Die Schönheit als Erfahrung der Freiheit. In Schillers Briefen "Über die ästhetische Erziehung des Menschen"


Hausarbeit, 2019

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhalt

1. Einleitung

2. Schillers Zeitalter: Seine Zivilisationskritik

3. Antike als Idealform der Gesellschaft

4. Schiller inmitten fehlender oder verdorbener Zivilisation
4.1. Vom Wilden und Barbaren hin zum gebildeten Menschen
4.2. Lösungsansatz: Ausbildung des Empfindungsvermögens

5. Schillers Kunstideal und Schönheitsbegriff

6. Die Doppelnatur des Menschen: Stofftrieb und Formtrieb

7. Der Spieltrieb und der ästhetische Zustand

8. Schillers Freiheitsbegriff

9. Der ästhetische Staat: Ideal, Utopie oder reale Erfahrung?

10. Schlusswort

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„…es [ist] die Schönheit […], durch welche man zu der Freiheit wandert.“1 Dieser Satz ist einer der wichtigsten in Schillers Briefen über die ästhetische Erziehung und führt mich zu meiner These: Durch die Erfahrung der Schönheit erlangen wir die Freiheit. Das Thema der vorliegenden Hausarbeit ist die Ausarbeitung von Schillers Theorie der ästhetischen Erziehung mithilfe seiner Briefe „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“. Hauptfragen, die beleuchtet werden, sind: In welcher Beziehung stehen Schönheit und Freiheit zueinander und wie ist der Zusammenhang vom Schönen und der Kunst? Schillers Theorie über die ästhetische Erziehung des Menschen ist bis heute relevant, da die zunehmend negative Veränderung der Gesellschaft, die er so beklagt, bis heute stattfindet. Das Hauptproblem sind die Entindividualisierung und der rasante Fortschritt seit Beginn der Industrialisierung. Der Einzelne geht immer mehr in der Masse der Allgemeinheit unter, da der Fortschritt der Menschheit höher gewertet wird als die Verwirklichung des Einzelnen.

Zu Anfang wird das Thema in einen geschichtlichen Rahmen gesetzt, da die Briefe vermutlich einen politischen Entstehungskontext haben. Dadurch bekommt man einen Einblick in Schillers Zeitalter und die Hauptthemen, die dieses kennzeichneten, wie die Französische Revolution. Im Fokus steht dabei Schillers Zivilisationskritik in Zusammenhang mit dem Terror zu Zeiten der Revolution sowie deren Ziele und mangelhafte Umsetzung, welche er beklagt und woraus er Verbesserungsvorschläge für seine eigene Theorie ableitet. Dann wird Schillers Ideal einer Gesellschaft vorgestellt, um die starke Veränderung der Gesellschaft der Antike bis hin zu Schillers Zeitalter herauszustellen. Im Anschluss gehen wir von der Zivilisationskritik in Bezug auf die Revolution über zu Schillers Theorie, die diese Zivilisationskritik aufgreift mit den Begriffen „fehlende“ und „verdorbene Zivilisation“ sowie „Wilder“ und „Barbar“. Dann folgt eine genaue Betrachtung von Schillers Kunstideal und seinem Schönheitsbegriff. Im Folgenden wird die sogenannte „Doppelnatur des Menschen“, bestehend aus Spiel- und Stofftrieb erklärt und erweitert um die Begriffe des „Spieltriebs“, der die entgegengesetzten Naturen des Menschen versöhnen soll, und des „ästhetischen Zustands“, der Zielzustand den es zu erreichen gilt, um durch die Schönheit zur Freiheit zu gelangen. Darauf folgend erläutert diese Arbeit den Freiheitsbegriff nach Schiller. Zum Ende der Hausarbeit wird Schillers Theorie auf die Staatsebene ausgeweitet: Ist der „ästhetische Staat“ Ideal, Utopie oder eine reale Erfahrung?

