Urban Gardening. Die Bedeutung der Gärten für eine nachhaltige Stadtentwicklung


Hausarbeit, 2021

25 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kontext Stadt
2.1 Stadtdefinieren
2.2Die historische Entwicklung der Stadtgarten
2.3 Einbettung in den Stadtsoziologischen Kontext

3. UrbanGardening
3.1 Die verschiedenen Formen des Urban Gardening
3.1.1 Guerilla Gardening
3.1.2 Interkulturelle Garten
3.1.3 Gemeinschafts- undNachbarschaftsgarten
3.2 Akteurlnnen des Urban Gardening

4. Nachhaltigkeit im stadtsoziologischen Kontext
4.1 Nachhaltigkeit definieren
4.2 Nachhaltige Stadtentwicklung
4.3 Die Bedeutung der Stadtgarten fur eine nachhaltige Stadtentwicklung

5. Fazitund Ausblick

6. Literaturverzeichnis
6.1 Internetquellen

1. Einleitung

Die Stadt des 21. Jahrhunderts wachst mit zunehmender Geschwindigkeit. Mehr als 50 Prozent der Weltbevolkerung lebt mittlerweile in Stadten, die Tendenz ist steigend. In Deutschland sind es bereits 75 Prozent der Gesamtbevolkerung, welche in stadtischen Siedlungen wohnen. Die Vereinten Nationen1 prognostizieren, dass bis zum Jahr 2050 bis zu 70 Prozent der Weltbevolkerung in Stadten leben wird. Die Grande fur diese Entwicklungen sind vielfaltig, vor allem verspricht sich der Mensch vom Leben in der Stadt bessere Lebensbedingungen in Bezug auf Wohnraum, Einkommen, Bildung, Mobilitat und Gesundheit.2 Daruber hinaus wird das Leben vornehmlich in der GroBstadt als aufregend empfunden und gibt dem Menschen das Gefuhl der Vielfalt und Selbstverwirklichung.

Vor diesem Hintergrand und der daraus resultierenden Entwicklungen sieht sich der Mensch mit wachsenden Problemen und Herausforderungen konfrontiert. Ein sehr aktuelles und seit den 70er Jahren immer starker diskutiertes Problem ist die Umweltverschmutzung. Diese geht mit dem Wachstum der Stadte Hand in Hand. Die Stadt, der kumulativ bevorzugte Lebensraum des Menschen, steht in einem invertierten Verhaltnis zur Natur. Natur ist „das drauBen Liegende“. Vor dem Hintergrand der wachsenden Stadte stellt sich unter anderem die Frage, wo genau diese „drauBen liegende“ Natur zu finden ist. Wirft man in Deutschland einen Blick uber die Stadtgrenzen hinaus, so wird man zumeist landwirtschaftlich betriebene Felder vorfinden. Die Versorgung der Stadter wird hier auf einem hochindustriellen Niveau betrieben und fuhrt zum Beispiel durch die Felderdbewirtschaftung zu stark ausgelaugten Boden, welche auf Dauer unfruchtbar und leblos werden. Lasst man den Blick weiter schweifen, so wird man auf Wirtschaftswalder stoBen, welche ebenso wenig gesunde Natur verkorpern wie die kaputten Boden der Landwirtschaft. Dieser kleine Ausflug vor die Stadt soil verdeutlichen, wie sehr die Natur als etwas AuBenstehendes verstanden wird. Bei genauerer Betrachtung trifft man dort „drauBen“ ebenso wenig Vielfalt an wie im stark besiedelten stadtischen Raum.

Wollen die Stadte zukunftsfahig bleiben, so wird eine nachhaltige Stadtentwicklung unausweichlich sein. Weltweit lassen sich fur jede wachsende Stadt zentrale Fragen stellen. ,,Wie, von wem, mit welchen Ressourcen und mit welcher Verbindlichkeit konnen stadtische Entwicklungsprozesse nachhaltig gestaltet werden?“3 Nachhaltigkeit ist hierbei als die okonomische, soziale und okologische Zukunftsfahigkeit von Stadten zu verstehen.

Fur diesen sehr breitgefacherten Nachhaltigkeitsgedanken gibt es trotz umfangreicher Forschungsbemuhungen bisher keine zentralen Losungsansatze.

