die Darstellung eines Epochenumbruchs in der westdeutschen Literatur


Hausarbeit, 2019

20 Seiten, Note: 2,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Entwicklung in der Literatur seit 1945

3. Das Wendejahr 1959
3.1 Die Rolle der Gruppe 47
3.2 Literatur im Wendejahr 1959
3.3. Rezeption der Blechtrommel als herausragendes Werk aus dem Jahr 1959

4. Die Entwicklung in der Literatur seit 1959

5. Resumee

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der Literatur gibt es einen standigen Epochenwandel. Werke, die in einen gemein- samen historischen Zeitraum fallen, werden in Epochen zusammengefasst. Dabei spie- len stilistische und formale Eigenschaften eine Rolle. Die Werke, die einer Epoche angehoren, konnen neben dem gemeinsamen historischen Zeitraum, anhand gemein- samer stilistischer und formaler Eigenschaften, Thematiken und Motiven identifiziert werden. Diese Einteilung wird anhand bestimmter Merkmale, wie historischen Ereig- nissen und gesellschaftlichen Bewegungen, festgemacht. Mit dem Ende des zweiten Weltkrieges begann in Deutschland die Epoche der Nachkriegsliteratur.

Literaturhistorisch betrachtet ist das Jahr 1959 fur die deutsche Literatur wertvoll, da erstmals eine kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus literarisch verarbeitet wurde und damit es tatsachlich zu einer Fortentwicklung jener kam. Der Zweite Weltkrieg lag bereits mehr als ein Jahrzehnt zuruck. Doch die kritische Ausei- nandersetzung mit der jungeren Vergangenheit war unmittelbar nach dem Krieg lange Zeit nicht geschehen. Im Jahr 1959 andert sich das mit dem Erscheinen bedeutender deutscher Werke wie beispielsweise der Blechtrommel von Gunter Grass. Der Roman bekam in der damaligen Literaturkritik viel Beachtung, da er die deutsche Nachkriegs- situation kritisch betrachtet und sich mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinan- dersetzt. Im Vorfeld dieses Jahres waren die Mitglieder der Gruppe 47 bemuht darum der deutschen Literatur neue Kraft zu verleihen und ubten groBen Einfluss auf die Nachkriegsliteratur aus.

Die damalige historische Situation beeinflusste die deutschen Schriftsteller sehr, weil die politische Situation instabil war. Im Mai 1945 wurde der Zweite Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht beendet. Mit diesem Zeit- punkt begann die Nachkriegszeit. Die Einteilung Deutschlands sowie Berlins in vier Besatzungszonen fand statt. Dabei ubernahmen die vier alliierten Siegermachte Sow­jetunion, USA, GroBbritannien und Frankreich je eine Zone. Im Jahr 1949 wurden die demokratische Bundesrepublik im Westen und die sozialistische Deutsche Demokra- tische Republik im Osten gegrundet.

Die Deutschen lebten in einer ZusammenbruchsgeseUschaft.'1 Der Alltag der deutschen Bevolkerung war von vielen Problemen bestimmt. Weite Teile der Zivilbevolkerung litt unter Armut, Krankheit, Kalte und Hunger. Millionen Deutsche befanden sich noch in Kriegsgefangenschaft. Die Trummer der Zerstorung in den Stadten, die durch den Zweiten Weltkrieg ein verheerendes AusmaB erreicht hatten, mussten unter den wid- rigen Umstanden weggeraumt werden. Im Rahmen dieser vorliegenden Arbeit wird beleuchtet wie die Zeit des Zweiten Weltkriegs in der deutschen Literatur aufgearbeitet wurde. Zwar wird auch ein Blick auf die Nachkriegsliteratur der DDR geworfen, den- noch bleibt die Betrachtung der Nachkriegsliteratur der Bundesrepublik im Vorder- grund, da diese fur das 1959, die ausschlaggebende ist.

Im Zentrum dieser Arbeit liegt die Betrachtung der Literatur rund um das Jahr 1959, das literarisches Wendejahr gilt.2 Besonderes Augenmerk wird auf die Rezeption und Wirkung auf die nachfolgende Literatur gelegt. Dabei wird beleuchtet welche Autoren eine Rolle spielten. Hierbei wird die Blechtrommel exemplarisch als wichtiger Roman aus dem Jahr 1959, mit Fokus auf die Rezeption und somit deren Wirkung, aus diesem herausragenden Jahr, vorgestellt und deren Inhalt in den historischen Kontext einge- ordnet. Dabei wird eine literaturtheoretische Auseinandersetzung mit der Blechtrom- mel vorgenommen. Nicht das Werk an sich steht im Mittelpunkt, sondern seine Re- zeption und Wirkung, da diese den Wandel in der Literatur mitbewirkte.