2. Schillers Zeitalter: Seine Zivilisationskritik

SchillersBriefe über ästhetische Erziehunglassen einen politischen Entstehungskontext vermuten. Er steht unter dem Eindruck des Terrors zur Zeit der Französischen Revolution. „Wie vielen anderen gilt auch ihm die Enthauptung des Königs als das entscheidende Ereignis, das den Umschlag von Vernunft und Freiheit in blutige Gewalt besiegelt und die Ideen der Revolution unter sich begraben hat.“2 Schillers Kritik an der Französischen Revolution richtet sich nicht an das Ideal beziehungsweise die Ziele der Revolution, sondern an deren Umsetzung und Folgen. Er erforscht die Gründe für das Scheitern und findet eine Erklärung:

[…]: von den Fesseln des alten Systems befreit, sind die Menschen nicht über Nacht auch schon wirklich frei. Sie sind nicht frei, sondern nur im wahrsten Sinneent-fesselt– sei es in Gestalt des wilden Mob auf der Straße, der seinen elementaren Trieben freien Lauf läßt, sei es in der barbarischen Gestalt derer, deren aufgeklärte „Grundsätze“ alle Gefühle zerstören.3

Die Menschen waren noch nicht reif für diese Revolution und haben daher notwendige Bildungsprozesse nicht durchlaufen, die sie dazu befähigt hätten, mit ihrer neugewonnen Freiheit umzugehen. Das Problem an der Französischen Revolution ist, dass der Naturstaat und dessen Ständegesellschaft durch den Vernunftstaat der Republik abgelöst werden sollte, jedoch nur ein moralischer Idealstaat errichtet wurde, der die existenzsichernde Grundlage des Naturstaats mit einem Mal beendete. Stefan Matuschek schreibt hierzu ergänzend:

Es kann einen Zustand bloßer Gewaltherrschaft (Naturstaat) ohne vernunftgeleitet moralische Dimension geben, in dem aber immerhin die existentiellen Bedürfnisse der Menschen befriedigt sind. Es kann aber umgekehrt keinen bloßen Vernunftstaat geben, der sich moralisch auf Gesetze gründet, ohne zugleich die existentiellen Bedürfnisse seiner Bürger zu sichern. Ein solcher Staat könnte nicht existieren.4

Schiller sieht die Entwicklung vom Natur- zum Vernunftstaat als unumgänglichen Fortschritt an. Sein Lösungsansatz beinhaltet also auch einen Wechsel der Staatsform, aber dabei soll die Existenzsicherung durch den Staat nicht verloren gehen.5

Schiller beschreibt den modernen Menschen als einen Menschen mit gebrochenem Bewusstsein. Mit dem gebrochenen Bewusstsein meint Schiller die innere Zerrissenheit des Menschen, der von seinen zwei nicht harmonisierenden Teilen auseinander gerissen wird: Verstand und Gefühl, Rationalität und Irrationalität, Individuum und Gemeinschaft… . Die einseitige Verstandeskultur in der Französischen Revolution führte zu einem Ungleichgewicht, da der dualistische Charakter des Menschen nicht beachtet wurde. Es fand eine (nicht ausreichende) Kultivierung durch die Verstandeskultur statt, die die Gefühlswelt völlig außer Acht ließ. Die Disharmonie, die so im Menschen erzeugt wurde, überträgt sich auf seine Außenwelt. Für Schiller ist die Totalität des Individuums elementar, er strebt eine Harmonisierung beider Teile an.