In dieser Arbeit soil die Praxis der urbanen Garten als eine Moglichkeit fur eine nachhaltige Stadtentwicklung untersucht und diskutiert werden. Im ersten Teil der Arbeit soil dafur ein Rahmen geschaffen werden, der die Stadt als Lebensraum eingrenzt und definiert. Darauf aufbauend, wird die historische Entwicklung der Stadtgarten dargelegt, um diese im Anschluss in den stadtsoziologischen Kontext einzubetten. Der zweite Teil der Arbeit wird sich mit dem aktuellen Geschehen des „modemen“ Urban Gardening befassen und einen Uberblick uber die aktuellen Vorgehensweisen, Akteurlnnen und deren Leitziele geben. Auf dieser Basis kann im dritten Teil fortfuhrend analysiert und untersucht werden, wie sich die Praxis des Urban Gardening auf eine nachhaltige Stadtentwicklung mit dem Ziel der Verflechtung von sozialen, okonomischen und okologischen Aufgaben auswirken kann.

2. Kontext Stadt

Wie in der Einleitung bereits dargelegt, ist die Stadt des 21. Jahrhunderts von Wachstum gepragt und wird zunehmend zum selbstverstandlichen Lebensraum des Menschen. Angetrieben vom Wunsch nach verbesserten Lebensbedingungen sowie dem Leben selbst, zieht es den Menschen in die Stadte, die dadurch wachsen und gedeihen. Die Stadt gilt als Ort der Begegnungen, der Veranderungen, der Geschwindigkeiten, der Spannungen, der Proteste, der Emeuerungen, des Erhaltens, des NiederreiBens und Neuerrichtens. Dieser Ort ist der „hochaktuelle und spannungsreiche Untersuchungsgegenstand“ (Low et al., 2008, 11), in welchem diese Arbeit nach Antworten sucht.

Dabei genugt es nicht, die Stadt als Stadt zu benennen. Jede Stadt ist einzigartig, mit einem ganz eigenem „Stadtschicksal“ und einer jeweils individuellen Geschichte. Stadte unterscheiden sich dabei in der Materialitat, dem Klima, der Bebauung, der politischen Kultur, der okonomischen Situation, der Einbindung in regionale Netzwerke, der geografischen Lage sowie in ihrer GroBe und Einwohnerzahl. Auch wenn gesellschaftliche Strukturen, wie die Trennung von Offentlichem und Privatem oder die Arbeitsteilung, ortsunabhangig sind, so unterscheiden sie sich dennoch in ihren jeweiligen Interpretationen und Praktiken. Fur stadtsoziologische Untersuchungen ist die Einbettung von gesellschaftlichen Ereignissen, Problemen und Themen in „lokal spezifische Wahrnehmungs- und Thematisierungsmuster sowie in die spezifischen, materiellen und sozialen Konstellationen einer Stadt“ von Interesse (Low et al., 2008, 10). Nicht mehr im Fokus der Stadtebeschreibungen ist heute die Ungleichzeitigkeit sozialer, baulicher und technologischer Entwicklungen. Die Unterschiede zwischen Kleinstadten und GroBstadten oder zwischen dem Land und der Stadt sind vielmehr Erscheinungen zeitlicher Verschiebungen als Vergesellschaftungsformen. Das allgemeine Prinzip der Lebensgestaltung ist die stadtische Lebensweise geworden. Es ist eine tendenziell anonyme, rationalisierte, normierte, demokratisierte sowie am technischen Fortschritt und individueller Freiheit interessierte Lebensweise.4

2.1 Stadt definieren

Eine der wirkungsmachtigsten Definitionen der Stadt stammt vom Chicagoer Soziologen Louis Wirth. Er beschreibt die Stadt folgendermaBen: ,,Fur soziologische Zwecke kann die Stadt definiert werden als eine relativ groBe, dicht besiedelte und dauerhafte Niederlassung gesellschaftlich heterogener Individuen“ (Wirth, 1974 [1938], 48).5