Zunachst wird die deutsche Literatur der Nachkriegszeit seit 1945 betrachtet. Um an- schlieBend das literarische Wendejahr 1959 mit seinen herausragenden Werken vor- zustellen und seine besondere Wirkung auf die Literatur der nachfolgenden Jahre so- wie der Nachkriegsliteratur. Dies ist in der Betrachtung der Literatur der Sechziger- jahre nachvollziehbar, die in dieser Arbeit skizziert wird. AbschlieBend werden diese epochalen Entwicklungen in einem Resumee zusammengefasst.

2. Die Entwicklung in der Literatur seit 1945

In diesem Kapitel wird beleuchtet wodurch die Literatur seit 1945 gepragt war und wie die deutsche Literaturlandschaft der Nachkriegszeit ausgesehen hat. Insbesondere ist von Interesse wie der Krieg, der unmittelbar beendet wurde, in der deutschen Lite- ratur aufgearbeitet wurde.

Die Erfahrung, die allen Deutschen seit 1945 gemein war, war die eines Kontinuitats- bruchs in der Geschichte. Damit verbunden waren eine Traditionsunsicherheit, Identi- tatssuche und der Wunsch nach Anerkennung.3 Der Zweite Weltkrieg, aus diesem diese Situation resultierte, wurde von den Autoren dieser Zeit aufgegriffen. Eine Viel- zahl an Autoren setzte sich, unmittelbar nach dem Kriegsende, mit den Schrecken des Nationalsozialismus auseinander, jedoch blieb eine realitatsnahe Schilderung dieser Zeit in der Literatur zunachst aus. So gab es eine Neigung zur surrealistischen Uber- hohung einer Wirklichkeit, die sich scheinbar mittels realistischen Schreibens nicht bewaltigen lieB.4 Die Literatur dieser Jahre hatte verschiedene Varianten. Sie erschien duster, ironisch gefarbt oder religios.5

Durch diesen Kontinuitatsbruch kam die Nullpunkt-These6 auf. Unter dem Nullpunkt ist zu verstehen, dass die Literatur nach 1945 sich in einem solchem Umbruch befand, sodass sich die Literatur danach neukonstituieren musste. Dieser These nach war die Literatur genau wie die Gesellschaft dem Nichts genubergestellt und musste sich neu aufstellen. Doch ist die Nullpunkt-These sehr umstritten, da sie mehr als Schutzbe- hauptung diente. Die Autoren, die hinter dieser These standen, erhofften sich damit von den Geschehnissen wahrend des deutschen Nationalsozialismus distanzieren zu konnen. Die westdeutsche Literatur der ersten Nachkriegsjahre ist Dokument einer Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, die noch keine Aufarbeitung der Vergangenheit waren, sondern vielmehr der Versuch die Literatur als ein Medium der Selbstbehauptung gegen den totalitaren Staat zu nutzen. Das hangt auch damit zusam- men, dass die Texte dieser Zeit haufig Texte verspateter Literatur7 waren. Diese Lite- ratur kennzeichnet, dass sie wahrend des dritten Reichs entstanden war, aber erst nach dem Kriegsende veroffentlicht wurde. Die Romane aus dieser Zeit thematisieren zwar den Nationalsozialismus, aber sie waren keine Vergangenheitsbewaltigung.

Erste Aufarbeitungsversuche der Zeit des Nationalsozialismus gab es zunachst nur in Form von autobiografischen Schriften, die beispielsweise das Leben in Konzentrati- onslagern schilderten, sowie in Form von Essays.8