Das Scheitern der Französischen Revolution regt Schiller zu einer umfassenden Zivilisationskritik an. Schiller sieht den Fortschritt der Menschheit als Verlust des Individuums. Unsere Gesellschaft ist bedacht auf Fortschritt, diesen erreichen wir durch die Spezialisierung und Technisierung. Um den permanenten Fortschritt zu gewährleisten, muss das Individuum seine Totalität zum Wohl der Gemeinschaft opfern. Stefan Matuschek fasst Schillers Zivilisationskritik so zusammen:

Je weiter sich die Menschheit insgesamt entwickelt, desto enger schränkt sich das Individuum auf einen Ausschnitt dieser Entwicklung ein. Der Fortschritt der Gattung ist mit der Einengung der Individuen erkauft. […] Je intensiver die Menschen spezielle Fertigkeiten ausbilden, desto weiter wächst das Vermögen der Menschheit insgesamt, aber desto geringer wird der Anteil, den der einzelne daran hat. Das Individuum gewinnt im Detail, um im Ganzen zu verlieren. Je mehr es sein spezielles Können intensiviert, desto einseitiger und ärmer wird es.6

Diese Entwicklung führt laut Schiller dazu, dass sich Individuum und Staat voneinander entfremden. Er sucht nach einem Heilmittel, nach einem Verbindungsglied, dass diese Entwicklung rückgängig macht. Bei der Entwicklung seiner Theorie der ästhetischen Erziehung erkennt er, was verändert werden muss: „Das politische Problem, die Schaffung eines freiheitlichen Staates, sei nicht politisch, das heißt durch eine äußere Veränderung der Herrschaftsform, sondern nur durch innere Charakterbildung zu lösen.“7 An diesem Punkt setzt SchillersÄsthetische Erziehungan. „Die Ästhetik soll leisten, was in der politischen Revolution mißlungen ist: die gewaltlose Herbeiführung einer freien Gesellschaft.“8

3. Antike als Idealform der Gesellschaft

Da die gegenwärtige Entwicklung der Gesellschaft so negativ verläuft, kehrt Schiller zum dem Ausgangspunkt zurück, an dem er die Gesellschaft für Ideal hielt: In die griechische Antike. Sie dient als Vorbild und stärkster Kontrast gegenüber der Gesellschaft der Französischen Revolution.

Denn zu der ehemaligen Simplizität, die das praktisch-politische Leben und die menschliche Kultur des Altertums kennzeichnet, führt kein Weg zurück aus einer Gesellschaft, die durch die Folgen der Differenzierung und Spezialisierung menschlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten in allen Bereichen geprägt ist.9

[...]


1 Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen. Erste Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2009 (=Suhrkamp Studienbibliothek 16), S.13.

2 Sandkaulen, Birgit: Schönheit und Freiheit, Schillers politische Philosophie. In: Schiller im Gespräch der Wissenschaften, hg. von Klaus Manger und Gottfried Willems. Band 11. Heidelberg: Universitätsverlag Winter GmbH 2005 (= Ereignis Weimar-Jena Kultur um 1800 Ästhetische Forschungen), S. 48.

3 Ebenda, S. 48.

4 Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen. Erste Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2009 (=Suhrkamp Studienbibliothek 16), S. 158.

5 Vgl. ebenda, S. 158-159.

6 Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen. Erste Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2009 (=Suhrkamp Studienbibliothek 16), S. 164.

7 Ebenda, S. 167.

8 Ebenda , S. 144.

9 Muehlbeck-Müller, Cathleen: Schönheit und Freiheit, Die Vollendung der Moderne in der Kunst, Schiller – Kant. Band 36. Würzburg: Königshausen und Neumann 1989 (= Epistemata: Würzburger wissenschaftliche Schriften, Reihe Literaturwissenschaft), S. 187.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Schönheit als Erfahrung der Freiheit. In Schillers Briefen "Über die ästhetische Erziehung des Menschen"
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Note
1,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
17
Katalognummer
V1240191
ISBN (eBook)
9783346664419
ISBN (Buch)
9783346664426
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schiller, Über die ästhetische Erziehung, Schönheit, Freiheit, Zivilisation, Zivilisationskritik, ästhetischer Staat, Ästhetik, Spieltrieb, Formtrieb, Stofftrieb, ästhetischer Zustand, Ideal, Utopie, Gesellschaft
Arbeit zitieren
Kim Dovern (Autor:in), 2019, Die Schönheit als Erfahrung der Freiheit. In Schillers Briefen "Über die ästhetische Erziehung des Menschen", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1240191

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