Die stadtsoziologische Denkweise wird demnach ganz grundlegend von den Merkmalen GroBe, Dichte und Heterogenitat gepragt. Das Merkmal der GroBe einer Stadt ist allerdings eine sehr ungenaue Abgrenzung. Zum einen kann die soziale Bedeutung einer Stadt mit dem Merkmal der GroBe nicht explizit bestimmt werden, zum anderen ist die GroBe eine relative Angabe und steht immer in einem Verhaltnis zur geografischen Lage und der Einwohnerzahl.6

Die Einwohnerzahl einer Stadt hat auf die empfundene GroBe einen starkeren Einfluss als die rein geografische GroBe. Stadte ab einer GroBe von 100.000 Einwohnerlnnen werden, statistisch betrachtet, als GroBstadt bezeichnet. Als Metropole oder Metropolregion werden Stadte bezeichnet, welche fur ihre jeweilige Region eine zentrale Rolle spielen. Diese Stadte sind in den meisten Fallen auch Millionenstadte mit einer Einwohnerzahl von einer Millionen Menschen. In Europa gibt es hierbei allerdings Ausnahmen wie Frankfurt am Main, Genf und Zurich. Diese Stadte gelten auf Grund ihrer globalen, politischen, kulturellen und okonomischen Bedeutung als Metropolen, obwohl ihre Einwohnerzahl unter einer Millionen liegt. Als Megacities werden Stadte wie London und Paris bezeichnet. Diese Stadte haben mehr als funf Millionen Einwohnerlnnen. Zusammenfassend kann man sagen, dass fur Stadte verschiedene Bezeichnungen verwendet werden. Diese richten sichje nach Messkriterium nach der Einwohnerzahl, der Bevolkerungsdichte und dem Einzugsgebiet.7 Das Merkmal der Dichte beschreibt die Akkumulation von Dingen, Formen, Institutionen und Menschen in der Stadt. Damit koharent ist die Heterogenitat und die Anonymitat der Bewohnerlnnen, welche ihr Handeln aktiv pragen.8

Als Zwischenresumee lasst sich festhalten, dass Stadte durchdachte und geplante Orte der Gesellschaft sind sowie als Zentren der Konsumption und Produktion zu verstehen sind. Die Strukturen der Stadt in Bezug auf die Kulturproduktion und den Arbeitsmarkt werden durch ein bestimmtes Handeln vor Ort bestimmt und stehen diesem nicht als Abstraktion gegenuber. Stadte sind ferner wahrgenommene und gedeutete Formen, was sich durch bestimmte Erfahrungswerte manifestiert. Als diese diverse Formation konnen Stadte je nach perspektivischer Ausrichtung entweder als widerspruchliche, heterogene Anordnungen oder als eigene abgegrenzte Formationen gelebt und erlebt werden.9

2.2 Historische Entwicklung der Stadtgarten

Kulturhistorisch ist die Geschichte der Stadtgarten eng mit der Siedlungsgeschichte des Menschen verbunden und begann mit dieser vor ungefahr 12.000 Jahren in der Jungsteinzeit.

Mit der Sesshaftwerdung des Menschen ging ein zunehmend starkes Bevolkerungswachstum einher, welches nach dem heutigen Wissensstand durch die Ausgrabungen in Mesopotamien vor mindestens 10.000 Jahren zu ersten stadtischen Auspragungen fuhrte.10 Das Leben in dorfahnlichen Gemeinschaften mit der Versorgung der Gemeinde durch Ackerbau und Viehzucht unterscheidet sich vorerst als Siedlung von der Stadt. Leonardo Benevolo (2000, 19) defmiert eine Stadt in diesem Zusammenhang im Gegensatz zur Siedlung als ,,eine umfassend ausgestattete Ansiedlung mit einem baulich-symbolischen Machtzentrum und einer Arbeitsteilung (meist wird Landwirtschaft vom Handwerk getrennt).“ Die Unterscheidung von Stadt und Land lasst sich somit durch die gesellschaftliche Ausdifferenzierung in verschiedene soziale Gruppen mit ungleichen Machtpotentialen defmieren, welche sich uber das Soziale hinaus auch raumlich manifestieren.11 Vor allem in der islamischen Kultur sind Machtdemonstrationen von Herrschern durch das Anlegen von Garten bekannt und historisch gut belegt.12 Daruber hinaus wurden landwirtschaftlich gepragte Nutzgarten angelegt, welche vorrangig der Nahrungsmittelproduktion dienten. Somit haben Garten seitjeher eine doppelte Funktion - einerseits zur Nahrungsmittelproduktion fur die Versorgung der Gesellschaft andererseits zur Machtdemonstration und als asthetisches Gestaltungsmittel, was haufig mit religios-philosophischen Uberlegungen einhergeht.13

