Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Migrationshintergrund
3. Verteilung von Migranten auf Schulform
4. Zur Bedeutung von Bildung
4.1 Zur Funktion von Schule
4.2 Schule als Reproduktionsort von sozialen Ungleichheiten
5. Mechanismen institutioneller Diskriminierung
5.1 Das Leistungsprinzip
5.2 Soziale Herkunft
5.3 Bilingualität als Nachteil
6. LAU- Studie
6.1 Folgen der Bildungsbenachteiligung
6.2 Handlungsbedarfe des deutschen Bildungssystem
7. Fazit
Literatur
Internetquellen
1. Einleitung
Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland heißt es in Artikel 3 Absatz 3:
„Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“ (Art. 3(3) GG)
Gleichzeitig gilt das Recht auf Bildung nach Artikel 28 der UN- Kinderrechtskonvention. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus: Vergleichsstudien wie Pisa zeigen, dass Kinder mit Migrationshintergrund seltener das Gymnasium oder eine Hochschule besuchen und einen niedrigeren Bildungsabschluss erreichen als Kinder ohne Migrationshintergrund. Auch der sozioökonomische Hintergrund scheint eine Rolle bei den Bildungschancen der Kinder zu spielen. Bildungsbeteiligung und Bildungserfolg hängen somit unter anderem von sozialer Herkunft und Migrationshintergrund ab. Die berufliche und gesellschaftliche Integration ist dadurch gefährdet, weitere Risikofaktoren wie Arbeitslosigkeit, Armut und sozialer Abstieg sind zu verzeichnen. Auswirkungen von Bildungsungleichheit betreffen somit nicht ausschließlich die Migranten, auch für die Gesellschaft in Deutschland sind negative Folgen erwartbar.
In der vorliegenden Arbeit möchte ich mögliche Gründe der Chancenungleichheit ergründen und die Schule in Hinblick auf ihre (Re-)Produktion von sozialen Ungleichheiten sowie Bildungsungleichheit untersuchen. Bedeutender Faktor sind dabei die Selektionsprozesse, die homogene Lerngruppen anstreben.
Zunächst werde ich auf die Bedeutung von Bildung in unserer Gesellschaft eingehen und somit auf die Bedeutung der Institution Schule. Des Weiteren werde ich die organisatorisch-strukturellen Bedingungen von Schulen thematisieren und die Mechanismen herausarbeiten, welche eine Diskriminierung von Migranten verursachen können. Wichtig hierbei ist der Umgang mit Heterogenität und Diversität im Kontext von Schule.
Gesellschaftlich diskutiert wird die Problematik von ungleichen Bildungschancen spätestens seit den schlechten Pisa-Ergebnissen im Jahr 2000 und späteren Jahren. Ihre Relevanz nimmt aufgrund steigender Zuwanderung und zunehmender Diversität im Klassenzimmer zu. Um einer Verschärfung der Bildungsdiskriminierung und damit einhergende gesellschaftliche Auswirkungen zu verhindern, sind politische, strukturelle und schulinterne Veränderungen nötig. In der folgenden Arbeit werde ich auf den schulpolitischen Handlungsbedarf eingehen, der eine positive Entwicklung fördern kann.
2. Migrationshintergrund
"Eine Person hat dann einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren ist."
Die Definition umfasst im Einzelnen folgende Personen:
1. zugewanderte und nicht zugewanderte Ausländer;
2. zugewanderte und nicht zugewanderte Eingebürgerte;
3. (Spät-)Aussiedler;
4. mit deutscher Staatsangehörigkeit geborene Nachkommen der drei zuvor genannten Gruppen (vgl. Statistisches Bundesamt 2017).
Ein in Deutschland geborenes Kind mit deutscher Staatsangehörigkeit hat somit einen Migrationshintergrund, wenn mindestens ein Elterteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde. Erst in der zweiten Generation ist die Geburt eines Kindes ohne Migrationshintergrund möglich, wenn beide Elterteile in Deutschland geboren sind.
Im Jahr 2016 hatten 18,6 Millionen der insgesamt 82,4 Millionen Einwohner in Deutschland einen Migrationshintergrund. Somit hat gut jeder fünfte Einwohner Deutschlands einen Migrationshintergrund (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2016).
3. Verteilung von Migranten auf Schulform
Schülerinnen und Schüler (im Folgenden SuS) mit Migrationshintergrund sind an Realschulen und besonders an Gymnasien unterrepräsentiert. An Hauptschulen waren die Migranten im Schuljahr 2016/2017 mit 23,3%, an Realschulen mit gerade einmal 7,7% vertreten. An Gymnasien hatten 4,8% der SuS einen Migrationshintergrund, an Intergrierten Gesamtschulen 11,1%. Des Weiteren sind diese Schüler deutlich überrepräsentiert an Förderschulen (10,2%) und Abendhauptschulen (55,4%). Somit werden Abendschulen zur Nach- oder Weiterqualifizierung eher von Ausländern als von Deutschen genutzt, was sicherlich auch darauf zurückzuführen ist, dass der Anteil an Personen, welche die Schule ohne einen Abschluss verlassen, bei den Ausländern deutlich höher ist als bei den Deutschen (vgl. Statistisches Bundesamt 2017).
Auch der erreichte Bildungsabschluss der Eltern hat Auswirkungen auf die besuchte Schulform der Kinder. Von 43,3% der SuS an der Hauptschule besuchten auch die Eltern schon diese Schulform. Gerade einmal 7,1% von ihnen gelingt der Besuch eines Gymnasiums (vgl. Statistisches Bundesamt 2016).
Diese Zahlen zeigen, dass sowohl ein Migrationshintergrund als auch der sozioökonomische Hintergrund eine Rolle bei der besuchten Schulform als auch beim Bildungsabschluss spielt. Eine besonderer Risikofaktor stellt ein Migrationshintergrund und ein geringer sozioökonomischer Status dar, zumal Personen mit Migrationshintergrund häufig einen ungünstigeren sozialen Status aufweisen als Personen ohne Migrationshintergrund (vgl. Bildungsbericht 2006).
4. Zur Bedeutung von Bildung
Bildung wird aus soziologischer, sozialphilosophischer, rechtlicher, erziehungswissenschaftlicher und sozialpädagogischer Perspektive als Postulat der Gerechtigkeit diskutiert (vgl. Bos u.a. 2015, S.10).
In unserer modernen Leistungsgesellschaft gilt Bildung als zentrale Ressource für die Teilnahme am ökonomischen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben. Der Beruf und die damit verbundenen Arbeitsmarktchancen haben Einfluss auf das Einkommen, Lebensstandart, gesellschaftliche Stellung und Verwirklichungsmöglichkeiten.
Laut dem französischen Soziologen Pierre Bourdieu minimiert das erworbene „Bildungskapital“ gesellschaftliche Risiken wie Arbeitslosigkeit, Armut, Krankheit und Kriminalisierung (Vgl. Rainer Geißler, Die Sozialstruktur Deutschlands, Wiesbaden 20085, S. 280ff.; Konsortium Bildungsberichterstattung (Hrsg.), Bildung in Deutschland, Bielefeld 2006, S. 181ff. ).
[...]