Parallel zur verspateten Literatur existierte die sogenannte Trummerliteratur bzw. Kahlschlagliteratur9, die sich bewusst vom Nationalsozialismus und der Auseinan- dersetzung mit der Zeit des zweiten Weltkriegs abwandte. In der Trummerliteratur wurde die Alltagswirklichkeit der Gesellschaft dargestellt. Die Autoren schilderten die Grenzsituation, in der sie sich befanden. Diese Schilderung ist durch eine redu- zierte Stilistik charakterisiert. Besonders Heinrich Boll war in seinen Werken darum bemuht sich dem Krieg und der Nachkriegszeit zu widmen.10 Insbesondere die Kurz- geschichten Bolls verarbeiteten die Erfahrungen des Krieges und die gegenwartige Nachkriegssituation. Der Sammelband Wanderer, kommst du nach Spa... ist dabei von besonderer Bedeutung. Die Kurzgeschichten Bolls werden aufgrund ihres hohen Symbolgehalts in der Literaturszene sehr geschatzt. Die szenische Umgangssprach- lichkeit, die Einfachheit, Unkompliziertheit der Sprache mit den kurzen, oft ellipti- schen Satzen, mit dem parataktischen Satzbau und den lebensnahen Dialogen wurden der Prosa Bolls die Naturlichkeit und den Realismus der Kurzgeschichte verleihen.11 In der Kahlschlagliteratur versuchten die Autoren mit ihren Werken einen literarischen Neuanfang zu schaffen. Damit einhergehend waren sie um eine Uberwindung des na- tionalsozialistischen Sprachmissbrauchs bemuht. In diesem Zusammenhang sind ins- besondere Autoren wie Wolfgang Weyrauch und Dolf Sternberger zu nennen.

[...]


1 Vgl. KleBmann, Christoph: Die doppelte Staatsgrundung; Deutsche Geschichte 1945 - 1955, Schrif- tenreihe Band 298, Bonn: Bundezentral fur politische Bildung 1991, S. 37. Mit diesem Begriff be- schreibt KleBmann den eklatanten Zustand, in dem sich die deutschen in der Nachkriegszeit befanden.

2 Vgl. Schutz, Erhard: Konfiguration des Ubergangs. In: Agazzi, Elena/ Schutz, Erhard (Hrsg.): Hand- buch Nachkriegsliteratur. Literatur, Sachbuch und Film in Deutschland (1945-1962), Berlin u. a.: De Gruyter 2013, S. 138.

3 Vgl.: Hettlage, Robert: Epoche - sozialgeschichtlicher AbriB: Bundesrepublik - DDR: In: Glaser, Horst (Hrsg.): Deutsche Literatur zwischen 1945 und 1995. Eine Sozialgeschichte. Bern u. a.: Paul Haupt Verlag 1997, S. 5.

4 Brenner, Peter J.: Nachkriegsliteratur. In: Glaser, Horst (Hrsg.): Deutsche Literatur zwischen 1945 und 1995. Eine Sozialgeschichte. Bern u. a.: Paul Haupt Verlag 1997, S. 35.

5 Beispiele fur diese Erscheinungsformen der Literatur dieser Zeit sind die Literatur von Werner Krauss, die ironisch gefarbt ist. Wiederum duster war beispielsweise die Literatur Hermann Kasacks und als religios wird die Literatur Elisabeth Langgassers bezeichnet.

6 Der Autor Hans Werner Richter veroffentlichte in der Zeitschrift Der Ruf einen Artikel, in dem er die These aufstellte, dass ein gesellschaftlich-kultureller Aufbau nicht durch ein Anknupfen an die Vergangenheit moglich sei. Auf dieser Annahme beruhend, bildete sich die Nullpunkt-These heraus. Siehe: Trommler, Frank: Auf dem Weg zu einer kleineren Literatur. Asthetische Perioden und Prob- leme seit 1945: In: Koebner, Thomas (Hrsg.): Tendenzen der deutschen Gegenwartsliteratur. 2., neu- verfasste Auflage, Stuttgart: Kroner Verlag 1984, S. 11.

7 ebd., 34.

8 ebd., 40.

9 Die Literatur charakterisierte sich stilistisch gesehen durch Knappheit. Auf diesem Wege versuchten die Autoren die durch die NS-Zeit belastete Sprache zu reinigen.

10 ebd., 42.

11 Vgl. Schnurre, Wolfdietrich: Erzahlungen 1945-1965. Munchen: List Verlag 1977, S. 390.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Das Wendejahr 1959. Die Darstellung eines Epochenumbruchs in der westdeutschen Literatur
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Germanistik)
Note
2,7
Jahr
2019
Seiten
20
Katalognummer
V1240129
ISBN (eBook)
9783346666314
ISBN (Buch)
9783346666321
Sprache
Deutsch
Schlagworte
wendejahr, darstellung, epochenumbruchs, literatur
Arbeit zitieren
Anonym, 2019, Das Wendejahr 1959. Die Darstellung eines Epochenumbruchs in der westdeutschen Literatur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1240129

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