Infolge der industriellen Revolution und dem damit verbundenen Prozess der Urbanisierung kommt es zu tiefgreifenden Neustrukturierungen im Gefuge des gesellschaftlichen Lebens. Von diesen Veranderungen waren vor allem die Arbeitswelt und der Alltag der Menschen stark betroffen. Damit einher ging die Trennung der Landwirtschaft in landlichen Regionen von den parkartigen Garten in der Stadt, welche speziell zur Erholung der arbeitenden Bevolkerung angelegt wurden. Kleingartenformate zur Versorgung der Menschen mit Obst und Gemuse waren in dieser Phase in geringer Auspragung ebenfalls bereits vorhanden. Die Stadtgarten entfalten und verandern sich im Zuge der historischen Entwicklungen immer wieder. Die Nahrungsmittelproduktion durch den Anbau von Obst und Gemuse in den innerstadtischen Kleingarten war stetigen historischen und gesellschaftlichen Veranderungen ausgesetzt, dennoch blieb sie durch alle Schwankungen hindurch bestehen, auch weil der Wunsch des Menschen nach dem Aufenthalt im Grunen sowie die Lust an gartnerischen Tatigkeiten uber alle Epochen hinweg erhalten blieb.14

[...]


1 Den Vereinten Nationen gehoren seit 2011 193 Staaten an. Das sind fast alle Staaten der Welt. Die Charta der Vereinten Nationen ist am 24. Oktober 1945 in Kraft getreten und kodifiziert die Themen Menschenrechte, Grundfreiheiten im globalen Rahmen sowie zahlreiche Friedenssatze und verschiedene globale Probleme. Die Vereinten Nationen sind die einzige Organisation mit universeller Akzeptanz. Vgl.: (https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen- und-fakten/globalisierung/52796/un)

2 Vgl.: (Ingrid Breckner, 2018)

3 Vgl.: (IngridBreckner, 2018)

4 Vgl.: (Low etal.,2008, 10f.)

5 Vgl.: auch: (Low et al., 2008, 11)

6 Vgl.: (Low etal.,2008, 11)

7 Vgl.: (HauBermann, 2000) zit. nach: (Luders, 2014, 26)

8 Vgl.: (HauBermann/ Siebel, 1995) zit. nach: (Low et al., 2008, 11)

9 Vgl.: (Low,et al.,2008, 12)

10 Vgl.: (Luders, 2014, 33), (Low et al., 2008, 14)

11 Vgl.: (Lowet al.,2008, 14)

12 Vgl.: (Kandler, 1995, 28), zit. nach: (Luders, 2014, 33)

13 Wie etwa die englische Gartentradition oder die botanischen Garten. Vgl.: (Betz, 1995) Fur die religios-asthetische Gartenkultur

14 Vgl.: (Tessin, 1994) Fur eine ganzheitliche Darstellung der stadtischenNutzgarten vomMittelalterbis zum 20. Jhd.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Urban Gardening. Die Bedeutung der Gärten für eine nachhaltige Stadtentwicklung
Hochschule
Technische Universität Berlin  (Soziologie)
Veranstaltung
freie Hausarbeit - Soziologie - Stadt Umwelt Natur
Note
2.0
Autor
Jahr
2021
Seiten
25
Katalognummer
V1240143
ISBN (eBook)
9783346666055
ISBN (Buch)
9783346666062
Sprache
Deutsch
Schlagworte
nachhaltige Stadt, urban gardening, stadtsoziologie, historischer kontext Stadtgärten, Nachhaltigkeit
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts Viktoria Kinzelt (Autor:in), 2021, Urban Gardening. Die Bedeutung der Gärten für eine nachhaltige Stadtentwicklung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1240143

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